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VEB Weimar-Werk Werbefilm der DDR aus den 1970er Jahren

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Der Werbefilm des VEB Weimar-Werk aus den 1970er Jahren präsentiert Weimar als eine Stadt mit einer reichen kulturellen Tradition und gleichzeitig als einen bedeutenden Standort für die sozialistische Industrie. Die Dokumentation beginnt mit einem Überblick über die historische Bedeutung Weimars, das als Stadt der Dichter und Denker bekannt ist. Berühmte Persönlichkeiten wie Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller prägten hier die deutsche Literatur. Zahlreiche Museen, Gedenkstätten und das berühmte Gartenhaus Goethes zeugen von diesem Erbe.

Gleichzeitig wird die Stadt als bedeutender Industriestandort der DDR dargestellt. Das VEB Weimar-Werk, eines der beiden größten Industrieunternehmen Weimars neben dem VEB Uhrenwerk Weimar, war nördlich des Hauptbahnhofs entlang der Buttelstedter Straße, der Kromsdorfer Straße und der Straße Im Weimar-Werk angesiedelt. Das Unternehmen war ein zentraler Arbeitgeber der Region und beschäftigte in seiner Hochphase rund 4.800 Menschen im Stammwerk.

1953 profilierte sich das Weimar-Werk als Mähdrescherwerk und wurde zu einem der größten Industriebetriebe im Landmaschinenbau der DDR. Von 1970 bis 1978 hatte das Unternehmen den Status eines Kombinats unter dem Namen Weimar-Kombinat, das im Zuge der Fusion von Land- und Nahrungsgütermaschinenbau gebildet wurde. Es spezialisierte sich auf mehrere zentrale Maschinensysteme:

  • Bodenbearbeitung, Bestellung, Düngung, Pflanzenschutz
  • Kartoffelernte, -aufbereitung und -lagerung
  • Rübenernte

Die im Weimar-Kombinat produzierten Landmaschinen wurden nicht nur in der DDR, sondern weltweit eingesetzt. Die Fertigung erfolgte nach modernsten Methoden mit Fließfertigung, geschultem Personal und kontinuierlichen Qualitätskontrollen. Besonders hervorgehoben werden die Vielseitigkeit und Leistungsfähigkeit der Maschinen: Mobilbagger und Mobillader können durch verschiedene Arbeitswerkzeuge in der Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Bauindustrie und anderen Bereichen genutzt werden. Kartoffelsammelroder wurden für unterschiedliche Einsatzbedingungen entwickelt, und leistungsfähige Pflüge mit Arbeitsbreiten bis zu 280 cm gehörten ebenfalls zum Produktionsprogramm.

Der Film betont die Effizienz der Saatbettvorbereitung durch Maschinen wie den Feingrubber mit angebauter Drahtwälzegge sowie moderne Drillmaschinen für die Großflächenaussaat. Hochvolumige Düngerstreuer mit Arbeitsbreiten bis zu 18 Metern und Kopplungswagen für verschiedene Arbeitsgeräte vervollständigen das Angebot. Speziell für den sowjetischen Traktor K700 wurde ein Aufsattelpflug entwickelt, was die enge Zusammenarbeit mit der UdSSR unterstreicht.

Ein besonders bedeutendes Produkt war der selbstfahrende Rübenrodelader KS6, der in Kooperation mit Betrieben aus der Sowjetunion und Bulgarien entwickelt wurde. Diese hochproduktive Erntemaschine konnte sechs Reihen geköpfter Rüben roden, reinigen und direkt auf Transportfahrzeuge verladen – ein Beispiel für die sozialistische Integration und den internationalen Austausch innerhalb des Ostblocks.

Neben der technischen und wirtschaftlichen Bedeutung des Weimar-Kombinats hebt der Film auch die soziale Verantwortung des Unternehmens hervor. Die Ausbildung und Qualifizierung der Arbeiter spielte eine zentrale Rolle, um eine gleichbleibend hohe Qualität zu gewährleisten. Die medizinische Versorgung wurde durch eigene betriebliche Ambulanzen und Polykliniken sichergestellt.

Zudem bot das Kombinat seinen Beschäftigten zahlreiche soziale Leistungen: Betriebseigene Ferienheime in landschaftlich reizvollen Gegenden der DDR ermöglichten erholsame Urlaube für die Werktätigen und ihre Familien. Für Kinder wurden spezielle Ferienlager im Thüringer Wald und an der Ostsee eingerichtet. Ein modernes Betriebsbad stand den Beschäftigten ebenfalls zur Verfügung.

Die Qualität der im Weimar-Kombinat hergestellten Maschinen wurde international anerkannt. Auf internationalen Messen im In- und Ausland erhielten die Erzeugnisse regelmäßig Auszeichnungen, darunter Goldmedaillen und Diplome.

Der Film vermittelt insgesamt ein idealisiertes Bild des sozialistischen Wirtschaftssystems in der DDR. Fortschritt, technologische Exzellenz und soziale Absicherung gehen Hand in Hand. Durch die Verbindung von Weimars kulturellem Erbe mit der modernen Industrie wird eine Brücke zwischen Tradition und sozialistischem Fortschritt geschlagen. Das VEB Weimar-Werk erscheint als Sinnbild für die Leistungsfähigkeit der sozialistischen Planwirtschaft und die enge Verzahnung von Wirtschaft und Gesellschaft in der DDR.

Verlorene Gerechtigkeit – DDR-Ballerinas im Kampf um ihre Rente

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Monika Erhard-Lakomi und Hartmut Fritsche – zwei Namen, zwei Schicksale, die stellvertretend für die oftmals übersehene Lebenswirklichkeit ehemaliger DDR-Künstler stehen. Seit der Wende kämpfen die beiden, ehemals gefeierte Ballerinas, darum, was sie als längst verdiente Anerkennung ihrer beruflichen Leistungen empfinden: eine Zusatzrente, die ihnen in der DDR als würdiger Ausgleich für den körperlichen Verschleiß und die jahrelange Hingabe zugesprochen wurde.

