Gotha. Pünktlich zum 1250-jährigen Stadtjubiläum hat die Friedenstein Stiftung Gotha am 27. April 2025 die Sonderausstellung „GOTHA GENIAL?! – Geistesblitze und Dauerbrenner aus 1250 Jahren“ eröffnet. Bis zum 26. Oktober laden rund 180 Exponate im Ausstellungssaal des Herzoglichen Museums dazu ein, Gothas Geschichte nicht chronologisch abzuhandeln, sondern anhand großer Ideen und Errungenschaften zu erleben.
Schon beim Betreten der Halle wird klar: Zeit ist hier nicht linear. Statt Jahreszahlen führen Themeninseln durch das vielfältige Spektrum Gothas – von Schulreformen und Kartografie bis zu Industrieinnovationen und Vereinsleben. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den visionären Projekten des Landgrafen Ernst des Frommen, der Anfang des 18. Jahrhunderts ein neuartiges Klassensystem entwickelte. Seine Idee, Schüler nach Wissensstand statt Alter zu unterteilen, begegnet den Besuchern anhand eines historischen Globus und ergänzt um einen ausführlichen Katalogbeitrag von Dr. Zalatovsky.
Kuratorin Sonja Kulke betont: „Uns ging es darum, die kreativen Treiber hinter Gothas Entwicklung herauszuarbeiten. Jede Idee, die hier geboren wurde, prägt die Stadt noch heute.“ So ist neben der historischen Schulreform auch die Metallwarenindustrie prominent vertreten. Ob Bauhaus-Designerin Marianne Brandt mit ihrer berühmten Kugelbar oder die Haushaltswaren von Kallmeyer & Hayes – die Ausstellung zeigt, wie Gotha auf der Leipziger Messe glänzte.
Ein zweiter Schwerpunkt liegt auf dem gesellschaftlichen Leben: Unter einer schallisolierten Glocke können Besucher Audioaufnahmen aus verschiedenen Epochen lauschen – von Tagebuchpassagen zum 1. Mai in der NS-Zeit bis zu Beat-Kultur-Stücken der „Polars“. Interaktiv ist die Medienstation zum Vereinswesen: Ortsvereine wie der FSV Wacker stellen sich in einem digitalen Freundesbuch vor und laden selbst zum Mitmachen ein.
Mit einem Augenzwinkern hat man auch Zeitgenossen ins Bild gerückt: Eine lebensgroße Figur von Oberbürgermeister Knut Kreuch veranschaulicht den politischen Wandel seit der Wende, während die Kinder über die Schlossmaus Casimir auf Schatzsuche gehen. „Partizipation ist uns wichtig“, so Dr. Pfeiffer-Helke, Direktor der Stiftung, „denn wer selbst an Geräten drehen und Objekte entdecken darf, lernt am besten.“
Ebenfalls unerwartet: Gothas Bedeutung in der Astronomie. 1798 fand hier der erste internationale Astronomenkongress statt. Die frühe Sternwarte wirkte weit über die Region hinaus auf Kartografie und Vermessungswesen – ein Thema, das gerade bei jungen Besuchern für leuchtende Augen sorgt.
Für die Friedenstein Stiftung steht fest: Die Ausstellung soll in erster Linie die Bürgerinnen und Bürger Gothas erreichen und zu Botschaftern ihrer eigenen Geschichte werden. Am Thüringentag bietet sich ein perfekter Einstieg: Erst „GOTHA GENIAL?!“ besuchen, anschließend Stadt, Markt und Bratwurst genießen – und die Fülle an Ideen mit nach Hause nehmen.