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Eskalation statt Inszenierung: Berliner Demonstration als Spiegelbild politischer Polarisierung

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Am vergangenen Samstag sollte ein marschierender Zug rechtsextremer Kräfte sieben Kilometer durch die Hauptstadt ziehen – letztlich stellte er nach nur 100 Metern abrupt den Dienst ein. Der gescheiterte Demonstrationszug, an dem rund 850 Neonazis, Rechtskonservative und AfD-Sympathisanten teilnahmen, offenbarte nicht nur die Spannungen innerhalb der rechten Szene, sondern auch die Macht der organisierten Gegenproteste.

Spannungsfeld zwischen Inszenierung und Gegenwehr
Die geplante Inszenierung reiner Machtdemonstration wurde von zahlreichen Gegenprotesten konterkariert. Bereits im Vorfeld hatten Hunderttausende zivilgesellschaftlicher Kräfte und organisierte Initiativen – etwa Sitzblockaden und Schallpegelmessungen – signalisiert, dass das öffentliche Narrativ nicht einseitig von extrem rechten Kräften bestimmt werden würde. Die symbolträchtige Verwendung von verbotenen Zeichen und die öffentliche Präsenz altgedienter Extremisten standen im krassen Kontrast zu den Erwartungen eines geordneten Zuges.

Zwiespältige Führung und mediale Selbstinszenierung
Bemerkenswert in diesem Szenario ist auch die Rolle des Organisators, dessen türkischer Migrationshintergrund ihn paradoxerweise als vermeintlichen neuen Anführer in einer Szene positioniert, die sich traditionell durch homogene, nationalistische Ideologien auszeichnet. Trotz seiner früheren AfD-Mitgliedschaft distanziert er sich in seinen Social-Media-Auftritten vom expliziten Rechtsextremismus – ein Schritt, der jedoch von vielen als kalkulierte Taktik gewertet wird, um ein breiteres Publikum anzusprechen und den gesellschaftlichen Status zu legitimieren.

Polizeiliche Eskalation und Kontrollmechanismen
Der Bericht zeichnet ein Bild einer Polizei, die angesichts der komplexen Lage vor Ort zum vollen Einsatz gezwungen war. Neben routinemäßigen Maßnahmen wie der Durchsetzung des Vermummungsverbots rückten auch spezialisierte Kräfte und Schallpegelmesser in den Fokus, als der Lärmpegel in unmittelbarer Nähe zu kritischen Grenzwerten anstieg. Festnahmen, die bereits bei den ersten Auseinandersetzungen vorgenommen wurden, zeigten, dass das Vorgehen gegen identifizierte Straftaten – von beleidigenden Äußerungen bis hin zu verbotenen Symbolen – in einem Umfeld, das von Euphorie und aggressiver Selbstinszenierung geprägt war, keine Ausnahme blieb.

Gesellschaftliche Spiegelungen und politische Implikationen
Die Ereignisse dieses Tages werfen ein Schlaglicht auf die angespannte politische Landschaft in Deutschland. Die rapide Eskalation und das Scheitern des Marsches machen deutlich, dass rechtsextreme Gruppierungen zunehmend auf die Provokation und Mobilisierung von Gegenkräften setzen müssen – ein Fakt, der den demokratischen Widerstand und die Wachsamkeit der Zivilgesellschaft unterstreicht. Gleichzeitig wird klar, dass die Grenzen zwischen politischem Protest, öffentlicher Ordnung und extremistischer Provokation immer wieder neu austariert werden müssen.

Der gescheiterte Marsch in Berlin offenbart mehr als nur das Scheitern eines Demonstrationszuges: Er ist ein Spiegelbild der aktuellen politischen Polarisierung und der zunehmenden Radikalisierung rechter Gruppierungen. Die entschlossene Reaktion der Gegenproteste und die präventiven polizeilichen Maßnahmen zeigen, dass demokratische Gesellschaften in Zeiten politischer Extreme nicht tatenlos zusehen, sondern entschieden handeln, um die öffentliche Ordnung zu schützen und extremistische Tendenzen einzudämmen.

Pirna im Ausnahmezustand – Stadtratssitzung XXL

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In einer sechsstündigen Mammutsitzung offenbarte der Stadtrat Pirnas eindrückliche und teils widersprüchliche Entwicklungen in der Kommunalpolitik. Die hitzigen Debatten reichten von internen Personalstreitigkeiten über finanzielle Engpässe bis hin zu weitreichenden Infrastrukturprojekten und Regelungsänderungen.

Zwischen Lob und Tadel: Personalpolitik im Brennpunkt
Im Zentrum der Diskussion stand die Ehrung von Silke Marisch, der Fiedensrichterin, die für 20 Jahre ehrenamtlichen Einsatz mit Blumen und Dank gewürdigt wurde. Dagegen blieb die Stadtkämmerin Birgit Erler, die aktuell in einen Rechtsstreit mit der Stadt verwickelt ist, ohne Anerkennung. Kritiker bemängelten die unklare Personalpolitik in der Verwaltung, bei der personelle Kündigungen und ungeklärte Zuständigkeiten immer wieder zu Unmut führen.