Ein Leben im Tanz und der Preis der Anerkennung
In der DDR galt das Tanzen nicht nur als Beruf, sondern als Kulturgut – eine Disziplin, die sowohl Körper als auch Seele forderte. Monika und Hartmut gehörten über 15 Jahre zu Ensembles, die regelmäßig das Publikum begeisterten. Neben ihrer regulären Rente wurde ihnen zur Anerkennung ihrer künstlerischen Leistung eine Zusatzrente von 400 Mark gewährt. „Wenn man fragt, was Sie von Beruf sind, bekommt man schnell die Antwort ‚Tänzerin‘ – doch dieser Beruf erfordert mehr als bloße Eleganz. Es ist ein harter Kampf gegen den natürlichen Zerfall des Körpers“, erklärt Monika mit einer Mischung aus Trotz und tiefer Enttäuschung.

Doch mit der deutschen Wiedervereinigung änderte sich das Bild schlagartig. Die alten Verträge und Sonderregelungen wurden im Zuge des Einigungsprozesses über Bord geworfen. Was einst als würdiger Ausgleich galt, wurde plötzlich als überholte Zusatzleistung abgetan. Für die beiden bedeutete dies nicht nur den Verlust einer finanziellen Zuwendung, sondern auch den Verlust einer Anerkennung ihrer jahrzehntelangen Arbeit.

Der lange Weg durch die Justiz
Unerschrocken machten sich Monika und Hartmut daran, ihre Ansprüche juristisch geltend zu machen – ein Weg, der sich über Jahrzehnte und mehrere Instanzen ziehen sollte. Vom Bundesarbeitsgericht über das Bundessozialgericht bis hin zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte reichte ihre Odyssee. Immer wieder sahen sie sich mit neuen Gesetzen und bürokratischen Hürden konfrontiert, die ihre Ansprüche als „ungerechtfertigte Leistungen“ abstempelten.

„Es war, als ob man uns nicht nur unseren verdienten Lohn, sondern auch unsere Identität absprechen wollte“, so Hartmut, der trotz Rückschlägen nie seinen Kampfgeist verlor. Die Justiz schien, was einst als Anerkennung besonderer Leistungen galt, schlicht in den Schatten der neuen Rentenordnung rücken zu lassen. Ein Verfahren, das 2011 seinen juristischen Endpunkt finden sollte, ohne den erhofften Triumph zu bringen.

Politik als neuer Kampfplatz
Da der gerichtliche Weg letztlich nicht zur erhofften Wiedergutmachung führte, wandten sich Monika und Hartmut der Politik zu. Sie gründeten eine Interessengemeinschaft, vernetzten sich mit anderen betroffenen Berufsgruppen und setzten Abgeordnete unter Druck – untermauert von hunderten Seiten an Dokumenten und unermüdlichen Petitionaktionen. Ihr Appell war klar: Es geht nicht primär um das Geld, sondern um die Gerechtigkeit. „Wer kämpft, kann verlieren. Aber wer nicht kämpft, hat schon verloren“, war ihr Leitspruch in einem System, das sich oft als unbarmherzig erwies.

Im Jahr 2021 kündigte die Bundesregierung zwar an, einen Fonds einzurichten, aus dem Rentner mit besonders niedrigen Bezügen bis zu 5000 Euro erhalten sollten. Doch Monika und Hartmut – deren Renten trotz aller Rückschläge immer noch im oberen Bereich lagen – blieben außen vor. Für sie war es ein weiterer Schlag: Auch wenn die staatliche Unterstützung längst Realität geworden ist, so fühlt es sich an, als ob man ihnen immer noch die längst überfällige Anerkennung verweigert.

Tanz zwischen Hoffnung und Resignation
Der Kampf der beiden ehemaligen Ballerinas ist mehr als nur ein juristischer Streit um finanzielle Zuschläge. Es geht um den Erhalt von Selbstachtung und die Würdigung einer Lebensleistung, die in der DDR ihren Anfang nahm und in der Wiedervereinigung immer wieder infrage gestellt wurde. Trotz aller Rückschläge brennt in Monika und Hartmut noch immer der Funke der Hoffnung. Ihr Einsatz steht exemplarisch für viele Ostdeutsche, deren berufliche und kulturelle Identitäten im Umbruch der deutschen Geschichte zerrieben wurden.

Die Geschichte der beiden zeigt, wie historische Umbrüche individuelle Lebensläufe tiefgreifend beeinflussen können – und wie der Kampf um Gerechtigkeit oft weit über die reine Materiellebene hinausgeht. Für Monika Erhard-Lakomi und Hartmut Fritsche bleibt festzuhalten: Der Tanz ist nicht vorbei, solange die Hoffnung auf Gerechtigkeit weiterlebt.

Was geschah wirklich mit den Nazis in der DDR?

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Ein Gespräch aus dem Jahr 2014 mit Dieter Skiba, letzter Leiter der Hauptabteilung IX/11 des MfS, zuständig für die Aufklärung von Nazi- und Kriegsverbrechen, und seinem Mitarbeiter Reiner Stenzel. Moderator: Frank Schumann.

In der öffentlichen Erinnerung dominiert oft das Bild einer von Nazis weitgehend gesäuberten DDR, eines Staates, der sich konsequent antifaschistisch definierte und im Gegensatz zur Bundesrepublik rigoros mit NS-Tätern abrechnete. Doch wie stimmig ist dieses Selbstbild? Eine Podiumsdiskussion, veranstaltet vom Verlag Das Neue Berlin, brachte neue Einblicke in diesen Komplex. Auf dem Podium diskutierten der ehemalige MfS-Ermittler Dieter Skiba, der Historiker Reinhard Stenzel und der Publizist Frank Schumann über die tatsächliche Praxis der DDR im Umgang mit NS-Verbrechern.

