Nach der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) im Bundesrat haben die Länderchefs Michael Kretschmer (Sachsen) und Olaf Lies (Niedersachsen) die zentralen Themen der Beratungen beleuchtet. Im Fokus standen ein geplanter Investitions- und Innovationsschub für die Wirtschaft sowie die prekäre Finanzlage von Ländern und Kommunen. Einigkeit herrscht beim Ziel, Deutschland wettbewerbsfähig zu machen, doch die Frage des finanziellen Ausgleichs bei Steuerreformen bleibt eine zentrale Hürde.
Die Beratungen, die bereits am Vorabend mit Bundeskanzler Olaf Scholz begannen, wurden von den Ministerpräsidenten als „sehr besonders positiv“ und von einem „gemeinsamen Geist“ zwischen Bund und Ländern geprägt beschrieben. Trotz der Abwesenheit des Kanzlers am heutigen Tag (wegen einer Reise in die USA) wurde das Gespräch mit Vizekanzler Robert Habeck fortgesetzt. Die Notwendigkeit eines Investitions- und Innovationsboosters sowie einer Körperschaftssteuerreform wird von den Ländern als „wesentlicher Beitrag“ und „notwendig“ betrachtet, um Deutschland nach drei Jahren Rezession wieder auf die Beine zu helfen und wettbewerbsfähig zu machen.
Allerdings verursacht dieses geplante Investitionsprogramm, das Anreize für die Wirtschaft schaffen soll, „erhebliche Schmerzen“ bei den Finanzen der Länder und Kommunen. Die Ministerpräsidenten machten deutlich, dass die Finanzlage „extrem schwierig“ sei, teils an der „Grenze dessen, was verfassungsmäßig vorgesehen ist“. Besonders die Kommunen kämpfen mit einer „noch nie so dramatischen“ finanziellen Situation, teils mit einem jährlichen Minus von 10 bis 15 Milliarden Euro.
Daher stellen die Länder eine klare Forderung auf: Sie wollen diese Reform zwar gemeinsam, aber „brauchen einen finanziellen Ausgleich“. Die entstehenden Steuerausfälle, deren Dimensionen auf 46 bis 48 Milliarden Euro geschätzt werden, wovon rund 60% bei den Kommunen verbleiben, seien „gewaltig“ und könnten „nicht einfach ebenso mal eingespart“ oder nebenbei geschultert werden. Es sei entscheidend, dass die Handlungsfähigkeit der Kommunen und Länder weiter gesichert bleibt.
Die Ministerpräsidenten betonen, dass das Investitionsprogramm für die Wirtschaft und die finanzielle Situation der Länder und Kommunen „unabhängige Punkte“ seien, die „nicht miteinander vermischt“ werden dürften. Für die Bürgerinnen und Bürger sei nur verständlich, dass Deutschland aus der schwierigen Phase kommt, wenn sowohl die Anreize für die Wirtschaft als auch „die Investitionen vor Ort in der Kommune im Land“ zeitgleich greifen. Es könne niemandem erklärt werden, dass die Wirtschaft gefördert werde, aber „vor Ort nicht in der Lage sind, die zentralen Aufgaben zu lösen“.
Zur Lösung der offenen Fragen, insbesondere des finanziellen Ausgleichs, wurde vereinbart, dass eine kleine, konzentrierte Gruppe in „extrem kurzer Zeit“ einen Weg erarbeiten soll. Ziel ist es, bis zur nächsten MPK am 18. Juni einen Prozess zu eröffnen, wie die „Schmerzen der Länder und der Kommunen zu lindern“ sind und die Einnahmeausfälle kompensiert werden können. Dies soll im Gespräch mit dem Bundeskanzler geschehen. Eine Zustimmung der Länder im Bundesrat, die für den 11. Juli anvisiert ist, sei nur mit einer „finanziellen Beteiligung des Bundes“ möglich. Die Ministerpräsidenten setzen auf eine „vertrauensvolle Zusammenarbeit“, um bis dahin einen Lösungsansatz und einen Zeitplan zu finden, auch wenn noch keine rechtliche Grundlage in Stein gemeißelt sei.
Über die akute Situation hinaus bekräftigten die Länder den Wunsch nach einer grundsätzlichen Neuordnung der Finanzbeziehung zwischen Bund und Ländern. Hierbei wird auf den Ansatz der „Konnexität“ verwiesen, der besagt: „Wer bestellt, zahlt“. Dieser Grundsatz, der auch im Koalitionsvertrag des Bundes festgehalten ist, müsse zu einem „systemischen Ansatz“ führen, der eine „faire Lastenverteilung der Ebenen“ ermöglicht, insbesondere da weitere gesetzliche Änderungen mit finanziellen Auswirkungen auf Länder und Kommunen bevorstehen. Viele Bundesgesetze aus früheren Jahren hätten zudem die Kosten für die Kommunen grundlegend unterschätzt.
Neben den Finanzthemen wurden auch die notwendigen Maßnahmen zur Senkung der Energiekosten als zentrale Produktionskosten sowie die Planungsbeschleunigung und der Rückbau von Regulierungsdichte als entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit und das Funktionieren des Investitionsprogramms genannt. Die Umsetzung der Empfehlungen der Kommission für einen handlungsfähigen Staat und die Verbesserung der Verwaltungsdigitalisierung sollen nun zügig gemeinsam angegangen werden.
Insgesamt zeigten sich die Ländervertreter zuversichtlich, durch Miteinander der Demokraten auf allen Ebenen Lösungen zu finden. Derzeit sei nicht die Zeit für Gegeneinander oder gegenseitiges Schuldzuweisen; es gehe darum, „Deutschland fit zu machen“ und Politik zu gestalten, die direkt bei den Menschen ankommt und dafür sorgt, „dass es ihnen morgen ein Stück besser geht als heute“. Das Verständnis auf Seiten der Bundesregierung für die Belange der Länder und Kommunen wurde dabei besonders hervorgehoben.