MAGDEBURG. Es ist ein sonniger Wintermorgen in Magdeburg, als Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) und sein Wissenschaftsminister Armin Willingmann (SPD) vor die Landespresse treten. Doch die Zahlen, die sie im Gepäck haben, zeichnen das Bild eines Bundeslandes, über dem dunkle Wolken hängen – zumindest in den Köpfen der Menschen. Der „Sachsen-Anhalt-Monitor 2025“ liegt vor, und er offenbart einen tiefen Riss, der sich durch die Gemütslage zwischen Arendsee und Zeitz zieht.
Das zentrale Ergebnis der Studie gleicht einem psychologischen Befund: Den Menschen in Sachsen-Anhalt geht es gut – aber sie glauben, dass alles schlechter wird. Die persönliche Lebenszufriedenheit verharrt auf einem bemerkenswert hohen Niveau. Die Arbeitslosigkeit ist vergleichsweise niedrig, die Reallöhne sind in den letzten Jahren gestiegen. „Wir haben uns diesen Wohlstand hart erarbeitet“, betont Haseloff, und es klingt wie eine Beschwörung der ostdeutschen Lebensleistung.
Doch sobald der Blick über den eigenen Gartenzaun schweift, kippt die Stimmung. 83 Prozent der Befragten äußern die Angst, künftig nicht mehr in Frieden leben zu können. 44 Prozent fühlen sich von den globalen Entwicklungen – Digitalisierung, Migration, Kriege – schlichtweg überfordert. Es ist die Rückkehr der „Ost-Angst“, jener spezifischen Unsicherheit einer Gesellschaft, die in 35 Jahren mehr Umbrüche erlebt hat als der Westen in 70.
Die fragilen Demokraten
Besonders alarmierend für die „Deutschlandkoalition“ in Magdeburg ist der Befund zur Demokratie. Zwar bekennt sich eine Mehrheit zur Demokratie als Staatsform, doch die Bindung ist brüchig. 54 Prozent der Sachsen-Anhalter klassifiziert die Studie als „fragile Demokraten“. Das sind Menschen, die das System nicht per se ablehnen, aber tief enttäuscht von dessen Output sind. Menschen, die erreichbar sind – aber eben auch verführbar.
Willingmann, der als Wissenschaftsminister für die Studie verantwortlich zeichnet, warnt vor falschen Schlüssen. Der harte Kern derer, die ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild haben, liege stabil unter zehn Prozent. Doch die Grauzone ist riesig. Über die Hälfte der Befragten stimmt ausländerfeindlichen Aussagen zu oder hält den Islam für rückständig. Hier zeigt sich das Erbe einer homogenen Gesellschaft, die sich schwer damit tut, Heterogenität als Normalität zu akzeptieren.
Haseloffs Balanceakt
Für Reiner Haseloff ist dieser Termin ein Heimspiel und Minenfeld zugleich. Er, der dienstälteste Ministerpräsident, hat seine Popularität darauf aufgebaut, die ostdeutsche Seele zu streicheln und gleichzeitig väterlich zu ermahnen. Er deutet die Überforderung als verständliche Reaktion auf eine Welt im Wandel, warnt aber davor, den Rattenfängern von den Rändern auf den Leim zu gehen. „Wir dürfen uns unser Land nicht schlechtreden lassen“, ist sein Mantra.
Die politische Strategie dahinter ist klar: Die Landesregierung versucht, die Deutungshoheit über die Krise zurückzugewinnen. Indem man die Angst statistisch erfasst und benennt, will man sie den Populisten entreißen. Die Botschaft: Wir wissen, dass ihr Angst habt. Wir nehmen das ernst. Aber die Antwort ist nicht der Systemumsturz, sondern harte Arbeit an der Resilienz.
Ob diese Botschaft in den Plattenbauten von Halle-Neustadt oder den Dörfern der Altmark ankommt, bleibt offen. Der Monitor 2025 zeigt ein Land im Wartestand. Zufrieden mit dem Erreichten, aber panisch vor dem, was kommt. Es ist dieses typisch ostdeutsche Paradoxon, das auch das Wahljahr 2025/2026 bestimmen wird. Die Menschen wollen, dass alles so bleibt, wie es ist – und wählen dafür oft jene, die alles ändern wollen.