Die Veranstaltung diente zugleich der Vorstellung des Buches „Was geschah mit den Nazis in der DDR?“ von Frank Schumann, das auf Basis von Stasi-Akten, Zeitzeugeninterviews und Archivfunden einen differenzierteren Blick auf den Umgang der DDR mit NS-Belasteten wirft.

Die Ausgangslage nach 1945
Sowohl in der sowjetischen Besatzungszone als auch später in der DDR war der Umgang mit ehemaligen Nationalsozialisten politisch aufgeladen. Während die BRD viele NS-belastete Funktionsträger in die junge Bundesrepublik integrierte – etwa Juristen, Lehrer, Mediziner und Ministerialbeamte –, verfolgte die DDR einen offiziell antifaschistischen Kurs, der sich in der Personalpolitik wie in der Symbolik manifestierte.

Verfolgung und Strafverfolgung in der DDR
Wie Frank Schumann in seinem Buch darlegt, verurteilten DDR-Gerichte zwischen 1949 und 1989 etwa 13.000 Personen wegen NS-Verbrechen. Dazu zählten ehemalige Gestapo-Mitarbeiter, KZ-Wärter, SS-Angehörige und auch Justizbeamte, die sich an Todesurteilen im NS-Staat beteiligt hatten. Dieter Skiba, der als Ermittler beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS) tätig war, schilderte konkrete Fälle aus seiner Praxis: So seien über Jahre hinweg verdeckt Informationen gesammelt worden, ehe es zur Anklage kam. Der Fokus lag auf Tätern, die an Morden, Deportationen und Folter beteiligt waren.

Die Podiumsteilnehmer betonten, dass es keine „weiße Weste“ der DDR in dieser Frage gebe. Auch in der DDR wurden ehemalige NSDAP-Mitglieder in die Verwaltung übernommen, teils aus Fachkräftemangel, teils aus politischem Kalkül. Doch im Unterschied zur BRD sei das Ausmaß geringer gewesen. Reinhard Stenzel verwies auf konkrete Beispiele und wies zugleich auf die Grenzen historischer Forschung hin: Viele Personalakten seien nach der Wende nicht mehr auffindbar oder unvollständig archiviert.

Politische Instrumentalisierung und Symbolpolitik
Ein wiederkehrendes Thema war die politische Instrumentalisierung des Antifaschismus in der DDR. Der Staat präsentierte sich als konsequenter Gegner des Faschismus, nutzte diesen Anspruch aber auch, um innenpolitische Gegner zu delegitimieren oder die eigene Staatsideologie zu stärken. So wurde die antifaschistische Identität der DDR nicht selten als moralischer Gegenentwurf zur BRD propagiert, wobei historische Aufarbeitung der Vergangenheit der Zweckdienlichkeit untergeordnet war.

Diese Haltung habe, so Skiba, auch eine kritische Selbstreflexion verhindert. „Man hatte eine Staatsdoktrin, aber keine offene Debattenkultur zur NS-Vergangenheit“, so der ehemalige MfS-Ermittler. Auch Stenzel wies darauf hin, dass trotz mancher ehrlicher Bemühungen eine unabhängige Forschung zu NS-Tätern in der DDR bis 1990 kaum möglich war.

Nachwirkungen und Deutungskämpfe nach 1990
Nach der deutschen Einheit wurden viele Ermittlungsakten des MfS zu NS-Tätern von westdeutschen Stellen wenig beachtet oder gar ignoriert. Frank Schumann sprach in diesem Zusammenhang von einem „zweiten Tod“ der Opfer: Die Geringschätzung der ostdeutschen Aufarbeitung habe auch dazu geführt, dass viele Täter nie mehr vor Gericht standen. Zudem sei der Diskurs nach 1990 dominiert gewesen vom Verdacht, die DDR habe NS-Verfolgung allein aus politischen Gründen betrieben.

Die Podiumsdiskussion plädierte daher für eine differenzierte Bewertung. Weder sei die DDR ein Hort vollkommener Entnazifizierung gewesen, noch die BRD ein reiner Hort der Straffreiheit. Vielmehr brauche es eine gemeinsame, gesamtdeutsche Erinnerungskultur, die auch die Leistungen der ostdeutschen Justiz im Umgang mit NS-Verbrechern anerkenne.

Ein notwendiger neuer Blick
Die Diskussion offenbarte, wie notwendig eine erneute und unvoreingenommene Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist. Gerade in Zeiten, in denen rechtsextreme Tendenzen erneut erstarken, ist die Erinnerung an die NS-Verbrechen und deren juristische Aufarbeitung von hoher Relevanz. Das Buch von Frank Schumann und die von ihm initiierten Gespräche leisten hierzu einen wichtigen Beitrag.

Die Geschichte der DDR im Umgang mit NS-Tätern ist komplex, widersprüchlich und politisch aufgeladen. Doch sie ist auch ein Stück gesamtdeutscher Erinnerungsgeschichte, das nicht weiter ignoriert oder vereinfacht dargestellt werden sollte.

Wie Markus Meckel den Umgang mit der NS-Vergangenheit neu definierte

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In einem Interview erläutert Markus Meckel (SPD) eindringlich, wie der Umgang mit der NS-Vergangenheit vor dem Mauerfall gestaltet wurde und welche tiefgreifenden Veränderungen nach den freien Wahlen in der DDR – insbesondere in der Regierung und der Volkskammer – stattfanden. Meckel, ein markanter Zeitzeuge und Verfechter der Erinnerungskultur, zeichnet ein klares Bild der Brüche zwischen einer Vergangenheit, in der Verantwortung stets verdrängt wurde, und einer neuen Politik, die sich offen und kritisch ihrer Geschichte stellt.

