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Hans Bauer (GRH) kritisiert Verurteilung eines MfS-Mitarbeiters

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Politisches Unrechtsurteil gegen MfS-Mitarbeiter I von Hans Bauer, Vorsitzender der GRH

Hans Bauer, Vorsitzender der Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung e.V. (GRH), hat in einer ausführlichen Rede ein aktuelles Urteil gegen einen ehemaligen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) scharf kritisiert. Dabei beschreibt er die Verurteilung als politisch motiviert und als ein weiteres Beispiel dafür, wie die Bundesrepublik nach der Wiedervereinigung die DDR und ihre Institutionen zu delegitimieren versucht habe. In seiner Analyse beleuchtet Bauer nicht nur die rechtlichen Aspekte des Falls, sondern auch die politischen und gesellschaftlichen Kontexte, die seiner Meinung nach zu diesem Urteil führten.

Kontext der Delegitimierung der DDR
Bauer beginnt mit einer Rückblende: Bereits 1991 habe der damalige Bundesjustizminister Klaus Kinkel das Ziel formuliert, die DDR zu delegitimieren. Dies sei der Ausgangspunkt für zahlreiche juristische Verfahren gewesen, die sich gegen ehemalige DDR-Bürger und besonders gegen Mitarbeiter des MfS richteten. Die DDR sei dabei als Unrechtsstaat dargestellt worden, der Menschenrechte verletzte, kriminell handelte und keine Legitimation besessen habe, als Staat international aufzutreten.

Die juristische Verfolgung von DDR-Bürgern nach der Wiedervereinigung sei in diesem Kontext zu sehen. Bauer spricht von rund 85.000 Ermittlungsverfahren, etwa 1.000 Verurteilungen und zahlreichen Inhaftierungen. Er kritisiert die Mittel, mit denen diese Urteile erreicht worden seien, darunter die Verlängerung von Verjährungsfristen und die Missachtung des Rückwirkungsverbots – ein fundamentales Prinzip im internationalen Recht, das besagt, dass Taten nicht nachträglich strafbar gemacht werden dürfen.

Der aktuelle Fall: Eine umstrittene Verurteilung
Im Mittelpunkt von Bauers Rede steht ein Urteil, das einen Vorfall aus dem Jahr 1974 betrifft. Ein heute über 80-jähriger ehemaliger MfS-Offizier wurde zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, weil er angeblich einen polnischen Staatsbürger am Grenzübergang Bahnhof Friedrichstraße erschossen haben soll. Der Pole, so Bauer, habe einen Sprengsatz in einer Aktentasche gehabt, mit dem er seine Ausreise nach West-Berlin erzwingen wollte. Nachträglich habe sich jedoch herausgestellt, dass es sich bei dem Sprengsatz um eine Attrappe handelte.

Bauer wirft der deutschen Justiz vor, in diesem Fall politisch gehandelt zu haben. So sei das Verfahren in der Vergangenheit mehrfach eingestellt worden, da die Staatsanwaltschaft von einer Verjährung des Straftatbestandes ausging. Erst durch neue Ermittlungen der polnischen Behörden und einen internationalen Haftbefehl sei der Fall wieder aufgenommen worden. Um eine Verurteilung zu ermöglichen, sei der Tatbestand auf Mord geändert worden, da dieser – im Gegensatz zu Totschlag – nicht verjährt.

Fragwürdige Beweisführung
Hans Bauer kritisiert die Beweisführung im Verfahren als mangelhaft. Es habe keine klaren Beweise gegeben, dass der Angeklagte den tödlichen Schuss tatsächlich abgegeben habe. Zwei jugendliche Zeuginnen aus dem Jahr 1974 hätten sich nach 50 Jahren nicht mehr genau erinnern können, und ihre Aussagen seien widersprüchlich gewesen. Ein wesentliches Indiz für die Verurteilung sei die Verleihung eines Ordens an den Angeklagten nach dem Vorfall gewesen. Bauer hält dies jedoch für unzureichend, um den Nachweis einer individuellen Schuld zu erbringen.

Er hebt hervor, dass das Gericht grundlegende Prinzipien wie „Im Zweifel für den Angeklagten“ nicht beachtet habe. Zudem sei die Frage, ob es sich möglicherweise um eine Notwehrsituation gehandelt habe, nicht ausreichend geprüft worden. Laut Bauer sei der angebliche Terrorist eine direkte Gefahr für die Sicherheit gewesen, sodass ein tödlicher Schuss gerechtfertigt gewesen sein könnte.

Kritik an der Rechtsanwendung
Ein weiterer zentraler Punkt in Bauers Kritik ist die Anwendung des Rechts. Er bemängelt, dass das Gericht sowohl das Recht der DDR als auch grundlegende juristische Prinzipien nicht korrekt angewandt habe. So sei im DDR-Strafrecht festgelegt gewesen, dass Entscheidungen auf der Grundlage von Feststellungen aus der Beweisaufnahme getroffen werden müssten. Im bundesdeutschen Recht hingegen gelte die Formulierung, dass das Gericht nach seiner „Überzeugung“ entscheide. Bauer sieht hierin einen erheblichen Unterschied und wirft dem Gericht vor, die Beweise zugunsten einer vorgefassten Überzeugung ignoriert zu haben.

Politische Motive und Klassenjustiz
Bauer bezeichnet das Urteil als Beispiel für Klassenjustiz. Seiner Ansicht nach habe das Gericht nicht neutral agiert, sondern sei von einer politischen Haltung geprägt gewesen, die die DDR und insbesondere das MfS als „Inkarnation des Bösen“ darstelle. Dies sei während des gesamten Verfahrens deutlich geworden, insbesondere in den Bemerkungen des vorsitzenden Richters. Für Bauer ist das Urteil weniger das Ergebnis einer juristischen Prüfung, sondern vielmehr Ausdruck eines politischen Urteils, das in die Delegitimierung der DDR eingebettet ist.

Appell und Ausblick
Abschließend betont Bauer, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig sei und sich in der Revision befinde. Er hoffe, dass die nächste Instanz dieses Urteil aufhebe. Zugleich verspricht er, Solidarität mit dem Verurteilten und anderen ehemaligen MfS-Mitarbeitern zu üben. Für ihn steht der Fall exemplarisch für den Umgang der Bundesrepublik mit der DDR-Geschichte und wirft grundlegende Fragen über den Rechtsstaat und die Unabhängigkeit der Justiz auf.

Hans Bauer sieht in diesem Urteil eine Fortsetzung der systematischen Delegitimierung der DDR, die seit der Wiedervereinigung betrieben werde. Der Fall verdeutliche, wie politische Motive juristische Verfahren beeinflussen könnten und wie ehemalige Mitarbeiter des MfS auch Jahrzehnte später noch Ziel von Verfolgung seien. Seine Rede ist nicht nur eine juristische Analyse, sondern auch ein politischer Appell, die Vergangenheit differenzierter zu betrachten und vermeintliche Unrechtsurteile zu hinterfragen.

Die Runden Tische: Ein entscheidendes Element der friedlichen Revolution in der DDR

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Aufbruch zur Demokratie - Runde Tische in der DDR

Die Runden Tische waren ein fundamentales Element der friedlichen Revolution in der DDR im Herbst 1989 und im Frühjahr 1990. Sie ermöglichten einen Dialog zwischen der alten Macht der SED und den neuen Oppositionsgruppen sowie Bürgerbewegungen. Durch diese Gespräche und den Austausch zwischen den früheren Machthabern und den Oppositionsvertretern wurde der friedliche Übergang von der Diktatur zur Demokratie in der DDR sichergestellt. Die Runden Tische bildeten ein Forum für Verhandlungen und Kompromisse und trugen maßgeblich dazu bei, die politische Krise zu überwinden und die Grundlage für die spätere deutsche Einheit zu legen.

Entstehung und Ausbreitung der Runden Tische
Die Entstehung der Runden Tische lässt sich nicht isoliert betrachten, sondern muss im Kontext der dramatischen Entwicklungen in der DDR vor und nach dem Jahr 1989 verstanden werden. Vor diesem Jahr befand sich die DDR in einem desolaten Zustand. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme nahmen zu, und das Verhältnis zwischen der Bevölkerung und der Staatsmacht war angespannt. In vielen Bereichen – von der Umwelt bis zur Wirtschaft – gab es ungelöste Probleme, und die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wuchs. Das Land war von einer tiefen politischen Krise geprägt.