Finanzielle Herausforderungen und Haushaltsdefizit
Ein weiterer Brennpunkt der Sitzung war die angespannte Finanzlage. Die kürzlich erfolgte Erhöhung der Kreisumlage – von ursprünglich geplanten 34,9 Prozent auf 35,41 Prozent – sorgt für ein Defizit von 0,51 Prozent im Haushaltjahr 2025. Trotz Mehrheitsbeschlüssen zum Haushaltsplan 2025‑26 bleiben Zweifel, insbesondere im Hinblick auf die Einbindung riesiger Investitionsfirmen und den Mangel an adäquaten Flächenangeboten.

Hochwasserschutz: Zukunftsmusik ohne aktuellen Handlungsbedarf
Auch der dringend benötigte Hochwasserschutz in Pirna wurde kontrovers diskutiert. Vertreter der Landestagsperrenverwaltung Sachsen bestätigten, dass ein umfassender Hochwasserschutz in absehbarer Zeit nicht realisierbar sei. Vorschläge wie Rückhaltebecken in Gottläuber und Seidewitz sowie eine stadtnah gelegene Hochwasserschutzwand an der Elbe bleiben vorerst reine Zukunftsvisionen. Trotz positiver wirtschaftlicher Bewertungen der Maßnahmen steht fest, dass weitere Planungsphasen notwendig sind, um die Finanzierung von rund 107 Millionen Euro für den Hochwasserschutz aufzubringen.

Verkehrsplanung und Infrastrukturprojekte unter der Lupe
Ein weiteres zentrales Thema der Sitzung war der Neubau der Wesenitztalbrücke in Pirna-Kopitz. Mit einem geplanten Baubeginn im Jahr 2027 wird auch der damit verbundene Verkehrsfluss intensiv debattiert. Die Idee, den stark belasteten Verkehrsknotenpunkt durch den Einsatz von zwei aufeinanderfolgenden Kreisverkehren zu entlasten, stieß auf scharfe Kritik. Bedenken hinsichtlich möglicher Blockaden, insbesondere bei Lkw-Verkehren, wurden laut, während alternative Konzepte wie der Erhalt von Ampeln und eine solide Brückenbauweise favorisiert werden.

Baumschutz und Umwelt: Eigene Verantwortung der Bürger
Ein kontrovers diskutierter Punkt war die geplante Änderung der Baumschutzsatzung. Künftig sollen Eigentümer selbst über das Fällen bestimmter Bäume entscheiden dürfen, statt sich allein auf behördliche Genehmigungen zu stützen. Während Vertreter der Stadträte die Eigenverantwortung der Bürger betonten, sorgten Proteste von rund 40 Demonstranten für hitzige Debatten. Die Frage, inwieweit staatliche Kontrolle und privates Engagement im Umweltschutz miteinander vereinbar sind, bleibt weiterhin umstritten.

Blick in die Zukunft – Neuausrichtung und Weiterentwicklung
Neben den genannten Kernpunkten wurden weitere Projekte vorgestellt: Die Errichtung einer Photovoltaikanlage an der Kiesgrube in Bonnewitz, finanzielle Unterstützung für die Musikschule Sächsische Schweiz sowie der Erwerb von Grundstücken zur Realisierung eines neuen Industrieparks Oberelbe. Auch strukturelle Fragen, wie die zukünftige Besetzung von Schlüsselpositionen im IBO-Zweckverband und die anstehende Neubesetzung der stellvertretenden Position des Oberbürgermeisters, werfen Fragen nach der strategischen Ausrichtung der Stadt auf.

Mit einem umfangreichen Tagesordnungspunkt, der die nächsten Schritte im Bereich der Stadtentwicklung und Finanzplanung ebenso beleuchtet wie interne Unstimmigkeiten und kontroverse Umwelt- sowie Verkehrsplanungen, bleibt Pirna vor großen Herausforderungen. Die kommende Stadtratssitzung unter der Leitung des ehrenamtlichen Bürgermeisters Ralf Thiele im Mai dürfte zeigen, in welche Richtung sich die Stadt in einer zunehmend komplexen politischen und wirtschaftlichen Landschaft bewegt.

Sanierung statt Abriss – Alte Plattenbauten im Wandel der Zeit

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Die Zeiten des schnellen Abrisses und Neubaus scheinen endgültig vorbei zu sein. Stattdessen rückt der Erhalt und die Sanierung von Plattenbauten aus DDR-Zeiten in den Fokus – ein Ansatz, der nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch und kulturell Sinn macht.

