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Zauber der Bergbautradition und Handwerkskunst: Die Seele von Seiffen

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Das Weihnachtsdorf | Seiffen | Erzgebirge | Drechseln | Bergkirche | Reportage ERF Plus

Die Weihnachtszeit in Seiffen ist eine Zeit voller Traditionen, Besinnung und gelebtem Glauben – ein Erlebnis, das die Besucher tief berührt. Inmitten des Erzgebirges, wo die Spuren der harten Bergbauarbeit und die christliche Hoffnung allgegenwärtig sind, treffen Vergangenheit und Gegenwart auf beeindruckende Weise aufeinander.

Die Bedeutung der Bergbautradition
Seiffen verdankt seine Geschichte und kulturelle Prägung dem Bergbau. In der Dunkelheit der Stollen, wo Bergleute mit einfachsten Werkzeugen Meter für Meter in das harte Gestein vordrangen, entstand eine enge Verbindung von Glaube und Arbeit. Der Pastor der Seiffener Bergkirche, Michael Harzer, beschreibt diese Verbindung mit einem Satz: „Wenn du in die Tiefe steigst, dann schau auf in die Höhe.“ Dieses Bewusstsein für den Schutz und Beistand Gottes durchzog das Leben der Bergarbeiter und prägt die Region bis heute.

Die Weihnachtszeit bietet einen besonderen Einblick in diese Tradition. Die sogenannte Mettenschicht, eine besinnliche Zusammenkunft der Bergleute am Heiligen Abend, wird bis heute zelebriert. Dabei lesen Pastoren die Weihnachtsgeschichte vor und sprechen ein Dankesgebet – eine lebendige Erinnerung an die christlichen Wurzeln des Bergbaus.

Handwerkskunst und Holztradition
Als der Bergbau nicht mehr ausreichte, um die Menschen zu ernähren, entwickelte sich im 17. Jahrhundert das Drechslerhandwerk. Das Erzgebirge war reich an Holz und die Mechanik der Wasserräder, die zuvor in den Pochwerken zur Erzaufbereitung genutzt wurden, konnte für Drechselbänke adaptiert werden. Seiffen wurde zur Wiege des erzgebirgischen Holzhandwerks.

Heute ist der Ort weltberühmt für seine Holzkunst: Schwibbögen, Nussknacker, Pyramiden und die charakteristischen Bergmann- und Engel-Figuren. In kleinen Manufakturen wie der Drechslerei Schalling wird die Kunst des Drechselns in Handarbeit weitergeführt. Thomas Schalling, der das Familienunternehmen in vierter Generation führt, betont die Bedeutung des Traditionsbewusstseins: „Die Darstellung kann modern sein, aber die Fertigung muss traditionell bleiben.“

Die Seiffener Bergkirche – ein Wahrzeichen
Im Zentrum von Seiffen thront die Bergkirche, ein achteckiger Bau, der der Dresdner Frauenkirche nachempfunden ist. Sie wird auch „Lichterkirche“ genannt, denn an Heiligabend erstrahlt ihr Innenraum im warmen Schein von 160 Kerzen. Sie ist das meistabgebildete Bauwerk der erzgebirgischen Holzkunst und ein Symbol für den Glauben und die Hoffnung der Region.

Michael Harzer, der auch als Chronist des Ortes tätig ist, erzählt, wie tief die Kirche mit der Geschichte der Bergarbeiter verbunden ist. Zahlreiche Exponate im Inneren – von Statuen bis zu einem Sargauflegekreuz aus dem 17. Jahrhundert – wurden von Bergarbeitern gestiftet. Besonders die Figuren von Bergmann und Engel, die die Kirche schmücken, sind Sinnbilder für Arbeit und göttlichen Beistand.

Familienbetrieb und gelebte Tradition
Die Weitergabe von Traditionen ist in Seiffen nicht nur ein Konzept, sondern gelebte Realität. In der Familie Schalling arbeitet inzwischen die fünfte Generation. Der junge Robby Schalling zeigt mit seinem Gesellenstück – einer detailgetreuen Nachbildung der Seiffener Bergkirche – wie Tradition und Moderne verschmelzen können. „Es ist beruhigend, neben meinem Vater zu arbeiten und von ihm zu lernen“, sagt er, während er an den filigranen Details der Kirche arbeitet.

Weihnachten in Seiffen: Ein besonderes Erlebnis
Zur Adventszeit verwandelt sich Seiffen in ein Lichtermeer. Überall sind die handgefertigten Holzkunstwerke zu sehen, die den Zauber von Weihnachten spürbar machen. Besucher aus der ganzen Welt kommen, um die besondere Atmosphäre des Ortes zu erleben, den Ursprung der erzgebirgischen Traditionen zu erkunden und vielleicht ein Stück davon mit nach Hause zu nehmen.

Die Verbindung aus bergmännischem Erbe, handwerklichem Können und christlichem Glauben macht Seiffen zu einem einzigartigen Ort, der die Essenz von Weihnachten auf eine Weise widerspiegelt, wie man sie nur im Erzgebirge finden kann. Hier spürt man, dass die Traditionen nicht nur ein Relikt der Vergangenheit sind, sondern ein lebendiger Teil der Gegenwart – ein Lichtstrahl in der Dunkelheit, der Hoffnung und Wärme schenkt.

Interkultureller Austausch und Integration: Das Engagement von DIMCIB Dresden e.V.

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Interkultureller Austausch und Integration - DIMCIB Dresden e.V.

Der Verein DIMCIB Dresden e.V. ist eine zentrale Anlaufstelle für interkulturellen Austausch und Integration in Dresden. Im Rahmen der 34. Interkulturellen Tage, die vom 15. September bis 6. Oktober stattfanden, präsentierte sich der Verein als Ort der Begegnung und des Dialogs. Mit vielfältigen Aktivitäten und einem Begegnungszentrum, das Menschen unterschiedlicher Herkunft verbindet, leistet der Verein einen wichtigen Beitrag zum sozialen Miteinander und kulturellen Verständnis.

Ein Ort der Begegnung für alle
Das Begegnungszentrum des Vereins dient als Treffpunkt für Menschen aller Altersgruppen und Hintergründe. Es ist nicht nur ein Raum für Ausländer, die in Deutschland leben, sondern ein Ort, an dem auch Einheimische willkommen sind. Hier steht der Austausch im Mittelpunkt: Wer Fragen hat oder Unterstützung sucht, findet ein offenes Ohr und engagierte Helfer.