Oppositionelle Gruppen wurden von der Staatsmacht verfolgt und in vielen Fällen inhaftiert. Dennoch nahm der Widerstand gegen die SED-Diktatur immer mehr zu, vor allem unter dem Schutz der Kirchen, die als Rückzugsorte für die Opposition dienten. Besonders entscheidend war der 4. September 1989, als in Leipzig die erste Montagsdemonstration stattfand, die eine neue Welle von Protesten auslöste. In den folgenden Wochen bildeten sich in der DDR immer mehr Bürgerbewegungen, wie „Demokratie Jetzt“ und das „Neue Forum“, die sich für politische und gesellschaftliche Veränderungen einsetzten.

Die Reaktion der Staatsmacht war zunächst von Ablehnung und Verfolgung geprägt, doch die Proteste weiteten sich aus. Tausende von DDR-Bürgern flohen in die westdeutschen Botschaften in Prag und Warschau. In dieser angespannten Lage war es nur eine Frage der Zeit, bis ein Dialog zwischen den Regierenden und den oppositionellen Gruppen unvermeidlich wurde. Dieser Dialog fand in Form der Runden Tische statt.

Der Runde Tisch in Dresden als Vorläufer
Ein erster Vorläufer der Runden Tische fand am 7. Oktober 1989, dem 40. Jahrestag der DDR, in Dresden statt. An diesem Tag versammelten sich Tausende von Demonstranten vor dem Dresdner Rathaus, um gegen die SED-Diktatur zu protestieren und Reformen einzufordern. Dies geschah vor dem Hintergrund eines festlichen Aktes der Staatsführung im Rathaus. Der damalige Oberbürgermeister von Dresden, Wolfgang Berghofer, entschied sich, entgegen den Vorgaben der SED mit den Demonstranten in Dialog zu treten. Dies war ein mutiger Schritt, der den Weg für die spätere Einführung der Runden Tische ebnete.

Die Gespräche zwischen den Demonstranten und der „Gruppe der 20“, einer informellen Gruppe, die sich aus Vertretern der Opposition zusammensetzte, und dem SED-beherrschten Bezirksleiter von Dresden, stellten einen frühen Versuch dar, Gewalt zu verhindern und einen Dialog zu etablieren. Dieser Dialog in Dresden war von entscheidender Bedeutung, weil er die Möglichkeit eröffnete, eine nicht-gewaltsame Lösung für die politischen Spannungen zu finden, und das Modell für die späteren Runden Tische lieferte.

Der Zentrale Runde Tisch in Berlin
Am 7. Dezember 1989, nach den dramatischen Ereignissen des Herbstes, bildete sich der Zentrale Runde Tisch in Berlin. Dieser zentrale Runden Tisch war das maßgebliche Forum für die Verhandlungen zwischen der alten DDR-Regierung und der Opposition. Er konstituierte sich im Dietrich-Bonhoeffer-Haus, einem Gebäude der Kirchen, und bestand aus 16 Vertretern der Regierung sowie 16 Vertretern der Opposition, die durch drei Kirchenmänner moderiert wurden. Diese ersten Treffen waren von dramatischen Diskussionen geprägt, in denen die alten Machthaber auf die Forderungen der Opposition reagierten.

Der Runde Tisch verstand sich jedoch nicht als Ersatzregierung, sondern als ein Gremium, das den friedlichen Übergang zur Demokratie sichern sollte. Es wurden Arbeitsgruppen eingerichtet, die sich mit wichtigen politischen und gesellschaftlichen Themen wie Wahlgesetz, Parteiengesetz, Verfassung und Sicherheitsfragen beschäftigten. Dabei spielte der Runde Tisch eine Schlüsselrolle bei der Planung der ersten freien Wahlen, die für den 6. Mai 1990 angesetzt wurden.

Herausforderungen und Konflikte im Runden Tisch
Trotz des guten Willens und der Bemühungen um den Dialog war die Arbeit des Runden Tisches von erheblichen Herausforderungen und Konflikten geprägt. Eines der größten Probleme war die Unklarheit über die Zusammensetzung des Gremiums und die Legitimation der Entscheidungen. Die SED-regierte Regierung und die oppositionellen Gruppen hatten unterschiedliche Vorstellungen darüber, wer am Runden Tisch vertreten sein sollte und wie die Verhandlungen ablaufen sollten.

Ein weiteres Problem war die Frage der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi). Die Opposition forderte von Anfang an die Auflösung des repressiven Apparats der Stasi, doch die Regierung zögerte zunächst und blockierte eine schnelle Lösung. Dies führte zu Spannungen und zu einem Machtkampf, als Ministerpräsident Hans Modrow sich weigerte, auf Aufforderung des Runden Tisches zu erscheinen.

Die Gewaltfreiheit der Revolution stand schließlich auf der Probe, als am 15. Januar 1990 die Stasi-Zentrale in der Normannenstraße in Berlin gestürmt wurde. Dieser Vorfall zeigte, wie schwierig es war, die Revolution ohne Gewalt fortzusetzen und führte zu einer verstärkten Diskussion über die Rolle der Stasi und die Notwendigkeit von Reformen.

Von der Zusammenarbeit zum Wahlkampf
Mit der Festlegung des Wahltermins für den 18. März 1990 begannen sich die Runden Tische zunehmend auf die bevorstehenden Wahlen zu konzentrieren. Dies führte zu einem klareren Fokus auf die politischen Auseinandersetzungen und den Wahlkampf. Die einst so vereinten Oppositionsgruppen begannen, sich stärker zu profilieren und gegeneinander anzutreten. Die politische Diskussion wurde rauer, und aus den ursprünglich zusammenarbeitenden Kräften wurden nun politische Kontrahenten.

Ein zentrales Thema war die Frage der deutschen Einheit. Die Parteien des Runden Tisches standen unter dem Druck, ihre Positionen zu diesem Thema zu klären. Besonders die Opposition, die bisher keine Unterstützung aus dem Westen erfahren hatte, kämpfte im Wahlkampf gegen die etablierten Parteien der DDR. Der Wahlsieg der Allianz für Deutschland mit der CDU an der Spitze spiegelte den klaren Wunsch der Bevölkerung nach einer schnellen Wiedervereinigung Deutschlands wider.

Bedeutung und Erbe der Runden Tische
Die Bedeutung der Runden Tische für die friedliche Revolution kann kaum überschätzt werden. Sie schufen einen Raum, in dem der Dialog zwischen den ehemaligen Machthabern und der Opposition möglich wurde und trugen entscheidend zur Stabilisierung des Landes bei, als die DDR sich im Übergang zur Demokratie befand. Die Runden Tische standen als Symbol für die demokratischen Bestrebungen der Bevölkerung und für die Möglichkeit eines friedlichen Wandels.

Darüber hinaus legten sie den Grundstein für eine demokratische Kultur in Deutschland und machten die Entwicklung einer offenen und pluralistischen Gesellschaft möglich. In der breiten Gesellschaft wie auch in der politischen Landschaft zeigte sich das Potenzial eines zivilgesellschaftlichen Dialogs, der auf Konsens und Kompromissen basiert.

Das Erbe der Runden Tische wirkt noch heute nach und ist ein Vorbild für demokratische Prozesse in vielen anderen Ländern. Es zeigt, wie durch Zusammenarbeit und Kompromisse auch in Zeiten politischer Umbrüche Lösungen gefunden werden können.

Kritik an den Runden Tischen
Trotz ihrer historischen Bedeutung sind die Runden Tische nicht ohne Kritik geblieben. Einige Kritiker werfen ihnen vor, dass sie der Bürgerrechtsbewegung nicht ausreichend Gehör verschafft hätten und stattdessen die alten Machthaber legitimierten. Besonders die Beteiligung der Bürgerrechtsbewegung an der Regierung Modrow führte zu Bedenken, dass die Revolution in einen eher gemäßigten Kurs gelenkt wurde. In diesem Zusammenhang wurde auch kritisiert, dass der Runde Tisch nicht die nötigen Maßnahmen ergriff, um die Regierung schneller zu stürzen und einen radikaleren Wandel zu bewirken.

