Start Blog Seite 129

Die Schattenseiten des Überwachungsstaates DDR – Ein Blick hinter die Kulissen der Stasi

0

Die Überwachung der Bevölkerung war in der DDR keine marginale Erscheinung, sondern ein zentrales Element der Staatsführung. In einem eindringlichen Vortrag enthüllt der Historiker Hubertus Knabe die Mechanismen und Hintergründe der Stasi – dem Ministerium für Staatssicherheit –, das über Jahrzehnte das Leben der Bürger systematisch kontrollierte und unterdrückte.

Historische Wurzeln und rasante Entwicklung
Knabe beginnt seinen Bericht mit einem Blick zurück: Die Ursprünge der Stasi liegen in der Revolution von 1917. Die russische Cheka – gegründet von Felix Dzerzhinsky – diente als erstes Modell eines repressiven Apparats. Diese Methoden übernahmen die kommunistischen Kräfte nach dem Zweiten Weltkrieg, und so nahm die Stasi ihren rasanten Aufstieg in der DDR. Bereits in den frühen Jahren hatte die Organisation mehr Mitarbeiter als die berüchtigte Gestapo, und bis 1989 zählte der Überwachungsapparat über 90.000 Mitarbeiter. Dieses immense Personalressourcen-Volumen erlaubte es dem Staat, pro 180 Einwohner einen Überwacher einzusetzen.

Multifunktionale Überwachung
Der Apparat der Stasi zeichnete sich durch seine Vielseitigkeit aus. Er war gleichzeitig Nachrichtendienst, Geheimpolizei und quasi öffentlicher Prosektor. Mit einem Netz von rund 200.000 Informanten überwachte der Staat nahezu jeden Aspekt des privaten und beruflichen Lebens. Abhörmaßnahmen, verdeckte Beobachtungen und sogar die Erfassung ungewöhnlicher Details wie Geruchsproben gehörten zum Repertoire der Techniken, mit denen der Staat versuchte, Dissidenten zu isolieren und zu zersetzen. Die sogenannte „Zersetzung“ zielte darauf ab, das Selbstvertrauen der Betroffenen zu untergraben – ein psychologischer Angriff, der weit über herkömmliche Repressionen hinausging.

Methoden im Vergleich zur Moderne
Knabe zieht in seinem Vortrag auch Parallelen zu aktuellen Überwachungspraktiken. In Zeiten, in denen Schlagworte wie „Verfolgung“, „Beobachtung“ und „Wiretapping“ in den Medien allgegenwärtig sind, mahnt er zur Vorsicht. Er erinnert daran, dass auch in demokratischen Gesellschaften Überwachungsinstrumente missbraucht werden können – wenn auch in einem rechtlichen Rahmen, der Missbrauch verhindern soll. Der Vergleich mit den Praktiken der NSA zeigt, dass die Kontrolle der Bevölkerung nicht ausschließlich autoritären Regimen vorbehalten ist, sondern auch in modernen Demokratien potenziell zum Problem werden kann.

Die politische Dimension des Überwachungsstaats
Für Knabe war die zentrale Zielsetzung der Stasi immer die Kontrolle der Gesellschaft. Durch das Sammeln und Auswerten persönlicher Daten und Verhaltensweisen sollte bereits im Vorfeld verhindert werden, dass sich kritische Stimmen formieren. Die weit verzweigten Überwachungsstrukturen sollten potenzielle Proteste im Keim ersticken und die Macht der Regierung sichern. Gleichzeitig weist der Historiker darauf hin, dass der Zusammenbruch des kommunistischen Regimes auch auf strukturelle Schwächen und die Unfähigkeit, auf wachsenden gesellschaftlichen Protest adäquat zu reagieren, zurückzuführen war.

Ein Mahnmal für die Zukunft
Im abschließenden Teil seines Vortrags bezieht sich Knabe auch auf aktuelle Diskussionen – etwa rund um Edward Snowden – und betont, dass die Lehren aus der Vergangenheit auch heute noch gelten. Der Historiker plädiert für einen verantwortungsvollen Umgang mit Überwachungsmaßnahmen und erinnert daran, dass selbst in einer Demokratie klare Regeln und strikte Kontrollen unabdingbar sind, um den Missbrauch von Macht zu verhindern.

Der Einblick in die dunkle Geschichte der Stasi dient nicht nur als Rückblick, sondern auch als Warnung. Ein Staat, der über umfassende Kontrollmechanismen verfügt, riskiert, das Fundament der Freiheit und des Vertrauens zu untergraben. Hubertus Knabe fordert daher: Bleiben Sie wachsam, denn die Vergangenheit lehrt uns, dass Überwachung – egal in welchem System – immer auch ein Mittel zur Unterdrückung sein kann.

Stralsund integriert historisches Fort in das Grüne Band

0

Die Hansestadt Stralsund hat einen bedeutenden Schritt gemacht: Mit dem Erwerb des ehemaligen Rostocker Werks soll die historische Festungsanlage künftig als verbindendes Element zwischen Stadtwald und Grüngürtel dienen. Das preußische Fort, erbaut im Jahr 1865, ist bislang in privater Hand gewesen – Teil einer fast 30-köpfigen Erbengemeinschaft aus dem In- und Ausland. Nun ist es der Stadt gelungen, das rund fünf Hektar große Areal einschließlich angrenzender Schanze und weiterer Grundstücke zu erwerben.

Ein neues Kapitel für einen historischen Ort
Die Festungsanlage, von Wassergräben umgeben und in der Denkmalliste Stralsunds unter Nummer 92 geführt, wird langfristig in die städtische Grünplanung eingebunden. Geplant ist, den Erholungsraum im Stadtwald um ein einzigartiges, historisches Element zu erweitern und zugleich eine grüne Verbindung zwischen den innerstädtischen Naturflächen zu schaffen. „Die Einbindung des Rostocker Werks in unser städtisches Erholungsgebiet ist ein Gewinn für die Bürger – hier treffen Geschichte und Natur aufeinander“, betonte ein Sprecher der Stadtverwaltung.

