Hochzeit im Sozialismus: Junge Paare in der DDR 1967

Am Samstagvormittag herrscht hektisches Treiben vor dem Standesamt Berlin‑Treptow. Dreizehn weitere Paare liegen schon „in den Startlöchern“, doch unsere Kameras begleiten drei Paare, die an diesem Tag den Bund fürs Leben schließen. Ein Blick auf Lebensentwürfe, Erwartungen und Hoffnungen junger Eheleute im sozialistischen Alltag.

1. Heinz‑Jürgen Strauß & Ingrid Blau
Heinz‑Jürgen, 25 Jahre alt und gelernter Schlosser bei VEB Kühlautomat, ist 1,90 m groß und plant, bald Ingenieur zu werden. Seine Verlobte Ingrid, 24, hat gerade ihr Meisterstudium im Abendkurs abgeschlossen und arbeitet als Textillaborantin. Kennengelernt haben sich beide vor fast fünf Jahren auf einer Ferienreise ans Schwarze Meer. Ein zufälliger Blick am Flughafen Schönefeld, ein Wiedersehen beim Fotoaustausch in Berlin – und schließlich die Einladung zu einem „Brigadeamt“, bei der der Funke endgültig übersprang.

In den Gesprächen zeigt sich: Studium und Arbeit gelten nicht als Belastung, sondern als gemeinsame Herausforderung. Ingrid und Heinz‑Jürgen betonen, wie sehr sie sich gegenseitig unterstützen. Sie sparen unabhängig voneinander, ohne vor der Hochzeit ihr Sparkonto zu enthüllen – eine Überraschung, die sie später gemeinsam begutachten werden. Das junge Paar ist überzeugt, dass Verständnis und gegenseitige Hilfe die Grundlage für eine gedeihliche Partnerschaft bilden.

2. Bernd Hermonait & Brigitte Broschai
Bernd, einst Fernmeldemechaniker in der Volksmarine, studiert nun Mineralogie an der Humboldt‑Universität. Brigitte, Fotolaborantin von Beruf, traf ihn in der S‑Bahn, als er sie spontan ins Theater einlud. Drei Jahre Militärdienst lagen zwischen ihnen – Vertrauen war für beide nie ein Thema.

In ihrer Einzimmer‑AWG‑Wohnung in Treptow haben sie bereits ein erstes Zuhause geschaffen. Die Frage nach Kindern beantworten sie mit dem Wunsch nach „eins bis zwei“, allerdings erst nach Abschluss des Studiums. Finanziell sorgt Brigitte für den Kaffee am Küchentisch, Bernd plant das gemeinsame Studium. Für beide steht fest: Perspektiven entstehen durch Bildung und gemeinsames Engagement – nicht zuletzt ein sozialistischer Anspruch.

3. Fritz Würbach & Veronika Eisler
Fritz, Mathematiklehrer in Quedlinburg und angehender Diplom‑Lehrer, will nach Berlin ziehen, um bei Veronikas Familie unterzukommen. Veronika studiert Nachrichtentechnik an der Ingenieurschule Dichtenberg. Ihr Kennenlernen begann ebenfalls im Urlaub – ein Missgeschick mit einem Brat­kartoffel­gericht ließ den Kontakt entstehen. Briefe folgten, Fritz zeichnete sich durch ruhiges Wesen und beständige Unterstützung aus.

Die beiden betonen Gleichberechtigung: Veronika soll ihr Studium genauso fortsetzen wie Fritz sein Mathematik‑Diplom. Küche und Haushalt sehen sie als gemeinsame Aufgabe. Über Standesunterschiede im Sinne alter Hierarchien machen sie sich keine Gedanken: Berufe verlieren im sozialistischen Alltag ihre trennende Wirkung, weil der Maßstab der Aufbau des neuen Lebens ist.

Zwischen Kuss und Asphaltstraße
Ob Schlosser und Laborantin, Fernmeldemechaniker und Fotolaborantin oder Mathematiklehrer und Ingenieurstudentin: Die Jugendlichen setzen auf Vertrauen, gegenseitige Hilfe und Weiterbildung. Die Hochzeit ist mehr als ein Fest – sie markiert den offiziellen Beginn eines gemeinsamen Weges, der nicht immer glatt sein wird, aber auf solidarischer Grundlage fußt. Am Standesamt Berlin‑Treptow hat man nicht nur unterschrieben, sondern sich auch mit einem Kuss gegenseitig Mut zugesprochen für das, was vor ihnen liegt: das Leben im Sozialismus mit seinen Chancen und Herausforderungen.

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