Jena. Einen Menschen mit Demenz zu betreuen, kann buchstäblich zu einer Lebensaufgabe werden. In Deutschland wird die überwiegende Zahl der Menschen mit Demenz im häuslichen Umfeld von den Angehörigen betreut und gepflegt. Das sind etwa 85 Prozent der Pflegeleistungen. Diese Angehörigen sehen sich einer gewaltigen, schwer zu bewältigenden Aufgabe gegenüber; einer Aufgabe, bei der viele auf sich allein gestellt sind. „Wir möchten den pflegenden Angehörigen ein Unterstützungsangebot unterbreiten“, sagt Sophie Geßner von der Abteilung Klinisch-psychologische Intervention der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Unter Leitung von Prof. Dr. Gabriele Wilz haben die Mitarbeiterinnen der Abteilung Klinisch-psychologische Intervention das Projekt „Offenes Ohr“ konzipiert, das jetzt gestartet wird. Es bietet pflegenden Angehörigen entlastende Gespräche per Telefon an und damit die Chance, sich Unterstützung von einer klinisch erfahrenen Psychologin zu holen.
Zahlen der Demenzerkrankungen nehmen jährlich zu
„Wir unterbreiten den pflegenden Angehörigen ein niedrigschwelliges Angebot, das wir möglichst langfristig etablieren wollen“, sagt Gabriele Wilz. Für Betroffene biete sich die Gelegenheit, sich Sorgen und Nöte von der Seele zu reden. Zudem bestehe bei Bedarf die Chance auf eine längerfristige psychotherapeutische Unterstützung in der angegliederten psychotherapeutischen Hochschulambulanz, so Wilz. Wer als pflegender Angehöriger – in der großen Mehrzahl sind das Frauen – das Gesprächsangebot wahrnehmen möchte, kann das „Offene Ohr“ am Montag von 10 bis 12 Uhr erreichen, mittwochs gibt es diese Gelegenheit von 14 bis 16 Uhr. Die Telefonnummer lautet 03641 945173.
Wenn möglich werden den pflegenden Angehörigen weitere Hilfsangebote vermittelt. Erfahrungsgemäß seien die Angehörigen mitunter so in der Pflegesituation eingespannt, dass andere Hilfsangebote wie außerhäusliche Beratungen oder Selbsthilfegruppen schon terminlich nicht wahrgenommen werden können, sagt Sophie Geßner: „In dieser Stresssituation fällt es schon schwer, für eine Weile das Haus oder die Wohnung zu verlassen.“ Prof. Wilz verweist darauf, dass die Zahlen sukzessive steigen, bereits jetzt gebe es deutschlandweit etwa 1,8 Millionen Menschen, die von einer Demenz betroffen sind, jedes Jahr kommen etwa 440.000 Neuerkrankungen hinzu. In Thüringen seien die Zahlen gemessen an der Gesamtbevölkerung besonders hoch, sagt Gabriele Wilz. Das Projekt „Offenes Ohr“ bietet da einen Ansatz, der individuell und gesellschaftlich herausfordernden Situation Rechnung zu tragen und pflegende Angehörige gezielt zu unterstützen.