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Mit der Dessau-Wörlitzer Eisenbahn ins Gartenreich Dessau-Wörlitz

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Die Dessau-Wörlitzer Eisenbahn ist eine historische Eisenbahnstrecke in Sachsen-Anhalt, Deutschland. Sie verbindet die Städte Dessau-Roßlau und Wörlitz und wurde 1864 eröffnet. Diese Eisenbahnlinie war eine der ersten, die hauptsächlich touristischen Zwecken diente, indem sie Besuchern den Zugang zum Dessau-Wörlitzer Gartenreich ermöglichte, einem bedeutenden Landschaftspark und UNESCO-Welterbe. Der Park wurde im 18. Jahrhundert angelegt und ist ein herausragendes Beispiel für die Gartenkunst dieser Zeit.

Die Strecke ist 19,6 Kilometer lang und führt durch eine malerische Landschaft, die sowohl natürliche als auch kulturelle Sehenswürdigkeiten bietet. Während des 19. Jahrhunderts erlebte die Eisenbahn eine Blütezeit, da sie eine bequeme und effiziente Reisemöglichkeit für Touristen bot, die das Gartenreich besuchen wollten. Der Einsatz von Dampfzügen trug zur Popularität der Strecke bei und machte sie zu einem wichtigen Teil der regionalen Infrastruktur.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts nahm die Bedeutung der Dessau-Wörlitzer Eisenbahn ab, da der Autoverkehr und andere Transportmittel zunehmend bevorzugt wurden. Dennoch blieb die Strecke in Betrieb und wurde schließlich in den 1990er Jahren zu einer Museumsbahn umgewandelt. Heute wird die Strecke vor allem für touristische Zwecke genutzt, wobei historische Züge nostalgische Fahrten anbieten. Diese Züge bestehen oft aus restaurierten Dampflokomotiven und Waggons aus der Blütezeit der Eisenbahn, was den Fahrten einen besonderen Charme verleiht.

Die Museumsbahnfahrten sind besonders während der Sommersaison und zu besonderen Anlässen beliebt. Sie bieten nicht nur ein Transportmittel, sondern auch ein Erlebnis, das die Geschichte und Kultur der Region lebendig hält. Die Fahrgäste können während der Fahrt die schöne Landschaft genießen, die von Feldern, Wäldern und historischen Gebäuden geprägt ist. Die Strecke bietet auch zahlreiche Fotomöglichkeiten, insbesondere bei der Durchfahrt durch den Wörlitzer Park und die Überquerung der Mulde.

Neben den touristischen Fahrten spielt die Dessau-Wörlitzer Eisenbahn auch eine Rolle im kulturellen Leben der Region. Regelmäßig finden Sonderfahrten und Veranstaltungen statt, die verschiedene Themen aufgreifen, von historischen Nachstellungen bis hin zu kulinarischen Erlebnissen an Bord der Züge. Diese Veranstaltungen tragen zur Attraktivität der Eisenbahn bei und ziehen Besucher aus nah und fern an.

Die Erhaltung und der Betrieb der Dessau-Wörlitzer Eisenbahn erfordern erhebliche Anstrengungen. Freiwillige und Eisenbahnliebhaber engagieren sich in der Wartung der Strecke und der historischen Züge. Ihre Arbeit stellt sicher, dass diese wertvolle kulturelle Einrichtung auch für zukünftige Generationen erhalten bleibt. Unterstützt wird dies durch verschiedene Vereine und Organisationen, die sich für den Erhalt der Eisenbahngeschichte in der Region einsetzen.

Insgesamt ist die Dessau-Wörlitzer Eisenbahn ein faszinierendes Beispiel für die Verbindung von Geschichte, Kultur und Tourismus. Sie bietet nicht nur eine Reise in die Vergangenheit, sondern auch eine einzigartige Möglichkeit, die Schönheit und das kulturelle Erbe von Sachsen-Anhalt zu erleben. Die Strecke bleibt ein bedeutendes Symbol für die Entwicklung des Tourismus und die Bedeutung der Eisenbahn in der regionalen Geschichte.

Ein Zeppelin über Erfurt – Der verlorene Stummfilm aus dem kleinsten Kino der DDR

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Über den Dächern der Landeshauptstadt schwebt ein Luftschiff, sein mächtiger Schatten zeichnet sich auf Pflastersteinen und Fachwerkhäusern ab. Szenen wie diese hält ein bis heute nahezu unbekannter Stummfilm fest: „Zeppelin über Erfurt und vieles mehr“. Jahrzehntelang schlummerte das wertvolle Zeitdokument im beschaulichen Filmarchiv des Erfurter Familienbetriebs Lustermann, wo es nur einem erlesenen Kreis im sogenannten „Kleinsten Kino der DDR“ gezeigt wurde.

Zuhause im Filmstudio LustermannMitten in der Gartenstraße (später: Grafengasse) betrieben die Brüder Erich und Walter Lustermann ihr Privattheater: Ein schmaler Raum ohne Fenster, ausgestattet mit rotem Samtvorhang, goldverzierten Wandleuchten und einigen handverlesenen Sesseln. Zum Signalton des antiken Kino-Gongs erloschen die Lichter, und der Eimer Wasser neben dem Projektor garantierte, dass im Notfall die brisante Filmrolle schnell gelöscht werden konnte.