Die Bürde der Geschichte aktiv annehmen
Für Meckel war es immer zentral, dass man sich der historischen Verantwortung stellt. Schon vor dem Mauerfall wurde der Umgang mit der NS-Vergangenheit in der DDR geprägt durch das systematische Verschweigen und Leugnen der Verbrechen des Nationalsozialismus.

„Wir stellen uns in diese Verantwortung, die mit unserer Geschichte verbunden ist“, betont Meckel und kritisiert damit das Schweigen sowie das ideologische Vertuschen der Schuld, das in der SED und der damaligen DDR-Regierung vorherrschte.

Vor dem Mauerfall: Verdrängung und Ideologie
Nach Meckel galt in der DDR vor dem Fall der Mauer ein strenges Narrativ:

  • Verdrängung der Schuld
    Die SED leugnete systematisch ihre Verantwortung und schob die Schuld stattdessen ausschließlich auf den Westen.
  • Instrumentalisierter Antifaschismus
    Der Begriff des Antifaschismus diente als Machtinstrument, das dem Regime als ideologisches Fundament diente. Dabei wurde der Holocaust bewusst ausgeblendet und stattdessen der kommunistische Widerstand glorifiziert – ein Versuch, die historische Realität zu simplifizieren und eigene Machtstrukturen zu stabilisieren.

Der Wandel nach den Wahlen – Ein neuer Anfang in der Volkskammer
Meckel hebt jedoch hervor, dass sich mit den ersten freien Wahlen und den anschließenden Veränderungen in der Volkskammer und in der DDR-Regierung ein Umdenken vollzog:

  • Offener Dialog
    Nach den Wahlen wurde es möglich, den bisherigen Geschichtsverlust zu überwinden und die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit als Pflichtaufgabe zu begreifen.
  • Re-Kontextualisierung der Geschichte
    Es gelang, den Fokus zu verschieben: Aus der engen ideologischen Sichtweise wurde ein Gespräch über Schuld, Verantwortung und die Anerkennung der Opfer – insbesondere der jüdischen Bevölkerung – entwickelt.
  • Wegbereiter des Dialogs mit Israel
    Dieser neue Kurs beinhaltete auch den Aufbau eines Dialogs mit Israel und die Einbeziehung von Themen wie Wiedergutmachung und Eigentumsrückgabe als Zeichen des politischen Neuanfangs.

Lernen aus beiden Lagern: Parallelen zur Bundesrepublik
Auch in der Bundesrepublik war die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit kein Selbstläufer. Meckel verweist dabei auf die wegweisende Rede Bundespräsident Richard Weizsäcker im Jahr 1985 sowie auf den unermüdlichen Einsatz von Fritz Bauer, der in den 1950er und 1960er Jahren den Auschwitz-Prozess in Gang brachte. Diese Prozesse mögen mühsam gewesen sein, doch sie legten den Grundstein für ein demokratisches Selbstverständnis, das auf der offenen Auseinandersetzung mit der Geschichte fußt.

Erinnerung als Voraussetzung für Demokratie
Markus Meckel fasst die Quintessenz seines Arguments prägnant zusammen:

„Zur Demokratie gehört die Verantwortung für die eigene Geschichte.“
Dieser Appell ist heute, angesichts wiederkehrender Tendenzen des Vergessens und Revisionismus, aktueller denn je. Die historischen Brüche und Neuanfänge – von der Vergangenheit vor dem Mauerfall bis zu den fundamentalen Veränderungen nach den Wahlen – verdeutlichen, dass eine Demokratie nur dann Bestand haben kann, wenn sie sich ihrer Geschichte stellt und aus ihr lernt.

Ein Aufruf zum fortwährenden Dialog
Die Worte Meckels machen deutlich: Die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit ist kein abgeschlossener Prozess, sondern ein fortlaufender Dialog, der die Grundlage für ein gerechtes und reflektiertes Zusammenleben bildet. Indem sich sowohl die DDR-Regierung als auch die Volkskammer nach den Wahlen ihrer Verantwortung stellten, wurde ein wichtiger Schritt in Richtung eines modernen, demokratischen Bewusstseins gemacht – eines Bewusstseins, das die Lehren aus der NS-Zeit nicht ignoriert, sondern sie als dauerhaftes Fundament für zukünftiges Handeln begreift.

Markus Meckels Bericht ist somit nicht nur ein Rückblick, sondern auch ein Mahnmal: Nur wer sich seiner Geschichte stellt, kann die Zukunft im Geiste von Verantwortung und Gerechtigkeit gestalten.

35 Jahre Schuld – Volkskammer-Beschluss als Wendepunkt auf dem Weg zur Versöhnung

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35 Jahre nach dem bahnbrechenden Volkskammer-Beschluss: Deutschlands neue Selbstverpflichtung zur historischen Verantwortung

Vor 35 Jahren, am 12. April 1990, ergriff die einzige frei gewählte Volkskammer der DDR ein historisches Statement, das bis heute nachhallt. In einer Zeit, in der sich ein tiefgreifender Wandel anbahnte, überwand das Parlament die langjährige, von staatlich verordneter Geschichtsdeutung geprägte Erinnerungspolitik. Mit der Verkündung der Erklärung zur „Verantwortung der Deutschen in der DDR für ihre Geschichte und ihre Zukunft“ wurde nicht nur das Schweigen über die Verbrechen des Nationalsozialismus durchbrochen – es wurde ein Bekenntnis abgelegt, das den Weg für eine umfassendere, ehrlichere Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ebnete.

