Beate Zschäpe, die Hauptverurteilte im Prozess gegen den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU), steht erneut im Fokus der Justiz. Doch anders als im Münchner Mammutprozess, wo ihr jahrelanges Schweigen dominierte, tritt die Rechtsterroristin nun als Zeugin vor dem Oberlandesgericht in Dresden auf. Vor Gericht steht Susann E., eine mutmaßliche NSU-Unterstützerin und Freundin Zschäpes, die dem Trio während der Zeit im Untergrund mehrfach geholfen haben soll.
Diese neue Rolle wirft eine zentrale Frage auf, die derzeit in Talk-Sendungen wie dem MDR AKTUELL Talk mit Reporter Sebastian Hesse diskutiert wird: Wendet sich Zschäpe tatsächlich von ihrem Netzwerk ab, oder handelt sie aus reinem Kalkül?
Die neue Rolle in Dresden: Analyse einer Zeugin
Die Tatsache, dass Zschäpe als Zeugin in einem Verfahren gegen eine ihrer mutmaßlich engsten Unterstützerinnen geladen war, markiert eine bemerkenswerte Wende in ihrem Verhalten (vgl. Talk-Thema 00:15).
Die Einordnungen des MDR-Reporters Sebastian Hesse beschreiben, wie Beate Zschäpe heute vor Gericht aufgetreten ist (vgl. Talk-Thema 01:17). War sie gefasst, distanziert oder gab sie sich geläutert? Ihre Körpersprache und ihr Tonfall sind in solchen Momenten entscheidend für die Bewertung ihrer Glaubwürdigkeit.
Die Kernaussagen von Beate Zschäpe konzentrieren sich darauf, wie sie ihr Leben im Untergrund schilderte und inwieweit sie die Rolle von Susann E. als Helferin beleuchtete (vgl. Talk-Thema 03:59). Diese Aussagen könnten für das Gericht in Dresden entscheidend sein, um die tatsächliche Struktur und Reichweite des NSU-Unterstützerkreises zu bewerten.
Kalkül und Konsequenzen
Die dringlichste und meistdiskutierte Frage bleibt jedoch die nach dem Motiv: Will Beate Zschäpe mit ihrer Aussage ihr eigenes Strafmaß mildern? (vgl. Talk-Thema 06:08). Eine mögliche Rolle eines Aussteigerprogramms wird in diesem Zusammenhang ebenso diskutiert wie die Frage, wie ernst ihre Distanzierung vom rechtsextremen Milieu ist.
Im Hauptprozess nutzte Zschäpe ihr späteres, verlesenes Statement zur juristischen Selbstverteidigung, indem sie versuchte, die Verantwortung für die Morde von sich zu weisen. Die jetzige Zeugenaussage gegen eine Freundin könnte dagegen auf den Versuch hindeuten, durch Kooperation einen Vorteil zu erzielen oder zumindest ihre öffentliche Wahrnehmung zu verändern.
Der Ausblick auf weitere Aussagetage (vgl. Talk-Thema 09:15) zeigt, dass die Rolle Zschäpes in der Aufklärung des NSU-Netzwerks noch nicht abgeschlossen ist und die Justiz in Dresden weiter auf ihre Einlassungen angewiesen ist.
Ein Blick zurück: Die NSU-Wurzeln in Jena
Die aktuellen Geschehnisse in Dresden können nicht ohne den historischen Kontext beleuchtet werden. Um die Entstehung des NSU zu verstehen, muss der Blick in die späten 1990er-Jahre nach Jena in Thüringen gerichtet werden. Die Stadt ist der Ursprungsort des Terrortrios – Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt – die in der Neonazi-Szene Jenas aufwuchsen und im Umfeld des „Thüringer Heimatschutzes“ ihre politische Heimat fanden.
Der Sprung aus Jena in den Untergrund im Jahr 1998 markierte die Geburtsstunde des NSU. Die Tatsache, dass sie über 13 Jahre lang unentdeckt Morde begehen konnten, wirft bis heute Fragen über das Versagen der Sicherheitsbehörden und die Verstrickung des Verfassungsschutzes auf.
Das unbeantwortete Erbe des NSU-Prozesses
Der NSU-Prozess in München endete zwar mit einer Verurteilung der Hauptakteure, ließ aber die zentrale Forderung der Opferfamilien – eine vollständige Aufklärung des Netzwerks hinter den Tätern – unbefriedigt.
Die aktuellen Zeugenaussagen in Dresden – selbst wenn sie taktisch motiviert sein sollten – sind ein erneutes Indiz dafür, dass das Unterstützerumfeld des NSU weitaus dichter und aktiver war, als Zschäpe im Hauptprozess zunächst zugab. Der Fall Susann E. und Zschäpes Rolle als Zeugin führen vor Augen, dass die juristische und politische Aufarbeitung der staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen, die dem Trio von Jena aus den Terror in Deutschland ermöglichten, noch immer andauert.