Erich Lustermann stand als Kommentator am Podium und ergänzte die stummen Aufnahmen mit heiteren, zugleich informativen Erläuterungen. Sein Bruder Walter, der die Szenen mit der Handkamera eingefangen hatte, hütete das Gerät wie einen Schatz – jede Vorführung war für ihn eine Zerreißprobe zwischen Stolz und Angst.

Ein verborgenes ZeitzeugnisDer Film zeigt nicht nur den über Erfurt kreisenden Zeppelin, sondern auch Straßenszenen, Menschen bei der Arbeit und festliche Anlässe. Wer seine Urheber waren, bleibt bis heute im Dunkeln. Auch Auftraggeber oder Produktionsfirma sind nicht verzeichnet. Dennoch erzählt das Werk von einer Epoche des Aufbruchs und der Technikbegeisterung in Mitteldeutschland.

Vom Familienarchiv ins StadtarchivIm Jahr 2015 übergaben die letzten Angehörigen der Lustermänner das Filmmaterial ans Stadtarchiv Erfurt. Dort lagert es seither in sicherer Obhut – digitalisiert und konservatorisch betreut. Eine erste Projektion ist für dieses Jahr im Rahmen einer historischen Filmreihe geplant.

Wissenschaftliche und kulturelle BedeutungHistoriker und Filmenthusiasten sehen in dem Alt-Erfurt-Film einen Schatz für die Lokalgeschichte. Er liefert einmalige Einblicke in das Alltagsleben der Stadt und verdeutlicht die Technikfaszination jener Zeit. Zugleich erinnert die handgeführte Kamera daran, wie aufwendig und riskant Filmvorführungen vor dem Zeitalter digitaler Medien waren.

AusblickWer das Stummfilmkino neu entdecken möchte, kann sich auf eine kuratierte Präsentation im Stadtarchiv freuen. Experten erhoffen sich, durch Bildanalyse und stilistische Vergleiche Anhaltspunkte für die genaue Datierung und Herkunft des Films zu gewinnen. Bis dahin bleibt „Zeppelin über Erfurt und vieles mehr“ ein faszinierendes Fragment aus der frühen Filmgeschichte Erfurts.

Magdeburg in den 70ern und heute in Bildern illustriert

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Magdeburg in den 1970ern
In den 1970er Jahren war Magdeburg eine bedeutende Industriestadt in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Geprägt von Schwerindustrie und Maschinenbau, war die Stadt ein zentrales Produktionszentrum der DDR. Der größte Arbeitgeber war das Schwermaschinenkombinat „Ernst Thälmann“ (SKET), das weltweit für seine Maschinen bekannt war. Die industrielle Dominanz prägte nicht nur die Wirtschaft, sondern auch das Stadtbild und das soziale Leben der Stadtbewohner.

Das Leben in Magdeburg während der 70er Jahre war stark von der sozialistischen Ideologie der DDR geprägt. Die Stadtentwicklung konzentrierte sich auf den Wiederaufbau nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs sowie auf den Ausbau von Wohnkomplexen und Infrastrukturprojekten. Plattenbauten, die typisch für den sozialistischen Wohnungsbau waren, prägten das Stadtbild. Kultur und Freizeit waren ebenfalls stark staatlich gelenkt, mit Betonung auf sozialistische Bildung und Erziehung. Der Alltag der Bürger war geprägt von kollektiven Aktivitäten und einer zentral gesteuerten Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik.

Während dieser Zeit gab es jedoch auch bedeutende Herausforderungen. Die Umweltverschmutzung durch die industrielle Produktion war ein großes Problem, und die Lebensqualität litt unter den Auswirkungen der Luft- und Wasserverschmutzung. Trotz dieser Probleme bot die Stadt eine Vielzahl von Arbeitsplätzen und hatte eine stabile wirtschaftliche Basis.

Magdeburg heute
Heute hat sich Magdeburg erheblich verändert. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 durchlief die Stadt eine tiefgreifende Transformation. Die Schwerindustrie verlor an Bedeutung, und viele Fabriken und Betriebe wurden geschlossen oder privatisiert. Der Übergang zur Marktwirtschaft brachte zunächst wirtschaftliche Schwierigkeiten, aber auch neue Chancen.

Die Stadt hat sich von einem industriellen Zentrum zu einem vielfältigen Wirtschafts- und Dienstleistungsstandort entwickelt. Wichtige Branchen heute sind Maschinenbau, Logistik, Gesundheitswesen und Forschung. Die Otto-von-Guericke-Universität, die 1993 gegründet wurde, ist ein bedeutender Motor für Forschung und Innovation in der Stadt.

Die Stadtentwicklung hat sich seit den 1990er Jahren stark auf die Revitalisierung und Modernisierung der urbanen Infrastruktur konzentriert. Zahlreiche alte Industrieanlagen wurden abgerissen oder umgenutzt, und moderne Wohn- und Geschäftsviertel sind entstanden. Magdeburg hat auch große Anstrengungen unternommen, um die Umweltschäden der Vergangenheit zu beheben und nachhaltige Stadtentwicklung zu fördern.

Die kulturelle Landschaft Magdeburgs ist heute vielfältig und lebendig. Theater, Museen, Musikfestivals und andere kulturelle Veranstaltungen ziehen sowohl Einheimische als auch Touristen an. Sehenswürdigkeiten wie der Magdeburger Dom, das Hundertwasserhaus (Grüne Zitadelle) und der Elbauenpark sind bedeutende Attraktionen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Magdeburg sich von einer industriellen sozialistischen Stadt zu einer modernen, vielfältigen und lebendigen Stadt entwickelt hat. Die Herausforderungen der Vergangenheit wurden angegangen, und die Stadt blickt optimistisch in die Zukunft, geprägt von Innovation, Kultur und einem verbesserten Lebensumfeld für ihre Bürger.