Ein Bruch mit der Vergangenheit
Die Erklärung der Volkskammer stellte einen bewussten Bruch mit der SED-Doktrin dar. Bis dahin wurde die Geschichte der NS-Zeit aus einer einseitigen Perspektive betrachtet: Der antifaschistische Gründungsmythos der DDR stellte kommunistische Kämpfer und Widerstandskämpfer ins Zentrum des Gedenkens. Ein umfassendes Bekenntnis zu den Gräueltaten des Nationalsozialismus – insbesondere an Jüdinnen und Juden, den Völkern der Sowjetunion, dem polnischen Volk und den Sinti und Roma – blieb bislang weitgehend aus. Die Volkskammer-Entscheidung von 1990 hingegen setzte ein klares Zeichen: „Diese Schuld darf niemals vergessen werden. Aus ihr wollen wir unsere Verantwortung für die Zukunft ableiten.“

Verantwortung als Leitmotiv für die Zukunft
Die damalige Entscheidung war mehr als ein politischer Akt im Übergang zur Demokratie – sie war ein Appell an die Verantwortung jeder Einzelnen und jedes einzelnen Deutschen. Indem sich das Parlament zur Unterstützung jüdischer Kultur und zum Schutz jüdischer Einrichtungen bekannte, legte es eine Grundlage für einen fortwährenden Dialog und eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Diese Mitverantwortung und das damit verbundene Bekenntnis wirken auch heute nach, besonders in einer Zeit, in der populistische Tendenzen und Geschichtsrevisionismus immer wieder die Erinnerungskultur infrage stellen.

Der filmische Beitrag zur Erinnerungskultur
Anlässlich des 35. Jahrestages dieser richtungsweisenden Erklärung veröffentlicht die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur den Dokumentarfilm „Schuld – Bekenntnis – Verantwortung“. Der Film dokumentiert das Entstehen und die Wirkung des Volkskammerbeschlusses und beleuchtet seine Bedeutung für das heutige Geschichtsbewusstsein. Er zeigt, wie ein politischer Akt in bewegten Zeiten als Wendepunkt für eine offene und ehrliche Erinnerungskultur fungieren kann – ein wichtiges Beispiel dafür, dass Aufarbeitung und kritischer Diskurs nicht nur historische Notwendigkeiten sind, sondern auch die Basis für eine demokratische Zukunft bilden.

Ein historisches Erbe im Wandel der Zeiten
Die Erinnerung an diese wegweisende Stellungnahme mahnt an die Unverrückbarkeit der Verpflichtung, sich der eigenen Geschichte zu stellen. Auch wenn sich das politische System geändert hat und die Herausforderungen der Gegenwart neue Fragen aufwerfen, bleibt das Grundprinzip bestehen: Die Anerkennung der Schuld vergangener Verbrechen und das daraus abgeleitete Streben nach einer gerechten, solidarischen Zukunft. Gerade in Zeiten, in denen nationalistische und revisionistische Tendenzen wieder an Einfluss gewinnen, ist der Blick zurück ein entscheidender Baustein für das Zusammenleben in einer pluralistischen Gesellschaft.

Der Volkskammerbeschluss von 1990 ist also weit mehr als ein historisches Dokument – er ist eine Mahnung und ein Aufruf zur dauerhaften Wachsamkeit gegenüber der eigenen Vergangenheit und eine Verpflichtung gegenüber den Lehren, die daraus für die Gestaltung der Zukunft gezogen werden können.

Zwischen Mauerfall und Neubeginn – Teltows 90er in bewegten Bildern

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Als das jahrzehntelange System zu bröckeln begann und die Mauer an manchen Stellen Risse bekam, erlebte auch Teltow einen tiefgreifenden Wandel. Alte Videoaufnahmen aus den Jahren 1990 bis 1998 – wenn auch teilweise etwas verwackelt – sind heute nicht nur sehenswert, sondern bezeugen auch eindrucksvoll den Umbruch einer Stadt, die den Sprung in die neue Ära wagte.

Zwischen Ost und West – Alltag im geteilten Teltow
Die historischen Aufnahmen eröffnen einen intensiven Einblick in das Leben in der Teltower Altstadt. Gebäude wie das Zentralkaufhaus und der Palast der Republik erzählen von vergangenen Zeiten, während Straßenzüge wie die Ernst-Thälmann-Straße und die Ritterstraße den Alltag prägen. Der Kontrast zwischen den altbewährten Fassaden und den ersten Anzeichen eines Neubeginns spiegelt die Dynamik jener bewegten Tage wider. Ein besonderer Moment ist der Blick über die Mauer, der aus Zehlendorfer Perspektive den Bewohnern ein Fenster in eine bislang unerreichbare Welt öffnete.

Bauprojekte und Neubeginn: Der Schritt in eine neue Ära
Mit dem Fall der Mauer begannen in Teltow nicht nur Veränderungen an der Bausubstanz, sondern auch zahlreiche Neubauprojekte, die den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufbruch symbolisierten. Alte Industriegebäude machten Platz für moderne Bauten wie den Telltower oder das neue GRW-Gebäude. Trotz des nostalgischen Blicks auf vergangene Orte wie das Kontaktkaufhaus und den einst so beliebten Grill „Zur Deutschen Einheit“ stand immer im Zeichen des Fortschritts. Die historischen Videoaufnahmen vermitteln dabei eindrucksvoll, wie sich der Stadtkern von einer durch die Mauer geprägten Stadt in eine offene, moderne Gemeinschaft verwandelte.

Persönliche Geschichten im Wandel der Zeiten
Neben baulichen Veränderungen spiegeln die Aufnahmen auch die persönlichen Geschichten der Teltower Bevölkerung wider. Erinnerungen an das einstige Wohn- und Lebensgefühl, wie das Panorama aus einer Wohnung in der Ernst-Thälmann-Straße, werden lebendig. Geschichten über alte Marktplätze, die noch spürbare Präsenz der DDR und die ersten greifbaren Zeichen der Wende verleihen dem Bild der Stadt eine emotionale Tiefe. Die verwackelten, aber authentischen Videoausschnitte aus den Jahren 1990 bis 1998 unterstreichen, wie unmittelbar der Wandel erlebt wurde und wie bedeutend dieser Übergang für die Menschen war.