Trotz dieser Kritik bleibt die Rolle der Runden Tische im Kontext der friedlichen Revolution unbestritten. Sie waren ein entscheidendes Instrument auf dem Weg von der Diktatur hin zur Demokratie und trugen zur erfolgreichen Überwindung der SED-Herrschaft bei.

Rückblick in Bildern: Magdeburgs Weg in die Deutsche Einheit 1990

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Magdeburg Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt 1990

Das Jahr 1990 markiert für Magdeburg einen tiefgreifenden Wendepunkt in der Stadtgeschichte. Wie viele Städte in Ostdeutschland stand auch die Hauptstadt Sachsen-Anhalts vor gewaltigen Herausforderungen und Chancen. Die politische Wende, eingeleitet durch die friedliche Revolution von 1989 und vollendet durch die Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990, brachte nicht nur die Transformation von einer sozialistischen Planwirtschaft zu einer freien Marktwirtschaft, sondern auch umfassende gesellschaftliche Veränderungen.

Eine Stadt zwischen Vergangenheit und Zukunft
Magdeburg, eine der ältesten Städte Deutschlands, blickte 1990 auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Die DDR-Jahre hatten das Stadtbild und das Alltagsleben der Menschen stark geprägt. Industrielle Großbetriebe wie das Schwermaschinenkombinat „Ernst Thälmann“ (SKET) waren das Rückgrat der Wirtschaft. Doch mit der Wiedervereinigung gerieten viele dieser Betriebe in wirtschaftliche Schwierigkeiten, da sie nicht wettbewerbsfähig waren und sich an die Marktbedingungen der Bundesrepublik anpassen mussten. Die plötzliche Privatisierung durch die Treuhandanstalt führte zu Massenentlassungen, die die Arbeitslosigkeit in die Höhe schnellen ließen.

Im Zentrum der Stadt dominierten noch die typischen DDR-Plattenbauten, ergänzt durch Ruinen, die an die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs erinnerten. Die Restaurierung historischer Gebäude war in der DDR oft zugunsten von Neubauprojekten vernachlässigt worden. So lag das einst prächtige Stadtschloss von Magdeburg, das nach dem Krieg gesprengt wurde, immer noch brach. Doch die Wende brachte Hoffnung: Es gab Pläne, historische Wahrzeichen wiederaufzubauen und das Stadtbild zu verschönern.

Politische und gesellschaftliche Veränderungen
Die politischen Umbrüche machten sich in Magdeburg besonders bemerkbar. Nach 40 Jahren Einparteiensystem in der DDR war das Jahr 1990 geprägt von neuen politischen Freiheiten. Erstmals konnten die Magdeburger in freien Wahlen ihre Stadtverordnetenversammlung und ihren Oberbürgermeister bestimmen. Gleichzeitig bedeutete der Übergang zur Marktwirtschaft auch, dass viele Magdeburger sich in einer für sie völlig neuen Welt zurechtfinden mussten.

Die Gesellschaft war gespalten: Während einige Menschen die neuen Freiheiten begrüßten und die Chancen der Wiedervereinigung ergriffen, fühlten sich andere überfordert und von der Geschwindigkeit des Wandels überrollt. Besonders ältere Bürger, die ihr gesamtes Leben in der DDR verbracht hatten, taten sich schwer, die neue Realität zu akzeptieren.

Die junge Generation zwischen Aufbruch und Unsicherheit
Für die Jugend in Magdeburg bot das Jahr 1990 eine Mischung aus Möglichkeiten und Herausforderungen. Einerseits eröffnete die Wiedervereinigung neue Bildungs- und Berufsperspektiven, die vorher unerreichbar waren. Andererseits führte der wirtschaftliche Umbruch dazu, dass viele junge Menschen keine Perspektive in der Region sahen und in den Westen abwanderten. Die Stadt begann, Bevölkerung zu verlieren, ein Trend, der sich in den Folgejahren verstärken sollte.

Kultureller Neuanfang
Auch kulturell war 1990 ein Jahr des Neuanfangs. Während in der DDR kulturelle Veranstaltungen oft von staatlicher Zensur geprägt waren, eröffneten sich mit der Wende neue Freiheiten. In Magdeburg entstanden alternative Kulturszenen, die sich in leerstehenden Gebäuden entwickelten. Gleichzeitig wurde das Theater Magdeburg zum Symbol für den kulturellen Aufbruch.

Eine Stadt im Umbruch
Das Jahr 1990 war für Magdeburg ein Jahr voller Unsicherheit, aber auch Hoffnung. Die Stadt begann, sich aus den Zwängen der DDR zu lösen und die Chancen der Wiedervereinigung zu nutzen. Doch die Herausforderungen waren immens: Der Verlust industrieller Arbeitsplätze, der Abbau von Infrastruktur und der demografische Wandel prägten die Stadt nachhaltig. Trotzdem legte Magdeburg in dieser Zeit den Grundstein für die Entwicklung, die in den Folgejahren die Stadt zu einer modernen und lebendigen Metropole machen sollte.

Dieses Jahr bleibt in der Erinnerung vieler Magdeburger als ein entscheidender Moment der Transformation – eine Zeit, die voller Umbrüche war, aber auch voller Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Auf der Suche nach der Unternehmensnachfolge in Westmecklenburg

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Unternehmensnachfolge im Fokus: Unternehmerische Chancen in Westmecklenburg

Die Unternehmensnachfolge stellt eine zentrale Herausforderung für die wirtschaftliche Entwicklung dar, insbesondere in Regionen wie Westmecklenburg. Hier trifft der demografische Wandel auf eine wachsende Zahl älterer Unternehmensinhaber, die Nachfolger suchen. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Schwerin sowie die Nachfolgezentrale MV leisten dabei wichtige Unterstützung, um die Kontinuität von Unternehmen zu sichern.

Aktuelle Entwicklungen in der Unternehmensnachfolge
Nach Daten der Wirtschaftskammern in Mecklenburg-Vorpommern ist die Altersstruktur der Unternehmensinhaber ein entscheidender Indikator. Die Zahl der Unternehmer über 55 Jahre hat in den letzten Jahren zugenommen, was einen steigenden Bedarf an Nachfolgelösungen signalisiert. Etwa 52 von 1.000 Unternehmen im IHK-Bezirk Schwerin stehen zur Übergabe bereit, ein Wert, der dem Bundesdurchschnitt entspricht.

Während früher die Nachfolge häufig innerhalb der Familie geregelt wurde, ist dieser Anteil laut Studien auf 42 % gesunken. Gründe dafür sind unter anderem veränderte Familienstrukturen, der Wunsch jüngerer Generationen nach anderen beruflichen Wegen und die steigende Komplexität der Unternehmensführung.

Die Rolle der Nachfolgezentrale MV
Die Nachfolgezentrale MV, initiiert von verschiedenen Kammern und Institutionen, spielt eine zentrale Rolle bei der Vermittlung zwischen übergabewilligen Unternehmern und potenziellen Nachfolgern. Das Angebot umfasst eine diskrete und zielgerichtete Vermittlung, die den sensiblen Charakter des Übergabeprozesses berücksichtigt.

Frank Bartelsen, Teamleiter der Nachfolgezentrale, betont die Bedeutung der Vertraulichkeit: „Dieses Thema wird häufig im Verborgenen behandelt, um weder die Belegschaft noch Geschäftspartner zu verunsichern.“ Die Nachfolgezentrale agiert als Brücke zwischen beiden Parteien, unterstützt durch Tools wie den „Unternehmenswertrechner“, der eine erste Einschätzung des Unternehmenswerts ermöglicht.

Erfolgreiche Nachfolgen: Praxisbeispiele
Ein gelungenes Beispiel ist die Übergabe der Pension Redefin, die seit Januar 2024 von Jana Prellwitz und Falko Zowinski geführt wird. Mithilfe der IHK Schwerin fanden die neuen Betreiber die passende Immobilie und erhielten Unterstützung bei der Übernahme.

Ebenso erfolgreich verlief die Nachfolge bei der Seeland & Utecht Kunststoffverarbeitung GmbH, die 2021 von den langjährigen Mitarbeitern Christopher Oebrig und Jan Weber übernommen wurde. Hier begann der Übergabeprozess bereits fünf Jahre vor dem endgültigen Wechsel, begleitet durch die IHK und diverse Finanzierungsmodelle.