Im Schatten des Überwachungsstaates: Die Methoden der Stasi in der DDR

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Als „Schild und Schwert der Partei“ war das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) das zentrale Instrument der SED-Diktatur, um Macht zu sichern und politische Kontrolle auszuüben. Mit einem dichten Netz aus hauptamtlichen Mitarbeitern und Hunderttausenden Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) durchzog die Stasi alle Bereiche des Lebens in der Deutschen Demokratischen Republik. Dieser Beitrag beleuchtet, wie der Geheimdienst arbeitete, welche psychologischen und technischen Mittel er einsetzte – und wie sein Erbe noch heute spürbar ist.

Entstehung und politischer Auftrag
Unmittelbar nach Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 formierte die SED einen eigenen Geheimdienst, um innere und äußere Feinde zu bekämpfen. Unter Verweis auf die „naturgesetzliche Entwicklung zum Sozialismus“ rechtfertigte die Partei jede Maßnahme als notwendig für das „größere Ganze“. Ab 1950 traten die ersten Organisationseinheiten zusammen, ehe sich 1955 offiziell das „Ministerium für Staatssicherheit“ formierte. Die Stasi verstand sich als verlängerter Arm der SED: Ihre Befehle kamen direkt aus dem Zentralkomitee, die Verantwortung blieb stets politisch.

Ausmaß der Überwachung und Repression
In den 1980er-Jahren umfasste die Stasi schätzungsweise 90.000 hauptamtliche Mitarbeiter und knapp 190.000 IMs. Fast jede größere Stadt, jede Institution und selbst manche Familie war in das Überwachungssystem einbezogen. Wer studieren, ins Ausland reisen oder beruflich aufsteigen wollte, musste sich jährlichen Sicherheitsüberprüfungen unterziehen.

  • Abhörtechniken und Postkontrolle: Mit ausgeklügelten Horchposten in Telefonleitungen sowie verdeckten Kameras in Privatwohnungen und öffentlichen Ämtern fingen Techniker Gespräche und Dokumente ab. Die Post wurde systematisch geöffnet und ausgewertet.
  • Psychologische Kriegführung („Zersetzung“): Keine offene Gewalt, sondern heimliches Einwirken auf Psyche und soziale Beziehungen. Verbreitung von Gerüchten, gezielte Falschinformationen, manipulative Briefe oder nächtliche Hausbesuche sollten Betroffene verunsichern, isolieren oder in den sozialen Ruin treiben.
  • Rechtliche Spielräume: Die Stasi operierte jenseits rechtsstaatlicher Kontrollmechanismen. Verhaftungen, Hausdurchsuchungen oder Gefängnisstrafen erfolgten ohne ordentlichen Gerichtsprozess, oft allein auf Basis von Verdachtsmomenten.

Die größte Stärke der Stasi war ihr doppeltes Personalmodell:

  • Hauptamtliche Mitarbeiter: Professionelle Offiziere, Techniker, Juristen und Verwaltungskräfte.
  • Inoffizielle Mitarbeiter (IM): Spitzel aus allen Gesellschaftsschichten – Nachbarn, Lehrer, Arbeitskollegen, sogar Familienmitglieder.
    Die IM lebten vor allem vom Identitätsverlust ihrer Opfer: Misstrauen und Angst wurden zur Waffe, Freundschaften und familiäre Bindungen zerbrachen. Vergünstigungen wie ein schnelleres Auto oder ein eigenes Telefon lockten zum Verrat. Kaum jemand war davor gefeit, ins Visier der Stasi zu geraten: Politisch Andersdenkende, aber ebenso Westkontakte, Kirchgänger oder Konsumenten westlicher Kultur.

Außenaufklärung und Spionage im Westen
Auch in der Bundesrepublik unterhielt die Stasi ein weit verzweigtes Spionagenetz. Schätzungen gehen von rund 12.000 Westagenten aus – vornehmlich männliche Fach- und Führungskräfte, deren Geheimnistransfer als besonders lohnendes Ziel galt. Kristallisationspunkte der Aufklärung waren mehrfach enttarnte „Spionagesekretärinnen“ in Ministerien. Doch weitaus wirkungsvoller waren Hochschuldozenten, Journalisten oder Bundestagsabgeordnete, die Papiere kopierten, Vertrauliches weiterreichten und so Einblicke in militärische wie wirtschaftliche Planungen lieferten.

Der Niedergang und die Aktenzersplitterung
Mit den Montagsdemonstrationen ab Herbst 1989 verlor die Stasi ihre Rückendeckung. Die Bilder vom Sturm auf die Zentrale in der Berliner Normannenstraße am 15. Januar 1990 symbolisieren das Ende: Bürgerrechtler drangen in den Komplex ein, Aktenlabore wurden gestürmt, Stasi-Offiziere flohen. In den folgenden Wochen vernichteten Mitarbeiter Millionen Akten, zerschnitten Dokumente und schmolzen Datenträger ein. Dennoch blieben genug Schnipsel erhalten, um die spätere Aufarbeitung zu ermöglichen.