„Wir hatten diese Idee 2015 und arbeiten seitdem kontinuierlich in diese Richtung“, erklärt ein Mitglied des Vereins. Ziel ist es, Barrieren abzubauen und einen Raum zu schaffen, in dem kulturelle Vielfalt als Bereicherung erlebt wird. Neben religiösen Einrichtungen wie Moscheen bietet das Zentrum vor allem praktische Unterstützung für Kinder, Frauen, junge Männer und Jugendliche.

Bildung und kulturelles Lernen
Ein zentraler Bestandteil der Arbeit von DIMCIB ist die Bildungsförderung für Kinder. Neben der Vermittlung grundlegender Fertigkeiten wie Lesen und Schreiben lernen die Kinder auch mehr über ihre kulturellen Wurzeln. „Es macht uns Freude, unsere Religion und Kultur besser kennenzulernen und dies gemeinsam zu erleben“, sagt eine ehrenamtliche Lehrkraft.

Doch das Lernen ist nicht nur theoretisch: Praxisorientierte Aktivitäten wie gemeinsames Backen oder Basteln gehören ebenfalls zum Programm. Solche kreativen Projekte fördern nicht nur die Fähigkeiten der Kinder, sondern stärken auch das Gemeinschaftsgefühl.

Unterstützung für Neuankömmlinge
Für Menschen, die neu in Deutschland sind, ist der Einstieg in die Gesellschaft oft mit Herausforderungen verbunden. Sprachliche Barrieren, Unkenntnis über administrative Abläufe oder kulturelle Unterschiede können zu Unsicherheiten führen. Hier bietet der Verein wertvolle Unterstützung: „Wenn jemand Probleme hat oder etwas nicht versteht, können sie uns jederzeit ansprechen“, betont ein Vereinsmitglied.

Besonders Deutschkonvertierte, die sich dem Islam zugewandt haben, profitieren von den Angeboten. Dr. Magdi, ein aktives Mitglied des Vereins, organisiert regelmäßig Veranstaltungen, die speziell auf die Bedürfnisse dieser Gruppe zugeschnitten sind. Ein Teilnehmer berichtet: „Ich fühle mich hier wohl, weil ich die Möglichkeit habe, mit anderen über meine Erfahrungen zu sprechen und Lösungen für Probleme zu finden.“

Gemeinschaft als Schlüssel zur Integration
DIMCIB versteht Integration nicht als einseitigen Prozess, sondern als gemeinsames Engagement von Einheimischen und Zugewanderten. Regelmäßige Treffen, bei denen gekocht, gespielt und diskutiert wird, schaffen einen Raum für Austausch und Verständnis. „Wir warten die ganze Woche auf diesen Tag, an dem wir uns treffen und gemeinsam etwas unternehmen“, erzählt ein Teilnehmer. Diese Aktivitäten tragen nicht nur zur Entspannung bei, sondern fördern auch den sozialen Zusammenhalt.

Herausforderungen der Zukunft
Die Arbeit von DIMCIB Dresden e.V. ist von großer Bedeutung, insbesondere in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Spannungen. „In 10 oder 15 Jahren wird es sicherlich noch mehr Herausforderungen geben, sei es politisch oder gesellschaftlich“, prognostiziert ein Mitglied des Vereins. Daher ist es umso wichtiger, dass Organisationen wie DIMCIB ihre Arbeit fortsetzen und ausbauen.

Ein Ort der Hoffnung und des Friedens
Die Vision des Vereins ist es, ein Ort zu sein, an dem Menschen sich wohlfühlen und offen über ihre Probleme sprechen können. „Unser Ziel ist es, in Frieden miteinander zu leben“, betont ein Vertreter des Vereins. Die Interkulturellen Tage sind ein Beispiel dafür, wie ein solcher Austausch gelingen kann. Sie zeigen, dass Integration durch gegenseitigen Respekt und gemeinsame Aktivitäten möglich ist.

DIMCIB Dresden e.V. steht für ein Miteinander, das über kulturelle und religiöse Grenzen hinweggeht. Mit Engagement, Kreativität und Menschlichkeit zeigt der Verein, wie Integration in der Praxis gelingen kann. In einer Zeit, in der Zusammenhalt wichtiger denn je ist, leistet DIMCIB einen unverzichtbaren Beitrag zu einer offenen und vielfältigen Gesellschaft.

Die Zollkontrolle der DDR: Schutz der Grenzen und staatliche Sicherheit

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Zollkontrolle der DDR 70er Jahre

Die Zollkontrolle der DDR in den 1970er-Jahren war ein integraler Bestandteil der Grenzsicherung und diente als politische und wirtschaftliche Schutzmaßnahme des Staates. Täglich passierten Tausende Reisende und Güter die Grenzen, stets unter der strengen Kontrolle der Zollverwaltung. Diese hatte die Aufgabe, die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen im grenzüberschreitenden Verkehr zu gewährleisten, illegale Aktivitäten zu verhindern und die wirtschaftlichen Interessen des Landes zu schützen.

An den Grenzübergangsstellen, wie in Hirschberg oder Frankfurt (Oder), war das Ziel, politische und ökonomische Risiken zu minimieren. Dies beinhaltete das Unterbinden von Schmuggel, die Verhinderung unerlaubter Ausfuhr von Waren wie Antiquitäten, optischen Geräten oder Textilien sowie die Eindämmung von politisch unerwünschtem Material, darunter westliche Propagandadruckerzeugnisse und „Schundliteratur“. Die Zollbeamten hatten eine entscheidende Verantwortung: Was durch ihre Aufmerksamkeit schlüpfte, konnte potenziell großen Schaden anrichten.

Besonderes Augenmerk lag auch auf dem Transitverkehr, sei es auf der Straße, der Schiene oder in der Luft. Hier wurde nicht nur der Personenverkehr überwacht, sondern auch der Güterverkehr streng kontrolliert. Am Güterbahnhof Frankfurt (Oder) wurden täglich über 60 Züge abgefertigt, die einen bedeutenden Teil des Handels mit Polen und der Sowjetunion abwickelten. Dabei umfassten die Kontrollen sowohl die Zollverschlüsse als auch die Dokumentation der Waren.

Ein weiteres wichtiges Einsatzgebiet war die Abfertigung von Postsendungen. Zollbeamte überprüften tausende Briefe und Pakete täglich, um die illegale Ein- oder Ausfuhr von Devisen, Drogen oder volksverhetzendem Material zu verhindern. Auch der internationale Frachtverkehr, zum Beispiel über den Rostocker Überseehafen, wurde genauestens kontrolliert, um sicherzustellen, dass nur qualitativ hochwertige Produkte die DDR verließen.

