Es gab in der DDR viele Stimmen, aber nur wenige hatten die Kraft, das Schweigen zu brechen. Tamara Danz war eine davon. Mit ihrer Band Silly sang sie sich nicht nur in die Hitlisten, sondern in die Herzen all jener, die zwischen Anpassung und Aufbruch lebten. Ihre rauchige Stimme, ihre kompromisslose Haltung und ihr unerschütterlicher Sinn für Gerechtigkeit machten sie zur Verkörperung eines anderen, mutigeren Ostens.
Tamara Danz war keine Heldin im klassischen Sinn, sondern eine, die einfach nicht anders konnte. Aufgewachsen in einem Diplomatenhaushalt, lernte sie früh die Sprache der Macht – und entschied sich, eine andere zu sprechen. Nach dem Prager Frühling 1968 brach sie mit der Ideologie, die ihr vermittelt worden war. Sie verließ den Oktoberclub, den FDJ-Vorzeigechor, weil sie keine Parolen singen wollte. Stattdessen schrieb sie ihre eigene Partitur – voller Zweifel, Stolz und Widerstand.
Mit Silly wurde sie zur Ikone der 1980er Jahre. Alben wie Mont Klamott oder Zwischen unbefahrenen Gleisen erzählten vom Alltag im Sozialismus – poetisch, verschlüsselt, gefährlich nah an der Wahrheit. Die Fans lasen zwischen den Zeilen, was nicht gesagt werden durfte. Wenn Danz sang: „Alles wird besser, nichts wird gut“, verstand jeder, was gemeint war. Zensur war für sie keine Mauer, sondern ein kreativer Gegner. Lieder wurden verboten, umbenannt, gestrichen – und doch fanden sie ihren Weg ins Publikum.
Als die DDR in den letzten Zügen lag, wurde ihre Musik politischer, direkter. Das Album Februar erschien 1989 – ein Werk voller Vorahnungen, voller Mut. „Verlorene Kinder“ klang wie eine Botschaft an ein Land im Aufbruch. Und als im Herbst 1989 die Straßen bebten, stand Tamara Danz mit anderen Musikerinnen in der Berliner Erlöserkirche auf der Bühne – ein Benefizkonzert für die Opfer staatlicher Gewalt. Sie hatte keine Angst.
Nach der Wende blieb sie unbequem. Sie sang gegen Brandanschläge und Hass, kämpfte für eine kulturelle Eigenständigkeit des Ostens, produzierte Hurensöhne in Eigenregie, weil westdeutsche Labels ihre Texte für „nicht verkäuflich“ hielten.
Tamara Danz starb 1996, viel zu früh. Aber sie hinterließ etwas, das keine Zensur und kein Markt verdrängen kann: das Gefühl, dass Musik Haltung haben darf – und dass eine Frau den Ton angeben kann, auch wenn es unbequem wird.
„Wo die Lieder sterben, da sterbe auch ich.“
Ein Satz, der bleibt. Und eine Stimme, die nie wirklich verstummt ist.