Berlin, 17. Dezember 2025 – Es ist ein Auftritt, der Stärke demonstrieren soll, aber vor allem die Fragilität der aktuellen Lage offenbart. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) skizzierte im ZDF-Interview „Was nun?“ eine Welt im Umbruch, in der alte Gewissheiten nicht mehr gelten.
Der außenpolitische Paukenschlag kam gleich zu Beginn: Ein möglicher Waffenstillstand in der Ukraine, abgesichert durch US-Sicherheitsgarantien. Merz verkauft das „Einfrieren“ des Konflikts entlang der aktuellen Frontlinie als Erfolg westlicher Diplomatie. Dass Kiew dafür faktisch auf Gebiete verzichten muss, umschreibt der Kanzler als „schmerzhafte Realität“. Es ist der Versuch, Realpolitik als Sieg zu verkaufen – eine Wette darauf, dass Donald Trump Wort hält und Europa nicht allein lässt.
Doch während Merz auf der Weltbühne den Staatsmann gibt, bröckelt es an der Heimatfront. Die Wirtschaft ist ungeduldig. BDI-Kritik an der schleppenden Energiepolitik wehrte Merz defensiv ab: Schuld seien Brüssel und das Erbe der Ampel-Regierung. Diese Argumentation verfängt im zweiten Regierungsjahr jedoch immer weniger. Besonders beim Reizthema Rente zeigt sich der Riss durch die Koalition. Der geplante Umbau hin zur Kapitaldeckung stockt, die SPD bremst. Merz‘ Appell an „Geduld“ klingt angesichts der drängenden Probleme fast flehentlich.
Am bedrohlichsten wirkt jedoch der Blick nach Osten. Mit prognostizierten 40 Prozent für die AfD in Sachsen-Anhalt steht das politische System der neuen Bundesländer vor einer Zerreißprobe. Merz‘ Strategie bleibt die der strikten Ausgrenzung, angelehnt an das „Brandenburger Modell“ der Polarisierung. Doch ob diese Taktik bei solchen Werten noch greift, ist fraglich. Der Kanzler wirkt hier weniger als Gestalter, sondern als Getriebener einer Welle, die er nicht zu brechen vermag.
Friedrich Merz geht „ausgeruht“ ins neue Jahr, wie er sagt. Er wird die Kraft brauchen. 2026 soll das „wichtigste Reformjahr“ werden. Scheitert er, droht nicht nur das Ende der Koalition, sondern eine tiefe Krise der politischen Mitte – besonders im Osten.