Gerhard Gundermanns persönlicher und politischer Weg lässt sich kaum erzählen, ohne das zentrale Spannungsfeld zu benennen, das ihn Zeit seines Lebens antrieb und zerriss: der Kampf zwischen dem eigenen, kompromisslosen Ich und dem Kollektiv, dem er sich zutiefst verpflichtet fühlte. Für Gundermann war der Kommunismus keine Parteiparole, sondern ein persönliches Ideal – ein Ort, an dem seine Sehnsucht, „gebraucht zu werden“, endlich ein Zuhause fand.
Schon früh war er der Junge, der lieber alleine bastelte und sich mit nächtlicher Hingabe in eigene Welten vertiefte. Doch hinter dieser Eigenbrötlerhaftigkeit stand ein brennendes Bedürfnis, Teil von etwas Größerem zu sein. Er suchte den Kampfplatz, auf dem er wirken konnte – und fand ihn zunächst in den Jugendkollektiven der DDR, später im Tagebau, in Brigaden und schließlich in der eigenen Kulturszene, der berühmten Brigade Feuerstein.
Doch je stärker er sich einbrachte, desto heftiger kollidierte er mit den Regeln der Gemeinschaft. Gundermann war nicht der Funktionärstraum: rechthaberisch, ungeduldig, unbestechlich in seinen Urteilen über Kollegen und Vorgesetzte. Er hielt sich für den „Motor“ der Gruppe – und oft war er das auch. Aber er überdrehte, trieb an, drängte, forderte. Die politische Qualität war ihm wichtiger als die musikalische, und sein Arbeitsethos sprengte jedes Maß. Viele empfanden ihn als anstrengend, manche als gefährlich.
Sein Idealismus war größer als das System, dem er diente.
Dass er IM wurde, war bei ihm kein Karriereakt, sondern ein Versuch, den Sozialismus vor seinem eigenen Zerfall zu bewahren. Auch darin steckt die tragische Logik seines Charakters: Er wollte das Richtige tun, stand aber „auf beiden Seiten“ – ein Zustand, der ihn immer tiefer in Widersprüche führte.
Mit den Jahren lernte er, dass auch der härteste Einzelkämpfer die Gemeinschaft braucht. Er erkannte, dass politische Erneuerung Zusammenarbeit verlangt, kein Heldentum. Doch gleichzeitig blieb er der Getriebene, der zwischen Bagger, Bühne und Brigade permanent auf Hochtouren lief.
Gundermanns Entwicklung ist die Geschichte eines Mannes, der sein Ich nie ganz dem Wir opfern wollte – und doch unermüdlich versuchte, es einzubinden. Ein Leben in produktiver Spannung, voller Reibung, voller Energie. Vielleicht war genau diese Spannung die Quelle seines gewaltigen Schaffens.