Natur trifft Geschichte
Im Zuge der Vorbereitungsarbeiten wurde das Gelände bereits einer genauen Prüfung unterzogen. Die Abteilung Forsten des Amtes für stadtwirtschaftliche Dienste kümmerte sich um die Sicherheit und den ökologischen Zustand des Areals. Zahlreiche Eschen, deren Rinde bereits die Spuren des verheerenden Eschensterbens aufwies, mussten gefällt werden. Auch andere absturzgefährdete und kranke Gehölze wurden entfernt, um die Sicherheit der Besucher zu gewährleisten. Dabei wurden jedoch schützenswerte Habitatbäume – Lebensräume für Vögel, Käfer und Fledermäuse – belassen.

Aus einem vormals undurchdringlichen Brombeerdickicht entstand inzwischen eine neue Pflanzfläche, auf der über 400 Bäume stehen. Ein besonderes Highlight des Projekts ist die geplante Pflanzung von rund 100 Küstenmammutbäumen – den größten Bäumen der Welt. Diese Baumriesen sollen inmitten der jahrhundertealten Anlage wachsen und dem Areal eine imposante, grüne Kulisse verleihen.

Historische Bedeutung und städtebauliche Weitsicht
Das Rostocker Werk diente ursprünglich als Verteidigungsbau, um die Zufahrtsstraße nach Barth und eine einstige Kleinbahn zu schützen. Neben Kanonenstellungen beherbergte die Anlage auch kleine Blockhäuser und Brunnen, die den Truppen als Rückzugsorte dienten. Mit dem Ende des Deutsch-Französischen Krieges und der offiziellen Aufhebung der Festungsstellung Stralsunds in den 1870er Jahren verlor die Anlage rasch an militärischer Bedeutung. Bis zuletzt diente sie als Ausbildungsort für Jagdhunde, bevor sie – im Volksmund als Försterberge bekannt – der Natur überlassen wurde.

Stralsund zählt zu den wenigen norddeutschen Städten, die ihre historischen Forts bewahren konnten. Alle erhaltenen Anlagen, als Bau- und Bodendenkmale geschützt, zeugen von der militärischen und städtebaulichen Geschichte der Region.

Die Integration des historischen Forts in das Grüne Band ist nicht nur ein Schritt zur Verbesserung der städtischen Erholungsräume, sondern auch ein gelungener Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Zukunft. Durch die Verbindung von Natur, Geschichte und moderner Stadtplanung wird der ehemalige Ort zu einem lebendigen Zeugnis der regionalen Identität und zu einem attraktiven Anziehungspunkt für Bewohner und Besucher gleichermaßen.

Geboren im Osten – Zwischen Trauma, Klischees und Identität

0

Räckelwitz/Sachsen. Für Lukas Rietschel, geboren 1994 in der ostdeutschen Kleinstadt Räckelwitz bei Kamenz, ist der Osten mehr als nur eine geografische Angabe. Als „Nachgeborener“ einer Generation, die von den Erinnerungen und Schicksalen der DDR-Eltern geprägt wurde, trägt er ein kollektives Erbe in sich, das sich nicht einfach abschütteln lässt.

Die Last der Vergangenheit
Lukas wuchs in einem Umfeld auf, in dem das Schweigen über das, was vor und nach der Wende geschah, fast schon zur Normalität wurde. Schon früh bemerkte er, dass seine Eltern und deren Freunde mehr unausgesprochene Geschichten mit sich trugen, als sie preisgeben wollten. „Irgendwas stimmt nicht“, erinnert er sich an seine Kindheit – ein Gefühl, das ihn nie losließ. Dieses kollektive Trauma, das die Generation seiner Eltern prägte, wirkt noch heute in den Alltagserfahrungen vieler Menschen im Osten nach. Es zeigt sich in den leisen Gesprächen, den unausgesprochenen Schmerzen und dem ständigen Versuch, den Bruch zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu überbrücken.

Konfrontation mit Vorurteilen im Westen
Sein Weg führte Lukas später nach Kassel, wo er im Studium erstmals mit den oft simplifizierenden Klischees und Vorurteilen westdeutscher Mitbürger konfrontiert wurde. Die Begegnungen – sei es beim alltäglichen Einkauf oder in gesellschaftlichen Diskussionen – machten ihm schmerzhaft bewusst, dass die Wahrnehmung des Ostens häufig von überholten Bildern bestimmt wird. Anstatt sich anzupassen, entschied er sich, diesen Stereotypen augenzwinkernd zu begegnen. Mit einem übertriebenen sächsischen Dialekt, der fast als Karikatur des Ostbildes galt, machte er den Spruch „Ihr wollt das Klischee, ihr kriegt das Klischee“ zum Ausdruck seiner Frustration.

Literarisches Vermächtnis als Spiegel der Gesellschaft
Als Schriftsteller verarbeitet Lukas Rietschel in seinen Romanen nicht nur seine persönlichen Erlebnisse, sondern auch die strukturellen Brüche und politischen Herausforderungen, die aus der Wendezeit resultierten. Seine Werke sind ein Appell an die Aufarbeitung – sowohl für die ältere Generation, die die Wende erlebt hat, als auch für die Nachkommen, die sich zwischen den Welten bewegen. Er fordert dazu auf, nicht länger in den Scherben der Vergangenheit zu verharren, sondern den Dialog zu suchen, um gemeinsam neue Wege für ein harmonisches Zusammenleben zu finden.

