In den schmucklosen Konferenzräumen Ost-Berlins trafen sich am 20. Dezember 1989 Männer in grauen Anzügen, um Pläne auf Papier zu skizzieren, während draußen auf den Straßen der Ruf nach Veränderung nicht mehr zu überhören war. Es war ein Treffen von Experten, die versuchten, Strukturen zu ordnen, die bereits im Zerfall begriffen waren.
Die Meldung der Berliner Zeitung vom 21. Dezember 1989 liest sich heute wie ein Dokument aus einer anderen Zeit, eine Momentaufnahme des Übergangs. Sie berichtet nüchtern von einem Treffen von Rechts- und Geheimdienstexperten, die zusammenkamen, um den Beschluss des Ministerrats der Regierung Modrow umzusetzen. Das Ziel war ambitioniert und zeugte von einem ungebrochenen Glauben an die staatliche Ordnung: Die Bildung eines Nachrichtendienstes und eines separaten Verfassungsschutzes aus der Erbmasse des Ministeriums für Staatssicherheit.
Man hatte sich, so teilte der Allgemeine Deutsche Nachrichtendienst (ADN) mit, darüber verständigt, wie diese künftigen Dienste zu einem „bald möglichen Zeitpunkt“ arbeitsfähig gemacht werden könnten. Diese Formulierung offenbart den immensen Zeitdruck, unter dem die Verantwortlichen standen. Während die Bürgerkomitees bereits an den Toren der Bezirksverwaltungen rüttelten und die Sicherung von Akten forderten, wurde auf der administrativen Ebene versucht, den Apparat durch eine westlichen Mustern folgende Aufspaltung zu legitimieren und zu retten.
Die Idee hinter diesem Manöver war so pragmatisch wie politisch motiviert. Das Kürzel „MfS“ war in der Bevölkerung verbrannt, und auch die hastige Umbenennung in „Amt für Nationale Sicherheit“ (AfNS) unter Wolfgang Schwanitz hatte die Wut der Demonstranten nicht besänftigen können. Die Regierung unter Hans Modrow setzte daher auf eine Strukturreform: Eine Trennung von Inlandsüberwachung (Verfassungsschutz) und Auslandsspionage (Nachrichtendienst) sollte Professionalität signalisieren und den Geheimdienst in einen demokratischen Rechtsstaat integrieren, den man zu diesem Zeitpunkt noch als souveräne DDR dachte.
Die Anwesenheit von Vertretern aus den Bezirken bei diesem Treffen unterstreicht, dass es sich nicht nur um eine reine Planung der Berliner Zentrale handelte. Es war der Versuch, die Befehlskette bis in die Regionen hinein aufrechtzuerhalten, wo die Autorität der Staatssicherheit am stärksten erodierte. Die Experten berieten über Personalstärken, Zuständigkeiten und Rechtsgrundlagen, als ob eine bloße Reorganisation das tiefsitzende Misstrauen der Bevölkerung neutralisieren könnte.
Doch die Realität überholte diese bürokratischen Reißbrettentwürfe in rasender Geschwindigkeit. Was in dem Zeitungsbericht als geordneter Verwaltungsvorgang dargestellt wurde, war in Wahrheit der letzte Versuch, die Kontrolle über einen Sicherheitsapparat zu behalten, der seine Machtbasis längst verloren hatte. Die „Arbeitsfähigkeit“, von der im Artikel die Rede ist, wurde nie in dem geplanten Maße wiederhergestellt. Der Runde Tisch und die Bürgerbewegung lehnten einen eigenen DDR-Verfassungsschutz kategorisch ab.
Rückblickend erscheint dieses Treffen vom 20. Dezember wie ein bizarres Schauspiel der Realitätsverweigerung. Während die Experten Paragrafen wälzten und Organigramme zeichneten, schufen die Menschen auf der Straße Fakten. Nur wenige Wochen später, im Januar 1990, stürmten Bürger die Zentrale in der Normannenstraße. Die Pläne für den Verfassungsschutz landeten in den Schubladen der Geschichte, noch bevor sie richtig ausgearbeitet waren.


In einem Berliner Atelier roch es nach Ölfarbe und kaltem Zigarettenrauch, während sich zwischen Leinwänden und Farbtöpfen der politische Widerstand formierte. Es war ein Ort der Zusammenkunft in einer Zeit der staatlichen Stagnation, ein privater Raum, der sich langsam in eine politische Zentrale verwandelte.
Es ist ein politisches Szenario, das an Dramatik kaum zu überbieten ist: Sahra Wagenknecht sitzt nicht im Bundestag, ihre Partei scheiterte mit denkbar knappen 4,98 Prozent an der Hürde. Doch im Interview mit dem YouTuber Ben („ungeskriptet“) gibt sich die BSW-Chefin keineswegs geschlagen. Im Gegenteil: Sie holt zum fundamentalen Gegenschlag aus und stellt die Legitimität der gesamten Regierung unter Friedrich Merz infrage.
Am Morgen des 21. Dezember 1989, nur wenige Tage vor dem ersten Weihnachtsfest nach dem Fall der Mauer, lesen die Abonnenten der Jungen Welt einen Appell, der inmitten der politischen Auflösung vor rechten Gefahren warnt und zur Rettung der DDR als antifaschistischer Staat aufruft.
In den Sitzungsräumen der Regierungskommission liegen am 21. Dezember 1989 die Entwürfe auf dem Tisch, während draußen der Winter über einer sich auflösenden DDR liegt. Papierstapel mit zehn nummerierten Punkten wandern durch die Hände von Verbandsvertretern und Politikern, die über die Neuordnung der Kommunikation beraten, noch bevor das alte Jahr zu Ende geht.
September 1990. In einer Wohnung im Prenzlauer Berg sitzt Monika Haeger vor der Kamera. Sie spricht über ihre Zeit an der Seite von Bärbel Bohley und Katja Havemann, während sie gleichzeitig Berichte für die Staatssicherheit verfasste. Draußen hat sich das Land bereits verändert, drinnen rechtfertigt eine Frau ihre Vergangenheit.
Am Morgen des 5. Januar 1979 bleibt in der Normannenstraße ein Schreibtisch leer, während die übliche Routine in nackte Panik umschlägt. Ein junger Oberleutnant ist verschwunden und mit ihm das Wissen über Klarnamen, geheime Technologien und die tiefste Struktur der DDR-Auslandsspionage.
Egon Krenz steht am Rednerpult, ein Mann hohen Alters, der noch immer die Gesten eines Staatsmannes pflegt. Beim „Nationalen Denkfest“ spricht er nicht wie ein Pensionär, der zurückblickt, sondern wie ein Politiker, der eine Wahl zu gewinnen hat – die Wahl um die Deutungshoheit der Geschichte. Wer ihm hier zuhört, taucht ein in eine alternative Realität. In dieser Erzählung war die DDR kein gescheiterter Überwachungsstaat, sondern ein moralisch überlegenes Friedensprojekt, das lediglich von externen Mächten und inneren Verrätern wie Michail Gorbatschow zu Fall gebracht wurde.