Erinnerung und Neubeginn
Teltow in den 90er Jahren war mehr als nur eine Übergangsphase in der deutschen Geschichte – es war ein Ort, an dem sich Geschichte, Gemeinschaft und der unerschütterliche Wille zum Neuanfang vereinten. Die alten Videoaufnahmen geben uns heute einen besonderen, fast greifbaren Einblick in diese bewegten Zeiten. Zwischen den Scherben alter Mauern und dem Wiederaufbau moderner Strukturen offenbart sich eine Geschichte des Mutes und des Wandels.

Diese filmischen Erinnerungen, obwohl technisch nicht perfekt, laden uns ein, den Blick zurückzuwerfen und zugleich die Zukunft zu würdigen – eine Zukunft, die aus den Spuren der Vergangenheit gewoben wurde und in der Teltow bis heute als lebendiges Zeugnis einer bewegten Zeit fortlebt.

Verloren und wiederentdeckt – Die S-Bahn im geteilten Berlin

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Berlin, 1982. Die geteilte Stadt zeigt sich nicht nur in Mauer und Politik, sondern auch im Verkehr. Die S-Bahn, einst ein Symbol für städtische Mobilität, ist zum geteilten Sinnbild zweier Welten geworden. Während Ost-Berlin die Schnellbahn weiterentwickelt und ins Zentrum seiner Nahverkehrsstrategie rückt, droht sie im Westen in Vergessenheit zu geraten.

Ein Abendschau-Bericht des Senders Freies Berlin aus dem Jahr 1982 beleuchtet eindrücklich diese Gegensätze. In Ost-Berlin ist die S-Bahn Rückgrat des öffentlichen Nahverkehrs. Im Berufsverkehr fahren die Züge am Alexanderplatz im 90-Sekunden-Takt. 600.000 Menschen nutzen werktags das dichte Netz, das mit Straßenbahn und Bus eng verzahnt ist. Trotz maroder Technik wirkt der Betrieb effizient, geordnet – eine stille Erfolgsgeschichte der DDR-Stadtplanung.

Ganz anders im Westen. Hier ist die S-Bahn „Schrottbahn“, „Ulbrichts Klapperkisten“ oder schlicht „Geisterbahn“. Nach dem Boykottaufruf im Zuge des Mauerbaus und dem allgemeinen Misstrauen gegenüber der von der DDR betriebenen Reichsbahn, ist die West-Berliner S-Bahn ein Schatten ihrer selbst. Der Fahrgastschwund ist dramatisch – von 150.000 auf 70.000 täglich innerhalb von zwei Jahrzehnten.

Am Bahnhof Westkreuz steht die Zeit still. Eine junge Reichsbahnerin sitzt allein im Stellwerk, während unten in der leeren Halle der nächste Zug vorbeirattert – alle 20 Minuten, wenn überhaupt. Die Nachwirkungen des zweiten Eisenbahnerstreiks von 1980 sind spürbar. Ein ganzer Verkehrszweig scheint abgeschrieben.

Dabei hätte es auch anders kommen können. Schon 1974 empfahlen Experten dem Berliner Abgeordnetenhaus, die S-Bahn in ein modernes Verbundsystem mit U-Bahn und Bus einzubeziehen. Ihre Vision: ein 300 Kilometer langes Schnellbahnsystem für Berlin-West. Doch politische Blockaden, Misstrauen gegenüber der DDR und das starre Vier-Mächte-Abkommen verhinderten den Aufbruch. Die DDR bot sogar eine Pachtlösung an – West-Berlin lehnte ab. Es sei rechtlich nicht möglich.

In Ost-Berlin dagegen wurde kontinuierlich geplant und gebaut. Neue Bahnhöfe, verlegte Strecken, dichterer Takt. Vor allem aber eine Idee: Verkehr als Teil eines sozialistischen Gesamtkonzepts. Die S-Bahn wurde zum Rückgrat der Erschließung neuer Wohngebiete wie Marzahn. Ihre Rolle: Zubringer, Verteiler, Rückgrat – keine Schattentouren, sondern Teil der Alltagsmobilität.

Die politische Differenz wird auch zur infrastrukturellen. Während die West-S-Bahn auf das Abstellgleis rollt, rüstet Ost-Berlin für die Zukunft. Und doch bleibt auch im Westen Hoffnung. Studien an der TU Berlin, Vorschläge von Verkehrsplanern, neue Kommissionen – die Debatte ist neu entfacht. Noch liegt die Zukunft der S-Bahn in West-Berlin im Nebel. Aber vielleicht, so der Tenor des Beitrags, ist sie nicht verloren. Noch nicht.

Hintergrund
Die Berliner S-Bahn war nach 1945 im gesamten Stadtgebiet Eigentum und Betrieb der Deutschen Reichsbahn der DDR – auch in West-Berlin. Das führte nach dem Mauerbau 1961 zu einem massiven Boykott durch die West-Berliner Bevölkerung, da durch ihre Tickets die Staatskasse der DDR gestärkt wurde. Erst nach dem Mauerfall wurde der Betrieb durch die neu gegründete S-Bahn Berlin GmbH wieder vereinheitlicht. Doch die Zerrissenheit von 1982 bleibt ein Zeitdokument der geteilten Stadt – im Großen wie im Kleinen, im Fahrplan wie im politischen Takt.