Nachwirkung und Aufarbeitung
Bereits 1990 gründete der damalige Bundestagspräsident Joachim Gauck die Behörde „Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes“ (BStU). Mit Marianne Birthler und Roland Jahn an der Spitze wurden Millionen Akten für Opfer zugänglich gemacht. Bis heute wird an der Rekonstruktion der zerrissenen Blätter gearbeitet, während zeitgleich ehemalige IM enttarnt und in Einzelfällen strafrechtlich belangt werden. In der öffentlichen Debatte mahnen Betroffene: „Vergessen ist Verrat an der Wahrheit“, und fordern, die Mechanismen von Überwachung nie wieder zuzulassen.

Der Geheimdienst der DDR war mehr als eine Behörde – er war das Rückgrat einer Diktatur, die Leben zerstörte und Gesellschaft misstrauisch machte. Seine Methoden reichen von technologischer Spionage bis zur psychologischen Zersetzung, von brutaler Repression bis zu subtiler Einflussnahme. Auch 35 Jahre nach seinem Ende ist die Auseinandersetzung mit den Stasi-Akten ein fortwährender Prozess, der nicht nur Opfer rehabilitiert, sondern auch die Grundpfeiler demokratischer Freiheitsrechte mahnt. Die Lehre bleibt: Wer die Angst vor Überwachung nicht vergisst, schützt seine Freiheit.

Die Kanonenbahn: Vom Militärprojekt zum Radfahrerparadies

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Unweit von Trubel und Alltag schlängelte sich im Kaiserreich eine phänomenale Eisenbahnstrecke von Berlin nach Metz – die „Kanonenbahn“. Ursprünglich aus rein militärischen Erwägungen gebaut, ist sie heute fast in Vergessenheit geraten und doch in stillgelegten Abschnitten für Radfahrer und Wanderer wiederentdeckt worden.

Strategischer Eisenbahnbau im Kaiserreich
Nach dem Sieg über Frankreich 1871 strebte das Deutsche Kaiserreich an, Truppen und Kriegsmaterial möglichst ungesehen an die Westgrenze zu bringen. Die Lösung war eine Fernbahn, die bewusst weite Umwege nahm: durch dichte Wälder, über unwegsame Höhenzüge und vorbei an verschlafenen Dörfern. Auf mehr als 800 Kilometern Bandlänge entstanden zahllose Tunnel und Viadukte – eine technische Meisterleistung für die 1880er Jahre.

Betrieb und Bedeutung
Ab 1882 verband die eingleisige Trasse Berlin mit dem Reichsland Elsaß-Lothringen. Zwar wurde später zweigleisig ausgebaut, doch das zweite Gleis verschwand nach dem Ersten Weltkrieg als Reparationsleistung wieder. Im Großen Krieg diente die Strecke mehrfach für Truppentransporte, erreichte aber nie das Volumen, für das sie geplant war. Der Personen- und Güterverkehr blieb mangels Haltepunkten und der abgelegenen Trassenführung gering.

Niedergang und Stilllegung
Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs endete die Kontinuität abrupt: Die innerdeutsche Grenze zerriss die Strecke in Hessen und Thüringen. In den 1960er und 1970er Jahren folgten sukzessive Ausdünnungen: Einstige Betriebsbahnhöfe wurden geschlossen, Bahnsteige verfallen und Gleise abgebaut. Bis 1990 war der Großteil der Kanonenbahn stillgelegt.

Nachnutzung und Erbe
Doch die Schienen verschwanden nicht spurlos. In Thüringen und Hessen haben Vereine und Kommunen alte Trassen in Rad- und Draisinenwege verwandelt. Auf rund 30 Kilometern führt der Kanonenbahn-Radweg Radfahrer durch sechs Tunnel und über beeindruckende Viadukte. Besonders beliebt ist der 1,5 Kilometer lange Kühlstädter Tunnel, heute der längste Radwegetunnel Deutschlands. Ehemalige Bahnhofsgebäude dienen als Infopavillons, Künstler nutzen Brückenpfeiler als Leinwände, und in stillgelegten Stellwerken finden kulturelle Veranstaltungen statt.

Engagierte Bürgerinitiativen planen, weitere Abschnitte für den sanften Tourismus aufzubereiten. Altmetall wird sortiert, Bahndämme gesichert und in einzelnen Kommunen werden historische Relikte zu Denkmälern erklärt. So bleibt die Kanonenbahn nicht nur ein stummer Zeuge vergangener Militärstrategien, sondern ein lebendiges Bindeglied zwischen Geschichte und Gegenwart – für alle, die neugierig genug sind, abseits ausgetretener Pfade zu reisen.

Erfurt-Süd zwischen Toren, Flutgraben und Plattenbau

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Ein Viertel mit Geschichte: Die Löberstraße in Erfurt-Süd erzählt auf kaum einem anderen Areal so eindrücklich vom stetigen Wandel der Stadt. Im Rahmen des Projekts „Erfurt Süd – heute und damals“ luden das Stadtarchiv Erfurt und der Historiker Lothar Semlin jüngst zu einem virtuellen Spaziergang ein. Anlass war die Vorstellung zahlreicher Amateurdias und historischer Karten, die weit mehr verraten als nur verblasste Ansichten: Sie offenbaren über 950 Jahre Kulturgeschichte, Wirtschaftskraft und Infrastrukturentwicklung in einem einzigen Straßenzug.