Finanzielle und organisatorische Herausforderungen
Ein zentrales Hindernis bei der Unternehmensnachfolge ist die Finanzierung. Potenzielle Nachfolger benötigen nicht nur Eigenkapital, sondern oft auch Fördermittel und Darlehen. Hier bietet die IHK zu Schwerin Orientierung, beispielsweise durch Hinweise auf Programme der KfW-Bank oder regionale Mikrodarlehen.

Ein weiteres Thema ist die Kaufpreisfindung, bei der oft unterschiedliche Vorstellungen aufeinandertreffen. Die Nachfolgezentrale und die Kammern bieten Unterstützung durch neutrale Bewertungstools und Verhandlungen.

Nachfolge als Chance für Gründer
Unternehmensnachfolge bietet nicht nur Herausforderungen, sondern auch Chancen für Menschen, die sich selbstständig machen wollen. Dabei gibt es keinen „typischen Nachfolger“ – vom ehemaligen Mitarbeiter bis zum Branchenfremden ist vieles möglich.

Frank Witt von der IHK Schwerin betont: „Wir raten potenziellen Nachfolgern, sich Netzwerke aufzubauen, Weiterbildungen zu nutzen und unternehmerisches Know-how zu entwickeln.“ Insbesondere Existenzgründerkurse können eine solide Grundlage schaffen.

Appell an die Politik
Die demografischen Entwicklungen und die Alterung der Babyboomer-Generation machen die Unternehmensnachfolge zu einer wirtschaftspolitischen Priorität. Frank Bartelsen appelliert an die Politik, Maßnahmen wie steuerliche Erleichterungen, Förderprogramme und eine stärkere öffentliche Wahrnehmung dieses Themas zu unterstützen.

Die Unternehmensnachfolge ist nicht nur eine Herausforderung für die einzelnen Betriebe, sondern auch ein volkswirtschaftlich bedeutsames Thema. Erfolgreiche Übergaben sichern Arbeitsplätze, Know-how und Steueraufkommen in der Region. Dank Initiativen wie der Nachfolgezentrale MV und der Unterstützung durch die IHK Schwerin können Übergaben gezielt und erfolgreich gestaltet werden.

Die Beispiele zeigen: Mit frühzeitiger Planung, fachkundiger Begleitung und passgenauen Finanzierungsmodellen lassen sich nicht nur Betriebe erhalten, sondern auch neue Perspektiven für Gründer schaffen. Westmecklenburg bietet damit nicht nur Herausforderungen, sondern auch große Chancen für die nächste Unternehmergeneration.

Grundsteinlegung für neue Radsporthalle in Schwerin

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Zukunft für modernes Radsportzentrum

Mit der feierlichen Grundsteinlegung für die neue Radsporthalle in Schwerin wurde heute ein bedeutendes Projekt für den Sportstandort Mecklenburg-Vorpommern gestartet. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig hob in ihrer Ansprache die große Bedeutung dieses Vorhabens hervor und unterstrich die lange Tradition des Bahnradsports in der Landeshauptstadt. „Hier auf dem Bundesstützpunkt wird bald ein modernes Radsportzentrum entstehen. Wir stärken damit den Spitzensport im Land und sichern die Zukunft des Olympiastützpunktes Schwerin“, sagte die Regierungschefin.

Schwerin habe bereits zahlreiche Spitzenradsportlerinnen und -radsportler hervorgebracht, betonte Schwesig und erinnerte an Vorbilder wie den Olympiasieger und mehrfachen Weltmeister Stefan Nimke sowie die erfolgreiche Sprinterin Lea-Sophie Friedrich. Beide hätten durch ihre Leistungen den Bahnradsport aus Schwerin auf die internationale Bühne getragen.

Das Sportgymnasium Schwerin, das eng mit dem Bundesstützpunkt verknüpft ist, bezeichnete Schwesig als „Kinderstube für zukünftige Weltmeisterinnen und Weltmeister“. Mit der neuen Radsporthalle werde ein zentraler Schritt unternommen, um jungen Talenten optimale Bedingungen zu bieten und gleichzeitig ein Umfeld zu schaffen, das sie auch langfristig an den Standort bindet. „Unser Ziel ist es, dass Jugendliche, die hier ausgebildet werden, auch als erwachsene Spitzensportlerinnen und Spitzensportler in Schwerin bleiben“, so die Ministerpräsidentin.

Die finanzielle Dimension des Projekts verdeutlicht die gemeinsame Anstrengung von Bund, Land und Kommune. Insgesamt fließen rund 25 Millionen Euro in die neue Halle, wobei das Land Mecklenburg-Vorpommern etwa 16,5 Millionen Euro übernimmt. Der Bund steuert vier Millionen Euro bei, während die Landeshauptstadt Schwerin knapp 4,5 Millionen Euro beisteuert. Schwesig betonte: „Das ist gut investiertes Geld in die Zukunft des Sports. Denn erfolgreiche Sportlerinnen und Sportler sind nicht nur Aushängeschilder für unser Land, sie inspirieren auch Kinder und Jugendliche, selbst aktiv zu werden.“

Die neue Radsporthalle soll jedoch nicht nur für den Spitzensport von Bedeutung sein. Schwesig wies darauf hin, dass die Halle auch als Trainingsstätte für den Breitensport dienen werde. „Sport ist eine Grundlage für Gesundheit, Gemeinschaft und persönliche Entwicklung. Mit dieser modernen Infrastruktur wollen wir allen, die Sport treiben möchten, bestmögliche Bedingungen bieten.“

Die neue Halle sei auch im nationalen Vergleich ein ambitioniertes Projekt, das Mecklenburg-Vorpommern als Sportland weiter profilieren werde. „Die Radsporthalle wird eine Perle für Schwerin und ein starkes Signal im Wettbewerb mit anderen Bundesländern“, zeigte sich Schwesig überzeugt.

Der Spatenstich markiert nicht nur den Beginn der Bauarbeiten, sondern steht symbolisch für die Kontinuität und Zukunft des Radsports in Schwerin. Mit modernster Ausstattung und einer ansprechenden Architektur wird die neue Halle ein Anziehungspunkt für Sportlerinnen und Sportler, Fans sowie die Schweriner Bevölkerung werden. Das Ziel ist klar: Hier sollen die nächsten Generationen von Weltmeistern und Olympiasiegern ihren Grundstein legen – auf einem Fundament, das in der traditionsreichen Sportstadt Schwerin verwurzelt ist.

Die Fertigstellung der Halle ist für 2026 geplant. Dann sollen sowohl Nachwuchstalente als auch erfahrene Profis die neuen Bahnen befahren und in Schwerin weiter an ihrer sportlichen Karriere feilen können.

Der 17. Juni 1953 – Aufstand der Arbeiter in Ost-Berlin

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Berlin 17. Juni 1953 - Der Aufstand der Arbeiter in Ost-Berlin (Dokumentation, 1993)

Der Aufstand des 17. Juni 1953 in der DDR markiert einen der bedeutendsten Momente des Widerstands gegen die kommunistische Herrschaft im Ostblock. Um die Ereignisse zu verstehen, die zu diesem historischen Wendepunkt führten, ist es notwendig, den politischen und gesellschaftlichen Kontext der Nachkriegszeit zu betrachten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Deutschland von den Siegermächten in Besatzungszonen aufgeteilt. Die Sowjetunion übernahm die Kontrolle über den Osten Deutschlands, während die Westmächte – die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich – die westlichen Gebiete verwalteten. Diese Teilung führte zur Entstehung zweier gegensätzlicher politischer Systeme: einer westlichen Demokratie mit Marktwirtschaft und einer sozialistischen Planwirtschaft unter sowjetischem Einfluss im Osten.

Berlin, das tief im sowjetischen Sektor lag, wurde ebenfalls in vier Sektoren aufgeteilt. Diese ungewöhnliche Situation machte die Stadt zu einem zentralen Schauplatz der Spannungen zwischen Ost und West. Besonders in den ersten Nachkriegsjahren zeichnete sich ab, dass die wirtschaftliche Entwicklung in den beiden Teilen Deutschlands sehr unterschiedlich verlief. Während die Westmächte mit dem Marshall-Plan den Wiederaufbau in Westdeutschland förderten und die D-Mark als stabile Währung einführten, kämpfte die Sowjetunion im Osten mit den Folgen des Krieges und den wirtschaftlichen Herausforderungen ihrer sozialistischen Wirtschaftsordnung. Dies führte zu erheblichen Problemen in der sowjetischen Besatzungszone, die später zur DDR wurde. Lebensmittelknappheit, stagnierende Produktion und eine allgemeine Unzufriedenheit prägten den Alltag der Menschen im Osten Deutschlands.