Die Vision einer vielfältigen Gesellschaft
Lukas Rietschels Überlegungen gehen über die rein persönliche Betroffenheit hinaus. Er hinterfragt das traditionelle Narrativ der Wiedervereinigung, das oft eine homogene Gesellschaft suggeriert. Für ihn besteht die ideale Zukunft nicht darin, dass der Osten eines Tages dem Westen nacheifert, sondern in einer Gesellschaft, die sich aus vielen verschiedenen kulturellen und sozialen Gemeinschaften zusammensetzt. Dabei ist es essenziell, die Stimmen aller Generationen zu hören und den schmerzhaften Dialog der Vergangenheit zu führen, um die Wunden der Geschichte zu heilen.

Ein Weg der Hoffnung und des Wandels
Die Erzählungen von Lukas Rietschel sind nicht nur ein Spiegelbild der ostdeutschen Geschichte, sondern auch ein Aufruf zum Handeln. Trotz der tief sitzenden Verletzungen der Vergangenheit glaubt er daran, dass es möglich ist, aus den Trümmern eine neue, vielfältige Gesellschaft zu formen – eine Gesellschaft, in der nicht nur die Geschichten der Schmerzen, sondern auch die der Hoffnung und des Miteinanders erzählt werden.

In einer Zeit, in der politische Rhetorik oft in Schubladendenken verhaftet ist, zeigt Lukas Rietschel eindrucksvoll, wie wichtig es ist, den Dialog zu fördern und die Brüche der Geschichte als Chance für einen Neuanfang zu begreifen.

Dieser Beitrag beleuchtet die persönlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen, denen sich eine Generation zwischen den Schatten der DDR und den Vorurteilen des Westens gegenübersieht – und öffnet den Blick für die Möglichkeit, aus der Vergangenheit eine Zukunft zu gestalten, die von Vielfalt und Miteinander geprägt ist.

Vom Mühlenteich zur Flaniermeile: Die Verwandlung des Pfaffenteichs in Schwerin

0

Mitten im Herzen von Schwerin liegt ein Gewässer, das nicht nur als malerischer Anziehungspunkt dient, sondern auch eine bewegte Geschichte hat: der Pfaffenteich. Was heute eine beliebte Flaniermeile und städtische Oase ist, war einst Teil eines ausgeklügelten Verteidigungssystems und diente sogar der Energiegewinnung. Die Entwicklung des Pfaffenteichs spiegelt die Geschichte Schwerins wider – von den mittelalterlichen Anfängen bis hin zur modernen Stadtgestaltung.

Von der Bucht zum Stadtteich
Vor der Stadtgründung war der heutige Pfaffenteich eine langgestreckte Bucht des Ziegelsees. Mit dem Bau des Spieltordamms im 12. Jahrhundert wurde diese Bucht abgetrennt, um den Wasserspiegel zu regulieren und Mühlen zu betreiben. Gleichzeitig diente der neu geschaffene Fließgraben, der den Pfaffenteich mit dem Burgsee verband, als natürliche Verteidigungslinie der aufstrebenden Stadt.

Seinen heutigen Namen erhielt der Teich früh in der Stadtgeschichte. Die Domherren – auch als „Pfaffen“ bekannt – besaßen hier Grundstücke mit Gärten, die direkt an das Wasser grenzten. Trotz seiner zentralen Lage blieb der Pfaffenteich über viele Jahrhunderte hinweg weitgehend unbebaut. Das sumpfige Ostufer sowie die Sicherheitsbedenken in kriegerischen Zeiten hielten eine intensive Bebauung zunächst zurück.

Die große Bauphase im 19. Jahrhundert
Ein Wendepunkt kam mit der Rückverlegung der großherzoglichen Residenz nach Schwerin im Jahr 1837. Neben dem prunkvollen Schloss wurden zahlreiche Verwaltungs- und Wohngebäude errichtet. Besonders die Westseite des Pfaffenteichs wurde zur repräsentativen Bauzone: Die Alexandrinenstraße entstand, gesäumt von einer Lindenallee, und das Arsenal, ein imposantes Militärgebäude, wurde errichtet. Damit begann die Entwicklung der Paulsstadt, eines neuen Stadtviertels.

Parallel dazu wurde der Fließgraben, der den Pfaffenteich mit dem Burgsee verband, überwölbt. Auf diesem neu geschaffenen Areal entstand die Mecklenburgstraße – bis heute eine der wichtigsten Achsen Schwerins.

Die Bebauung des Ostufers folgte erst ab 1860. Da der Boden hier extrem sumpfig war, musste viel Erdreich aufgeschüttet werden. Dieser Prozess zog sich über Jahrzehnte hin. Erst 1890 war die heutige August-Bebel-Straße vollständig bebaut. Der nächste Meilenstein war der Bau des Elektrizitätswerks im Jahr 1904, das die Stadt mit Energie versorgte. Die Umbauung des Pfaffenteichs fand mit dem Bau des Stadtbads in den 1920er-Jahren ihren Abschluss.

Zwischen Idylle und Gestank: Die Schattenseiten des Pfaffenteichs
So idyllisch der Pfaffenteich heute anmutet, brachte das Wohnen am Wasser im 19. Jahrhundert erhebliche Probleme mit sich. Bis 1890 existierte keine Abwasserkanalisation, sodass Haushaltsabwässer direkt in den Teich geleitet wurden. Zeitgenössische Berichte sprechen von einer unerträglichen Geruchsbelästigung. Erst mit dem Bau eines modernen Abwassersystems verbesserte sich die Situation.

Auch die politische Geschichte Schwerins hinterließ ihre Spuren am Pfaffenteich. In den 1960er-Jahren erhielt das Südufer eine DDR-typische Gestaltung. Ein Zaun blockierte den Zugang zum Wasser, was den einstigen Flaniercharakter stark einschränkte.