Halle-Neustadt: Ein neuer Lebensfunke in alten Fassaden
In Halle-Neustadt hat sich das Bild der Hochhäuser in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Die einst stolzen Wohnriesen verfielen nach Jahren des Leerstandes und waren Zeugnis einer gescheiterten Umnutzung. „Die Hochhäuser verwahrlosen in Halle-Neustadt. Jahre des Leerstandes haben ihre Spuren hinterlassen“, so die Beobachtung vieler Bürger. Doch nun hat ein privater Investor begonnen, eines der Hochhäuser zu sanieren.
Im Erdgeschoss soll ein moderner Foodcorner beziehungsweise ein Imbisszentrum entstehen, während darüber Lagerflächen und Wohnungen geschaffen werden. Trotz des vielversprechenden Konzepts handelt es sich derzeit um eine Dauerbaustelle – der Bau verzögert sich unter anderem durch Finanzierungsprobleme. Dennoch wird optimistisch in die Zukunft geblickt, denn dieser Schritt könnte der erste von vielen in der Wiederbelebung alter Bausubstanz sein.

Leipzig: Der 200 Meter lange Koloss im Fokus der Nachhaltigkeit
Ein weiteres Beispiel für den modernen Umgang mit DDR-Baustoffen bietet Leipzig. Der 200 Meter lange Koloss an der Prager Straße, ein beeindruckender Stahlskelettbau, steht seit Jahren leer und als Symbol des gescheiterten Neubauvorhabens. Doch die Chancen stehen gut, dass dieser Bau erhalten bleibt und nicht abgerissen wird. Ein Neubau des technischen Rathauses wäre nicht nachhaltig – die alte Bausubstanz soll bestehen bleiben und umgebaut werden. Experten betonen: Es ist möglich, ein altes Stahlbetonskelett aus DDR-Zeiten weiter zu nutzen. Die Sanierung spart nicht nur Abrisskosten und die damit verbundene CO₂-Belastung, sondern bewahrt auch ein Stück urbaner Geschichte.

Gotha: Aus Alt mach Neu
Auch in Gotha zeigt sich der Trend: Aus einem ehemals unsanierten Block entsteht nun eine moderne, neue Wohnanlage. Investoren setzen hier auf den Erhalt der Bausubstanz, um den Wohnungsmarkt zu beleben und gleichzeitig den Charme vergangener Zeiten zu bewahren. Die Sanierung und Umnutzung alter Plattenbauten wird so zu einem Symbol des Strukturwandels in deutschen Städten.

Die Sanierung statt des Abrisses alter Plattenbauten markiert einen wichtigen Schritt hin zu einer nachhaltigeren Stadtentwicklung. Von Halle-Neustadt über Leipzig bis nach Gotha: Alte Bausubstanz wird neu belebt, traditionelle Baustile treffen auf moderne Technik und innovative Konzepte. Dieser Trend zeigt, dass es möglich ist, Geschichte zu bewahren und gleichzeitig den Anforderungen der Gegenwart gerecht zu werden – ein Ansatz, der ökonomisch, ökologisch und kulturell zukunftsweisend ist.

Vom Kombinat VEB Carl Zeiss JENA zum Orchideenbrunnen

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Im Jahr 1987 entstand im Amateurfilmcentrum des Kombinats VEB Carl Zeiss JENA ein bemerkenswerter Film. Unter der Regie von Peter Gallasch und Hans-Werner Kreidner und mit den Darstellern Uwe Bauer und Rainer Siewert brachte die Produktion ein Stück DDR-Alltag auf die Leinwand – gedreht von Werksamateuren, die in ihrer Freizeit die Kamera gegen den Schraubenschlüssel tauschten.

Das Amateurfilmcentrum war eine der vielen kulturellen Initiativen innerhalb des Kombinats. Neben Betriebsfesten, Sportgemeinschaften und Betriebsorchestern bot es den Mitarbeitern die Möglichkeit, eigene filmische Projekte zu realisieren. Die technische Ausstattung war bescheiden, doch die Begeisterung groß. Viele Werksamateure verbanden ihr Wissen aus der Optik- und Feinmechanikfertigung mit einer Leidenschaft für bewegte Bilder. So entstanden Filme, die sowohl den Arbeitsalltag als auch persönliche oder gesellschaftliche Themen behandelten.

Filmemachen zwischen Drehbank und Drehbuch
Die Produktion von Gallasch und Kreidner nutzte das industrielle Umfeld als Kulisse und beschäftigte sich mit den Realitäten des DDR-Arbeitslebens. Uwe Bauer und Rainer Siewert, selbst Werksmitarbeiter, übernahmen die Hauptrollen. Ihre Darstellung verlieh der Geschichte Authentizität, während die Regisseure mit einer Mischung aus dokumentarischen und inszenierten Elementen arbeiteten.

Die inhaltliche Bandbreite solcher Filme reichte von Arbeitsschutzbelehrungen über dokumentarische Betriebsfilme bis hin zu künstlerisch ambitionierten Kurzfilmen. Auch in Jena wurde nicht nur das offizielle Bild der „sozialistischen Arbeitswelt“ gezeigt. Viele Filme spiegelten die Hoffnungen, Herausforderungen und kleinen Fluchten der Werktätigen wider – mal mit Ernst, mal mit Ironie.