Die Zollkontrolleure wurden an der Fachschule der Zollverwaltung in Plessow ausgebildet, wo sie sich neben Zollvorschriften auch in Fremdsprachen, Judo und militärischen Fähigkeiten schulen ließen. Die Ausbildung legte Wert auf politische Überzeugung, fachliche Kompetenz und körperliche Fitness. Der Dienst als Zollbeamter galt als ehrenvoll und wurde von den Behörden als repräsentativ für den Staat angesehen.

Die Tätigkeit der Zöllner prägte den Eindruck, den Reisende von der DDR erhielten. Ob an Land, auf See oder in der Luft – sie agierten als erste Ansprechpartner für Besucher und gleichzeitig als Wächter der staatlichen Souveränität. In diesem Rahmen erfüllten die Mitarbeiter der Zollverwaltung nicht nur einen Beruf, sondern einen „ehrenvollen Dienst“ für die sozialistische Republik.

Ergebnisse der Stadtratssitzung von Weida (Thüringen) vom 28. November 2024

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Stadtratssitzung Weida vom 28.11.2024

Die Stadtratssitzung von Weida am 28. November 2024 bot einen umfassenden Überblick über abgeschlossene und geplante Projekte sowie wichtige Entscheidungen für die Stadt. Der Bürgermeister berichtete zunächst über laufende Maßnahmen wie den Wegebau, Baumschnittarbeiten und die Vorbereitungen für die Weihnachtszeit. Ein zentrales Thema war die gestiegenen Kosten für die Müllentsorgung infolge des neuen Emissionsschutzgesetzes, wobei der Bürgermeister die Bürger aufforderte, illegale Müllentsorgung konsequent zu melden.

Auch die Tierfundstelle in Weida stand im Fokus. Der Antrag auf Anerkennung als Tierheim wurde eingereicht, das Gebäude winterfest gemacht, und an einer Quarantänestation wird gearbeitet. Ein weiteres Diskussionsthema war der Vertrag mit dem Rechenzentrum. Die CDU-Fraktion kritisierte die fehlenden Informationen und forderte eine Rücknahme der Kündigung. Der Bürgermeister verwies auf die Rechtskraft des Stadtratsbeschlusses, regte jedoch weitere Gespräche mit dem Landrat und dem Rechenzentrum an.

Ein Bürger erneuerte seinen Antrag, die Freiwillige Feuerwehr in das Goldene Buch der Stadt einzutragen, nachdem ein erster Antrag im Jahr 2022 abgelehnt worden war. Der Bürgermeister schlug vor, die Regularien für solche Eintragungen in den Ausschüssen zu überprüfen. Auch die geplante Tempo-30-Zone in der Bahnhofstraße wurde thematisiert, deren Beschilderung im Frühjahr erfolgen soll. Zudem wurde die Vermüllung des ehemaligen Bahnhofs angesprochen, und die Bürger wurden ermutigt, entsprechende Anzeigen zu erstatten.

Ein zentrales Ergebnis der Sitzung war die Erhöhung der Hebesätze für die Grundsteuer A, B sowie die Gewerbesteuer. Diese Maßnahmen wurden mit den steigenden Ausgaben und der Grundsteuerreform begründet. Darüber hinaus befasste sich der Stadtrat mit einer Vielzahl weiterer Themen, darunter die Städtebauförderung, die Nattermühlenbrücke, eine geplante Photovoltaikanlage in Schüpplitz, die Satzung und Besetzung des Seniorenbeirats, die Stellenanpassung im Bauamt, die Aufwandsentschädigung für die Feuerwehr und die Wiedereröffnung des Jugendklubs. Schließlich wurde auch der Sitzungskalender für das Jahr 2025 beschlossen.

Die Sitzung spiegelte das Bemühen des Stadtrats wider, auf die Bedürfnisse der Bürger einzugehen und die Stadtentwicklung aktiv voranzutreiben. Insbesondere die Diskussionen um die Müllentsorgung, die Steuererhöhungen und die städtebaulichen Projekte verdeutlichen die Herausforderungen und die Zielsetzungen der lokalen Politik.

Das Hochwasser von Zeitz 2013: Ein Kampf gegen die Fluten

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Hochwasser in Zeitz 2013

Im Sommer 2013 wurde Deutschland von einem verheerenden Hochwasser heimgesucht, das zahlreiche Städte und Gemeinden entlang der Flüsse in Mitleidenschaft zog. Auch die Stadt Zeitz im südlichen Sachsen-Anhalt war schwer betroffen. Die Elster und ihre Zuflüsse traten über die Ufer und verwandelten die Region in ein Katastrophengebiet. Das Hochwasser stellte nicht nur die Einsatzkräfte, sondern auch die Bewohner vor enorme Herausforderungen.

Die Vorgeschichte: Eine gefährliche Wetterlage
Bereits im Mai 2013 war klar, dass eine kritische Wetterlage bevorstand. Nach wochenlangen Regenfällen waren die Böden im Mitteldeutschen Raum gesättigt, und die Flüsse führten bereits Hochwasser. Am 1. Juni 2013 verschärfte sich die Lage dramatisch: Ein Tiefdruckgebiet brachte neue, intensive Niederschläge, die vor allem die Einzugsgebiete von Elbe, Saale und Elster betrafen. Für Zeitz, das direkt an der Weißen Elster liegt, wurde schnell klar, dass die Situation brenzlig werden würde.

Die Weiße Elster, die normalerweise einen beschaulichen Flusslauf bietet, entwickelte sich innerhalb weniger Tage zu einem reißenden Strom. Bereits am 2. Juni begannen die Pegel in Zeitz rasant zu steigen. Die Stadtverwaltung richtete Krisensitzungen ein und bereitete erste Evakuierungen vor.

Der 3. Juni 2013: Die Katastrophe erreicht Zeitz
Am 3. Juni 2013 erreichte die Hochwasserwelle die Stadt. Der Pegel der Weißen Elster überschritt die Marke von fünf Metern – ein Wert, der seit Jahrzehnten nicht mehr gemessen worden war. Straßenzüge, Keller und Erdgeschosse wurden in Windeseile überflutet. Besonders betroffen waren die tiefer gelegenen Stadtteile wie die Altstadt und Teile von Zangenberg.