Neugestaltung nach der Wende
Mit dem politischen Umbruch der 1990er-Jahre begann eine neue Phase der Stadtentwicklung. Ziel war es, die historische Struktur zu bewahren und gleichzeitig die Stadt wieder erlebbarer zu machen. Die Neugestaltung des Pfaffenteichs spielte dabei eine zentrale Rolle.

Eines der Hauptanliegen war es, den Zugang zum Wasser wiederherzustellen. Nach vielen Diskussionen setzte sich die Idee einer Treppe durch, die direkt ins Wasser führt. Dabei mussten bautechnische Herausforderungen gemeistert werden, da der Untergrund durch die ehemalige Fließgrabenlage extrem instabil war. Die Lösung: eine auf Pfählen gelagerte Stahlkonstruktion, auf der die Natursteinblöcke ruhen. Ergänzt wurde dies durch eine Plattform, die leicht ins Wasser ragt.

Doch nicht nur das Südufer wurde umgestaltet. Die gesamte Uferlinie des Pfaffenteichs wurde saniert, um die historische Bauweise zu erhalten und Erosionsschäden zu verhindern. Auch das Ostufer erhielt eine Aufwertung: Die Terrasse mit dem Schliemann-Denkmal wurde neu gestaltet, sodass Besucher dort geschützt in der Abendsonne verweilen können.

Vom Streitobjekt zur Erfolgsgeschichte
Wie jede große Umgestaltung rief auch die Neugestaltung des Pfaffenteichs anfangs Skepsis hervor. Während einige Bewohner den offenen Charakter der neuen Promenade lobten, befürchteten andere, dass moderne Elemente nicht ins Stadtbild passen würden. Doch mit den Jahren wandelte sich die Wahrnehmung. Heute sind die Treppen am Südufer ein beliebter Treffpunkt, vor allem bei jungen Menschen.

Die Neugestaltung des Pfaffenteichs war nicht nur eine bauliche, sondern auch eine gesellschaftliche Entscheidung. Sie zeigt, wie sich Schwerin von einer einst verschlossenen Stadt zu einer offenen und lebenswerten Metropole entwickelt hat. Das Wasser ist zurück im Stadtbild – und mit ihm ein Stück Schweriner Identität.

Mit seiner einzigartigen Lage und Geschichte bleibt der Pfaffenteich ein Sinnbild für den Wandel Schwerins – vom mittelalterlichen Verteidigungsteich zur modernen Flaniermeile. Was einst eine funktionale Wasseranlage war, ist heute ein Ort der Begegnung, Entspannung und Inspiration.

Grundsteuerreform in Jena: Was bedeutet sie für die Bürger?

0

Die Stadt Jena sieht sich derzeit mit einer Welle an Anfragen und Beschwerden konfrontiert: Der Versand der neuen Grundsteuerbescheide hat viele Eigentümer aufgeschreckt. Oberbürgermeister Dr. Thomas Nitzsche erklärte in einer aktuellen Mitteilung die Hintergründe der Reform und warum sich einige Steuerlasten drastisch verändert haben.

Warum eine Reform notwendig wurde
Die Reform der Grundsteuer geht auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018 zurück. Die bisherige Berechnungsweise sei veraltet und nicht mehr gerecht, urteilten die Richter. Grundstücke wurden in Ostdeutschland seit fast 90 Jahren und in Westdeutschland seit Jahrzehnten nach alten Einheitswerten besteuert, ohne die veränderten Immobilienwerte zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber beschloss daraufhin 2019 eine Neuregelung, die nun seit dem 1. Januar 2025 greift.

Das neue Berechnungsmodell
Die Grundsteuer errechnet sich aus drei Faktoren:

  1. Grundsteuerwert – beeinflusst durch Grundstücksgröße, Bodenrichtwert und Nutzung (Wohn- oder Gewerbeimmobilie).
  2. Steuermesszahl – eine gesetzlich festgelegte Zahl, die sich an der Art des Gebäudes orientiert.
  3. Hebesatz – ein kommunaler Faktor, den die Stadt selbst festlegt.

Besonders der neu bewertete Grundsteuerwert hat starke Auswirkungen: Wohnimmobilien sind in den letzten Jahrzehnten deutlich im Wert gestiegen, Gewerbeimmobilien hingegen weniger. Die Konsequenz: Viele private Eigentümer zahlen nun deutlich mehr Steuern als zuvor.

Warum steigen manche Steuern so drastisch?

Obwohl die Stadt Jena betont, dass die Reform aufkommensneutral gestaltet wurde – also die Gesamtsteuereinnahmen nicht steigen sollen –, gibt es erhebliche Verschiebungen innerhalb der Gruppe der Steuerzahler. Manche Eigentümer profitieren von einer Senkung, andere erleben jedoch eine Verdopplung oder gar Verdreifachung ihrer Steuerlast.

Der Grund: Wer in den vergangenen Jahrzehnten aufgrund veralteter Berechnungen zu wenig gezahlt hat, erfährt nun eine „nachholende Korrektur“. Besonders in begehrten Wohngegenden führt dies zu teils drastischen Erhöhungen.

Wie reagiert die Stadt?
Jena hat den kommunalen Hebesatz von 495 Prozent auf 400 Prozent gesenkt, um die Belastungen abzufedern. Dennoch sind viele Bürger unzufrieden. Der Oberbürgermeister verweist darauf, dass Einsprüche gegen die Bescheide an das zuständige Finanzamt gerichtet werden müssen.

Ausblick: Gibt es noch Anpassungen?
Die neue thüringische Landesregierung plant Anpassungen, um die starke Belastung für Wohnimmobilien zu dämpfen. Diese Gesetzesänderungen könnten aber erst 2026 oder 2027 wirksam werden.