Vom inneren zum äußeren Tor
Bereits 1066 markierte hier die erste Stadtbefestigung Erfurts die Grenze zwischen städtischem Leben und freiem Land. Das sogenannte innere Löbertor, über Jahrhunderte das Tor zur Wildengäre, lag an der Stelle des heutigen Juri-Gagarin-Rings: eine Funktion, die es erst um 1373 durch das äußere Löbertor ergänzte, um den zunehmenden Verkehr nach Arnstadt und Nürnberg zu kontrollieren. Noch bis 1480 blieben die beiden Tore durch keine äußere Mauer verbunden – die eigentliche Stadtbefestigung wanderte somit von der ersten zur zweiten Ringlinie.

Häuser der „Löber“ und die Thomaskirche
Zurückzuführen ist der Straßenname auf die Lohgerber, die sogenannten „Löber“, die sich schon im Spätmittelalter südlich des inneren Tores niederließen. Ihre kleinen Fachwerkhäuser zeigten sich auf Aquarellen aus dem Jahr 1804 – Zeitzeugen eines Handwerks, das heute längst verschwunden ist. Die Thomaskirche, erstmals 1291 urkundlich genannt, stand ursprünglich außerhalb der Mauer, wurde im 14. Jahrhundert im gotischen Stil neu errichtet und prägte die Löbervorstadt über Jahrhunderte hinweg als religiöses und soziales Zentrum.

Wasser in der Stadt: Wilde Gera und Flutgraben
Bis in die 1890er-Jahre war die „wilde Gera“ ein offenes Gewässer, das sich in mäandrierenden Armen durch das Viertel schlängelte. Mit Eröffnung des Flutgrabens 1898 wurde ihr Bett zugeschüttet, die frühere Löberbrücke über die Gera ist seither verschwunden. Eine neue Löbertorbrücke, fertiggestellt 1892, spannt sich noch heute über den künstlich angelegten Graben. Eine spektakuläre Szenerie bot sich am Morgen des 18. Juli 1897, als eine Lokomotive mit voller Wucht einen Prellbock rammte und in die Tiefe stürzte – ein Unglück, das bis heute Stoff für lokale Legenden liefert.

Vom Schützenhaus zur Plattenbausiedlung
An derselben Stelle versammelten sich einst Schützenvereine: Bereits im frühen 16. Jahrhundert erzielten sie erste Treffer, bis 1813 feierten sie hier ihren Abschied vom historischen Schießsport. Der heutige Bürgerschützenchor Erfurt 1463–1990 e. V. führt die Tradition fort, nur wenige Schritte westlich am Steiger. Doch das 20. Jahrhundert brachte weit gravierendere Umbrüche: Im Dezember 1944 wurde das Eckhaus Löberstraße – Gerdösering durch Bomben beschädigt, in den 1970er-Jahren schließlich weichen die letzten Altbauten der ambitionierten Plattenbauplanungen der DDR. Nur ein einziges Eckhaus an der Kreuzung Juri-Gagarin-Ring/Ostseite blieb erhalten – ein stummer Zeuge vergangener Bebauungslinien.

Quellen und Ausblick
Was als virtuelle Dia-Reihe begann, wird begleitet von einer Fülle historischer Karten: Tetekinds Plan aus dem Jahr 1620 zeigt noch die ursprüngliche Trasse der Löberstraße bis zum Bahndamm, Samuel Fritz’ Karte von 1678 dokumentiert Schützenhaus und Schießplatz, Friedrich Bernhard Werners Zeichnung von 1730 das Siechenhaus („Leprosorium“) vor den Toren der Stadt. Dr. Ange Bauer, Direktorin des Stadtarchivs, und ihre Kollegin Anne Palmowski ergänzen die Fotos mit fundierten Erläuterungen im Buch Erfurt in historischen Gärten 1493 bis 1993.

Wer die Geschichten von Mauern und Toren, von Handwerk und Infrastruktur, von Naturgewalten und Neubauvorhaben noch vertiefen möchte, ist eingeladen, auf Facebook oder per E-Mail über neue Beiträge der Reihe informiert zu werden. Denn Erfurt-Süd bleibt ein lebendiges Archiv – und jeder Stein, jedes Fachwerk und jede Brücke erzählen weiter von Menschen, die hier gelebt, gearbeitet und gebaut haben.

Stasi-Mord? Der Fall Lutz Eigendorf – Ein dunkles Kapitel des deutschen Fußballs

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Am 5. März 1983 ereignete sich in Braunschweig ein Vorfall, der noch heute Fragen aufwirft: Lutz Eigendorf, ein talentierter Fußballstar aus der DDR, kam unter mysteriösen Umständen ums Leben. Die offizielle Darstellung spricht von einem Unfall – doch zahlreiche Indizien deuten darauf hin, dass der Fall viel mehr als nur ein tragischer Verkehrsunfall war.

Ein Spieler zwischen zwei Welten
Lutz Eigendorf galt als eines der größten Talente des DDR-Fußballs und wurde bereits früh als „Sportverräter“ eingestuft, als er 1979 in den Westen flüchtete. Nach seinem Transfer zum 1. FC Kaiserslautern gelang ihm der Start in der Bundesliga, und er symbolisierte für viele den Erfolg eines Flüchtlings, der im Westen Großes leistete. Doch gerade dieser Neuanfang machte ihn auch zum Ziel eines mächtigen und skrupellosen Apparats.