Aus dem Schatten des Kalten Krieges – Ein Blick auf die DDR-Spezialeinheiten

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In einer Folge der Doku-Reihe „DDR Spezial-Einheiten“ wird ein faszinierendes Kapitel der Militärgeschichte der DDR beleuchtet – die Ausbildung und der Einsatz der Fallschirmjäger der Nationalen Volksarmee (NVA) an der ehemaligen Ortskampfanlage „Scholzenslust“. Die Sendung entführt den Zuschauer in eine Welt extremer Drillmethoden, strategischer Überlegungen und politischer Umbrüche, die das Leben der Soldaten nachhaltig prägten.

Vom Übungsdorf zum modernen Einsatzgelände
An der ehemaligen Leniner Kaserne, einem Ort, der einst als hochmodernes Trainingszentrum für den Häuserkampf galt, findet sich heute ein Gelände, das von der Bundeswehr für Auslandseinsätze genutzt wird. Das Übungsgelände war strategisch so gewählt, dass es den Soldaten einen unmittelbaren Bezug zu potenziellen Konfliktsituationen lieferte, insbesondere im Spannungsfeld zwischen den Militärbezirken und der unmittelbaren Nähe zu West-Berlin.

Ein Leben im Dauerdrill
Die Dokumentation zeichnet ein schonungsloses Bild des militärischen Alltags in der DDR. Die Fallschirmjäger wurden bis an ihre Grenzen getrieben, indem sie wiederholt identische, oft erbarmungslose Übungsabläufe durchlaufen mussten. Dieser rigorose Drill sollte nicht nur die körperliche, sondern auch die mentale Belastbarkeit der Soldaten schulen. Immer wieder wurden die Angehörigen der NVA auf ihre Fehler hingewiesen, was einen erheblichen psychischen Druck erzeugte – ein Aspekt, den die damaligen Offiziere heute mit gemischten Gefühlen reflektieren.

Zwischen militärischer Effizienz und ideologischer Prägung
Ein besonders brisanter Aspekt der Ausbildung war der doppelte Anspruch, einerseits ein funktionierendes militärisches Uhrwerk zu formen und andererseits eine spezifische politische Haltung zu vermitteln. So gehörte es zur Doktrin, den Hass auf den Klassenfeind zu propagieren, was im Rückblick als problematisch bewertet wird. Die damalige militärische Methodik zielte darauf ab, einen kompromisslosen Gehorsam zu erzielen, der jedoch nicht in eine völlige Aushöhlung der individuellen Entscheidungsfähigkeit führen sollte.

Der Umbruch und seine Auswirkungen
Die sich anbahnenden gesellschaftlichen Umbrüche beeinflussten auch das militärische System der DDR nachhaltig. Proteste und Massenbewegungen in der Zivilbevölkerung drängten die Führung dazu, die starre Trennung zwischen militärischer Ausbildung und der sich verändernden politischen Realität zu hinterfragen. Die Soldaten, die bislang in einer abgeschotteten Welt agierten, sahen sich plötzlich mit einem Spannungsfeld konfrontiert, in dem offizielle Informationen und der gelebte Alltag in den Städten stark auseinanderklaffen.

Ein Blick in die Gegenwart
Ehemalige Kommandeure, die das Übungsgelände heute noch besuchen, blicken mit einer Mischung aus Nostalgie und kritischer Reflexion auf jene Zeit zurück. Die Straßen und Gebäude, die noch immer an die militärischen Wurzeln erinnern, gelten heute als stilles Mahnmal einer Ära, in der militärische Brillanz und ideologische Verblendung untrennbar miteinander verknüpft waren. Dabei bietet der Beitrag wertvolle Impulse für die Diskussion darüber, wie militärischer Drill, politische Indoktrination und der Wandel gesellschaftlicher Werte miteinander in Beziehung stehen.

Die dokumentarische Darstellung der „DDR Spezial-Einheiten“ liefert einen intensiven Einblick in eine Militärtradition, die unter extremen Bedingungen entstand. Der Beitrag regt dazu an, sowohl die historischen Methoden und Strategien kritisch zu hinterfragen als auch Lehren für gegenwärtige und zukünftige militärische Ausbildungen zu ziehen. Dabei bleibt die Frage, wie viel Gehorsam ein Soldat aufbringen sollte, ohne dabei seine eigene Fähigkeit zur selbstständigen, moralisch reflektierten Entscheidung zu verlieren.

Kriegsende in Saalfeld 1945: Als der Krieg die thüringer Kleinstadt erreichte

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Vor 80 Jahren, am 14. April 1945, wurde Saalfeld von einem schweren Bombenangriff erschüttert. Zeitzeugen erinnern sich an Stunden des Schreckens – und mahnen zum Frieden.

Es ist ein klarer Montag im April, fast zu schön für den Frühling. Vor 80 Jahren war es ebenso – doch damals brachte das Wetter kein Aufblühen, sondern Zerstörung. Zwischen 15 und 18 Uhr verdunkelten am 14. April 1945 alliierte Bomber den Himmel über Saalfeld. Was dann folgte, ging als einer der verheerendsten Tage in die Stadtgeschichte ein.

„Dächer und Wände stürzten ein, Tellerdecken gaben ab, Millionen Glasscherben flogen durch die Luft“, berichtet ein Zeitzeuge, der als Schüler in Saalfeld untergebracht war. Die Maschinen kamen aus vielen Richtungen, flogen in kleinen Staffeln – fast lautlos. Keine Flugabwehr, keine Sirenen. Dann: ein erster Schlag. Und ein zweiter. Und immer neue. Drei Stunden lang bebte die Erde. Die Stadt versank im Chaos.

Ein Angriff mit Ansage
Bereits Wochen zuvor hatte die Bevölkerung mit einem Angriff gerechnet. Die Lage war angespannt, Berichte über Angriffe auf Erfurt, Weimar und Rudolstadt hatten die Runde gemacht. Saalfeld galt wegen seiner Eisenbahnwerkstätten als strategisches Ziel.

