Vierzig Jahre lang versuchte die Deutsche Demokratische Republik (DDR), eine zentralstaatliche Planwirtschaft nach sowjetischem Muster zu etablieren. Was einst als Versuch begann, eine neue Gesellschaft zu formen und das Erbe des Krieges zu überwinden, endete in der wirtschaftlichen Pleite. Ein Blick auf die Geschichte dieser Planwirtschaft offenbart den ständigen Konflikt zwischen utopischen Zielen und der harten Realität.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Spaltung Deutschlands wurde im Osten radikal privates Eigentum an Produktionsmitteln beseitigt. Private Banken und Versicherungen wurden geschlossen, die Großindustrie verstaatlicht. Die Bodenreform, bei der Großgrundbesitz an Neubauern verteilt wurde, war nur eine Zwischenstation auf dem Weg zur Kollektivierung der Landwirtschaft. Diese Enteignungen schufen die Grundlage für die Übernahme des sowjetischen Wirtschaftssystems. Die Ausgliederung des Ostens aus dem gesamtdeutschen Wirtschaftsverbund hatte schwerwiegende Folgen, da man von traditionellen Rohstoff- und Energiequellen abgeschnitten war und eine eigene Schwerindustrie aufbauen musste. Zusätzlich belasteten Demontagen und Reparationszahlungen die Wirtschaft erheblich.
Die zentrale staatliche Planwirtschaft wurde in der Plankommission im Haus der Ministerien in Berlin nach sowjetischem Vorbild konzipiert. Frühe Pläne, die „deutscher Feder“ entstammten, mussten zur Prüfung nach Moskau geflogen und von sowjetischen Genossen begutachtet werden. Die Sowjetunion gab auch später noch entsprechende Unterweisungen, wie sich die DDR wirtschaftlich verändern sollte.
Der Plan war Gesetz, seine Erfüllung hatte nicht nur materielle Bedeutung, sondern sollte die Menschen selbst verändern. Durch Vorbilder wie den Bergmann Adolf Hennecke, der dem russischen Kollegen Stachanow nacheifern sollte, versuchte die staatliche Planung, die Massen zu aktivieren. Doch schon in den frühen 1950er Jahren sahen Praktiker in den Unternehmen die Probleme: Material fehlte, es gab keine Mittel für Investitionen oder Reparaturen. Briefe von Ministern und Behördenchefs, die genau diese Sorgen schilderten und Planänderungen oder die Lieferung von Material oder Geld forderten, landeten oft ungelesen im Reißwolf. Die Planungszentrale erzählte zwar vom „Wunschtraum einer neuen Gesellschaft“, doch die Weisungen kamen aus der Sowjetischen Militäradministration in Berlin-Karlshorst.
Die zwangsweise Kollektivierung der Landwirtschaft wurde 1960 abgeschlossen. Dies war ein „stolzer Augenblick“ für die junge LPG, doch es wurde verschwiegen, dass viele Bauern daraufhin in den Westen flüchteten und es im folgenden Jahr zu Missernten kam.
Mit dem Bau der Mauer 1961 verlor die DDR viele Fachkräfte und die Wirtschaft stagnierte. Um die „Überlegenheit des Sozialismus“ zu beweisen, wurden Reformversuche unter dem Namen Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung (NÖSPL) vorangetrieben. Ziel war unter anderem die Durchsetzung des Leistungsprinzips, die Entbürokratisierung der Planung und das Wirkenlassen von Marktmechanismen auf die Betriebe. Walter Ulbricht, die politische Führungsfigur bis 1971, der als Altkommunist und Stalinist bekannt war, begann Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre selbst über die Schwächen des Systems nachzudenken. Er war bereit, „erhebliche Veränderungen unter seiner Regie mit durchzuführen“. Doch der Reformmotor, Erich Apel, der Vorsitzende der Plankommission, nahm sich im Dezember 1965 das Leben. Der genaue Grund ist unklar, doch zwei Stunden später sollte er bei der Unterzeichnung eines die DDR „knebelnden“ Handelsabkommens mit der Sowjetunion eine Rede halten.
