Berlin. Als am 26. Mai 1998 der Berliner Senat beschloss, das Olympiastadion zu sanieren, war das der vorläufige Schlusspunkt einer jahrelangen Debatte – und gleichzeitig der Auftakt zu einem der ambitioniertesten Bauprojekte der Hauptstadt nach der Wiedervereinigung. Die denkmalgerechte Modernisierung der Arena im Ortsteil Westend war ein politischer, finanzieller und architektonischer Drahtseilakt, der heute, mit 20 Jahren Abstand zur Wiedereröffnung, als bemerkenswerter Erfolg gelten darf.
Dabei war der Weg dorthin alles andere als gradlinig. Schon Anfang der 1990er Jahre wurde darüber gestritten, ob das 1936 eröffnete Stadion überhaupt noch eine Zukunft als Spielstätte haben sollte. Die einen wollten ein neues, reines Fußballstadion, tief in den Boden gegraben, dort, wo heute noch das Hockeystadion steht. Andere sahen im Olympiastadion ein Mahnmal deutscher Geschichte, das nicht angerührt werden sollte.
Doch die Bewerbung Deutschlands um die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 brachte neuen Schwung in die Debatte – und neue Anforderungen: Berlin sollte das Endspiel austragen, und das konnte unmöglich in einem bröckelnden Denkmal geschehen. Was folgte, war ein komplexer Entscheidungsprozess, bei dem politische Interessen, Denkmalschutz, sportliche Notwendigkeiten und finanzielle Realitäten miteinander rangen.
Wider alle Berliner Bauklischees
Dass der Umbau des Stadions letztlich im Zeit- und Kostenrahmen blieb, wirkt aus heutiger Sicht fast wie ein Wunder. Von Juli 2000 bis 2004 wurde das Stadion bei laufendem Betrieb modernisiert – ein logistisches Kunststück. Die Bauarbeiten mussten so getaktet werden, dass Hertha BSC seine Heimspiele austragen konnte und das DFB-Pokalfinale jährlich vor 70.000 Fans stattfinden durfte.
Die Pläne des Hamburger Architekturbüros Gerkan, Marg & Partner überzeugten: Der Oberring wurde saniert, der Unterring komplett neu gebaut und die historische Muschelkalk-Fassade aufwendig restauriert. Gleichzeitig entstand eine moderne Dachkonstruktion aus Stahl und lichtdurchlässiger Membran, die das gesamte Stadion überspannt. Eine seltene Balance aus Bewahrung und Erneuerung wurde erreicht.
Das Stadion als Spiegel der Stadt
Mit rund 473 Millionen D-Mark war die Modernisierung zwar teuer, aber rückblickend gut investiert. Heute ist das Olympiastadion eine multifunktionale Veranstaltungsstätte, die regelmäßig Schauplatz internationaler Sportereignisse, Konzerte, Festivals und kirchlicher Großveranstaltungen ist. Und auch wenn Hertha BSC seit Jahren über einen reinen Fußballtempel sinniert, bleibt die Realität: Das Stadion ist ein Identifikationsort – für die Stadt, für den Sport und für viele Berlinerinnen und Berliner.
Die Sanierung des Olympiastadions war damit nicht nur ein Bauprojekt, sondern ein Statement: für den behutsamen Umgang mit Geschichte, für eine moderne Infrastruktur – und für die Möglichkeit, dass in Berlin Großprojekte auch ohne Skandale und Kostenexplosion gelingen können. Ein seltenes, fast vergessenes Kapitel funktionierender Hauptstadtentwicklung. Es lohnt sich, es wieder aufzuschlagen.