Die Einwohner waren von der Geschwindigkeit der Ereignisse überrascht. Viele hatten gehofft, die Situation würde sich stabilisieren, doch die Wassermassen ließen ihnen keine Zeit zur Vorbereitung. Feuerwehr und Technisches Hilfswerk (THW) waren rund um die Uhr im Einsatz, um Deiche zu sichern und Polder zu füllen. Freiwillige Helfer bildeten Menschenketten, um Sandsäcke zu transportieren. Doch trotz aller Bemühungen waren die Kräfte oft machtlos gegen die Naturgewalt.

Die Auswirkungen: Zerstörung und Evakuierungen
Rund 2.500 Menschen mussten ihre Häuser verlassen und in Notunterkünften untergebracht werden. Die Schäden an Gebäuden und Infrastruktur waren immens: Straßen wurden unterspült, Brücken beschädigt, und die Kanalisation brach teilweise zusammen. Besonders dramatisch war die Lage in historischen Bauten, die den Wassermassen nicht standhalten konnten.

Auch wirtschaftlich traf das Hochwasser die Region hart. Zahlreiche kleine Betriebe mussten ihren Betrieb einstellen, weil Maschinen, Waren und Arbeitsräume beschädigt wurden. Landwirtschaftliche Flächen rund um Zeitz standen meterhoch unter Wasser, was zu Ernteausfällen und finanziellen Verlusten führte.

Die Hilfsmaßnahmen: Solidarität und Wiederaufbau
Trotz der Katastrophe zeigte sich in den Tagen nach dem Hochwasser eine beeindruckende Solidarität. Freiwillige Helfer aus ganz Deutschland kamen nach Zeitz, um beim Aufräumen und Wiederaufbau zu helfen. Spendenaktionen wurden ins Leben gerufen, und Hilfsorganisationen leisteten unermüdlichen Einsatz.

Die Bundesregierung stellte gemeinsam mit den Ländern einen Hilfsfonds in Milliardenhöhe bereit, um die Schäden zu kompensieren. Doch für viele Zeitzer war die Rückkehr zur Normalität ein langer Weg. Häuser mussten trockengelegt und saniert, Existenzen neu aufgebaut werden.

Eine Stadt lernt aus der Katastrophe
Das Hochwasser von 2013 war für Zeitz ein Weckruf. Die Stadt begann, in den Ausbau des Hochwasserschutzes zu investieren. Neue Schutzmauern und Deiche wurden errichtet, und die Warnsysteme verbessert. Dennoch bleibt die Sorge vor künftigen Überschwemmungen.

Die Katastrophe von 2013 hat Zeitz geprägt. Sie hat nicht nur die Verwundbarkeit der Stadt offengelegt, sondern auch gezeigt, wie wichtig Zusammenhalt und Prävention in solchen Krisen sind. Die Erinnerungen an die Fluten bleiben lebendig – als Mahnung und als Zeichen für die Widerstandskraft einer Gemeinschaft, die sich den Naturgewalten stellt.

Diashow Hochwasser Zeitz 2013

Alt-Magdeburg vor der Zerstörung: Ein Blick auf die historische Schönheit der Stadt

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Alt-Magdeburg vor der Zerstörung

Magdeburg, eine der ältesten Städte Deutschlands, war vor dem Zweiten Weltkrieg ein wahres Juwel barocker Architektur und historischer Bauten. Der Grafiker Wilhelm Gerber, ein Magdeburger Heimatfreund und passionierter Sammler von Stadtansichten, hielt diese Schönheit in seinen Fotografien fest. Die Fotomotive, die er aufnahm, sind nicht nur Zeitzeugen einer längst vergangenen Ära, sondern auch ein wertvolles Erbe für die Nachwelt, da sie uns einen Eindruck davon vermitteln, wie die Stadt vor ihrer nahezu völligen Zerstörung im Jahr 1945 ausgesehen haben muss.

Ein Blick auf die verschiedenen markanten Gebäude, die Wilhelm Gerber in seinen Fotografien festhielt, zeigt die Vielfalt und Pracht der Magdeburger Altstadt. Das Palais am Domplatz 4, ein prächtiges barockes Gebäude, war ein Wahrzeichen der Stadt. Ebenso die Nikolaikirche, deren imposante Architektur das Stadtbild prägte und später als Zeughaus genutzt wurde. Das Sterntor, das am Domplatz thront, sowie das älteste Haus Magdeburgs in der Poststraße, zeugen von der langen Geschichte der Stadt und ihrer Bedeutung in der Region.

Der Breite Weg, ein zentraler Straßenzug, der heute noch als eine der wichtigsten Verkehrsadern Magdeburgs dient, war damals ein Ort für bedeutende Geschäfte. Das ehemalige Gebäude der Dresdner Bank, Breiter Weg 12, steht stellvertretend für die wirtschaftliche Blütezeit der Stadt. Der Alte Packhof und der Neue Packhof an der Strombrücke, der Kloster Unserer Lieben Frauen und das beeindruckende Rathaus in der westlichen Stadtfront gehören ebenso zu den Highlights der fotografischen Sammlung. Die barocken Häuser an der Himmelreichstraße und das Museum in der Otto von Gericke Straße waren ebenso bedeutende kulturelle Stätten, die das Gesicht der Stadt prägten.

Der Justizpalast und die Jakobstraße, zusammen mit dem Johannesberg und dem Stadttheater, sind weitere Gebäude, die Wilhelm Gerber in seinen Fotografien verewigte. Der „Magdeburger Reiter“, eine historische Statue, und die Magdalenenkapelle sind weitere Ikonen der Stadtgeschichte, die vor ihrer Zerstörung 1945 als kulturelle Wahrzeichen dienten.

Bilder von Herbstmessen auf dem Domplatz, von der pulsierenden Stadt auf dem Alten Markt und vom Roten Hornpark vermitteln eine lebendige Vorstellung von Magdeburg zu dieser Zeit. Auch der Blick auf die Stadt vom Elbufer aus und die Regierungsstraße mit der Marienkirche gehören zu den Highlights der fotografischen Sammlung. Besonders auffällig sind die Bilder des Breiten Weges und der Stadtansicht von der Elbe, die den majestätischen Charakter der Altstadt widerspiegeln.

Ein weiteres bemerkenswertes Motiv in Gerbers Sammlung ist die Tischlerbrücke bei Nacht, die die Romantik und den Charme der Stadt in dieser besonderen Atmosphäre einfängt. Die Neustädter Straße und das Zentraltheater sowie der Fleischmarkt auf dem Johanneskirchhof gehören ebenfalls zu den Szenen, die Gerber dokumentierte.