Der lange Arm der Staatssicherheit
Hinter Eigendorfs Tod steht – so vermuten manche – die Stasi. Der damalige DDR-Geheimdienst hatte den Spieler als Verräter markiert und setzte ein Netz aus Spitzeln ein, das ihn auf Schritt und Tritt überwachte. Nach Angaben ehemaliger Ermittler und aktenbasierter Recherchen soll der Geheimdienst bis zu 50 Informanten eingesetzt haben, um Eigendorf zu beschatten. Besonders brisant: Es gibt Hinweise darauf, dass die Stasi bereits in den Tagen vor dem Unfall Einfluss auf ihn nahm. So soll er unter anderem durch kurzfristiges Blenden mittels Fernlicht in eine kritische Situation gebracht worden sein.

Ein verhängnisvoller Abend in Braunschweig
Am Abend des 5. März 1983 besuchte Eigendorf eine Braunschweiger Kneipe – zuletzt das „Cockpit“ am Flughafen – bevor er, laut Zeugenaussagen, die Lokalität verließ. Wenige Stunden später kam es zu seinem tödlichen Unfall. Polizeiberichte führten einen Blutalkoholwert von 2,2 Promille an, der jedoch von Zeugen als übertrieben hoch eingeschätzt wurde. Zudem gibt es aktenbasierte Hinweise, dass der Spieler bereits vor der Unfallfahrt möglicherweise vergiftet wurde – ein Detail, das in keinem Fall in das Bild eines reinen Alkoholunfalls passen will.

Intrigen, finanzielle Anreize und Ermittlungsfehler
Besonders brisant erscheint die finanzielle Komponente: Der Stasi-Offizier Heinz Hess, der maßgeblich an der Überwachung Eigendorfs beteiligt gewesen sein soll, erhielt am Todestag des Spielers eine Prämie von 1000 DDR-Mark. Auch IM Klaus Schlosser, der sich als enger Vertrauter Eigendorfs etablierte, soll von der Staatssicherheit einen Auftrag erhalten haben – inklusive einer Geldsumme in Höhe von 5000 DM, um sich eine Schusswaffe zu beschaffen. Diese und weitere Unstimmigkeiten in der Aktenlage legen nahe, dass der Fall systematisch von Ermittlungsfehlern begleitet war. So scheint es, als hätten Polizei und Staatsanwaltschaft damals zu sehr an der offiziellen Darstellung des Alkoholunfalls festgehalten und andere Indizien einfach ignoriert.

Neue Erkenntnisse und das ungelöste Rätsel
Dank der nach der Wiedervereinigung zugänglichen Stasi-Akten und der akribischen Arbeit von ehemaligen Oberstaatsanwälten sowie Wissenschaftlern, die sich monatelang mit dem Fall befassten, sind heute viele Fragen offengelegt – doch die abschließende Klärung bleibt aus. Die Staatsanwaltschaft Berlin arbeitet zwar noch an den Fall, jedoch scheint er in den Akten nur von einem einzelnen Mitarbeiter betreut zu werden. Bis heute bleibt unklar, ob es sich um einen Unfall oder einen gezielten Mord handelte.

Der Tod von Lutz Eigendorf ist längst zu einem Symbol geworden – für den unbändigen Drang nach Freiheit, aber auch für die dunklen Verstrickungen zwischen Staatssicherheit, Politik und Sport. Während der offizielle Bericht weiterhin auf einen Unfall verweist, deuten zahlreiche Indizien und aktenbasierte Recherchen auf ein viel düsteres Bild hin: einen gezielten Mord, orchestriert von einem System, das keine Gnade kannte. Der Fall Eigendorf bleibt somit ein Mahnmal für die Schattenseiten eines Regimes, das auch vor dem Leben unschuldiger Menschen nicht Halt machte.

Flug ins Blaue nach Kassel – Eine verschollene Sensation aus Erfurt

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Im Filmarchiv des Stadtarchivs Erfurt schlummert ein wahres Juwel der frühen deutschen Luftfahrt- und Filmgeschichte: Der 1933 gedrehte Stummfilm „Flug ins Blaue nach Kassel“ dokumentiert den Betrieb des ehemaligen Flughafens Erfurt-Nord, besser bekannt als „Roter Berg“, und gewährt seltene Einblicke in die Pionierzeit des zivilen Luftverkehrs.

Ein Ausflug in die Anfänge des Luftverkehrs
Nur wenige Streifen aus der Frühzeit der Fliegerei haben bis heute überlebt – umso erstaunlicher, dass gerade ein regionales Studiounternehmen den Mut zur filmischen Dokumentation fand. Regisseur Erich Lustermann setzte gemeinsam mit Dr. Ernst Thost, dessen betriebswirtschaftliche Studie zur Flugsicherung die Grundlage lieferte, die Start- und Landemanöver einer Junkers F 13 in Szene. Dieses Ganzmetall-Verkehrsflugzeug, 1919 erstmals vorgestellt, steht symbolisch für den Aufbruch in eine neue Zeit, in der das Fliegen zunehmend für Passagiere erreichbar wurde.