Ein entscheidender Wendepunkt in den deutsch-deutschen Beziehungen war die Einführung der D-Mark im Juni 1948 durch die Westalliierten. Diese Währungsreform sollte die wirtschaftliche Stabilität im Westen fördern, hatte jedoch auch gravierende Auswirkungen auf den Osten. Die Sowjetunion reagierte auf diese Entwicklung, indem sie alle Landwege nach West-Berlin blockierte. Dies führte zur berühmten Berliner Luftbrücke, bei der die Westmächte lebenswichtige Güter auf dem Luftweg nach West-Berlin transportierten, um die Stadt zu versorgen. Die Blockade wurde schließlich aufgehoben, aber die Gräben zwischen den beiden deutschen Staaten vertieften sich weiter.

1949 wurde die Teilung Deutschlands offiziell, als die Bundesrepublik Deutschland (BRD) im Westen und die Deutsche Demokratische Republik (DDR) im Osten gegründet wurden. Während die BRD sich zu einer parlamentarischen Demokratie entwickelte, baute die DDR ein sozialistisches Einparteiensystem unter der Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) auf. Besonders unter Walter Ulbricht, dem Generalsekretär der SED, verfolgte die DDR eine strikte sozialistische Linie.

Anfang der 1950er Jahre verschärfte die DDR-Regierung ihre sozialistische Wirtschaftspolitik. Ein zentraler Bestandteil dieser Politik war die Erhöhung der sogenannten Arbeitsnormen. Diese Maßnahme sollte die Produktivität steigern und die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der DDR lindern. Doch die Realität sah anders aus: Die Erhöhung der Arbeitsnormen bedeutete, dass Arbeiter mehr leisten mussten, ohne dafür entsprechend höhere Löhne zu erhalten. Dies führte zu massiver Unzufriedenheit, insbesondere unter den Bauarbeitern, die bereits unter schwierigen Bedingungen arbeiteten.

Die Lage verschärfte sich weiter, als Josef Stalin im März 1953 starb. Sein Tod führte zu einer Zeit der Unsicherheit und Veränderungen in der Sowjetunion, die auch Auswirkungen auf die DDR hatten. Die neue sowjetische Führung propagierte den sogenannten „Neuen Kurs“, eine Politik, die darauf abzielte, die sozialen Spannungen zu entschärfen. Dazu gehörten wirtschaftliche Zugeständnisse wie die Senkung von Preisen und die Rücknahme von Zwangskollektivierungen. Doch gleichzeitig hielt die DDR-Regierung an der Erhöhung der Arbeitsnormen fest, was die Wut der Arbeiter weiter anheizte.

Am 16. Juni 1953 erreichte die Unzufriedenheit einen Höhepunkt. An diesem Tag reichten Bauarbeiter in Ost-Berlin eine Petition ein, in der sie die Rücknahme der Normerhöhung forderten. Die Regierung reagierte nicht auf ihre Forderungen, woraufhin die Arbeiter einen Streik organisierten. Am Morgen des 17. Juni 1953 versammelten sich Tausende Bauarbeiter und andere Beschäftigte aus verschiedenen Branchen im Zentrum von Ost-Berlin. Die Demonstration wuchs schnell zu einer Massendemonstration an, an der schließlich bis zu 100.000 Menschen teilnahmen.

Die Forderungen der Demonstranten gingen weit über die Rücknahme der Arbeitsnormen hinaus. Sie verlangten freie Wahlen, die Wiedervereinigung Deutschlands und den Rücktritt der SED-Regierung. In den Straßen von Ost-Berlin waren Rufe wie „Wir wollen freie Wahlen!“ und „Nieder mit der Regierung!“ zu hören. Die Demonstrationen blieben nicht auf Ost-Berlin beschränkt. In vielen anderen Städten der DDR, darunter Leipzig, Dresden und Magdeburg, gingen ebenfalls Tausende Menschen auf die Straße.

Die DDR-Regierung sah sich mit der größten Krise ihrer noch jungen Geschichte konfrontiert. Walter Ulbricht und seine Führung waren nicht in der Lage, den Aufstand eigenständig zu bewältigen, und baten die Sowjetunion um Hilfe. Noch am selben Tag rief die DDR-Regierung den Ausnahmezustand aus. Sowjetische Truppen und Panzer wurden in die Städte entsandt, um den Aufstand niederzuschlagen.

Die Reaktion der sowjetischen Truppen war brutal. Demonstrationen wurden mit Waffengewalt aufgelöst, Arbeiter, die sich weigerten, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren, wurden verhaftet, und zahlreiche Menschen starben bei den Zusammenstößen. Die genaue Zahl der Opfer ist bis heute umstritten. Historiker schätzen, dass mindestens 50 Menschen getötet wurden, während andere von mehreren Hundert Toten ausgehen. Tausende wurden verletzt oder verhaftet, und viele von ihnen erhielten später langjährige Haftstrafen.

Der Aufstand des 17. Juni 1953 war ein Wendepunkt in der Geschichte der DDR. Er zeigte die tiefe Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem kommunistischen Regime und die Sehnsucht nach Freiheit und Demokratie. Gleichzeitig hatte der Aufstand weitreichende Folgen für die politische Entwicklung der DDR. Die Regierung verstärkte ihre Repressionsmaßnahmen, um zukünftige Aufstände zu verhindern. Die Staatssicherheit, besser bekannt als Stasi, wurde ausgebaut, und die Kontrolle über die Bevölkerung wurde verschärft. Kritiker des Regimes wurden rigoros verfolgt, und die Medien wurden vollständig auf Parteilinie gebracht.

In der Bundesrepublik Deutschland wurde der 17. Juni 1953 zum „Tag der Deutschen Einheit“ erklärt, um an den Mut der Demonstranten zu erinnern und die Solidarität mit den Menschen in der DDR zu zeigen. Der Aufstand wurde zu einem Symbol für den Widerstand gegen die kommunistische Herrschaft und bestärkte die Entschlossenheit der BRD, die Wiedervereinigung Deutschlands als langfristiges Ziel zu verfolgen.

International betrachtet war der Aufstand ein frühes Zeichen für die Schwächen des sowjetischen Systems. Er zeigte, dass die Herrschaft der Kommunistischen Partei in den Ostblockstaaten nicht so stabil war, wie sie von außen schien. Der 17. Juni 1953 bleibt ein wichtiges Datum in der deutschen Geschichte und ein Symbol für den Mut und die Sehnsucht der Menschen nach Freiheit. Trotz seines Scheiterns legte der Aufstand den Grundstein für spätere Protestbewegungen in der DDR, die schließlich 1989 zur Friedlichen Revolution führten. Er erinnert daran, dass Freiheit und Demokratie stets verteidigt und erkämpft werden müssen.

Ein Blick in die Vergangenheit: Die Straßenbahnfahrt durch das alte Leipzig

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Mit der Straßenbahn durch Leipzig 1931 Original SW

Der Originalfilm einer Straßenbahnfahrt durch das alte Leipzig wurde mit einem außergewöhnlichen Ziel aufgenommen: Er sollte zur Ausbildung von Straßenbahnführern dienen. Was diesen Film von anderen unterscheidet, ist nicht nur seine Funktion als praktisches Lehrmaterial, sondern vor allem der dokumentarische Charakter, der die alltäglichen Szenen der Stadt zeigt – ohne den Anspruch, die Sehenswürdigkeiten oder das „Schöne“ der Stadt in den Vordergrund zu stellen. Der Film fängt die ruhigen, unaufgeregten Momente des städtischen Lebens ein, die uns heute, über ein Jahrhundert später, eine wertvolle Zeitreise in die Vergangenheit ermöglichen.

Dieser dokumentarische Ansatz eröffnet den Blick auf eine Weltstadt des frühen 20. Jahrhunderts, deren Ästhetik und Zivilisiertheit wir aus heutiger Perspektive als fast verloren betrachten müssen. Die Straßenbahnfahrt führt durch das alltägliche Leben der Stadt, zeigt keine gezielt inszenierten Touristenattraktionen oder auffälligen Monumente, sondern gewährt einen Einblick in das einfache, jedoch sehr organisierte und zivilisierte Leben der Leipziger. Dabei entfaltet sich eine visuelle Erzählung, die viel mehr über das damalige Stadtbild und die Menschen aussagt als es in einem bloßen Werbefilm für die Stadt jemals möglich wäre.