Ein vergessenes Kapitel DDR-Kultur
Heute sind viele dieser Filme weitgehend in Vergessenheit geraten. Doch sie sind wichtige Zeitdokumente, die zeigen, wie sich Werksamateure künstlerisch ausdrückten. Die Werke des Amateurfilmcentrums von VEB Carl Zeiss JENA sind ein Stück DDR-Filmgeschichte – ein Beleg für die kreative Kraft jenseits der offiziellen Kulturpolitik.

DDR-Schwimmhallen: Sanierungsfall oder Denkmal?

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Viele Ostdeutsche erinnern sich noch an die typischen DDR-Schwimmhallen, in denen sie als Kinder das Schwimmen lernten. Ob in Anklam, Bitterfeld oder Jena – die standardisierten Bauten mit ihrem funktionalen Design waren einst zentrale Orte des Breitensports. Doch heute stehen viele von ihnen vor dem Abriss oder einer ungewissen Zukunft.

Nach der Wende wurden zahlreiche dieser Schwimmhallen geschlossen. Einerseits entsprachen sie nicht mehr den modernen Bau- und Hygienestandards, andererseits fehlten vielerorts die finanziellen Mittel zur Sanierung. In einigen Städten wie Leipzig oder Magdeburg gelang es, alte Hallen zu modernisieren und weiter für Schul- und Vereinssport nutzbar zu machen. An anderen Orten hingegen verfallen sie oder wurden bereits durch Neubauten ersetzt.

Besonders in strukturschwachen Regionen ist der Schwimmunterricht für Kinder oft gefährdet. Die Zahl der Nichtschwimmer steigt, weil viele Schulen auf umliegende Städte ausweichen müssen – eine Herausforderung für Eltern, Lehrer und Kommunen. Ein Beispiel ist die Schwimmhalle in Suhl, die 2020 endgültig geschlossen wurde, weil eine Sanierung als wirtschaftlich nicht tragbar galt. Ähnliche Diskussionen gibt es derzeit in Cottbus und Halle.

Dennoch gibt es auch positive Beispiele: Die alte Schwimmhalle in Prenzlau wurde in ein modernes Freizeitbad umgebaut, das sowohl Schwimmunterricht als auch Wellnessangebote bietet. In Eisenhüttenstadt wird eine ehemalige Schulschwimmhalle von einem Verein betrieben, der sich für den Erhalt solcher Sportstätten einsetzt.

Die Frage bleibt: Soll man alte DDR-Schwimmhallen als historisches Erbe bewahren oder durch moderne Bauten ersetzen? Viele Bürger wünschen sich eine Kombination aus Denkmalpflege und pragmatischer Nutzung – damit auch künftige Generationen das Schwimmen in ihrer Heimat erlernen können.

Jena – Eine Stadt im Schatten der DDR

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Im Jahr 1978 war Jena eine typische Stadt der DDR – von sozialistischer Architektur geprägt, wirtschaftlich eng verflochten mit dem industriellen Komplex der DDR und zugleich ein Zentrum für Wissenschaft und Forschung. Als Heimat von Carl Zeiss, dem weltbekannten Hersteller optischer Geräte, und der Friedrich-Schiller-Universität, zog die Stadt viele Akademiker und Fachleute an. Doch hinter dem vermeintlich stabilen Bild einer prosperierenden Industriestadt verbarg sich auch die Realität der politischen und sozialen Einschränkungen, die das Leben in der DDR prägten.

Jena, mit etwa 100.000 Einwohnern, war in dieser Zeit eine Stadt im Herzen des sozialistischen Staates. Die Plattenbauten und stalinistische Architektur prägten das Stadtbild, während die Industrieunternehmen – vor allem Zeiss – die wirtschaftliche Grundlage der Stadt bildeten. Diese Firmen stellten nicht nur optische Geräte wie Mikroskope und Kameras her, sondern waren auch ein wichtiges Symbol für die technologische Entwicklung der DDR. Der Einfluss von Carl Zeiss reichte über die Landesgrenzen hinaus, und das Unternehmen war ein Aushängeschild für die DDR-Industrie.

Die Friedrich-Schiller-Universität war nicht nur ein akademisches Zentrum, sondern auch ein Ort der wissenschaftlichen Innovation. Insbesondere die Physik und Mathematik waren Disziplinen, in denen die Universität internationale Anerkennung fand. Doch auch in der Wissenschaft gab es Einschränkungen: Themen, die nicht mit der sozialistischen Ideologie in Einklang standen, wurden oftmals zensiert. Die Forschung war durch die politischen Vorgaben der DDR reglementiert, und die akademische Freiheit war nicht unbeschränkt.

Trotz der wirtschaftlichen Bedeutung der Stadt und ihrer wissenschaftlichen Errungenschaften war das Leben in Jena im Jahr 1978 von den politischen Gegebenheiten der DDR bestimmt. Die Bürger lebten in einem strengen Überwachungsstaat, der Meinungsfreiheit und Reisefreiheit stark einschränkte. Politische Dissidenz war nicht nur unerwünscht, sondern wurde auch verfolgt. Der sozialistische Alltag, von der Arbeit über Freizeitgestaltung bis hin zum kulturellen Leben, war einem engmaschigen Netz an Ideologien und Vorschriften unterworfen.

