In einer Debatte, die eigentlich die sicherheitspolitische Zukunft Deutschlands und die Struktur der Bundeswehr behandeln sollte, nutzte die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag das Podium für eine Generalabrechnung mit dem politischen Establishment. Die Rede offenbart eine rhetorische Strategie, die geschickt drastische Schockbilder mit einer kulturkämpferischen Absage an den modernen deutschen Staat verknüpft und sich dabei weniger an parlamentarischen Gepflogenheiten als an der Mobilisierung der eigenen Basis orientiert.
Der Einstieg der Rede ist bemerkenswert aggressiv und emotionalisierend konzipiert. Anstatt über geopolitische Notwendigkeiten oder Personalstärken der Truppe zu sprechen, setzt der Redner auf eine explizite „Rhetorik des Schocks“. Mit detaillierten, fast voyeuristischen Schilderungen von Kriegsverletzungen – von abgerissenen Gliedmaßen bis hin zu verbrennenden Soldaten in Panzern – zielt der Abgeordnete direkt auf die emotionale Ebene der Zuhörer, insbesondere der Eltern und Großeltern. Diese drastische Visualisierung erfüllt eine klare Funktion: Sie dient dazu, jede rationale Diskussion über Verteidigungsfähigkeit im Keim zu ersticken. Wer in diesem Kontext Kriegstüchtigkeit fordert, so die Suggestion, fordert den qualvollen Tod der eigenen Kinder. Damit wird eine moralische Fallhöhe aufgebaut, die Befürworter der Wehrpflicht indirekt als gefühllose Zyniker darstellt, die bereit sind, die Jugend zu opfern.
Ein weiteres zentrales Element dieser populistischen Rhetorik ist die Konstruktion eines Gegensatzes zwischen dem „Volk“ und einer vermeintlich korrupten Elite. Das etablierte Parteienspektrum wird pauschal als „Parteienkartell“ diffamiert, dem der Redner eine „Kriegslüsternheit“ vorwirft. Hierbei bedient er sich einer klassischen Täter-Opfer-Umkehr im Kontext des Ukraine-Krieges, indem nicht der militärische Aggressor thematisiert wird, sondern die deutsche Politik, die durch ihre Unterstützung angeblich den Krieg erst fördere.
Besonders aufschlussreich ist die Begründung, warum die Jugend diesen Staat nicht verteidigen wolle. An dieser Stelle verlässt der Redner das Feld der Sicherheitspolitik vollends und eröffnet den Kulturkampf. Die Auflistung der Ablehnungsgründe liest sich wie ein Kompendium neurechter Kampfbegriffe: „Drag Queen Auftritte“ werden als Symbol für einen angeblichen moralischen Verfall und eine verfehlte Genderpolitik angeführt, während der Begriff „Schuldstolz“ die deutsche Erinnerungskultur angreift. Mit der Formulierung „fremd im eigenen Land“ wird zudem ein klarer Verweis auf ethnopluralistische Ideologien und die Ablehnung von Migration gemacht. Durch diese Aufzählung wird der Bundesrepublik in ihrer jetzigen Verfasstheit die Legitimität abgesprochen. Die radikale Botschaft lautet: Dieser Staat ist es in seiner aktuellen Form nicht wert, verteidigt zu werden.
Das Fazit der Rede enthält schließlich den strategischen Kern der AfD-Positionierung: die Konditionalisierung der Loyalität. Der Redner formuliert die Bedingung, dass Loyalität und Wehrbereitschaft nur einem „Staat für die Deutschen“ geschuldet seien. Dies markiert eine deutliche Abkehr vom Verfassungspatriotismus, der sich auf das Grundgesetz und demokratische Werte bezieht, hin zu einem völkisch definierten Patriotismus. Die Forderung, die Politik müsse zuerst ihre „Pflicht gegenüber dem eigenen Volk“ erfüllen, bevor sie Pflichten von der Jugend einfordern könne, impliziert, dass die aktuelle Regierung nicht im Sinne des Volkes handele und somit keinen Anspruch auf die Loyalität der Bürger habe.
Zusammenfassend ist die Rede weniger ein konstruktiver Beitrag zur Wehrpflichtdebatte als vielmehr eine fundamentalistische Ablehnung des aktuellen politischen Systems. Die AfD nutzt das sensible Thema „Krieg und Frieden“, um sich als einzige wahre „Friedenspartei“ zu inszenieren, während sie gleichzeitig die Institutionen des Staates delegitimiert. Durch die geschickte Verknüpfung von pazifistischen Tönen mit harter rechter Ideologie versucht die Partei, sowohl besorgte Bürger als auch ihr radikales Stammklientel gleichermaßen zu bedienen.