Berlin. Es ist ein Bild für die Abendnachrichten: Franziska Brantner steht im Haus der Bundespressekonferenz, in der Hand ein Stück Papier, das sie mit ernster Miene in die Kameras hält. Doch es ist kein Gesetzentwurf und kein Wahlprogramm. „Das hier“, sagt die Grünen-Politikerin mit scharfer Stimme, „das ist die Scheidungsurkunde von Donald Trump mit Europa.“
An diesem 9. Dezember 2025, einen Tag nach der Veröffentlichung der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie des designierten US-Präsidenten, schalten die Grünen endgültig in den Angriffsmodus. Die Botschaft ist klar: Die Zeit der diplomatischen Floskeln ist vorbei. Trumps „neue Liebe“, so Brantner sarkastisch, heiße Wladimir Putin. Für Europa und die Bundesregierung bedeute dies: Aufwachen.
Frontalangriff auf den Kanzler
Dass die Grünen Donald Trump kritisieren, ist keine Nachricht. Die politische Sprengkraft der Pressekonferenz liegt in der Härte, mit der Brantner den amtierenden Bundeskanzler Friedrich Merz attackiert. Die Oppositionsführerin zeichnet das Bild eines Kanzlers, der im weltpolitischen Sturm abgetaucht ist. „Die Bundesregierung scheint immer noch im Snooze-Modus zu sein“, ätzt Brantner.
Sie erinnert genüsslich an die Wahlkampfversprechen des CDU-Chefs. „Herr Merz hat immer gesagt: Ab Tag eins sende ich den Taurus“, zitiert Brantner den Kanzler. Nun, da er im Amt sei, höre man: Schweigen. Auch beim europäischen Rüstungsprojekt FCAS, das Merz als Priorität ausgegeben hatte, herrsche Stillstand. Die Strategie der Grünen ist offensichtlich: Sie wollen Merz dort treffen, wo er sich selbst am stärksten wähnt – in der Außen- und Sicherheitspolitik. Wer Sicherheit will, so das Framing, darf sich nicht auf einen zaudernden Kanzler verlassen, sondern braucht eine emanzipierte europäische Antwort.
Brantners Forderungskatalog ist umfassend: Ein Europäischer Sicherheitsrat, die Durchsetzung einer Digitalsteuer gegen US-Tech-Giganten und die konsequente Nutzung eingefrorener russischer Vermögen für die Ukraine. „Es kann doch nicht sein, dass die Amerikaner über diese Milliarden verfügen wollen, um ihren eigenen Wohlstand zu mehren“, warnt sie mit Blick auf Trumps Pläne.
Innenpolitischer Rundumschlag
Doch nicht nur außenpolitisch teilt Brantner aus. Auch innenpolitisch nimmt sie die Regierung ins Visier. Anlass ist die angekündigte Erhöhung der Krankenkassenzusatzbeiträge, die nun die Marke von drei Prozent durchbrechen sollen. Brantner wirft der zuständigen Ministerin „Vabanque-Spiel“ vor. Versprechen seien gebrochen, Reformen verschlafen worden. Die Leidtragenden seien Millionen Versicherte, die am Ende weniger Netto vom Brutto hätten.
Beim Thema Rente zeigt sich die Partei differenziert, aber angriffslustig. Die Debatte um eine „Rente nach 45 Beitragsjahren“, die von Teilen der Koalition (im Video als „Frau Bars“ referenziert) angestoßen wurde, bezeichnet Brantner als „verstolpert“. Statt „jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf zu treiben“, brauche es ein Gesamtkonzept. Interessant hierbei: Die Grünen halten an der Idee einer Kapitaldeckung der Rente fest – ein Erbe der gescheiterten Ampel-Koalition, das Brantner als „Gamechanger“ bezeichnet, der leider nicht vollendet wurde. Ein Bürgerfonds nach schwedischem Vorbild soll die Lösung sein, nicht eine bloße Erhöhung des Renteneintrittsalters oder eine Aufweichung der Absicherung.
Ein Signal aus dem Norden
Zum Ende der Pressekonferenz erlaubt sich Brantner dann doch noch ein Lächeln. Der Sieg von Samir Yilmaz bei der Oberbürgermeisterwahl in Kiel am Vortag dient ihr als Beweis, dass grüne Politik auch in schwierigen Zeiten mehrheitsfähig ist. Es ist ein „Signal vom echten Norden“, das den Grünen in Berlin Mut machen soll.
Das Fazit dieses Vormittags: Die Grünen präsentieren sich als die Partei der Konzepte und der europäischen Härte, während sie die Regierung Merz als getrieben und wortbrüchig darstellen. Ob die Wähler diese Erzählung kaufen oder ob die Angst vor der geopolitischen Lage den Kanzler eher stärkt, bleibt abzuwarten. Doch eines hat Franziska Brantner klargestellt: Eine „Scheidung“ von den USA wird ohne einen Rosenkrieg in Berlin nicht ablaufen.