Besonders bemerkenswert ist die Art und Weise, wie der Film eine Zeit einfängt, die für uns heute fast unvorstellbar erscheint. Wir sehen eine Stadt, die sich mit ihrem eigenständigen Charakter und einer klar strukturierten Urbanität von anderen deutschen Städten der Zeit unterscheidet. Leipzig, damals eine aufstrebende Kultur- und Handelsmetropole, zeigte sich in dieser Straßenbahnfahrt als eine Stadt, die durch ihre hohe Zivilisiertheit und ihr feines Gespür für Ordnung und Effizienz eine prägende Rolle im städtischen Leben spielte. Die Straßenbahnfahrt führt durch Stadtteile, die heute anders aussehen, die aber in der Zeit des frühen 20. Jahrhunderts das Bild einer aufstrebenden Großstadt prägten.

Besonders im Kontext des städtischen Verkehrs- und Infrastrukturbaues wird in diesem Film ein bemerkenswerter Fortschritt deutlich. Die Straßenbahn war zu jener Zeit nicht nur ein Fortbewegungsmittel, sondern ein Symbol für die modernisierte Infrastruktur einer Stadt. Der Film dokumentiert, wie die Straßenbahn – noch in ihrer klassischen Form – als tägliches Fortbewegungsmittel funktionierte und als eine der Hauptverkehrsadern der Stadt ihre Bedeutung für die städtische Zivilisation unterstreicht.

Die Straßenbahnfahrt im Film wirkt wie ein unaufgeregtes Porträt der Zeit. Der Blick aus dem Fenster, die Straßenzüge, die Architektur der Gebäude, die Kleidung der Menschen und das allgemeine Stadtbild sind dabei von einer solchen Authentizität, dass sie uns heute, mehr als hundert Jahre später, nicht nur nostalgische Gefühle vermitteln, sondern auch ein tiefes Verständnis für das urbane Leben der damaligen Zeit aufzeigen. Der Film zeigt, wie die Menschen in ihrem alltäglichen Tun miteinander verbunden waren – durch den öffentlichen Verkehr, durch die Straßen, durch das städtische Leben, das in seiner Einfachheit und Klarheit eine eigene Ästhetik entwickelt hatte.

Was heute in vielen modernen Großstädten verloren zu gehen scheint, war in Leipzig zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch selbstverständlich: Die hohe Zivilisiertheit, das harmonische Zusammenspiel von Tradition und Moderne, von städtischer Struktur und menschlicher Interaktion. Gerade diese Ästhetik einer frühen Großstadt, in der alles seine Ordnung hatte und in der das Leben in seinem Alltagsgang eine eigene Würde besaß, scheint aus der heutigen urbanen Welt weitgehend verschwunden zu sein. Die zunehmende Verdichtung und der rasante technologische Fortschritt haben die Städte verändert – oft zugunsten von Funktionalität, jedoch auf Kosten des Charmes und der Urbanität, die einst in dieser Zivilisation zu finden waren.

Der dokumentarische Charakter des Films lässt uns auf eine Weise in die Vergangenheit eintauchen, die jenseits jeder Historisierung oder Rekonstruktion liegt. Es ist nicht nur ein Blick auf Gebäude und Straßen, sondern ein Blick auf die Menschen, die diese Weltstadt damals bevölkerten. Die Fahrgäste der Straßenbahn, die Passanten auf den Bürgersteigen, die Straßenverkäufer und die Fahrradfahrer – sie alle sind Teil eines alltäglichen, doch in seiner Struktur und Schönheit nahezu vergessenen urbanen Kosmos. Die Städte, die heute oft von Hektik und Anonymität geprägt sind, erscheinen im Vergleich zu den ruhigen, organisierten Szenen dieses Films beinahe entfremdet.

Was bleibt, ist das Bewusstsein für eine Stadt, die in ihrer Architektur und ihrem Lebensstil einen wichtigen Moment der städtischen Entwicklung dokumentiert. Diese Straßenbahnfahrt ist mehr als nur eine technische Lehraufnahme – sie ist ein Dokument der Ästhetik einer vergangenen Epoche, die uns heute, mit dem Verlust vieler ihrer Merkmale, fast utopisch erscheint. In einer Zeit, in der die Städte immer unübersichtlicher und schneller werden, vermittelt uns dieser Film eine Ruhe und Ordnung, die wir heutzutage nur noch schwer finden. Und gerade darin liegt die besondere Faszination dieses dokumentarischen Schatzes.

Friedrich Merz im Interview: Klarheit und Disziplin für Deutschlands Zukunft

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Was plant die CDU für Deutschland? Kanzlerkandidat Friedrich Merz im Gespräch | maischberger

In einem Interview mit Sandra Maischberger skizzierte Friedrich Merz seine politischen Positionen als Kanzlerkandidat der CDU. Die wichtigsten Aussagen lassen sich in drei Hauptthemen unterteilen:

  1. Wirtschafts- und Finanzpolitik:
    • Schuldenbremse: Merz betonte, dass die Schuldenbremse nicht aufgeweicht werden dürfe, um konsumtive Ausgaben zu finanzieren, wobei er eine Reform als möglich ansieht, wie sie vom Sachverständigenrat und der Bundesbank vorgeschlagen wurde.
    • Heizungsgesetz: Er kritisierte das Heizungsgesetz von Robert Habeck und forderte eine technologieoffene Regelung, bei der die Bürger selbst entscheiden können, welche Heizung sie installieren, während gleichzeitig CO2-Reduktionsziele eingehalten werden.
    • Wirtschaftspolitik: Merz forderte einen Politikwechsel in der Wirtschaftspolitik, kritisierte die fehlende Klarheit in der Politik von Robert Habeck und betonte die Notwendigkeit klarer politischer Aussagen.
  2. Sozialpolitik:
    • Bürgergeld: Merz kündigte die Abschaffung des Bürgergeldes an und plädierte für eine neue Grundsicherung, die weniger Anreize für Arbeitsverweigerung schaffe.
    • PASCHAS: Merz verteidigte seine umstrittene Äußerung über „kleine Paschas“, indem er behauptete, es sei lediglich ein Zitat von Lehrerinnen gewesen.
  3. Außen- und Sicherheitspolitik:
    • Ukraine-Krieg: Er forderte eine engere Abstimmung mit den europäischen Partnern in der Ukraine-Politik und kritisierte Olaf Scholz für seine zögerliche Haltung. Merz schloss die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine nicht aus, machte sie jedoch von einer europäischen Übereinkunft und der Ausbildung ukrainischer Soldaten abhängig.
    • Bundeswehreinsatz: Er lehnte Annalena Baerbocks Vorschlag eines möglichen Bundeswehreinsatzes zur Friedenssicherung in der Ukraine ab und betonte, dass der Fokus auf dem Ende des Krieges liegen sollte.
    • Wehrdienst: Merz sprach sich für die Wiedereinführung der Wehrpflicht und ein verpflichtendes gesellschaftliches Jahr aus.
    • Flüchtlingspolitik: Merz betonte die Notwendigkeit von Zurückweisungen an der Grenze, um illegalen Zuzug zu begrenzen, und unterschied sich deutlich von Angela Merkels Flüchtlingspolitik.

Zusammengefasst präsentiert sich Merz als entschlossener Politiker, der die aktuelle Politik der Ampel-Koalition scharf kritisiert und klare, europafreundliche sowie disziplinierte Lösungen für die Zukunft Deutschlands skizziert. Ob diese Pläne im Falle eines Wahlsieges umsetzbar sind, bleibt abzuwarten.

Thüringer Appell: Landeshaushalt 2025 muss soziale Infrastruktur sichern

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Die Thüringer Zivilgesellschaft zeigt sich besorgt angesichts der aktuellen Haushaltslage im Land und der damit verbundenen Verzögerungen. Im Rahmen des „Thüringer Appells“ fordern die Bündnispartner*innen – darunter die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege, der Sozialverband VdK, der Landessportbund, der Flüchtlingsrat und der BUND – eine zügige Verabschiedung des Landeshaushalts 2025. In einem offenen Appell betonen sie die Bedeutung einer stabilen Haushaltslage für die soziale Infrastruktur Thüringens, die Arbeitsplätze und das Wohlergehen der Menschen im Land.