Nach Apels Tod rückte sein engster Freund Günter Mittag von der Reform ab. Die Reformversuche führten zwar zu freimütigen Diskussionen und eingeforderter Ehrlichkeit, doch das System erwies sich als nicht wandlungsfähig. Der „Prager Frühling“ zeigte die politischen Konsequenzen von Reformen auf, und man trat auf die Bremse. Ökonomische Reformen gingen nicht konform mit politischen Reformen, was das System beeinträchtigte.
Mit Erich Honecker, der Anfang 1967 als kommender Mann der Führung auftrat, und der Entmachtung Chruschtschows in Moskau, kam es unter Breschnew zu einem deutlichen Wendepunkt in der sowjetischen Politik. Die neue Devise lautete „keine Experimente“. Honecker wurde der neue Mann Moskaus, und Günter Mittag vollzog die Wandlung vom Reformer zum Lenker einer nun wieder streng zentralistischen Wirtschaft.
1972 wurden mit Unterstützung der Blockparteien die letzten privaten und halbstaatlichen Industriebetriebe sowie Handwerksgenossenschaften verstaatlicht. Unternehmer wie der Polstermöbelfabrikant Werner Muffs wurden unter Druck gesetzt und mussten zustimmen. Keiner der Unternehmer stimmte freiwillig zu. Honecker wollte aus ideologischen Gründen einen „reinen Sozialismus“ und sah in den Gewinnen dieser Betriebe eine Chance zur schnellen Entwicklung, was aber nicht gelang. Diese Verstaatlichung beseitigte das letzte Unternehmertum und band auch diese kleinen Betriebe in die staatliche Planung ein. Die Folge waren Probleme bei der Produktion der sogenannten „tausend kleinen Dinge“.
Die Ölkrise von 1973 traf die DDR trotz Festpreissystem mit der Sowjetunion. Von Jahr zu Jahr mussten größere Warenmengen an die Sowjetunion geliefert werden, wodurch Exportartikel für den Westhandel fehlten. Die Planer konzentrierten sich auf die mengenmäßige Planerfüllung, was wichtiger war als die Wünsche der Verbraucher. So wurden beispielsweise noch Miniröcke produziert, als sie niemand mehr haben wollte, nur weil aus einem Stück Stoff mehr Minis als lange Röcke hergestellt werden konnten. Beim Hauptbetrieb für Zahnbürsten, der abbrannte, musste mit Mühe eine Million Zahnbürsten aus den „Bruderländern“ beschafft werden, was zu Hamsterkäufen führte, bis Westimporte Abhilfe schufen.
Ab 1976 wurden Industriebetriebe in „Mammut-Einheiten“ (Kombinate) zusammengefasst, was für die zentrale Planung günstig war, aber die Wettbewerbsfähigkeit nicht erhöhte. Unsinnige Produktionsverpflichtungen für Waren des täglichen Bedarfs mussten übernommen werden. Die Planmethoden wurden immer unmöglicher, je kritischer die Lage wurde. Der Plan wurde „ideologisiert“. Planverteidigungen wurden mit Aussagen wie „auf deinem Rechenschieber ist nicht die Kraft der Arbeiterklasse“ konfrontiert.
Die Wirtschaft der DDR in den 1970er Jahren, geprägt von Honeckers Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik, wurde auf Kredit finanziert. Westliche Ökonomen stellten Ende 1980 fest, dass die wirtschaftlichen Belastungen die Möglichkeiten der DDR überstiegen.
1981 kam ein unerwarteter Schock, als die Sowjetunion die Erdöllieferungen reduzierte. Dies war ein deutliches Signal einer ökonomischen Misere, da die Sowjetunion dringend Devisen brauchte. Überstürzt wurde wieder auf Braunkohle umgerüstet, was knappe Investitionsmittel band und zu starker Umweltbelastung führte; die DDR wurde zum größten Schwefeldioxidproduzenten Europas.