Für betroffene Eigentümer bedeutet das: Die derzeitige Steuerlast bleibt bestehen, aber künftige Anpassungen könnten Erleichterung bringen. Wer mehr Informationen sucht, findet Antworten im offiziellen FAQ der Stadt unter service.jena.de/Grundsteuer-Auskünfte.

Elektronische Bezahlkarte für Asylsuchende in Dresden gestartet

0

Dresden/Sachsen. In dieser Woche hat die Landesdirektion Sachsen erstmals Geflüchtete mit elektronischer Bezahlkarte nach Dresden zugewiesen. Damit ist die Einführung der Bezahlkarte im Bereich des Asylbewerberleistungsgesetzes jetzt auch in der Landeshauptstadt offiziell vollzogen. Die Inhaberinnen und Inhaber der Karten können damit ab sofort in Dresden bezahlen.

Funktion wie eine Geldkarte
Mit der Bezahlkarte steht Geflüchteten ein modernes Zahlungsmittel zur Verfügung, mit dem sie sich mit Waren und Dienstleistungen versorgen können. Die Bezahlkarte ist eine guthabenbasierte Debitkarte, die entweder als physische Karte oder mittels App auf dem Smartphone genutzt werden kann. Die Karte nutzt die Infrastruktur von Visa. Das bedeutet, dass die Karte im Netz der Visa Akzeptanzstellen eingesetzt werden kann. Aktuell umfasst das Netz deutschlandweit mehr als 15.000 Geschäfte. Dort kann – wie an Geldautomaten – ebenfalls Bargeld abgehoben werden. Der abzuhebende Barbetrag ist auf 50 Euro pro Person und Monat begrenzt. Der Betrag gilt sowohl für Kinder und als auch für Erwachsene.

Sicheres und zeitgemäßes Zahlungsmittel
Karteninhaberinnen und Karteninhaber können mittels App oder via Online-Portal ihre Umsätze einsehen. Die Karte bietet zudem eine Umzugsfunktion, kann also von einer Behörde zu einer neuen zuständigen Behörde mitgenommen werden. Bei Verlust kann die Karte schnell gesperrt werden. Dies gewährleistet ein hohes Maß an Flexibilität und Sicherheit. Außerdem wird großer Wert auf Datenschutz gelegt. Eine sogenannte Whitelist definiert, wofür die Bezahlkarte eingesetzt werden kann. Nicht eingesetzt werden kann die Karte im Ausland und für Geldtransfers ins Ausland, sexuelle Dienstleistungen und Glücksspiel. Die Bezahlkarte kann nur genutzt werden, solange ausreichend Budget vorhanden ist – das vermeidet Schulden und Überziehungszinsen.

Bundesweites Projekt
Die Bezahlkarte ist ein bundesweites Leuchtturmprojekt in der Digital- und Migrationspolitik. Es soll Behörden von Bargeldauszahlungen entlasten, die Digitalisierung der Verwaltung vorantreiben und Transfers von Geld ins Ausland unterbinden. Den Startschuss hatten die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten im November 2023 gegeben. Insgesamt 14 Bundesländer kooperieren in dem Projekt. Der Einführung der Bezahlkarte ging ein europaweites Vergabeverfahren voraus. Den Zuschlag erhielt die Firma secupay AG aus Pulsnitz als Auftragnehmerin, die mit weiteren Partnern in der Bezahlkartenlösung kooperiert.

Die Stadtverwaltung hatte in den vergangenen Monaten die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Implementierung der deutschlandweit einheitlichen Bezahlkarte geschaffen. Die Kosten für die Einführung und den Betrieb der Bezahlkarte in Sachsen trägt der Freistaat. Die Ausgabe der Bezahlkarten für neuzugewiesene Geflüchtete übernimmt die Landesdirektion Sachsen.

Triumph des Willens – Filmpropaganda als Instrument der Macht im NS-Regime

0

Am 28. März 1935 fand im Berliner Uferpalast ein Ereignis statt, das weit über eine reine Filmvorführung hinausging: die Uraufführung von Leni Riefenstahls NS-Propagandafilm Triumph des Willens. Unter Anwesenheit Hitlers wurde der Reichsparteitag der Nationalsozialisten in Nürnberg festgehalten – ein Film, der bis heute als Paradebeispiel für die Macht der filmischen Inszenierung gilt. Riefenstahl verstand es, durch innovative Kamerafahrten, dramatische Perspektiven und eine minutiös choreografierte Bildsprache den Führer in ein fast mythisches Licht zu rücken. Die filmische Darstellung verband Ästhetik und Propaganda so, dass sie das Bild einer geeinten Nation unter der starken Hand Hitlers vermittelte.

Der Film wirkte wie ein visuelles Manifest politischer Macht: Er inszenierte nicht nur den Parteitag, sondern schuf eine Ideologie, in der Partei, Volk und Führer als untrennbare Einheit dargestellt wurden. Durch technische Raffinessen und kunstvolle Bildkompositionen wurde Hitlers Präsenz nahezu übernatürlich aufgeladen – ein Instrument, das den Nationalsozialismus in den Augen vieler als unumstößliche Wahrheit erscheinen ließ. Dabei bleibt nicht zu vergessen, dass diese glanzvolle Inszenierung zugleich die düstere Realität eines Regimes verbarg, das durch Terror, Gewalt und Unterdrückung geprägt war.

Heute ist Triumph des Willens ein Mahnmal und zugleich ein Lehrstück für die mediale Manipulation. Historiker, Medienwissenschaftler und Kunstkritiker analysieren den Film nicht nur wegen seiner ästhetischen Innovationen, sondern auch wegen seiner ideologischen Wirkung. Der Film zeigt eindrücklich, wie audiovisuelle Medien zur Instrumentalisierung politischer Botschaften eingesetzt werden können – ein Phänomen, das auch in der heutigen Zeit in anderen Kontexten immer wieder zu beobachten ist. Die Auseinandersetzung mit diesem Film fordert dazu auf, die Wirkung von Bild und Inszenierung kritisch zu hinterfragen.