Die Börse am Alten Markt und der Alte Packhof, die beide an der historischen Bedeutung des Handels in Magdeburg erinnern, sind ebenfalls auf den Fotografien zu sehen. Der Zöllhafen, Krummerberg und Knochenhauerufer, die das wirtschaftliche Leben und die Entwicklung der Stadt in den vergangenen Jahrhunderten widerspiegeln, zeigen eine andere Facette des urbanen Lebens von Magdeburg.

Das Bild der Stadt nach dem verheerenden Bombenangriff 1945, das in den Fotografien von Wilhelm Gerber nicht mehr festgehalten werden konnte, ist ein trauriges Kapitel in der Geschichte der Stadt. Die Zerstörung der Altstadt, die fast vollständige Vernichtung vieler historischer Gebäude und die darauffolgende Trümmerlandschaft veränderten das Stadtbild nachhaltig.

Magdeburg, das jahrhundertelang als eine der schönsten Städte des deutschen Mittelalters und der frühen Neuzeit galt, musste einen schmerzhaften Verlust erleiden. Was uns heute bleibt, sind diese historischen Aufnahmen, die einen eindrucksvollen Blick auf eine vergangene Ära ermöglichen. Sie sind nicht nur ein wertvolles Zeugnis der Stadtgeschichte, sondern auch eine Mahnung, wie schnell kulturelles Erbe zerstört werden kann und wie wichtig es ist, dieses zu bewahren.

Die Fotografien von Wilhelm Gerber bieten einen eindrucksvollen Vergleich zur zerstörten Stadt nach den Luftangriffen des Zweiten Weltkriegs. Sie machen die unvorstellbare Dimension der Zerstörung sichtbar und rufen in Erinnerung, wie viel von Magdeburgs einzigartiger Architektur für immer verloren ging. Doch trotz dieser Verluste lebt der Geist der Stadt in den wiederaufgebauten Teilen weiter, und die Erinnerung an das historische Magdeburg bleibt lebendig – vor allem durch die wertvollen Zeugnisse wie die Fotografien von Wilhelm Gerber.

Jena: Haushaltsentwurf extrem auf Kante genäht

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Der Haushaltsentwurf der Stadt Jena liegt auf dem Tisch – und es zeigt sich, wie brüchig das finanzielle Fundament der einst so soliden Kommunalpolitik geworden ist. Wer den Zahlen und Prognosen Glauben schenkt, wird schnell feststellen: Die Ära des Neuverschuldungsverbots, das Jena in den vergangenen Jahren als Prinzip hochgehalten hat, nähert sich dem Ende.

Bis 2029, so die Prognose, dürfte die Stadt ihre Reserven aufgebraucht haben. Spätestens dann – vielleicht schon in zwei bis drei Jahren – wird Jena nicht umhinkommen, neue Schulden aufzunehmen, um die Finanzen zu stabilisieren. Der aktuelle Haushaltsentwurf zeigt dabei bereits, dass diese Zeitenwende vorbereitet wird: Um den Haushalt formal genehmigungsfähig zu machen, steht nun auch eine Änderung der Haushaltssatzung auf der Agenda. Das Neuverschuldungsverbot soll gestrichen werden – ein Tabubruch, der politische und finanzielle Sprengkraft birgt.

Hinter dieser Entwicklung steht eine inoffizielle Allianz der Vernunft – oder eine Koalition des Pragmatismus, je nach Perspektive: FDP, CDU, Grüne und SPD scheinen sich darauf verständigt zu haben, die bisherigen finanziellen Strukturen so weit wie möglich unangetastet zu lassen. Ziel ist es offenbar, das bewährte Modell Jenas in der Hoffnung weiterzuführen, dass das Wirtschaftswachstum und die Einnahmen der Stadt langfristig ausreichen werden, um die wachsenden Ausgaben zu decken.

Doch genau hier liegt der Haken: Der Entwurf setzt stark auf Optimismus. Strukturelle Veränderungen, die mittelfristig dringend notwendig wären, bleiben weitgehend aus. Stattdessen versucht man, mit der Hoffnung auf weiteres Wirtschaftswachstum, erhöhte Gewerbesteuereinnahmen und gestiegene Zuweisungen von Bund und Land die nächsten Jahre zu überbrücken. Aber was, wenn dieses Wachstum ausbleibt?

Die gegenwärtigen Maßnahmen – und das ist kein Geheimnis – sind vor allem darauf ausgerichtet, den Status quo zu bewahren. Das bedeutet, Projekte und Investitionen, die die Stadt weiterentwickeln könnten, auf ein Minimum zu beschränken. Es wird mit spitzem Stift gerechnet, um das Erreichte zu sichern, anstatt die Weichen für die Zukunft zu stellen. Die Spielräume, die die Stadt über Jahre durch kluge Haushaltsführung und Wachstum erarbeitet hatte, schwinden zusehends.

Es ist durchaus berechtigt, Zweifel daran zu haben, dass dieser Ansatz tragfähig ist. Ohne tiefgreifende Reformen und eine kritische Überprüfung von Ausgaben und Investitionsprioritäten wird es schwer, die Herausforderungen der kommenden Jahre zu bewältigen. Denn Jena wächst weiter – sei es durch Zuzug, die Anforderungen an die Infrastruktur oder den Klimaschutz, der auch die Städte zwingt, aktiv zu werden. Diese Entwicklungen sind kostspielig und dulden keinen Aufschub.

Ein Umdenken ist unvermeidlich. Die Frage ist nicht mehr, ob man Wachstum und Konsolidierung neu denken muss, sondern wann. Je länger sich die Stadt vor tiefgreifenden strukturellen Anpassungen drückt, desto größer wird die Lücke, die am Ende nur durch neue Schulden gefüllt werden kann. Und mit jedem Jahr, das vergeht, verliert Jena an Flexibilität und Handlungsfähigkeit.

Die Haushaltsdiskussion zeigt deutlich: Die Grundsatzfrage, wie Jena künftig wirtschaften will, ist noch längst nicht beantwortet. Bleibt die Hoffnung, dass sich die Verantwortlichen nicht nur von kurzfristigem Kalkül leiten lassen, sondern endlich den Mut aufbringen, die Stadt auch auf lange Sicht zukunftsfähig zu machen – bevor die Rechnung endgültig nicht mehr aufgeht.

