Rostock/Danzig – Sie war ein Stück Rostocker Stadtgeschichte, ein Symbol für die Seefahrtstradition der DDR und ein Zuhause auf Zeit für tausende Seeleute und Besucher: die MS Georg Büchner. Doch das Leben des eindrucksvollen Schiffes fand am 30. Mai 2013 ein jähes und tragisches Ende, als sie auf dem Weg zur Verschrottung vor der polnischen Ostseeküste nahe Danzig sank. Ein trauriges Kapitel deutscher Schifffahrtsgeschichte schloss sich damit.
Die Georg Büchner, ursprünglich 1951 oder 1952 in Antwerpen, Belgien, als Passagier- und Frachtschiff „Charlville“ gebaut, diente 15 Jahre lang im Kolonialverkehr zwischen Belgien und dem Kongo. Als „ein einzigartiges Stück Schiffsgeschichte“ wurde sie 1967 von der DDR gekauft und nach Rostock gebracht. Hier erhielt sie ihren neuen Namen und wurde zum Ausbildungsort für die Deutsche Seereederei. Fast 14.000 oder rund 14.000 Seeleute erlernten auf ihren Planken das Handwerk. Die Grundausbildung auf der Büchner galt als harte Schule und Feuertaufe, die Disziplin und Ordnung lehrte. Zehn Jahre lang fuhr sie die Route Rostock-Kuba-Rostock, transportierte Landwirtschaftstechnik nach Havanna und Zucker sowie Rum zurück.
Nach dem Ende der Karibikreisen 1977 wurde das Schiff in Rostock-Schmal festgemacht und diente als stationärer Ausbildungsort und Betriebsberufsschule bis 1989. Ein belgischer Elektriker, George Bogard, der viele Jahre auf der Charlville gearbeitet hatte, machte sogar die Überführung nach Rostock 1967 mit. Rostocks Hafenkapitän Gisbert Ruhnke gehörte ebenfalls zu den Seeleuten, die auf der Büchner ausgebildet wurden.
Seit 2001 lag die Georg Büchner im Rostocker Stadthafen und wurde von einem Trägerverein als Jugendherberge und Hotel betrieben. Trotz jahrelanger Bemühungen des Vereins, das Schiff zu erhalten, wurden die finanziellen Schwierigkeiten zu groß. Fehlende Einnahmen, unter anderem durch den Weggang eines Hauptmieters, machten den Betrieb unwirtschaftlich. Das Schiff als „Schiff“ zu erhalten, war neben der Einrichtung der Jugendherberge einfach zu teuer. Geschätzte 5 Millionen Euro wären für den Erhalt nötig gewesen.
Im Jahr 2012 meldete der Trägerverein Insolvenz an. Es folgte der Verkauf. Zunächst kursierten Gerüchte, sie werde zur Verschrottung nach Litauen gebracht. Der Hafenkapitän Gisbert Ruhnke äußerte damals, das Schiff sei zum Verkauf angeboten worden, und der Käufer entscheide, ob es verschrottet werde. Man ging davon aus, dass die Verschrottung wahrscheinlich sei, da das Schiff alt war und hohe Kosten für eine Herrichtung verursachte.
Zu diesem Zeitpunkt formierte sich Widerstand in der Rostocker Bevölkerung. Auch aus Belgien gab es Interesse an einer Rettung. Experten aus Antwerpen meldeten Interesse an, das Schiff vor der Verschrottung zu bewahren und es nach Antwerpen zurückzuholen, wo es gebaut wurde. Professor Erik van Heudong von der Gesellschaft für maritimes Erbe Belgiens setzte sich für die Rettung ein und nannte das Schiff ein „Schmuckstück“, dessen Verschrottung eine Schande wäre. Die Belgier waren in konstantem Kontakt mit potenziellen Sponsoren und wollten das Schiff besichtigen.
Doch die Situation war komplex. Das Schiff war bereits an einen russischen Schrotthändler verkauft, und die juristische Lage war verfahren. Hinzu kam, dass die Georg Büchner auf der Denkmalliste der Stadt Rostock stand. Veränderungen am Schiff oder ein Ortswechsel waren genehmigungspflichtig. Offensichtlich wurde versäumt, rechtzeitig die Streichung von der Denkmalliste zu beantragen. Der Eigentümer, der Förderverein Traditionsschiff, reichte die nötigen Unterlagen erst sehr spät ein. Das Amt für Kultur und Denkmalpflege forderte, dass das Schiff im Hafen bleiben müsse, bis über den Denkmalschutz entschieden sei.
Die Hansestadt Rostock hatte zuvor auf Antrag des Oberbürgermeisters Roland Methling auf ihr Vorkaufsrecht verzichtet. Begründung waren zu hohe Kosten für Erwerb und Erhalt. Diesem Antrag wurde zugestimmt, da niemand wusste, dass das Schiff unter Denkmalschutz stand. Andernfalls hätte die Stadt es für nur einen Euro als städtischen Besitz zurückholen können, anstatt der geschätzten 750.000 Euro. Vom letztendlichen Verkaufserlös von rund 740.000 Euro landeten nur 90.000 Euro bei der Stadt, die nun der Pflege des maritimen Erbes zugutekommen sollen.
Trotz zahlreicher Bekundungen zur Rettung fehlte es an umsetzbaren Konzepten. Die Vorbereitungen für den Verkauf liefen an Bord unbeirrt weiter. Am 28. Mai 2013 verließ die Georg Büchner, geschleppt vom polnischen Schlepper Ajax, den Rostocker Stadthafen Richtung Klaipeda. Zwei Tage später sank sie.
Das Ende der Georg Büchner sorgt noch immer für Ärger. Der Fall wird auch nach Klärung der Ursachen für das Sinken ein Thema bleiben. Die Meinungen und Vorschläge der Bürger sollten in die Entscheidungsfindung für ein maritimes Erlebniszentrum einfließen, meinen einige.
Doch die Erinnerung lebt weiter. Auf dem Traditionsschiff MS Dresden ist die Georg Büchner „museal“ wieder aufgetaucht. Eine Sonderausstellung, die mit reger Beteiligung eröffnete, zeigt die Geschichte des Schiffes von seinem ersten Leben bis zum Untergang. Seeleute und ehemalige Besatzungsmitglieder haben die Ausstellung unterstützt und Erinnerungsstücke zusammengetragen. Die Ausstellung auf der MS Dresden ist täglich außer montags von 10 bis 16 Uhr zu sehen und soll nach und nach erweitert werden. Erinnerungen an die Georg Büchner sind weiterhin willkommen.