Harte Arbeit hinter der Filmkulisse
Die Entstehung des Films erfolgte unter technischen und finanziellen Begrenzungen: Die Aufnahmen am „Roten Berg“ – einer zwischen Feld und Forst gelegenen Grasbahn – erforderten präzise Koordination zwischen Flugkapitän, Bodencrew und Kameramann. Walter Lustermann, Sohn des Regisseurs und zugleich Vorführer des Streifens, erinnert sich in einem Brief aus den 1980er Jahren: „Wir hatten weder Schienen noch Motorsteuerung für die Kamera – alles war Handarbeit. Der enge Zeitplan zwang uns, Start und Landung in wenigen Takes einzufangen.“

Gefahr im Dunkeln: Das kleinste Kino der DDR
Nach Fertigstellung wanderte die Filmrolle ins Archiv des Filmstudios Lustermann Erfurt, wo sie im „kleinsten Kino der DDR“ in der Gartenstraße (später Grafengasse) zu besonderen Anlässen gezeigt wurde. Zwischen knatterndem Projektor und flackernder Nitrolampe stand stets ein Eimer Wasser bereit. Einmal mehr wurde so das Risiko greifbar, das jede Projektion barg: Ein Funke genügte, und die leicht entflammbaren Zelluloidstreifen entzündeten sich. Besucher aber nahmen davon kaum Notiz – sie lauschten den live vorgetragenen Kommentaren des Regisseurs und genossen den Kurztrip ins Blaue.

Vom Verschwinden und Wiederauffinden
Nach der Auflösung des Studios geriet der Film in Vergessenheit, bis er 2015 seinen Weg ins Stadtarchiv Erfurt fand. Archivleiterin Dr. Marianne Köhler beschreibt die Wiederentdeckung als Glücksfall: „Wir rechneten nicht damit, originalen Filmmaterial aus den 1930er Jahren zu erhalten – schon gar nicht aus regionaler Produktion. Die Bildqualität ist überraschend gut, und jede Sequenz erzählt eine Geschichte.“

Offene Fragen und Forschungsbedarf
Trotz intensiver Recherchen bleiben zentrale Fragen unbeantwortet: Wer war der ursprüngliche Auftraggeber? Diente der Film primär der betrieblichen Schulung im Luftverkehr oder hatte er propagandistische Ziele? Auch Dr. Thosts Manuskript ist bislang nicht aufgetaucht. Historiker und Luftfahrtexperten sehen in der Filmrolle daher nicht nur ein technikgeschichtliches Dokument, sondern auch einen Anstoß, die Entwicklung der Flugsicherung und die Rolle regionaler Unternehmen im Dritten Reich neu zu beleuchten.

Ein Schatz für die Zukunft
Das Stadtarchiv plant, den Film zu digitalisieren und im Rahmen einer Sonderausstellung zu präsentieren. Ergänzt durch zeitgenössische Fotografien, technische Zeichnungen der Junkers F 13 und Augenzeugenberichte könnte „Flug ins Blaue nach Kassel“ bald einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden. So erhält das Vermächtnis der Lustermänner – Erich, Walter und ihr Studioteam – eine verdiente Würdigung: als Brücke zwischen Pionierzeit und Moderne, zwischen regionaler Erinnerung und überregionaler Luftfahrtgeschichte.

Robotron – Pionier der DDR-Computerära

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Heutzutage finden komplizierte Rechnungen in Hosentaschen oder sogar in Armbanduhren statt – kleine technische Wunderwerke, die aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind. Doch vor wenigen Jahrzehnten, in einer Welt, in der gigantische Maschinen den Takt der digitalen Entwicklung vorgaben, schrieb die DDR ihre eigene Erfolgsgeschichte. Mit dem Namen ROBOTRON begann in der DDR die digitale Revolution, und der Chemnitzer Rolf Kutschbach, der in „GMD – Das Magazin“ von der abenteuerlichen Entwicklung des „R300“ berichtete, gilt bis heute als Vater der Rechentechnik in der DDR.

Ein kolossales Unterfangen in bewegten Zeiten
Der Robotron 300, ein Großrechner, der bis zu 300 Lochkarten pro Minute verarbeiten konnte, war mehr als nur ein technisches Gerät – er war ein Symbol für den Innovationsgeist der DDR. Mit einer beeindruckenden Aufstellungsfläche von 35 Quadratmetern und einem Gewicht von 6000 Kilogramm erinnerte sein donnerndes Anfahren an den Start eines Flugzeugs. Während das Papier in alle Richtungen flog und die Lochstreifen pfeifend wie Raketen durch die Luft zischten, wurde der Beginn einer neuen Ära eingeläutet.

Die abenteuerliche Entwicklung des R300
Rolf Kutschbach, dessen Kindheitsträume vom Erfinderdasein ihn schon früh prägten, stellte sich der gewaltigen Aufgabe, eine Maschine zu entwickeln, die den internationalen Vorreitern, wie der IBM 1401, Konkurrenz machen sollte. In einer Zeit, in der fast jedes elektronische Bauteil eigenständig hergestellt werden musste – bedingt durch das von den USA initiierte Embargo der COCOM-Liste – war jeder Schritt ein technisches und logistisch-administratives Abenteuer. Überstunden waren an der Tagesordnung: Innerhalb eines Dreivierteljahres summierten sich die zusätzlichen Arbeitsstunden teils auf bis zu 350 Stunden. Doch die Herausforderungen wurden mit Entschlossenheit und technischem Geschick gemeistert.

Technische Raffinessen und heimischer Erfolg
Der Robotron 300 beeindruckte nicht nur durch seine schiere Größe, sondern auch durch seine technischen Innovationen. Als einziger Rechner weltweit ermöglichte er eine Verarbeitung mit variablen Wortlängen, die gerade bei Matrizenrechnungen und der Vermeidung von Überläufen in der Gleitpunktarithmetik von entscheidender Bedeutung war. Trotz internationaler Anfragen, etwa auf der Technikausstellung in Moskau, blieb der R300 ein heimischer Erfolg – exporttechnisch wurde er von Ulbricht verboten, denn diese moderne Anlage war für die DDR bestimmt.

