Gera, gelegen im östlichen Teil von Thüringen, ist für mich eine Stadt, die man erst auf den zweiten Blick so richtig liebt – dann aber ehrlich. Ich erinnere mich noch an früher, als der Ruß der Industrie und der Wismut-Bergbau der Stadt einen grauen Schleier verpasst hatten. Gera war Arbeit, Gera war laut. Aber wer heute durch den Hofwiesenpark läuft, der reibt sich verwundert die Augen. Die Stadt hat sich grün gemacht, sie atmet auf.
Für mich ist das Herz aber immer noch der Marktplatz. Wenn ich vor dem wunderschönen Renaissance-Rathaus stehe und auf den Simsonbrunnen schaue, spüre ich diesen alten Stolz der „Gerschen“. Wir werden ja liebevoll „Fettguschen“ genannt. Nicht, weil wir zu viel essen, sondern weil wir den Mund aufmachen und sagen, was Phase ist. Diese Direktheit, gepaart mit dem Erbe von Otto Dix, der hier an jeder Ecke lauert, macht Gera für mich aus. Es ist keine Stadt, die sich verstellt. Sie ist wie ihre Bewohner: Geradeheraus, manchmal etwas rau, aber mit einem verdammt guten Kern.