Am 7. Mai 1989 versammelten sich Hunderte Berliner und Gäste der Hauptstadt auf der Prachtallee Unter den Linden, um dem Großen Zapfenstreich der Nationalen Volksarmee (NVA) 1989 zum 40. Jahrestag der Deutschen Demokratischen Republik beizuwohnen. Der Schauplatz, die Neue Wache von Karl Friedrich Schinkel, diente seit Jahrzehnten als Mahnmal für die Opfer von Faschismus und Militarismus und bildete den würdigen Rahmen für eine Zeremonie, die in ihrer pathetischen Strenge und ritualisierten Ästhetik die Geschichte und Selbstinszenierung der DDR widerspiegelt.
Pünktlich um 20:00 Uhr ertönte der erste Hornstoß, als das Ehrenbataillon des Wachregiments „Friedrich Engels“ in makelloser Formation auf den Vorplatz trat. Gewehrschulter, Marsch! Die Schritte klangen präzise auf dem Kopfsteinpflaster, während das zentrale Orchester der NVA gemeinsam mit dem Stabsmusikkorps und dem Spielmannszug der Stadtkommandantur den Abend eröffnete. Im Scheinwerferlicht traten Armeegeneral Heinz Kessler und weitere hochrangige Repräsentanten der SED sowie Vertreter der Sowjetarmee hervor, um die Soldaten zu begrüßen.
In einer knappen Ansprache würdigte Kessler die Verdienste der Truppe: „Genossen Soldaten und Matrosen, Unteroffiziere und Fähnriche, ich beglückwünsche Sie zum 40. Jahrestag der Deutschen Demokratischen Republik.“ Die Worte hallten in der stillen Fassade der Neuen Wache wider, bevor das Gewehr abgelegt und die Musik erneut ansetzte. Mit einem feierlichen Fanfarenstoß begann der traditionelle Teil der Gedenkzeremonie: Präsentiert das Gewehr! Augen rechts! Fahnenkommando, im Exerzierschritt Marsch!
Die akustische Dramaturgie wogte zwischen Militärmarsch und sinfonischer Elegie. Mal steigerte sich das Tempo zu aufrüttelnden Rhythmen, mal senkten sich die Töne zu getragenen Trauermusiken, die den Opfern des Faschismus und Militarismus gedenken sollten. Ein Glockenschlag markierte den Übergang zum stillen Teil, in dem die Flaggen gesenkt und die Gewehre zum Salut emporgehoben wurden.
Den Höhepunkt bildete der Vorbeimarsch des Ehrenbataillons: In strengem Takt rückten die Uniformierten an den Ehrengästen vorbei, deren Blicke von Würde und Staatsraison zeugten. Unter ihnen sah man Günter Schabowski, Inge Lange und Berlins Oberbürgermeister Erhard Krack. Die sowjetischen Militärdelegierten, angeführt von Generaloberst Meussier, erinnerten an die enge Bündnistreue zur UdSSR.
Gegen 20:45 Uhr endete das Zeremoniell mit dem letzten klangvollen Takt des Musikkorps. Applaus erfüllte den Platz, ehe sich die Reihen lösten und die Besucher in die Abendluft strömten. Der Große Zapfenstreich der NVA 1989 zum 40. Jahrestag der DDR wurde so zum historischen Schauspiel: Ein Ritual aus Disziplin und Symbolik, das an die Glanzzeiten der DDR erinnerte und zugleich die Widersprüche eines Systems vor Augen führte, das nur wenige Monate später politisch ins Wanken geriet.