Es ist ein schmaler Grat zwischen gesundem Regionalstolz und einer trotzigen „Wagenburg-Mentalität“. Mit dem Lied „Ostdeutschland“ betritt die Band EICHENBLUT genau diesen Grat – und tritt dabei fest auf. Was als emotionale Hymne für eine Region daherkommt, entpuppt sich bei genauerem Hinhören als ein musikalisches Manifest, das tief in die aktuelle politische Seele Ostdeutschlands blicken lässt.
Das Lied beginnt harmlos, fast schon klassisch romantisch. „Hier bin ich geboren, hier bin ich zu Haus.“ Es sind Zeilen, die jeden abholen, der eine tiefe Bindung an seine Scholle hat. Doch schnell kippt die Stimmung. Aus der Liebe zum Eigenen wird die Abwehr des Fremden. Die „Anderen“, das sind die da oben, die Medien, der Westen, die Politik – ein diffuses Feindbild, das laut Text „redet, was es will“ und glaubt, es „besser zu wissen“.
EICHENBLUT liefert hier den Soundtrack zu einem Gefühl, das Soziologen seit Jahren als „gefühlte Benachteiligung“ beschreiben. Doch die Band belässt es nicht beim Gefühl. Sie wird konkret und politisch. In einer Zeit, in der Wahlentscheidungen in Thüringen oder Sachsen bundesweit für Schnappatmung sorgen, singt die Band: „Setz das Kreuz am falschen Fleck und du läufst ins offene Messer.“ Damit stilisieren sie den Protestwähler zum Opfer einer Meinungsdiktatur.
Noch deutlicher wird die Stoßrichtung, wenn lyrisch gegen das „Gendern“ und eine vermeintlich fehlende „Regulation“ bei der Migration geschossen wird. Hier verlässt der Song endgültig das Terrain der unschuldigen Heimatfolklore. Das Bild des „zerreißenden Vulkans“ beschwört soziale Unruhen herauf und bedient Ängste, die weit über das Lokale hinausgehen.
Musikalisch verpackt in eingängigen Rock, zielt „Ostdeutschland“ auf das „Wir-Gefühl“. „Wir sind härter als der Rest“, heißt es. Das Narrativ der ostdeutschen Härte, geboren aus den Umbrüchen der Nachwendezeit, wird hier zur Rüstung gegen die Moderne umgeschmiedet. Es ist eine Identität, die sich nicht mehr nur aus dem definiert, was man ist, sondern vor allem daraus, wogegen man ist.
Das Lied wird seine Hörer finden, zweifellos. Für die einen ist es eine längst überfällige Selbstbehauptung, ein Befreiungsschlag aus der kulturellen Defensive. Für die anderen ist es der vertonte Beweis einer gesellschaftlichen Spaltung, die nicht mehr Dialog sucht, sondern nur noch Bestätigung im eigenen Echo. Eines ist sicher: Wer verstehen will, warum der Osten anders tickt (und wählt), sollte hier genau zuhören.