Die Stasi im Jahr 1985: Kontrolle und Reaktion auf gesellschaftliche Bewegungen

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1985: Die DDR im Blick der Stasi

Das Jahr 1985 war ein Übergangsjahr, das zwischen einer stabilen, aber zunehmend krisenhaften DDR und den Veränderungen auf globaler Ebene lag. Das neue Band der Edition Die DDR im Blick der Stasi beleuchtet, wie die Staatssicherheit dieses Jahr analysierte und welche Berichterstattung das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) an die DDR-Führung weiterleitete. Besonders prägend für die politische Lage war der Machtantritt von Michael Gorbatschow in der Sowjetunion, der das internationale Klima veränderte, aber noch keine unmittelbaren Auswirkungen auf die DDR-Politik hatte. Die langfristigen Folgen von Gorbatschows Reformpolitik, insbesondere die Perestroika und Glasnost, waren zu diesem Zeitpunkt noch unklar.

Innerhalb der DDR war 1985 von außen gesehen ein Jahr der Stagnation. Die Wirtschaft war zwar durch Kredite aus der Bundesrepublik stabilisiert worden, doch blieben die strukturellen Mängel weiterhin bestehen. Die Umweltproblematik, die wachsende Zahl an Ausreisewilligen und die allgemeine Erstarrung des politischen Systems prägten das Land. In vielerlei Hinsicht befand sich die DDR in einem permanenten Krisenmodus. Eine der Hauptaufgaben der Staatssicherheit in diesem Jahr war es, diese Krisensymptome zu überwachen und Berichte an die Staats- und Parteiführung zu liefern.

Das sowjetische Ehrenmal in Berlin-Triptow, das an den Sieg der Roten Armee über das nationalsozialistische Deutschland erinnerte, spielte in den Berichten der Stasi eine wichtige Rolle. Die Berichterstattung zu diesem Thema umfasste nicht nur die offiziellen Gedenkveranstaltungen, sondern auch die Reaktionen der Bevölkerung. Die jährliche Erinnerung an das Kriegsende war ein hochpolitisches Ereignis, das tief in die kollektive Erinnerung eingriff. Dabei zeigte sich, dass viele Bürger über die Geschichte der DDR und ihre eigene Situation im Land nachdachten. Einige Berichte dokumentieren die Diskussionen, die in diesem Kontext aufkamen – zum Beispiel bei der Landessynode der evangelischen Kirche in Thüringen. In diesen Gesprächen wurde das Thema Kriegsende behandelt, und sogar die sowjetischen Speziallager, die nach dem Zweiten Weltkrieg eingerichtet worden waren, fanden Erwähnung. Diese Lager, die von der DDR-Führung jahrzehntelang totgeschwiegen wurden, wurden in der Diskussion plötzlich wieder aufgerufen, was auf ein wachsendes Bedürfnis nach Aufarbeitung der jüngeren Geschichte hindeutete.

Auch die Frauen für den Frieden, eine der wichtigsten oppositionellen Gruppen der DDR, nahmen das Gedenken zum Anlass, öffentlich zu protestieren. Bei ihrem Nachtgebet in Ostberlin im Mai 1985 nutzten sie die Figur der Trümmerfrauen als Metapher für ihre Veranstaltung. Diese Frauen symbolisierten den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg, doch in den Augen der oppositionellen Bewegung standen sie auch für die Zerstörung durch das bestehende politische System der DDR. Ihre Forderungen nach Frieden und einer besseren Zukunft wurden durch das Gedenken an den Krieg in einen breiteren historischen Kontext gesetzt.

Interessanterweise spielten Fluchten und Ausreisen, die in der Wahrnehmung der DDR als größte Bedrohungen galten, in der Berichterstattung des Jahres 1985 nur eine untergeordnete Rolle. Es gab in diesem Jahr keine auffälligen Fluchtbewegungen oder Massenexodusse, die die Staatsführung besonders beunruhigten. In den offiziellen Berichten des MfS wird dieses Thema nur dann relevant, wenn es in westlichen Medien Aufmerksamkeit erregte. Ein bemerkenswerter Fall war die Flucht eines Wasserschutzpolizisten, der mit seinem Patrouillenboot von Potsdam über die Havel nach Westberlin gelangte. Diese Flucht fand jedoch erst dann Eingang in die Berichterstattung des MfS, als westliche Medien darüber berichteten. Es zeigte sich, dass das MfS vor allem auf externe Wahrnehmungen reagierte und weniger auf die eigentlichen Ursachen der Ausreisebewegung einging.

Das Jahr 1985 war also von der Wahrnehmung der DDR-Führung als ein Jahr des Übergangs und der Fortsetzung des „normalen Krisenmodus“ geprägt. Auch wenn die internen Probleme wie Umweltschäden, politische Stagnation und die Ausreisebewegung weiterhin drängten, blieb die öffentliche Diskussion innerhalb der DDR häufig unter der Oberfläche. Die Stasi wiederum konnte eine Vielzahl von Bürgerreaktionen überwachen und analysieren, jedoch war es zunehmend schwerer, die wachsenden Unzufriedenheiten und die Forderungen nach Reformen zu unterdrücken. Die Berichte des MfS zeugen von einer Gesellschaft im Wandel, die trotz der fortgesetzten Kontrolle durch die Staatsmacht immer mehr Raum für Kritik und Debatten schuf. Doch bis zum Ende des Jahrzehnts sollte sich die Situation der DDR grundlegend verändern – auch durch die globalen politischen Entwicklungen, die Gorbatschows Reformpolitik in der Sowjetunion einläutete.

Arbeiten für den Staat: Die Jugendwerkgruppen als Orte der Zwangsarbeit

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Zwangsarbeit in der DDR - Alexander Müller

Alexander Müller wurde 1969 in der DDR geboren und verbrachte einen Großteil seiner Jugend in verschiedenen Heimen, die Teil des Jugendhilfesystems der DDR waren. Die prägenden Erfahrungen, die er dort machte, waren von Misshandlungen, Gewalt und Zwangsarbeit begleitet. Doch der Weg, der ihn in diese Heime führte, war bereits von Anfang an von einer schwierigen Familiengeschichte geprägt. Seine Mutter, eine Künstlerin und Kunsthandwerkerin, hatte sich durch ihre unkonventionelle Lebensweise und ihre Weigerung, sich dem gesellschaftlichen Druck zu beugen, immer wieder in Konflikt mit den staatlichen Behörden gebracht. Mehrmals wurde sie inhaftiert, was auch das Leben ihres Sohnes stark beeinflusste. Alexander wuchs ohne eine konstante Mutterfigur auf, da sie immer wieder aus dem Leben seines Kindes gerissen wurde, was ihm seine Kindheit erschwerte.