In einer Ära, in der visuelle Medien einen zentralen Platz in der politischen Kommunikation einnehmen, erinnert Triumph des Willens daran, wie gefährlich die Verquickung von Kunst und Propaganda sein kann. Die Reflexion über diesen Film macht deutlich, dass die Schönheit der Technik nicht über die Brutalität eines Regimes hinwegtäuschen darf – vielmehr sollte sie stets Anlass sein, wachsam gegenüber manipulativen Strategien zu bleiben und die Bedeutung von freier, kritischer Medienkompetenz zu erkennen.

Ein Blick in die Vergangenheit: Ulrike Poppe über den Runden Tisch der DDR

0
zum Anschauen des Videos einfach auf das Bild klicken

In einem mittlerweile vergangenen Gespräch schilderte Ulrike Poppe eindrucksvoll die Verdienste und Herausforderungen des Runden Tisches der DDR. Dabei wurde deutlich, wie sehr die damaligen politischen Akteure um einen geordneten Übergang bemüht waren und welche Rolle die Transparenz in diesem Prozess spielte.

Ein historisches Gremium im Spiegel der Zeit
Poppe erinnerte daran, dass es der bewussten Entscheidung der Opposition entsprach, nicht überstürzt die Macht zu ergreifen. Stattdessen wurde ein Runder Tisch ins Leben gerufen – ein politisches Forum, das darauf abzielte, die Legitimation der bisherigen Volkskammer zu kompensieren und in der Übergangszeit koordinierende Aufgaben zu übernehmen. In jenem Gespräch betonte sie, dass der Runden Tisch nicht nur die Vorbereitung der ersten freien, geheimen Wahlen zum Ziel hatte, sondern auch grundlegende Weichenstellungen wie die Entwicklung eines Wahlgesetzes, eines Parteien- und Vereinigungsgesetzes sowie einer Übergangsverfassung umfasste.

Transparenz und innere Konflikte
Der einstige Runde Tisch wurde zu einem Symbol für mehr Transparenz in der DDR-Politik. Poppe berichtete, wie Bürgerinnen und Bürger erstmals live verfolgen konnten, wie politische Entscheidungen debattiert und getroffen wurden – ein bedeutender Schritt in Richtung einer offenen und demokratischen Kultur. Gleichzeitig offenbarte das Gespräch, dass die Vielfalt der vertretenen Kräfte auch zu erheblichen Reibungen führte. Während etablierte Blockparteien mit umfassenden Strukturen agierten, mussten sich die neuen, teils unerfahrenen Oppositionsgruppen mit deutlich begrenzten Mitteln und oft improvisierten Arbeitsbedingungen zufriedengeben.

Erinnerungen an einen chaotischen, aber wegweisenden Dialog
Poppe erinnerte sich lebhaft daran, wie schwierig es war, die berechtigten Vertreter aus den unterschiedlichen Gruppierungen zu bestimmen. Die Diskussionen verliefen häufig chaotisch, da unterschiedliche Vorstellungen und Interessen aufeinandertrafen. Dennoch blieb der Grundgedanke klar: Der Wandel zur Demokratie sollte nicht über Nacht erfolgen, sondern in einem behutsamen, transparenten Prozess, in dem alle Beteiligten – ob groß oder klein – Gehör fanden.

Dieses vergangene Gespräch liefert wertvolle Einblicke in die Komplexität eines historischen Moments, der den Übergang von autoritärer Macht hin zu einer neuen, demokratischen Ordnung einleitete. Die Erfahrungen und Erkenntnisse, die Ulrike Poppe damals teilte, erinnern uns daran, wie wichtig es ist, politische Transformationen mit Sorgfalt und Weitsicht zu gestalten. Auch wenn die Ereignisse nun lange zurückliegen, bleibt ihr Erbe – die Balance zwischen Ordnung und Freiheit – eine Mahnung an zukünftige Generationen, den demokratischen Prozess stets mit Offenheit und Verantwortungsbewusstsein zu führen.

Bürgerforum in Rostock: Ministerin Dreese im direkten Dialog mit den Bürgern

0

MV/Rostock. Im Rostocker Begegnungszentrum Twinkelhus fand am 25. März ein Bürgerforum statt, bei dem Ministerin Stefanie Dreese – zuständig für Soziales, Gesundheit und Sport – direkt mit über 60 Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch kam. Ohne vorgegebene Themen eröffnete die Ministerin den Abend mit dem klaren Anliegen, den direkten Austausch zwischen Politik und Bevölkerung zu fördern.

Ein offener Dialog ohne Tabus
„Ich will heute gar keine Vorgaben machen, was Politik leisten muss, sondern möchte mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch kommen“, betonte Dreese zu Beginn der Veranstaltung. Dieser offene Ansatz hob sich deutlich von klassischen politischen Diskursen ab. Die Teilnehmenden brachten ihre individuellen Sorgen und Wünsche ein – von der sozialen Infrastruktur über die Pflege bis hin zum Sport- und Ehrenamtssektor. Besonders im Fokus standen dabei Fragen zur Bundespolitik und den damit verbundenen Veränderungen, die auch Auswirkungen auf die Landespolitik haben.

Investitionen in die Zukunft
Ein zentrales Thema des Abends war die Diskussion um Neuverschuldung und deren Verwendung. Dreese machte unmissverständlich klar, dass Kreditaufnahmen nicht als Mittel zum regulären Betrieb genutzt werden dürften. Vielmehr müsse das zusätzliche Kapital in wichtige Bereiche wie Infrastruktur, Kitas, Schulen und Krankenhäuser fließen. Diese Investitionsstrategie stieß bei den Anwesenden auf Zustimmung, da sie langfristig eine Verbesserung der Lebensqualität in der Region verspricht.