Doch selbst wer sich vorbereitet hatte, war auf das Ausmaß der Zerstörung nicht gefasst. „Es war schlimmer, als wir es uns vorgestellt hatten“, erinnert sich der Zeitzeuge weiter. Er war Schüler am Gymnasium in der Sonnenberger Straße, das kurz vor Kriegsende als Moor-Lazarett genutzt wurde. Mit seinen Klassenkameraden war er aus dem bombardierten Düsseldorf evakuiert worden. Die Hoffnung: Sicherheit in der thüringischen Provinz. Doch der Krieg hatte andere Pläne.

Ein Blick auf die Karte – und der Schock
Auf dem großen Esstisch lag eine Generalstabskarte. „Feindliche Kampfverbände im Anflug auf Quadrat Cesar Dora“, lautete die Durchsage. Kurz darauf fiel die erste Bombe. In den Kellern bangten die Menschen. Ob die Decke halten würde? Ob man noch einmal heil herauskäme?

Drei Stunden lang dauerte der Angriff. Mit jeder Welle neue Explosionen, neue Zerstörung. Eine beklemmende Stille zwischen den Angriffen, gefolgt vom nächsten Inferno.

Gedenken an die Opfer
Heute erinnert eine Tafel am ehemaligen Schulgebäude an das Geschehen. „Die Zivilbevölkerung musste für den Größenwahn Adolf Hitlers und seiner Gefolgsleute bezahlen“, heißt es in einer Rede, die jährlich zum Jahrestag gehalten wird. Sie endet mit einem Zitat von John F. Kennedy: „Die Menschheit muss dem Krieg ein Ende setzen – oder der Krieg setzt der Menschheit ein Ende.“

Inmitten von Kränzen, Kerzen und stiller Erinnerung steht heute mehr denn je die Mahnung: Frieden ist keine Selbstverständlichkeit. Das, was vor 80 Jahren in Saalfeld geschah, darf nie vergessen werden.

Im Dornröschenschlaf der Gleise – Die vergessene Geschichte der Friedhofsbahn

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Berlin. Zwischen alten Schwellen und überwucherten Gleisen liegt ein stilles Kapitel Berliner Verkehrsgeschichte: die Friedhofsbahn. Einst als Verbindung zwischen der Großstadt und einem der größten Friedhöfe Europas gedacht, ist sie heute ein Ort des Verfalls – und der Erinnerung.

Am Rand Berlins, wo die Siedlung Dreilinden in die märkischen Wälder übergeht, trafen sich der Berliner Zeitzeuge und Fotograf Sigurd Hüttenbach und ein Filmteam, um die Vergangenheit einer Bahnlinie aufleben zu lassen, die einst Toten den Weg zur letzten Ruhe ebnete – und heute selbst wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten wirkt.

Eine Bahn für die Toten
Die Friedhofsbahn wurde 1913 in Betrieb genommen. Sie verband den Bahnhof Wannsee mit dem neu angelegten Südwestkirchhof Stahnsdorf, damals einer der drei zentralen Friedhofsanlagen, die im Berliner Umland entstehen sollten. Die Planung war vorausschauend: Mit dem rapide wachsenden Berlin gingen innerstädtische Begräbnisplätze zur Neige. Eine Bahnlinie für den Leichentransport – mit speziellen Waggons und einer Leichenhalle in Stahnsdorf – schien die logische Lösung.

„Das war keine normale S-Bahn“, erklärt Hüttenbach. „Die Strecke wurde mit Dampf betrieben, später elektrifiziert, aber ihr Hauptzweck war der Transport Verstorbener und ihrer Angehörigen.“

Krieg, Teilung – und Stillstand
Mit dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 wurde die Strecke endgültig stillgelegt. Die Linie verlief über die innerdeutsche Grenze – ein Fortbetrieb war ausgeschlossen. Und obwohl das Gleisbett, die Stromschienen und Signale noch intakt waren, blieb der Betrieb für immer eingestellt.

„Es sah damals so aus, als könne der Zug jederzeit wieder fahren“, erinnert sich Hüttenbach an seine Aufnahmen von 1962. Doch statt neuer Fahrgäste kamen nur noch Wind und Gras.

Die Westseite ließ die Gleise bald abbauen – jedoch nur bis zur letzten rechtlich erlaubten Stelle: der Grenze. „Die DDR ließ ihr Gleisstück liegen“, sagt Hüttenbach, „und so ist es bis heute – ein historisches Technikdenkmal mitten im Wald.“

Die Macht der Erinnerung
Sigurd Hüttenbach, selbst Zeitzeuge der Teilung, begann früh mit der fotografischen Dokumentation dieser unsichtbaren Narben der Stadt. Mit seiner Kleinbildkamera hielt er Absperrungen, verlassene Gleise und Grenzanlagen fest. Eine Arbeit, die heute von unschätzbarem Wert ist.

„Ich wollte alles sehen, was mir genommen wurde“, sagt er. „Die Mauer hat mir einen Teil meiner Stadt entzogen – also habe ich mich aufgemacht, ihn festzuhalten.“

Die Begegnung mit der alten Strecke endet symbolisch: Gemeinsam heben die beiden Männer einen verrosteten Schwellennagel aus dem Boden – geprägt mit der Jahreszahl 1908. Ein kleines Stück Geschichte, das nun als Andenken weiterlebt.

Zukunft ungewiss
Heute gleicht die Friedhofsbahn einer Naturbühne. Bäume, Sträucher und Moose haben die Trasse zurückerobert. Und doch – Pläne für eine Reaktivierung existieren. Ob die Friedhofsbahn je wieder in Betrieb geht, bleibt offen.

„Vielleicht in 20 oder 30 Jahren“, sagt Hüttenbach nachdenklich. „Dann werden andere mit frischen Augen auf diese Gleise schauen. Aber die Geschichte wird immer mitfahren.“