Doch Jena war auch eine Stadt des kulturellen Lebens. In den Theatern, auf den Sportplätzen und in den Straßen fand eine vielfältige kulturelle Szene statt – wenn auch stark reglementiert. Veranstaltungen, die nicht im Einklang mit der sozialistischen Ideologie standen, wurden vermieden, und auch die Kunst war nicht frei. Dennoch gab es im täglichen Leben eine spürbare Energie, ein Streben nach Gemeinschaft und kultureller Identität, das trotz der Einschränkungen Bestand hatte.

Jena 1978 war also eine Stadt zwischen Fortschritt und Kontrolle, zwischen Wissenschaft und Zensur, zwischen Wohlstand und Einschränkung. In einer Zeit, in der die DDR ihre politische Stabilität und ihren Einfluss ausbaute, war Jena ein Mikrokosmos dieser widersprüchlichen Welt – eine Stadt, die sich nicht nur durch ihre industrielle und wissenschaftliche Bedeutung auszeichnete, sondern auch durch die Herausforderungen, die das Leben in einem totalitären Staat mit sich brachte.

Kinderbetreuung zwischen Ost und West – Ein geteiltes Erbe

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In Deutschland hat die Kinderbetreuung stets eine zentrale Rolle gespielt, wenn es darum ging, Frauen den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu ermöglichen. Dabei haben unterschiedliche staatliche Konzepte in Ost- und Westdeutschland zu kontrastierenden Modellen geführt – Modelle, deren Vor- und Nachteile noch immer nachwirken.

Pionierarbeit in der DDR
Bereits in den 1950er Jahren setzte die DDR auf eine flächendeckende Betreuung ihrer jüngsten Bürger. Frauen sollten schon wenige Wochen nach der Geburt wieder arbeiten, ein politisches Ziel, das maßgeblich auf der Notwendigkeit beruhte, die Erwerbstätigkeit von Frauen zu fördern. Zunächst nach nur sechs Wochen – später sogar erst nach drei, sechs und dann zwölf Monaten – sollten Mütter ihre Kinder in staatlich organisierte Betreuungseinrichtungen übergeben.

Dieses ambitionierte Programm umfasste den Ausbau von Kindergärten für Kinder zwischen drei und sechs Jahren sowie Kinderkrippen, in denen auch Kleinkinder unter drei Jahren betreut wurden. Zusätzlich wurden innovative Modelle wie die „Wochenkrippen“ eingeführt, die speziell auf die Bedürfnisse von berufstätigen Müttern im Schichtbetrieb zugeschnitten waren. Dabei konnten Mütter ihre Kinder am Sonntagabend oder Montagmorgen abgeben, um sie am Wochenende für einige Stunden wieder abzuholen.

Doch hinter dem staatlichen Anspruch, Frauen und Kinder gleichermaßen zu fördern, zeigte sich bald eine Kehrseite. Kritiker – von Psychologen, Kinderärzten und betriebsinternen Experten – manten, dass das reine Versorgungsmodell den Kindern nicht die intensive Betreuung und emotionale Sicherheit bieten konnte, die sie gerade in den ersten Lebensjahren dringend benötigten. Fehlendes Fachpersonal und eine oft anonyme Betreuung führten dazu, dass viele Kinder in diesen Einrichtungen vor allem „versorgt“ und nicht liebevoll „betreut“ wurden.

Das westdeutsche Modell: Tradition und Zurückhaltung
Im Gegensatz dazu war das westdeutsche Modell von einem tief verwurzelten traditionellen Familienbild geprägt. Verheiratete Frauen galten – auch wenn sie oftmals dennoch erwerbstätig waren – primär als Mütter und Ehefrauen. Die gesellschaftliche Erwartung war, dass sich Frauen vor allem um Haushalt und Kinder kümmern sollten. Daraus resultierte ein weit geringerer Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen.

Diese Zurückhaltung wurde nach der Wiedervereinigung immer wieder thematisiert. Westdeutsche Politiker argumentierten häufig, dass der Ausbau einer flächendeckenden Kinderbetreuung für den Westen gar nicht nötig sei, da der „natürliche“ Platz der Frau in der Familie liege. Diese Haltung übersah jedoch die Realität vieler ostdeutscher Frauen, für die Arbeit nicht nur ein Zwang, sondern ein selbstverständlicher Bestandteil des Lebens und der persönlichen Identität war.

Zwischen Ideologie und Alltag
Der Vergleich zwischen den beiden Modellen zeigt, dass beide Systeme ihre eigenen Herausforderungen und Kompromisse mit sich brachten. In der DDR wurden zwar umfassende Betreuungsangebote geschaffen, die jedoch oftmals unter einer unzureichenden Qualität litten. Der Mangel an qualifiziertem Personal und die damit einhergehende emotionale Distanz in der Betreuung konnten die negativen Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung nicht verhindern.