Herausforderungen in Pflege und Sport
Die Ministerin nahm sich auch intensiv der Herausforderungen in der Pflege und im Bereich Bürokratie an. Hier betonte sie, wie wichtig es sei, das Feedback der Bürger aufzunehmen, um gezielt Verbesserungen in der Pflege und im Verwaltungsapparat herbeizuführen. Auch im Sportbereich wurde deutlich, dass Rostock trotz des Status als Sportstadt mit infrastrukturellen Engpässen zu kämpfen hat. Überlastete Schwimm- und Sporthallen sowie fehlende Sportstätten wurden als dringender Handlungsbedarf benannt. Zugleich ließ Dreese Raum für positive Zukunftsvisionen: Rostock könnte bis 2040 sogar als Austragungsort der Olympischen Spiele in Betracht gezogen werden – ein Projekt, das bei den Bürgern große Vorfreude auslöst.

Politik im Dialog – Ein Gewinn für alle
Der Abend zeigte, wie essenziell der direkte Austausch zwischen Politik und Bevölkerung ist. „Ich möchte nur gern in den Austausch kommen und meine Beweggründe, meine Überlegungen für die Themen mit den Bürgerinnen und Bürgern teilen“, erklärte Dreese und unterstrich damit ihre Absicht, Politik nahbar und transparent zu gestalten. Für sie steht fest: Auch wenn am Ende des Gesprächs nicht jeder Punkt Zustimmung findet, so war der Dialog selbst ein wertvoller Schritt in Richtung gemeinsamer Problemlösungen.

Das Bürgerforum in Rostock wird als gelungenes Beispiel für eine zeitgemäße, bürgernahe Politik in Erinnerung bleiben – ein Format, das den Grundstein für zukünftige, innovative politische Entscheidungen legt.

Aktuelle Haushaltslage der Hanse- und Universitätsstadt Rostock

0


MV/Rostock. Die bundesweite Krise der Kommunalfinanzen ist auch in Rostock angekommen. Steigende Soziallasten bei stagnierenden Steuereinnahmen bedrohen mittelfristig die Handlungsfähigkeit der Stadt. Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger und Finanzsenator Dr. Chris von Wrycz Rekowski haben jetzt die Bürgerschaft über die Hintergründe dieser Entwicklung und den Ernst der Lage informiert. Sie bekennen sich dabei deutlich zur Eigenverantwortung der Stadt, richten aber auch klare Forderungen an Land und Bund, die Städte und Gemeinden als Basis unseres Gemeinwesens endlich strukturell auskömmlich zu finanzieren, um eine Erosion der Lebensqualität und des sozialen Zusammenhalts vor Ort zu verhindern.

Die Hanse- und Universitätsstadt Rostock stellt sich damit hinter die Argumentation des Deutschen Städtetags. Dessen Präsident, der Münsteraner Oberbürgermeister Markus Lewe, fasst die Ursachen der kommunalen Finanzsorgen wie folgt zusammen: „Das hat viele strukturelle Gründe, ist aber kein selbstverschuldetes Problem der Städte. Die Sozialausgaben, auf die wir kaum Einfluss haben, laufen uns davon. Außerdem weisen Bund und Länder uns immer mehr Aufgaben zu, die nicht ausfinanziert sind.“

Krise der Kommunalfinanzen hat auch Rostock erreicht
Die Auswirkungen der gesamtwirtschaftlichen Verwerfungen der letzten Jahre -hervorgerufen durch Inflation und Ukraine-Krieg – treffen die
Kommunen aktuell mit voller Wucht. In diesem Jahr wird fast keine Stadt in Deutschland mehr einen echten ausgeglichenen Haushalt vorlegen können.

Auch für die Hanse- und Universitätsstadt Rostock ist vor diesem Hintergrund eine rasante Verschlechterung der finanziellen Lage zu konstatieren: Während in den letzten 17 Jahren durch regelmäßige Haushaltsüberschüsse Altschulden von rund 220 Mio. Euro abgebaut werden konnten, verkehrt sich diese Entwicklung nunmehr drastisch ins Gegenteil. Lag das Jahresergebnis 2023 noch bei – 9,9 Mio. Euro, betrug das vorläufige Jahresergebnis 2024 bereits – 40,9 Mio. Euro. Die jetzt für 2026 und 2027 geplanten unterjährigen Salden von jeweils rund – 60 Mio. Euro lassen das kumulierte Gesamtdefizit aus der laufenden Verwaltungstätigkeit bis zum Jahresende 2027 auf rund -130 Mio. Euro anwachsen. Innerhalb von drei Haushaltsjahren würden somit erneut Kassenkredite angehäuft, deren Höhe die fiskalische Handlungsfähigkeit der Stadt ernsthaft bedroht.

Sozialleistungen binden Großteil des Stadthaushaltes
Maßgebliche Ursache dieser Entwicklung sind die stark steigenden Auszahlungen für soziale Transferleistungen, die bundes- bzw. landesgesetzlich geregelt sind. Hier bestehen Ansprüche der jeweiligen Leistungsberechtigten, die rechtlich zwingend zu erfüllen sind und die seitens der Kommune nicht beeinflusst werden können. Diese Sozialausgaben werden zwar von Bund und Länder zugewiesen, aber nicht ausfinanziert. Zusammen mit der anhaltenden Wachstumsschwäche führt das zur völligen Überlastung der kommunalen Haushalte. So sind die laufenden Auszahlungen im Teilhaushalt Soziales und Teilhabe (z.B. Eingliederungshilfe, Hilfe zur Pflege) seit 2018 um jährlich durchschnittlich sieben Prozent gewachsen.