„Die Beschäftigten und die Menschen in Thüringen dürfen nicht die Leidtragenden der politischen Übergangssituation nach den Wahlen und der daraus resultierenden Verzögerung des Haushalts sein“, erklärt ein Sprecher des DGB. „Ohne einen beschlossenen Landeshaushalt droht in vielen Bereichen ein Stillstand. Vor allem in Bereichen, die für das tägliche Leben und das soziale Wohl der Thüringerinnen und Thüringer von entscheidender Bedeutung sind, wie Bildung, Kultur, Soziales und Umwelt. Es fehlt die Planungssicherheit für die Verbände, die Einrichtungen und die freien Träger, die wesentliche Aufgaben der Daseinsvorsorge übernehmen. Dieser Zustand ist untragbar“, so der DGB weiter.

Der Thüringer Landeshaushalt 2025 steht unter dem Schatten eines doppelten Problems: Zum einen fehlt der Bundeshaushalt, was bedeutet, dass viele wichtige Projekte, die mit Bundesmitteln kofinanziert werden sollen, ins Stocken geraten könnten. Zum anderen droht die Verzögerung des eigenen Landeshaushalts, dass bereits laufende und notwendige Projekte und Maßnahmen nicht fortgeführt werden können. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen, die in der Vergangenheit eine tragende Rolle im sozialen und kulturellen Bereich gespielt haben, sind besorgt über die möglichen Auswirkungen dieser Verzögerungen.

„Wir brauchen jetzt entschlossenes Handeln der Thüringer Abgeordneten“, fordert der DGB-Sprecher. „Es darf nicht zu einem Kahlschlag bei den Angeboten kommen. Die Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Bedürfnisse auch in Zeiten politischer Unsicherheit ernst genommen werden.“ Angesichts der unsicheren politischen Lage und der Herausforderungen, mit denen die Gesellschaft konfrontiert ist – von sozialen Problemen über die Integration von Migrantinnen bis hin zu Umweltfragen – sehen die Partnerinnen des Thüringer Appells dringenden Handlungsbedarf. Die Verabschiedung des Landeshaushalts 2025 muss schnell und verantwortungsvoll erfolgen, um den Bedarf an stabilen und kontinuierlichen sozialen, kulturellen und politischen Angeboten zu decken.

„Gerade in unsicheren Zeiten wie diesen müssen soziale Stabilität und die öffentliche Daseinsvorsorge höchste Priorität haben“, so die Position des DGB. „Es wurde ein sogenannter ‚technischer Haushalt‘ in den Landtag eingebracht. Dieser bietet jedoch keine Lösung für die drängenden Probleme in Bereichen wie Soziales, Kultur, Sport, Umweltschutz und Integration. Wir müssen verhindern, dass wichtige Projekte aufgrund von Finanzierungslücken ins Stocken geraten. Ein zügig verabschiedeter und gut finanzierten Landeshaushalt ist unerlässlich, um den Thüringerinnen und Thüringern weiterhin Perspektiven zu bieten.“

In ihren Forderungen betonen die Bündnispartner*innen des Appells, dass zahlreiche wichtige Projekte ohne einen beschlossenen Landeshaushalt 2025 nicht stattfinden können oder sogar gestoppt werden müssten. Katja Glybowskaja, Vorsitzende der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege, warnt vor den Konsequenzen, die eine Verzögerung des Haushalts für soziale und gesundheitliche Dienstleistungen in Thüringen haben würde. „Ein Haushaltsentwurf, der sich nicht an den tatsächlichen Bedarfen orientiert, wird die soziale Infrastruktur im Land massiv unter Druck setzen“, erklärt sie. Besonders betroffen sind Angebote wie die Verbraucherinsolvenzberatung, die Asylverfahrensberatung und die Migrationsberatung für Erwachsene, die im Haushaltsentwurf mit Kürzungen konfrontiert werden. Glybowskaja fordert, dass diese wichtigen Einrichtungen ausreichend finanziert werden, um die Unterstützung der vulnerablen Gruppen in der Gesellschaft zu gewährleisten.

Auch die Ausfinanzierung von Gewaltschutzeinrichtungen für Frauen, die im Rahmen der Istanbul-Konvention von der EU gefordert wird, sei im aktuellen Haushaltsentwurf unzureichend. Die Umsetzung dieser wichtigen sozialen Maßnahme müsse sichergestellt werden, um den Schutz von Frauen in Thüringen zu gewährleisten. Ein weiteres Problem sei, dass der Haushalt weiterhin auf den Finanzmitteln von 2024 basiere, was nicht mit den steigenden Kosten und den tariflichen Anpassungen für die Träger sozialer Angebote vereinbar sei. Diese Regelung würde die soziale Infrastruktur im Land gefährden und den Beschäftigten in diesen Bereichen nicht gerecht werden.

„Es ist entscheidend, dass der Landeshaushalt 2025 nicht nur schnell verabschiedet wird, sondern dass er sich auch an den tatsächlichen Bedarfen der Thüringerinnen und Thüringer orientiert“, so Glybowskaja. „Andernfalls riskieren wir, dass wichtige soziale Projekte und Arbeitsplätze gefährdet werden.“

Der Landessportbund Thüringen, vertreten durch seinen Hauptgeschäftsführer Thomas Zirkel, sieht ebenfalls große Gefahren für die Integrationsarbeit im Sport. Zirkel betont die Bedeutung des Sports als niedrigschwellige Plattform zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund und Geflüchteten. „Der Sport hilft vielen Menschen, sich in Thüringen zu integrieren. Doch die unklare Haushaltslage und die ständige Unsicherheit über die Finanzierung gefährden diese Arbeit“, erklärt Zirkel. Besonders die Integrationsarbeit durch Sport, die durch die Beschäftigung von Fachkräften koordiniert wird, könnte durch die unsichere Haushaltslage gefährdet werden. Zirkel fordert daher eine stabile und langfristige Finanzierung, um die Integrationsarbeit und den Sport in Thüringen weiter zu stärken.

Jörg Kubitzki vom Sozialverband VdK Hessen-Thüringen fordert ebenfalls, dass bestehende Programme zur Unterstützung von Menschen mit Beeinträchtigungen, Frauenhäusern und inklusiven Maßnahmen ab Januar 2025 nahtlos fortgeführt werden. Der VdK stellt klar, dass die zügige Verabschiedung des Haushalts notwendig sei, um keine Einschnitte in die soziale Daseinsvorsorge zu riskieren. Diese sozialen Programme seien für die Menschen in Thüringen von großer Bedeutung und müssten auch in schwierigen Zeiten fortgeführt werden.

Der Flüchtlingsrat Thüringen, vertreten durch Juliane Kemnitz, warnt vor Kürzungen in der Integrationsrichtlinie und dem Ende des Landesaufnahmeprogramms für syrische und afghanische Geflüchtete. „Die Landesaufnahmeprogramme waren eine der wenigen Möglichkeiten für legale Fluchtwege aus Krisenregionen“, betont Kemnitz. „Die aktuellen Kürzungen gefährden nicht nur diese Programme, sondern auch die Beratung und Unterstützung von Migrant*innen in Thüringen. Es ist unverständlich, warum diese wichtigen Angebote, die für die gesellschaftliche Integration und den sozialen Frieden notwendig sind, abgeschafft oder gekürzt werden sollen.“

Abschließend weist Sebastian König vom BUND Thüringen auf die Notwendigkeit hin, dass auch Umwelt- und Naturschutzprojekte nicht auf die lange Bank geschoben werden dürfen. „Der Schutz unserer Natur und Artenvielfalt hat keine Zeit zu warten. Auch hier hängen zahlreiche Projekte an der Finanzierung des Landeshaushalts. Wir appellieren daher an die Abgeordneten des Thüringer Landtages, den Haushaltsentwurf schnell zu verabschieden und damit sicherzustellen, dass Umwelt- und Naturschutzprojekte weiterhin durchgeführt werden können“, so König.