Im Westen hingegen blieb das Angebot an institutionellen Betreuungsmöglichkeiten hinter den Bedürfnissen vieler Familien zurück. Zwar war das familiäre Modell hier oft von intensiveren persönlichen Beziehungen geprägt, doch blieb vielen Frauen die Möglichkeit verwehrt, nach der Geburt – trotz eigenem beruflichen Wunsch – vollständig ins Berufsleben zurückzukehren.

Ein Erbe mit Blick in die Zukunft
Die Debatte um Kinderbetreuung in Deutschland ist somit nicht nur ein Rückblick auf geteilte politische Systeme, sondern auch ein Spiegelbild der sich wandelnden Rollenbilder und gesellschaftlichen Anforderungen. Während heute beide Modelle in Teilen noch nachwirken, ist die Frage nach einer qualitativ hochwertigen, bedarfsgerechten Betreuung aktueller denn je. Es gilt, das Beste aus beiden Welten zu vereinen: Die flächendeckende Betreuung und staatliche Unterstützung der DDR mit der Qualität und dem persönlichen Bezug, wie er im westdeutschen Modell angestrebt wurde.

Die Herausforderungen sind vielfältig – von der Ausbildung und Rekrutierung von qualifiziertem Fachpersonal bis hin zur Schaffung von Betreuungsräumen, die nicht nur den physischen, sondern auch den emotionalen Bedürfnissen von Kindern gerecht werden. Nur so kann es gelingen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nachhaltig zu sichern und den Grundstein für die Zukunft der nächsten Generation zu legen.

Neuanfang in der DDR – Frauen, die Geschichte schrieben

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Am 25. März 2025 jährt sich ein entscheidender Moment in der deutschen Geschichte: 25 Jahre Deutsche Einheit. An diesem Tag erinnern sich zahlreiche Akteurinnen an den Umbruch in Ostdeutschland, als die erste Welle freier, geheimer Kommunalwahlen und der Aufbau der kommunalen Selbstverwaltung eingeläutet wurde. Eine Erfolgsgeschichte, die maßgeblich von Frauen gestaltet wurde – ein Erbe des Pioniergeistes und des Pragmatismus, das bis heute Vorbild für Frauen ist, die in kommunale Spitzenämter aufsteigen möchten.

Pionierinnen des demokratischen Wandels
Viele der damaligen Bürgermeisterinnen und Kommunalpolitikerinnen kamen ohne politische Vorerfahrung aus ganz unterschiedlichen Berufen in den öffentlichen Dienst. Mit großem Engagement übernahmen sie Verantwortung vor Ort und traten mutig an, um den Übergang von autoritären Strukturen zu einer demokratischen Selbstverwaltung zu ermöglichen. Ihre persönlichen Berichte – oftmals geprägt von intensiven Stadtratssitzungen, langen Nächten und dem täglichen Ringen um den Wiederaufbau des öffentlichen Lebens – zeugen von einem unerschütterlichen Glauben an eine bessere Zukunft. Der Schritt in die Politik war häufig ein Akt des Mutes, auch wenn dabei Druck von alten Machtstrukturen und sogar ehemaligen Stasi-Kollegen eine Rolle spielte.

Der Kurzfilm „Frauen der ersten Stunde“
Die beeindruckende Leistung dieser Frauen wird in dem Kurzfilm „Frauen der ersten Stunde“ eindrucksvoll dokumentiert. Der Film, der von der EAF Berlin als Projektträgerin realisiert wurde, beleuchtet den Aufbau der kommunalen Selbstverwaltung in Ostdeutschland als Erfolgsgeschichte, die nicht zuletzt von mutigen Frauen mitgeschrieben wurde. Fördernd unterstützt wurde das Projekt durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Auch die Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv trug zur Umsetzung bei. Der Kurzfilm lädt dazu ein, mehr über die persönlichen Schicksale, die Herausforderungen und den Triumph dieser Pionierinnen zu erfahren, die die Deutsche Einheit auf kommunaler Ebene lebendig werden ließen.

Erfahrungen, die anspornen
Die ehemaligen Kommunalpolitikerinnen berichten, wie sie in unsicheren Zeiten – als die DDR noch im Auflösungsprozess war – den Sprung ins Unbekannte wagten. In hitzigen Debatten und nächtlichen Sitzungen wurde die Grundlage für eine neue, demokratische Ordnung gelegt. Dabei stand nicht nur der politische Umbau im Vordergrund, sondern auch die praktische Transformation des Alltags: Von der Privatisierung von Versorgungsleistungen bis hin zur Neuordnung des Eigentums. Ein direkter Blick auf das, was im Aufbau war – etwa auf Baustellen, die den Fortschritt symbolisierten – verlieh den Frauen stets neue Kraft und Zuversicht.

