Das 38-Seelen-Dorf Jamel, gelegen im Norden Mecklenburg-Vorpommerns, ist mehr als nur eine ländliche Idylle. Es gilt als Synonym für rechtsextreme Strukturen in Deutschland. In den letzten Jahren zogen gezielt Neonazis in das Dorf, machten es zur Hochburg ihres Gedankenguts und prägen das Leben dort mit offenen Parolen, Symbolen und Einschüchterung. Doch mitten in dieser als verloren geltenden Umgebung stehen zwei Menschen auf: das Künstler-Ehepaar Birgit und Horst Lohmeyer.
Seit ihrer Ankunft im Jahr 2004 kämpfen die Lohmeyers gegen eine Übermacht aus Rechtsextremismus und Hetze. Ihre Antwort: „Jamel rockt den Förster“, ein Musikfestival, das jährlich für Demokratie, Vielfalt und Solidarität eintritt. Unterstützt von bekannten Bands und Künstlern hat das Festival mittlerweile eine Strahlkraft erreicht, die weit über die Landesgrenzen hinausgeht. Doch der Weg dorthin war alles andere als einfach.
Das Leben im Schatten der Bedrohung
„Wir wollten ein ruhiges Leben auf dem Land führen und die Natur genießen“, erzählen die Lohmeyers. Was sie vor ihrer Ankunft nicht wussten: Jamel war bereits Ziel einer rechten Besiedlungsstrategie. Neonazis zogen systematisch in das Dorf, machten ihre Ideologie öffentlich sichtbar und übten Druck auf Andersdenkende aus.
Die Lohmeyers blieben trotz Drohungen und Isolation. Doch der Angriff auf ihre Scheune im Jahr 2015 markierte einen Wendepunkt. Der Brand, mutmaßlich von Unbekannten gelegt, zerstörte nicht nur einen Teil ihres Besitzes, sondern offenbarte die Gewaltbereitschaft, der sie tagtäglich ausgesetzt sind.
Musik als Widerstand: „Jamel rockt den Förster“
Trotz der Bedrohung gaben die Lohmeyers nicht auf. Sie riefen das Festival „Jamel rockt den Förster“ ins Leben, ein Signal gegen Rechtsextremismus. Was klein begann, entwickelte sich zu einem bedeutenden Symbol des Widerstands. Bereits in den ersten Jahren standen namhafte Bands wie Die Toten Hosen auf der Bühne. Ihnen folgten Künstler wie Kraftklub, Samy Deluxe, Die Ärzte, Herbert Grönemeyer, Die Fantastischen Vier und viele mehr.
„Wenn wir hier auftreten, dann nicht nur, um Musik zu machen, sondern um ein Zeichen zu setzen“, sagt Smudo von den Fantastischen Vier. Seine Worte fassen die Haltung vieler Beteiligter zusammen: Das Festival ist weit mehr als Unterhaltung – es ist ein Manifest für Demokratie.
Solidarität trifft auf Anfeindung
Der Einsatz für eine offene Gesellschaft bleibt jedoch nicht ohne Reaktionen. Neben den rechtsextremen Bewohnern des Dorfes werden die Lohmeyers und ihre Unterstützer immer wieder Ziel von Hass und Drohungen. Der Brandanschlag auf ihre Scheune ist nur einer von vielen Vorfällen. Doch die Solidarität von Künstlern und Besuchern gibt ihnen Kraft.
„Wir wollen den Menschen hier zeigen, dass sie nicht alleine sind“, erklärt ein Mitglied der Band Beatsteaks. Jährlich kommen Hunderte nach Jamel, um mit den Lohmeyers zu feiern, aber auch, um Flagge zu zeigen. Die Künstler verzichten auf Gagen und unterstützen das Festival, um eine klare Botschaft zu senden: Rechtsextremismus hat keinen Platz in unserer Gesellschaft.
Die Bedeutung von Jamel rockt den Förster
Das Festival ist längst ein Symbol geworden – für Widerstand, Gemeinschaft und die Kraft von Kultur. In einem Dorf, in dem Rechtsextreme versuchen, die Oberhand zu behalten, beweisen die Lohmeyers, dass Demokratie und Vielfalt nicht kampflos aufgegeben werden.
„Es geht nicht nur um die Musik“, betont Birgit Lohmeyer. „Es geht darum, den Menschen hier zu zeigen, dass sie nicht allein sind. Wir wollen Mut machen, den Mund aufzumachen und sich für eine offene Gesellschaft einzusetzen.“
Ein Kampf, der bleibt
Jamel ist ein Mikrokosmos, der die Herausforderungen Deutschlands im Umgang mit Rechtsextremismus spiegelt. Das Festival ist ein Beispiel dafür, wie Kultur als Werkzeug des Widerstands genutzt werden kann. Doch der Kampf der Lohmeyers ist noch nicht gewonnen.
Die Neonazis in Jamel versuchen weiterhin, das Dorf zu dominieren. Dennoch ist klar: Mit jedem Jahr, in dem „Jamel rockt den Förster“ stattfindet, wächst die Hoffnung auf Veränderung. Es zeigt, dass auch in der dunkelsten Umgebung ein Funke Solidarität eine Flamme der Hoffnung entzünden kann.
Das Dorf Jamel mag klein sein, aber der Mut und die Entschlossenheit der Lohmeyers haben es zu einem Symbol des Widerstands gegen Rechtsextremismus gemacht. Und dieser Kampf geht weiter – für Jamel, für Mecklenburg-Vorpommern und für eine demokratische Gesellschaft.