Hinter den Mauern der Automobilwerke in Zwickau und Eisenach entstanden Fahrzeuge, die das Straßenbild der DDR revolutioniert hätten, aber nie in Serie gingen. Während draußen der Zweitakter den Takt angab, planten Ingenieure längst moderne Viertakter und aerodynamische Karosserien, die oft direkt nach der Fertigstellung in dunklen Schubladen oder Abstellkammern endeten.
Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass der technologische Stillstand der DDR-Automobilindustrie auf dem Unvermögen ihrer Konstrukteure basierte. Im Gegenteil zeigt ein Blick in die Archive von Eisenach und Zwickau, dass der Erfindergeist gerade durch den Mangel beflügelt wurde. Man improvisierte mit Glasfaser und Polyester, schuf windschnittige Formen wie beim Rovomobil in einer Abrisswerkstatt und bewies, dass Innovation keine Frage des Budgets, sondern der Haltung war.
Besonders tragisch erscheint aus heutiger Sicht das Schicksal des Trabant P610. Dieses Fahrzeug war kein bloßes Hirngespinst, sondern ein fast serienreifer Nachfolger, entwickelt in Kooperation zwischen AWE und Sachsenring. Mit seinem Viertaktmotor und der modernen Fließheck-Optik hätte er den Vergleich mit westlichen Kleinwagen der späten 70er Jahre nicht scheuen müssen. Doch die politische Führung in Berlin entschied sich gegen den PKW und für den LKW-Bau, womit Millionen an Entwicklungsgeldern und Jahren an Arbeit entwertet wurden.
Auch abseits der großen Werke blühte der technische Ehrgeiz, oft getragen von der Jugend. Der Elsist, ein Elektro-Sicherheits-Stadtauto, entstand in einer Station junger Techniker und nahm die heutige Debatte um Elektromobilität um Jahrzehnte vorweg. Dass Jugendliche in Finsterwalde ein funktionierendes E-Auto bauten, während die Staatsführung stur am Verbrenner festhielt, zeugt von einer Diskrepanz zwischen der Basis und der Führung, die symptomatisch für die späten Jahre der Republik war.
Selbst die Wende brachte nicht sofort das Ende dieses innovativen Geistes, auch wenn die wirtschaftlichen Vorzeichen nun andere waren. Der Uni 1 und später der Trabant nT zeigten, dass die sächsische Automobiltradition nahtlos an moderne Konzepte wie Hybrid- und Elektroantriebe anknüpfen konnte. Doch nun war es nicht mehr das Politbüro, das bremste, sondern das fehlende Risikokapital in einer sich neu ordnenden Marktwirtschaft, die wenig Raum für ostdeutsche Eigenentwicklungen ließ.
Wenn man heute diese Prototypen in Museen betrachtet, sieht man nicht nur Autos, sondern materialisierte enttäuschte Hoffnungen. Sie sind Zeugen einer Parallelgeschichte, in der der Osten technisch auf Augenhöhe hätte agieren können. Diese Fahrzeuge erzählen von Ingenieuren, die ihre Arbeit machten, wohl wissend, dass sie vielleicht nie gesehen wird, und die dennoch bis zum Schluss versuchten, das Beste aus den begrenzten Möglichkeiten herauszuholen.
Die Geschichte der DDR-Prototypen ist somit auch eine Geschichte über die Verschwendung von menschlichem Potenzial. Es waren nicht die fehlenden Ideen, die das Land lähmten, sondern die starren Strukturen, die jede Abweichung vom Plan als Risiko und nicht als Chance begriffen. Was bleibt, ist der Respekt vor jenen, die trotz allem konstruierten, bauten und hofften, dass ihre Visionen eines Tages doch noch auf die Straße finden würden.