Ein Vermächtnis für die Zukunft
Die Geschichten der damaligen Zeit sind mehr als nostalgische Rückblicke. Sie sind ein lebendiges Zeugnis dafür, wie Mut, Engagement und der unbedingte Glaube an den Wandel den Grundstein für das heutige demokratische Miteinander legten. Die Frauen der ersten Stunde haben nicht nur die kommunale Selbstverwaltung in Ostdeutschland geprägt, sondern auch den Weg für nachfolgende Generationen geebnet. Ihr Einsatz und ihr Pioniergeist bleiben auch heute ein starker Ansporn – sowohl für Frauen als auch für alle, die an den Prinzipien einer offenen, demokratischen Gesellschaft festhalten wollen.

Am 25. März 2025 wird diese bewegte Vergangenheit erneut ins Licht gerückt – ein Anlass, um zu würdigen, wie der unerschütterliche Einsatz dieser Frauen den Neuanfang in der DDR möglich gemacht und bis heute fortwirkt.

Verfallene Industriegeschichte – Vom Produktionsgiganten zum faszinierenden Lost Place

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Zwischen den weitläufigen Feldern östlich Berlins ragt ein Relikt der industriellen Vergangenheit empor: Das ehemalige VEB Chemiewerk Coswig, Betriebsteil Rüdersdorf. Einst pulsierendes Herz der europäischen Futterphosphatproduktion, fasziniert die verfallene Anlage heute Filmteams und Graffiti-Künstler gleichermaßen – ein Ort, der von Geschichte und Verfall gleichermaßen erzählt.

Aufstieg und industrieller Erfolg
Im Laufe der DDR-Zeit gelang es dem Chemiewerk, sich als Produzent eines hochwertigen Futterphosphats zu etablieren, das europaweit unter dem Namen RÜKANA gehandelt wurde. Mit einer einzigen, aber hochmodernen Ofenanlage und einem speziell angepassten Verfahren, das in den 1970er Jahren entwickelt wurde, erreichte das Werk 1988 einen beeindruckenden Produktionsausstoß von 180.000 Tonnen. Diese Erfolgsgeschichte war das Ergebnis großer Investitionen und technologischer Innovation – ein leuchtendes Beispiel für industriellen Fortschritt in schwierigen Zeiten.

Historische Wurzeln und wechselvolle Zeiten
Die industrielle Tradition in Rüdersdorf reicht jedoch weit zurück. Bereits im 17. Jahrhundert lieferte der lokale Kalkstein aus dem Tagebau Baumaterial für monumentale Bauwerke wie das Brandenburger Tor und das Schloss Sanssouci. Mit dem Aufkommen des zementgebundenen Betons im 19. Jahrhundert wandelte sich die lokale Industrie, und es entstanden zahlreiche Zement- und Kalksteinwerke. Das Zementwerk von Carl Otto Wegener, das ab 1900 in Betrieb ging, stand sinnbildlich für den Wandel – von traditionellen Baustoffen hin zu modernen industriellen Prozessen. Die wechselnden Besitzverhältnisse und die Umfirmierungen, wie die Transformation in die C. O. Wegener Baustoff-AG und später die Übernahme durch die PREUSSAG, spiegeln die turbulente Geschichte der deutschen Industrie im 20. Jahrhundert wider.

Vom wirtschaftlichen Motor zum verlassenen Monument
Mit der Wende änderte sich das Bild. Obwohl noch bis 1999 in begrenztem Umfang produziert wurde, führte der Niedergang der traditionellen Industriezweige und die zügigen Veränderungen der Marktwirtschaft letztlich zur Insolvenz der Rüdersdorfer Futterphosphat GmbH. Die einst so lebendige Anlage verfiel zusehends – ein Symbol für die Umwälzungen, die nach dem Fall der Mauer die ostdeutsche Industrie prägten.

Neuer Glanz in alter Ruine
Seit dem Jahr 2000 hat die verlassene Anlage jedoch ein unerwartetes neues Leben erhalten. Die imposanten Ruinen dienten als authentische Kulisse für diverse Kriegs- und Actionfilme. Filme wie „Enemy at the Gates“ und „The Monuments Men“ haben hier ihre dramatischen Szenen gedreht. Auch kulturelle Akteure, wie Graffiti-Künstler, haben in den verfallenen Gemäuern ihre Spuren hinterlassen und den Ort zu einer urbanen Kunstlandschaft transformiert. Die Mischung aus Verfall und künstlerischer Ausdruckskraft macht die Anlage zu einem faszinierenden Zeugnis vergangener Zeiten, das heute Besucher und Filmteams gleichermaßen in seinen Bann zieht.

Ein Ort zwischen Vergangenheit und Gegenwart
Die Geschichte des ehemaligen VEB Chemiewerk Coswig, Betriebsteil Rüdersdorf, ist mehr als nur die Chronik industrieller Produktion und des wirtschaftlichen Wandels. Sie erzählt von Innovation und Fortschritt, von den Schatten der politischen Umbrüche und von der Kraft der Transformation – von einem Ort, der in seinen verfallenen Hallen die Spuren der Vergangenheit bewahrt und zugleich Raum für neue Geschichten bietet.