Die Bündnispartner des „Thüringer Appells“ stellen in ihrem gemeinsamen Appell klar, dass der Landeshaushalt 2025 nicht nur schnell verabschiedet werden muss, sondern auch den sozialen und infrastrukturellen Bedürfnissen der Menschen in Thüringen gerecht werden sollte. Nur so kann der Landeshaushalt seine wichtige Rolle als Fundament für eine stabile, soziale und zukunftsfähige Gesellschaft erfüllen.

Christian Schaft (DIE LINKE) fordert klare Vereinbarungen im Thüringer Landtag

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Landespressekonferenz im Thüringer Landtag: Christian Schaft (DIE LINKE) steht Rede & Antwort

Am 5. Dezember 2024 fand die Landespressekonferenz im Thüringer Landtag statt, bei der Christian Schaft, der Landes- und Fraktionsvorsitzende der Partei DIE LINKE, Rede und Antwort stand. Die Veranstaltung zog großes Interesse auf sich, nicht zuletzt wegen der aktuellen politischen Lage in Thüringen und der Frage, wie es mit der Ministerpräsidentenwahl und den Mehrheitsverhältnissen im Landtag weitergeht.

Die Frage der Ministerpräsidentenwahl: Ein ungelöstes Rätsel?
Die Frage, ob Christian Schaft als Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten antreten wird, sorgt seit Wochen für Diskussionen. In seiner Eröffnungsantwort betonte Schaft, dass die Fraktion der LINKEN die finale Klärung der Ministerpräsidentenwahl am kommenden Mittwoch in einer Fraktionssitzung abschließen werde. Diese Sitzung ist von entscheidender Bedeutung, da sie darüber entscheiden wird, ob Schaft tatsächlich als Kandidat aufgestellt wird oder ob er in dieser Wahlrunde keine Rolle spielt.

„Wir sind noch in der Meinungsbildung“, erklärte Schaft, und verwies auf die Fraktionssitzung, die am Mittwoch stattfinden wird. Es ist daher noch offen, ob DIE LINKE sich auf einen anderen Kandidaten, beispielsweise den bisherigen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, verständigen wird oder ob Schaft möglicherweise selbst in die Wahl eingreifen wird. Schaft betonte, dass die Fraktion derzeit verschiedene Varianten durchdiskutiere und man noch nicht endgültig entschieden habe.

Bodo Ramelow und die Verwirrung um die Stimmen
Ein wichtiger Punkt, der in den letzten Tagen für Verwirrung gesorgt hatte, war die Aussage von Bodo Ramelow, dass Schaft als Ministerpräsident kandidieren könnte. Beim Landesparteitag war dies jedoch in etwas anderem Kontext formuliert worden. Schaft erläuterte, dass Ramelow in einem Interview lediglich einen hypothetischen Fall angedeutet habe, um eine mögliche Situation zu beschreiben, bei der ein Kandidat mit einer breiten Mehrheit im Landtag gewählt werden könnte. Schaft wies jedoch darauf hin, dass dies nur eine Option unter vielen sei, und dass die Frage innerhalb der Fraktion weiterhin offen sei.

Ein weiteres umstrittenes Thema war die Diskussion um die „zwölf Stimmen im Paket“ – eine Klarstellung, die Schaft und seine Fraktion immer wieder betonen. „Es gibt zwölf Stimmen in der Fraktion, und da passt kein Platz zwischen uns“, so Schaft. Diese Aussage wurde gemacht, um zu verdeutlichen, dass innerhalb der LINKEN keine Differenzen bestehen und dass die Fraktion geschlossen hinter ihren Entscheidungen steht.

Die Position zur Wahl von Thomas Vogt (CDU)
Die Frage, ob DIE LINKE geschlossen für Thomas Vogt von der CDU stimmen würde, wurde ebenfalls ausführlich diskutiert. Vogt hatte immer wieder betont, dass die politische Verantwortung in Thüringen nicht von den Stimmen der AfD abhängig gemacht werden dürfe. Schaft wies jedoch darauf hin, dass er sich nicht vorstellen könne, für einen Kandidaten zu stimmen, der bislang nicht in der Lage gewesen sei, ernsthafte Gespräche über demokratische Mehrheiten im Landtag zu führen.

„Es geht uns nicht darum, ob wir einem Kandidaten zustimmen, sondern darum, wie im Landtag Mehrheiten gesichert werden können“, sagte Schaft und verwies auf die destruktive Rolle der AfD. Seit 2020, so Schaft, habe sich die AfD als „toxische“ politische Kraft erwiesen, die durch destruktive Spielchen versuche, den politischen Prozess zu stören. Eine stabile Mehrheit im Landtag könne nur durch verbindliche Vereinbarungen gesichert werden, die klarstellen, wie mit Mehrheiten und Kompromissen unter den demokratischen Fraktionen umgegangen wird.

Der Stabilitätspakt und die Forderung nach verbindlichen Mechanismen
Ein zentraler Punkt in Schaft’s Argumentation war die Notwendigkeit eines „Stabilitätspaktes“, der die demokratischen Mehrheiten im Landtag absichern und eine konstruktive Zusammenarbeit der Fraktionen gewährleisten soll. Schaft kritisierte, dass es in der aktuellen Legislaturperiode noch keine klare Vereinbarung gegeben habe, wie stabile Mehrheiten erreicht werden könnten. Er erinnerte an den Stabilitätspakt aus der letzten Legislaturperiode, der eine Basis für konstruktive Mehrheitsbildung und Kompromisssuche bot. Diese Art von Mechanismus müsse auch in der jetzigen Situation wieder eingeführt werden.

Schaft verdeutlichte, dass es nicht nur um die Arithmetik der Stimmen gehe, sondern auch um konkrete politische Projekte. „Wir müssen sicherstellen, dass wir gemeinsam Projekte umsetzen, die den Menschen in Thüringen zugutekommen“, sagte Schaft und verwies auf die Bedeutung von Themen wie der Gesundheitsinfrastruktur und der Entlastung von Eltern.

Ein Mechanismus gegen die AfD?
Die Gespräche über den Stabilitätspakt beinhalteten auch die Forderung nach einem Mechanismus, der sicherstellt, dass keine Mehrheiten mit der AfD gebildet werden können. Schaft betonte, dass es wichtig sei, dies schriftlich festzulegen, um den Einfluss der AfD zu minimieren. Ein solcher Mechanismus würde es ermöglichen, dass die demokratischen Fraktionen im Landtag gemeinsam nach Lösungen suchen und Kompromisse erzielen können, ohne die AfD als Mitspieler einbeziehen zu müssen.

Die Diskussion um die Vereinbarung eines solchen Mechanismus stellte Schaft als „offenen Prozess“ dar, in dem auch die CDU und SPD ihre Positionen darlegen müssten. Schaft hob hervor, dass seine Fraktion weiterhin offen für Gespräche sei, aber nur unter der Voraussetzung, dass die demokratischen Prinzipien des Landtags gewahrt blieben und die AfD nicht als legitimer Partner anerkannt werde.

Die Perspektive der Fraktion DIE LINKE
Die Fraktion DIE LINKE stellte sich in der Landespressekonferenz nicht als Fundamentalopposition dar. Schaft versicherte, dass seine Fraktion weiterhin bereit sei, konstruktiv mit den anderen Fraktionen zusammenzuarbeiten. Dies schließe die Prüfung und gegebenenfalls Zustimmung zu Gesetzesvorhaben ein, die im Sinne der Menschen in Thüringen seien. Doch er stellte auch klar, dass dies nicht ohne klare Bedingungen geschehen könne.

„Wir wollen keine Geschenke machen“, so Schaft, „aber wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen und zu schauen, wie sich die politische Landschaft entwickelt. Wir haben klare Vorstellungen und werden nicht nachlassen, wenn es darum geht, stabile und demokratische Mehrheiten zu sichern.“

Die Landespressekonferenz zeigte, dass die politische Situation in Thüringen nach wie vor angespannt und von vielen Unsicherheiten geprägt ist. Die Frage der Ministerpräsidentenwahl ist noch nicht geklärt, und die Diskussion um die zukünftige Zusammenarbeit im Landtag bleibt ein umstrittenes Thema. DIE LINKE setzt auf stabile Mehrheitsverhältnisse und die Vermeidung von Kooperationen mit der AfD, was eine zentrale Forderung der Fraktion bleibt. Die kommende Fraktionssitzung am Mittwoch wird entscheidend sein, um die Weichen für die politische Zukunft Thüringens zu stellen.