Bereits im Kindergarten und in der Schule erlebte Alexander eine Art von Isolation, die durch die wiederholten Inhaftierungen seiner Mutter noch verstärkt wurde. Nicht nur Mitschüler, sondern auch Pädagogen gingen mit ihm sehr hart um. Aufgrund der Inhaftierungen seiner Mutter wurde er gemobbt und ausgegrenzt. Die ablehnende Haltung der Erwachsenen gegenüber ihm hinterließ tiefe Spuren. Die Unfähigkeit der Institutionen, auf seine Situation einzugehen, führte dazu, dass er sich von der Welt um ihn herum zunehmend entfremdete. Der Druck, der auf ihm lastete, und die ständige Stigmatisierung durch die Gesellschaft führten dazu, dass er versuchte, diesen Umständen zu entfliehen, indem er die Schule schwänzte. Doch diese Flucht in den Widerstand gegen das System führte nur dazu, dass er schließlich in ein Heim eingewiesen wurde.

Die Heimunterbringung, die für Alexander eine der einschneidensten Erfahrungen seines Lebens darstellte, war in seinen Augen eine Form von Erpressung. Ihm wurde der Kontakt zu seiner Mutter in Aussicht gestellt, wenn er sich den strengen und oft willkürlichen Regeln des Heims fügte. Doch die Realität war eine andere. Als seine Mutter versuchte, ihn aus dem Heim zu holen, wurden ihre Bemühungen von den Behörden vereitelt. Er selbst erhielt nie eine klare Erklärung, warum seine Entlassung verweigert wurde. Die Situation verschlechterte sich weiter, als er von sexuellen Übergriffen im Heim „Sonnenland“ berichtete. Als er sich an die Jugendhilfe in Plauen wandte, verschlechterte sich seine Lage noch weiter. Statt dass man ihm half, wurde er zunehmend diskreditiert. Berichte wurden verfasst, die ihn als Dieb und Gewalttäter darstellten, was seine Situation weiter erschwerte und ihn im Heim isolierte.

Sein Versuch, sich politisch auszudrücken, führte zu seiner Ausschulung und Verlegung in eine Jugendwerkgruppe. In einem Aufsatz, in dem er die sowjetische Intervention in Afghanistan mit dem Falklandkrieg verglich, stellte er seine Haltung zum politischen System der DDR dar. Für die DDR-Behörden war dies ein klarer Anlass, ihn aus der Schule zu werfen und in eine Jugendwerkgruppe zu verlegen. Die Bedeutung dieser Entscheidung war für ihn gravierend: Sie bedeutete eine Verschärfung seiner Situation, da ihm nun nicht nur der Zugang zu Bildung verwehrt wurde, sondern er auch zu Zwangsarbeit verpflichtet wurde. Er musste für verschiedene DDR-Betriebe arbeiten, darunter die Fahrzeugindustrie, die Sachsenring-Werke und die Parkhauswerke in Karl-Marx-Stadt.

Die Jugendwerkgruppen, in denen Alexander untergebracht war, waren aus seiner Sicht Orte der Zwangsarbeit, an denen die Kinder und Jugendlichen nicht nur physisch misshandelt, sondern auch psychisch gebrochen wurden. Bildung war ein Fremdwort, und die einzige Aufgabe der Jugendlichen bestand darin, für den Staat zu arbeiten. In den Durchgangsheimen, in denen er untergebracht war, herrschten unmenschliche Bedingungen. Die Kinder und Jugendlichen wurden wie „Verwaltungsakte“ behandelt und lebten unter ständiger Kontrolle der Behörden. Der Mangel an Vertrauen gegenüber den Erwachsenen und die ständige Angst vor Bestrafung prägten seine gesamte Zeit in den Heimen. Für Alexander war diese Zeit ein permanenter Zustand der Isolation und Unterdrückung, der ihn in seiner Entwicklung und seinem Selbstwertgefühl schwer beeinträchtigte.

Mit 14 Jahren wurde ihm das Erziehungsrecht seiner Mutter entzogen, was ihn völlig dem System der DDR auslieferte. Er erlebte, wie sich die Gewalt und der Druck im Jugendwerkhof Burg, einem weiteren Heim, in dem er untergebracht war, weiter verschärften. Im Jugendwerkhof herrschte eine harte Hackordnung, die durch Gewalt und Misshandlungen durch die Erzieher aufrechterhalten wurde. Die Arbeit war extrem hart, und die Jugendlichen mussten in gefährlichen Arbeitsumfeldern tätig sein. Alexander beschrieb die Maschinen, mit denen er arbeiten musste, als veraltet und gefährlich, ohne jeglichen Arbeitsschutz. Außerdem wurden ihm Löhne für verschlissene Arbeitsmittel abgezogen, was die ohnehin schon prekären Arbeitsbedingungen weiter verschärfte.

Die Zwangsarbeit, die Alexander im Jugendwerkhof leisten musste, fand in verschiedenen DDR-Betrieben statt. Er arbeitete unter anderem für das Stahl- und Walzwerk Burg, die Salzgitter AG, die Kneckewerke, die Schuhwerke und sogar für IKEA. Er berichtete von der Produktion von Verschlussbändern für Stahlbleche, Transportkisten, Kneckebrot und Schuhen für westliche Firmen wie Salamander. In Torgau arbeitete er unter anderem für die Weißgeräteindustrie in Billitz-Ernberg, die Werftenindustrie und die Firma Fortschritt. Die Arbeitsbedingungen waren katastrophal, die Maschinen veraltet, und der Druck, die Arbeitsnormen zu erfüllen, war enorm. Wer die Vorgaben nicht erreichte, wurde bestraft – mit Einzelarrest, Dunkelarrest oder Strafsport. Diese Strafen hinterließen bei Alexander tiefe psychische Narben und prägten sein Leben nachhaltig.

Die ständige Angst, die Arbeitsnormen nicht zu erreichen, führte dazu, dass Alexander kaum Pausen einlegen konnte und stets unter dem Gefühl der Bedrohung stand. Die unmenschlichen Bedingungen, die er in den Jugendwerkhöfen erlebte, zeigten ihm, wie wenig der Staat an das Wohl seiner Bürger dachte und wie sehr er bereit war, die Jugend als Arbeitsressource auszubeuten. Die Zwangsarbeit, die er als solchen bezeichnete, war für ihn eine der schmerzhaftesten und entwürdigendsten Erfahrungen seiner Jugend. Die ständige Überwachung und die fehlenden Entwicklungsmöglichkeiten gaben ihm das Gefühl, ein Rädchen im System zu sein, dessen Existenz keine Bedeutung hatte.