In dieser faszinierenden Lost Place verschmelzen Geschichte und Gegenwart zu einem eindrucksvollen Mosaik, das sowohl die Glanzzeiten der industriellen Moderne als auch die poetische Schönheit des Verfalls einfängt. Besucher, Historiker und Filmschaffende finden hier einen Ort, der weit mehr ist als nur ein verlassenes Industriegebäude – er ist ein lebendiges Denkmal der deutschen Industriegeschichte.

Polytechnischer Unterricht in der DDR – Ein Modell für die Zukunft?

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Bereits in den 1950er-Jahren wagte die DDR einen ungewöhnlichen Bildungsansatz: Den polytechnischen Unterricht. Einmal pro Woche tauchten Schülerinnen und Schüler der Klassen 7 bis 10 in die Arbeitswelt ein – sei es in Handwerksbetrieben oder in den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGs). Das Ziel war klar: Frühzeitig praktische Fertigkeiten zu erlernen und zugleich die Prinzipien der sozialistischen Arbeit zu verinnerlichen.

Frühe Einblicke in die Berufswelt
In der DDR sollten junge Menschen nicht nur theoretisches Wissen erwerben, sondern direkt erleben, wie die Wirtschaft funktionierte. Ob im Umgang mit der Feile, der Bohrmaschine oder beim technischen Zeichnen – praktische Erfahrungen standen an erster Stelle. „Wir wussten, was eine Feile ist, und wie man sie handhabt“, erinnert sich ein ehemaliger Auszubildender, der noch heute von seinen ersten Schritten in der Produktionshalle berichtet. Dabei wurde nicht nur handwerkliches Können vermittelt, sondern auch ein Bewusstsein für die Bedeutung der Arbeit und den Stolz auf den eigenen Beruf gefördert.

Die Mischung aus Theorie und Praxis
Ab 1970 wurde das Konzept weiter verfeinert: Mehrstündiger Theorieunterricht ergänzte die praktischen Einsätze, um den Schülerinnen und Schülern auch die theoretischen Grundlagen zu vermitteln. Fächer wie technisches Zeichnen und Einführung in die sozialistische Produktion sollten helfen, die gemachten Erfahrungen zu reflektieren und besser in das Gesamtkonzept der beruflichen Bildung einzuordnen. Neben handwerklichen Fertigkeiten stand hier auch die Erziehung zu einer „sozialistischen Schülerpersönlichkeit“ im Vordergrund – ein Anspruch, der nicht ohne Kritik blieb.

Lernen für die heutige Berufswelt
Heutzutage wird das Modell des polytechnischen Unterrichts wieder neu belebt – wenn auch in veränderter Form. Angesichts eines akuten Fachkräftemangels und unbesetzter Ausbildungsplätze in klassischen Handwerks- und Industrieberufen setzen moderne Projekte auf praxisnahe Berufserkundungen. So ermöglicht ein Projekt des Bildungswerks der sächsischen Wirtschaft Schülern in den Klassen 7 bis 9, in nur einer Woche einen umfassenden Einblick in verschiedene Berufsfelder zu erhalten. Ziel ist es, das Interesse an handwerklichen und technischen Berufen zu wecken und jungen Menschen eine realistische Perspektive zu bieten.

Zwischen Tradition und Moderne
Der Rückblick auf das DDR-Bildungssystem zeigt, dass die Verbindung von Theorie und Praxis durchaus Erfolg haben kann – wenn sie richtig umgesetzt wird. Natürlich empfanden nicht alle Schülerinnen und Schüler die Arbeit in den Betrieben als inspirierend; manche kritisierten die oft monotone und körperlich belastende Tätigkeit. Doch viele von ihnen traten später als Lehrlinge in die Betriebe zurück und profitierten von dem früh erworbenen praktischen Wissen.

Die Herausforderung von heute besteht darin, ein Gleichgewicht zu finden: Einerseits sollen Jugendliche fundierte praktische Erfahrungen sammeln, andererseits müssen die Angebote so gestaltet sein, dass sie den modernen Anforderungen und Interessen gerecht werden. Wenn es gelingt, das Interesse an klassischen Ausbildungsberufen nachhaltig zu fördern, könnte das polytechnische Modell – in angepasster Form – einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung des Fachkräftemangels leisten.

Ein Modell mit Zukunftspotenzial?
Obwohl das DDR-Bildungssystem aus heutiger Sicht auch seine Schattenseiten hatte, bietet es wertvolle Ansätze: die frühzeitige Einbindung in die Arbeitswelt und die Verknüpfung von praktischen und theoretischen Lerninhalten. Die aktuellen Projekte in Sachsen zeigen, dass diese Ideen durchaus wiederbelebt werden können – mit modernen Mitteln und zeitgemäßen Konzepten. Vielleicht liegt in der Wiederbelebung alter Bildungsansätze der Schlüssel zu einer zukunftsfähigen Berufsausbildung, die nicht nur den aktuellen Herausforderungen, sondern auch den Bedürfnissen junger Menschen gerecht wird.