Von der Schwerfabrik zum Smartphone – der Wandel der Technik
Die Zeiten, in denen Großrechner ganze Räume füllten und das Arbeitsleben dominierten, sind längst vorbei. Heute werden komplexe Berechnungen von Geräten ausgeführt, die wir in der Hand halten. Doch der Pioniergeist und die Ingenieurskunst, die in der Entwicklung des Robotron 300 steckten, legten den Grundstein für die digitale Welt, in der wir heute leben. Die Geschichte des Robotron 300 ist somit nicht nur ein Kapitel der DDR-Rechentechnik, sondern auch ein Beleg dafür, wie visionäre Technologie den Weg von massiven Großrechnern hin zu den winzigen, allgegenwärtigen Computern in unseren Hosentaschen ebnete.

Junkers F13: Wie „Tante Junkers“ den zivilen Luftverkehr neu erfand

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Mit ihrem Prototypenflug im Mai 1919 setzte die Junkers F13 einen Meilenstein in der Geschichte der Luftfahrt: Erstmals wurde ein Verkehrsflugzeug vollständig aus Metall gefertigt. Hugo Junkers, visionärer Ingenieur und Namensgeber des Flugzeugwerks in Dessau, entwarf binnen weniger Monate ein Fluggerät, das den Übergang von improvisierten Kriegsmaschinen zur zivilen Flugbeförderung markierte.

Vom Krieg zum Passagierflug
Nach dem Ersten Weltkrieg standen Fluggesellschaften weltweit vor demselben Dilemma: Zwar war Luftfahrttechnik in Rekordzeit vorangetrieben worden, doch die meisten Muster – Doppeldecker aus Holz und Stoff – waren für den Massentransport ungeeignet. In Deutschland erschwerte zudem der Versailler Vertrag den Wiederaufbau der zivilen Luftfahrt. Junkers erkannte die wirtschaftliche Chance, die staatliche Subventionen für Post- und Passagierverkehr boten, und wagte den Schritt zu einem radikal neuen Design.

Ganzmetallbauweise und Komfort
Das herausragendste Merkmal der F13 war ihr Rumpf – gefertigt aus Duraluminium, einer Aluminiumlegierung mit Kupfer, Magnesium und Mangan. Diese Kombination verband geringes Gewicht mit hoher Festigkeit. Während die Passagiere in einer geschlossenen, beheizten Kabine Platz für vier Personen fanden, mussten die Piloten noch im Freien sitzen, um optimale Sicht für die visuelle Navigation zu gewährleisten.

Technische Innovationen mit Weitblick
Neben der ganzmetallenen Struktur führte das Muster mehrere Innovationen ein:

  • Tanktrimmung: Ein beweglicher Hecktank ermöglichte das Ausbalancieren des Schwerpunkts durch Verlagerung des Kraftstoffs – eine Lösung, die selbst im Airbus A330-A340 noch Anwendung findet.
  • Modulares Fahrwerk: Austauschbare Räder, Schwimmer oder Ski machten die F13 weltweit einsatzfähig – von Nordkanada bis Südamerika.
  • Leicht zugänglicher Motor: Die hochklappbare Motorhaube und eine Druckluftstartvorrichtung erleichterten Wartung und Betrieb auf provisorischen Flugplätzen.

Pilotenstimmen aus den frühen 1920ern
Zeitgenössische Berichte belegen das hohe Ansehen der F13 bei Piloten: Der Schweizer Kapitän Walter Ackermann beschrieb in seinem Bordbuch den Flug in einem silbernen „Tiefdecker aus Dural“, dessen Steuerkräfte groß, aber präzise waren. Nach sechs erfolgreich absolvierten Übungslandungen erhielt er seine Führerbewilligung für Transportflüge mit der F13 – ein Ritterschlag, vergleichbar mit heutigen Type-Ratings.

„Tante Junkers“ und ihr Erbe
Obwohl die spätere Ju 52 stärker im kollektiven Gedächtnis verankert ist, trug die F13 bereits den Spitznamen „Tante Junkers“. Ein Zeitungsartikel von 1925 lobte die Maschine als „beliebte Hochzeitskutsche“ und verglich ihren gedrungenen Rumpf mit dem Leib eines Walfisches – ein Sinnbild für Sicherheit und Zuverlässigkeit.

Bis in die 1930er-Jahre hinein weltweit im Einsatz, ebnete die F13 den Weg für moderne Verkehrsflugzeuge. Ihr Einfluss zeigt sich in fast jeder späteren Konstruktion: vom Ganzmetallbau bis zur modularen Trimmung. Als Pionierin verbindet sie Militärtechnik und zivilen Fortschritt – ein Zeugnis dafür, wie Innovationsgeist und pragmatisches Ingenieurwesen unmittelbar auf die Bedürfnisse einer sich rasch wandelnden Gesellschaft reagieren können.

Heute, über ein Jahrhundert nach ihrem Erstflug, erinnert die Junkers F13 nicht nur Luftfahrtbegeisterte in Technikmuseen an ihre Vorreiterrolle. Sie mahnt auch, wie wichtig es ist, in Zeiten des Umbruchs Visionen zu haben – und sie ebenso rasch in die Tat umzusetzen. Denn die Geschichte der F13 zeigt: Manchmal genügen wenige Monate, um die Welt zu verändern.