Nach seiner Entlassung aus dem Heim, in dem er die letzten Jahre seiner Jugend verbracht hatte, sah sich Alexander erneut mit einer Form von Zwangsarbeit konfrontiert. Er wurde mit einer Arbeitsplatzbindung in den Kraftverkehr in Plauen gezwungen, was er als eine weitere Form der Kontrolle und Ausbeutung empfand. Auch hier gab es keinerlei Entwicklungsmöglichkeiten für ihn, und er wurde vom Staat überwacht, ohne dass er eine echte Chance hatte, sein Leben selbst zu gestalten. Doch trotz dieser anhaltenden Kontrolle und Ausbeutung begann Alexander in den letzten Jahren der DDR, die Wende als einen Zeitpunkt der Hoffnung zu erleben. Er traf Gleichgesinnte, die ebenfalls die Hoffnung auf Veränderung teilten. In dieser Zeit begann er zu erkennen, dass er trotz all der traumatischen Erfahrungen und der ständigen Unterdrückung ein „völlig normaler Jugendlicher“ war, der das Recht hatte, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Diese Erkenntnis war für ihn eine der wichtigsten Wendeerfahrungen. Sie half ihm, die schweren Jahre im System der DDR hinter sich zu lassen und einen Weg in ein neues Leben zu finden. Die Erinnerung an die Zwangsarbeit und die unmenschlichen Bedingungen, die er durchlebte, ist jedoch ein Teil seiner Vergangenheit, den er nie vergessen wird. Die prägenden Erfahrungen seiner Jugend haben ihn nachhaltig beeinflusst und ihm gezeigt, wie stark das System der DDR in das Leben der Menschen eingriff und wie es ihre Entwicklung verhinderte.

Die Krämerbrücke in Erfurt: Leben und Arbeiten auf einem Wahrzeichen

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Krämerbrücke Erfurt: Wie es sich in einem Wahrzeichen wohnt | ARD Room Tour

Die Krämerbrücke in Erfurt ist nicht nur ein architektonisches Meisterwerk, sondern auch ein bewohntes und belebtes Symbol der Thüringer Landeshauptstadt. Als längste durchgehend bebaute und bewohnte Brücke Europas zieht sie jährlich Tausende Touristen an. Doch wie gestaltet sich das Leben und Arbeiten auf einem solchen historischen Wahrzeichen? In einer ARD Room Tour gibt Künstlerin Britta Einblicke in ihr Leben auf der Brücke – eine Mischung aus Tradition, Gemeinschaft und Kreativität.

Ein Leben inmitten der Geschichte
Britta lebt seit mehreren Jahren auf der Krämerbrücke, in einem Gebäude mit einer Jahrhunderte alten Geschichte. Ursprünglich von einer Antiquitätenhändlerin übernommen, ist das Haus für sie nicht nur Wohnraum, sondern auch Atelier und Galerie. Diese enge Verbindung von Leben und Arbeit spiegelt die historische Nutzung der Brücke wider: Schon im Mittelalter war sie ein Ort des Handels und der Begegnung.

Die Wohnung selbst ist klein, etwa 50 Quadratmeter groß, mit niedrigen Decken und schiefen Wänden – typische Merkmale der historischen Bausubstanz. Ursprünglich waren es drei separate Häuser, die im Mittelalter zusammengelegt wurden. Trotz der beengten Verhältnisse empfindet Britta die Räumlichkeiten als charmant und inspirierend. Die Mischung aus modernen Elementen, wie individuell angefertigten Fenstern, und den ursprünglichen Strukturen schafft eine einzigartige Atmosphäre.

Gemeinschaft und Nachbarschaft
Das Leben auf der Krämerbrücke ist geprägt von einer besonderen Gemeinschaft. Nachbarn kennen sich, helfen einander und treffen sich regelmäßig. „Man sagt, es ist wie ein Dorf in der Stadt“, beschreibt Britta die enge Nachbarschaft. Diese Nähe wird durch die bauliche Struktur der Brücke noch verstärkt – Fenster liegen sich gegenüber, und oft winken sich die Bewohner zu.

Neben dieser Nachbarschaftlichkeit gibt es auch viele Begegnungen mit Touristen, die die Brücke bewundern und dabei oft gar nicht realisieren, dass sie sich bereits darauf befinden. Die Mischung aus lokalem Leben und internationalem Flair macht das Leben auf der Krämerbrücke so einzigartig.

Kreatives Arbeiten in historischem Ambiente
Britta hat ihre Wohnung und ihr Atelier bewusst so gewählt, dass sie beides in einem Haus vereinen kann. Im Erdgeschoss befindet sich ihr Laden, in dem sie nicht nur ihre eigenen Werke, sondern auch Arbeiten von befreundeten Künstlern verkauft. Hier knüpft sie an eine alte Tradition der Brücke an: das Färben. Mithilfe einer japanischen Technik färbt sie Woll- und Seidentücher mit natürlichen Pflanzenfarben.

Im Atelier teilt sie den Raum mit Marcel Kromow, einem Fotografen, der sich auf Stillleben spezialisiert hat. Besonders beeindruckend ist die barocke Stuckdecke im Atelier – ein Relikt aus der Zeit, als das Gebäude einem Kannengießer gehörte. Diese Decke mit ihrer zentralen Glockenverzierung ist für Marcel nicht nur ein optisches Highlight, sondern auch eine Inspirationsquelle für seine Arbeiten.

Ein Ort voller Möglichkeiten
Die Krämerbrücke ist weit mehr als ein historisches Bauwerk. Für Britta und viele andere Bewohner ist sie ein Ort der Kreativität, der Begegnung und des Miteinanders. Ihre persönliche Geschichte zeigt, wie lebendig ein Leben auf einem Wahrzeichen sein kann – geprägt von der Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Für Besucher und Bewohner gleichermaßen bleibt die Krämerbrücke ein magischer Ort, der durch seine einzigartige Mischung aus Geschichte und moderner Lebendigkeit fasziniert. Die ARD Room Tour bietet einen seltenen Einblick hinter die Kulissen dieses außergewöhnlichen Wahrzeichens und lässt erahnen, wie es ist, Teil dieses besonderen Mikrokosmos zu sein.