Ein zweiter Schock im selben Jahr war das Einfrieren internationaler Kredite für die DDR aufgrund der Zahlungsunfähigkeit Polens und Rumäniens. Es begann ein hektisches Krisenmanagement. Mangels wettbewerbsfähiger Produkte wich man auf den Export von Mineralölerzeugnissen in den Westen aus. Westimporte wurden gedrosselt. Entlastung bot der innerdeutsche Handel, der ohne Devisen auf Berechnungsbasis lief und sich als stabilste vertragliche Beziehung zwischen beiden Staaten erwies. Ab den 1970er Jahren kamen jährliche Finanztransfers aus der Bundesrepublik hinzu, was der DDR Vorteile verschaffte, die kein anderes RGW-Land hatte. Selbst das reichte nicht aus, und durch Vermittlung von Franz Josef Strauß wurden 1983/84 erstmals Milliardenkredite aus der Bundesrepublik gewährt, die die DDR international wieder kreditwürdig machten. Ohne diese Kredite wäre das Land nicht sofort zusammengebrochen, aber eine drastische Senkung des Lebensstandards wäre die Folge gewesen.
Die Sparpolitik traf Betriebe hart, Anlagen mussten weiterfahren, Ersatzteile fehlten. Dies führte zu einem rapiden Verfall der Arbeitsproduktivität, die 1983 nur noch bei 50 Prozent im Vergleich zur Bundesrepublik lag. Die DDR-Wirtschaft isolierte sich zunehmend, Wirtschaftsdaten waren geheim.
1986 fiel der Ölpreis, wodurch die DDR ein Drittel ihrer lebensnotwendigen Deviseneinnahmen verlor. Trotzdem hielt die Führung aus Prestigegründen an der überzogenen Subventionspolitik fest, die über 40 Prozent des Staatshaushalts verschlang. Hinzu kamen Militärausgaben und die teure Überwachung der Bevölkerung. Die Menschen hatten Geld, aber es gab wenig Lohnenswertes zu kaufen. Verkaufsläden waren oft leer, abgesehen von hochpreisigen Gütern wie Fernsehern oder Waschmaschinen. Intershop diente der Abschöpfung von Valuta, doch nur wer Westverwandtschaft oder Geld für den Schwarzmarktkurs hatte, konnte dort kaufen.
Absurde Entscheidungen der Bürokratie, wie das Stoppen des Baus einer Warmbandanlage im Stahlwerk Eisenhüttenstadt trotz bereits investierter Millionenbeträge, zeigten die Überlegenheit der „Politbürokratie über die Vernunft“. Das westliche Hightech-Embargo trieb die DDR in ein teures und letztlich erfolgloses Mikroelektronikprogramm.
Trotz des Wissens der Führung, dass ein Sieg des Sozialismus im Systemwettbewerb nicht möglich war, verkündeten sie noch wenige Wochen vor dem Mauerfall die wirtschaftliche Fortschrittlichkeit der DDR. Diese „Heuchelei“ und das Verhalten gegenüber den Bedürfnissen der Menschen werden als „verbrecherisch“ bezeichnet.
Die DDR-Bürger wurden in dieses Land hineingeboren, verrichteten ihre Arbeit, schimpften und freuten sich. Doch ihr Staat, ein Produkt des Kalten Krieges, löste sich auf, als der Wettbewerb der Systeme entschieden war. Obwohl stolz verkündet wurde, zu den zehn führenden Industrienationen zu gehören, standen die meisten Erfolge nur auf dem Papier. Die „Planlosigkeit der Planwirtschaft“ führte trotz der harten Arbeit von Millionen Menschen in die Pleite.
Die Menschen denken an sehr viel Arbeit zurück, die aber „nur vom Papier her“ erfüllt wurde und sehr hart gewesen sei. Heute klappe es wirtschaftlich noch nicht. Was einst „gut gemeint“ war, erwies sich als „eine Utopie“.