Im Teilhaushalt Jugend (z.B. Kita, Jugend- und Familienhilfe) betrug der Kostenzuwachs in diesem Zeitraum sogar 10,5 Prozent pro Jahr. Es liegt auf der Hand, dass die Entwicklung der städtischen Einnahmen mit diesen hohen Kostenzuwächsen nicht schritthalten kann.

Allein auf die Aufgaben im Bereich Jugend und Soziales entfielen im Jahr 2024 rund 50 Prozent der Gesamtauszahlungen der Hanse- und Universitätsstadt Rostock. Der Zuschussbedarf, also der von Bund und Land nicht refinanzierte Anteil, den die Stadt selbst aufbringen musste, betrug im Jahr 2024 rund 183 Mio. Euro. Damit werden bereits zwei Drittel des städtischen Steueraufkommens im Jahr 2024 (insgesamt 275,1 Mio. Euro) von Aufgaben aufgezehrt, über deren Art und Umfang allein in Berlin oder Schwerin entschieden wird.

Haushaltsausgleich ist aus eigener Kraft nicht erreichbar
Dazu Dr. Chris von Wrycz Rekowski, Senator für Finanzen, Digitalisierung und Ordnung: „Natürlich tun wir im Rahmen unserer
Möglichkeiten alles, um gegenzusteuern. Wir begrenzen den Personalbestand der Verwaltung, wir schauen sehr kritisch auf Ausgaben, wir haben geplante Maßnahmen bereits verschoben und das gilt genauso für Wünsche der Verwaltung und der Stadtgesellschaft. Wir gehen sehr sorgsam mit dem Geld der Steuerzahler um. Aber wir leiden unter Gesetzen, die wir nicht gemacht haben. Aufgaben und Leistungen, die Bund und Land beschließen, müssen auch von diesen Ebenen ausfinanziert werden.“

Die tatsächlichen Möglichkeiten einer Kommune, Kosten einzusparen und Erträge zu erhöhen, sind sehr beschränkt. Das benötigte Personal, die genutzten Räumlichkeiten oder der Verbrauch an Material und Energie lassen sich nicht beliebig senken, wenn die zahlreichen Aufgaben der Stadt weiterhin erfüllt werden sollen. Trotzdem werden entsprechende kostendämpfende Sofortmaßnahmen aktuell in allen Verwaltungsbereichen eingeleitet. Es wird jedoch unmöglich sein, den Rostocker Stadthaushalt allein auf diesem Weg zurück ins Gleichgewicht zu bringen. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen bleiben der Stadt somit nur noch zwei Optionen: Harte Einschnitte in die freiwilligen Leistungen oder der Weg in die neuerliche Verschuldung der Stadt.

Freiwilliger Bereich darf nicht kaputtgespart werden
Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger positioniert sich hierzu eindeutig: „Die Kommunen sind der Ort, an dem wir das Funktionieren des Staates unmittelbar erleben. Wenn wir nicht mehr in der Lage sind, Schwimmbäder, Bibliotheken und Jugendclubs offen und attraktiv zu halten, sinkt das Vertrauen in den Staat und die Demokratie gerät weiter unter Druck. Auch die Brücke und das neue Theater setzen wichtige Impulse für die Stadt. Deshalb lehne ich Kürzungen in den freiwilligen Leistungen und Vorhaben unserer Stadt klar ab. Wir brauchen stattdessen eine grundsätzliche Neuordnung der Kommunalfinanzen, damit unsere Städte lebens- und liebenswert bleiben.“

Bundesregierung muss Kommunen jetzt entlasten
Nötig ist dafür erstens eine dauerhafte und dynamisierte Entlastung bei den Sozialkosten, z.B. über eine Erhöhung des kommunalen Anteils an der Einkommens- und Umsatzsteuer. Zweitens müssen entsprechende Reformen ausdrücklich auch die Stärkung der Investitionskraft der Städte und Gemeinden beinhalten. Denn die bestehende Unterfinanzierung führt schon seit Jahren immer wieder dazu, dass wichtige Investitionsprojekte und Aufgaben im freiwilligen Bereich nicht durchgeführt werden konnten. Ein Abbau des gravierenden Investitionsstaus ist der Hanse- und Universitätsstadt Rostock trotz der seit 2020 landesgesetzlich gewährten Infrastrukturpauschale nicht möglich. Und auch wichtige Transformationsprozesse wie z.B. der Aus- und Umbau des ÖPNV, die Umstellung der Wärmeversorgung oder die Klimafolgenanpassung können unter diesen Bedingungen nicht oder nur zu langsam in die Umsetzung gelangen. Deshalb muss die strukturelle Verbesserung der Kommunalfinanzen in den Koalitionsverhandlungen in Berlin dringend mit vereinbart werden.

Oberbürgermeisterin will Gespräche mit Land und Bürgerschaft suchen „Wir wollen gestalten und dafür brauchen wir finanzielle Kraft. Ich
erwarte deshalb, dass wir als die Stadt die Beinfreiheit bekommen, weiter zu investieren. Notwendige Schulden können wir als Stadt machen, sofern man es uns denn erlaubt. Was in Berlin für Verteidigungsausgaben geht, muss auch in Rostock für die Lebensqualität gehen! Darüber möchten wir auch mit der Landesregierung sprechen. In schwierigen Zeiten bitten wir um Zusammenarbeit, vor allem hoffen wir auf das gemeinsame Wirken in der Bürgerschaft. Ein paar ältere Mitglieder kennen die Probleme beim Sparen noch aus vergangenen Zeiten. Aber die neueren Kommunalpolitiker stehen vor der Herausforderung, sich mit der neuen Lage erst anfreunden zu müssen. Politik machen unter Sparzwang ist nicht immer freudvoll, dennoch sollten wir gemeinsam nach Lösungen suchen“, so die Oberbürgermeisterin.