Corona-Soforthilfen: Kleine Unternehmen kämpfen gegen Rückzahlungsforderungen

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Fünf Jahre nach dem ersten Lockdown sehen sich viele kleine und mittelständische Unternehmen unerwarteten Rückzahlungsforderungen für die während der Corona-Pandemie erhaltenen Soforthilfen gegenüber. Was damals als unbürokratischer Zuschuss zur Existenzsicherung angepriesen wurde, entwickelt sich nun für viele zum finanziellen Todesstoß. Betroffene fühlen sich betrogen und sprechen von Wortbruch der Politik.

Ursprünglich als Zuschuss deklariert
Während der Pandemie mussten viele Geschäfte wochenlang schließen, die Einnahmen brachen weg. Die sogenannten Corona-Soforthilfen sollten schnell und unbürokratisch helfen. Olaf Scholz, damals Finanzminister, versicherte, es handele sich um Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssten. Auch heute noch ist auf den Seiten der Bundesregierung zu lesen, dass die Hilfen in Höhe von insgesamt 50 Milliarden Euro ein Zuschuss waren, kein Kredit.

Die harte Realität der Rückforderungen
Doch die Realität sieht anders aus. Der Bund hat die Bundesländer aufgefordert zu prüfen, ob die gezahlten Hilfen berechtigt waren. Überall in Sachsen flattern Rückzahlungsbescheide ins Haus. Friseurmeister Christian Schneider, der seinen Laden in Dresden mit vier Mitarbeitern wegen der Lockdowns aufgeben musste und heute allein arbeitet, soll die gesamten 9.000 Euro erhaltene Hilfe zurückzahlen. Er hatte das Geld beantragt, als er seinen Laden im Frühjahr 2020 für etwa sechs Wochen schließen musste. Zusätzlich nahm er einen Kredit von über 17.000 Euro von seinem Bruder auf, den er mühsam abzahlte.

Angeblich kein Liquiditätsengpass
Die Begründung für die Rückforderung ist für viele Unternehmer unverständlich. Laut Schlussbescheid der SAB-Bank in Sachsen, die das Verfahren durchführt, hätte sich Christian Schneiders Liquiditätsengpass von 30.000 auf null reduziert. Das bedeutet, trotz Schließung und wegfallender Einnahmen soll angeblich keine finanzielle Notlage bestanden haben. Schneider empfindet das als Wahnsinn und fühlt sich „verarscht“. Er meint, die Rückforderung bringe ihn nun in eine Insolvenzlage, die die Hilfe damals eigentlich abwenden sollte – es sei nur eine Verschleppung.

Ähnlich ergeht es einer Buchhändlerin aus Großrörsdorf. Auch sie soll 9.000 Euro zurückzahlen, weil angeblich kein Liquiditätsengpass vorlag. Sie wird ihren Laden, für den sie die Hilfe erhielt, im Juni schließen, da er sich seit Corona nicht mehr rechnet. Rücklagen zur Rückzahlung hat sie nicht.

Nicht anerkannte Kosten erhöhen die Last
Ein wesentlicher Punkt der Frustration ist, dass viele Ausgaben, die während des Stillstands anfielen, bei der Rückzahlungsprüfung nicht geltend gemacht werden durften. Dazu zählen:

• Der eigene Lohn des Unternehmers.
• Ausgaben für Kranken- und Rentenversicherung des Unternehmers.
• Kosten für geringfügig Beschäftigte.

Die Buchhändlerin konnte ihre geringfügig Beschäftigten nicht in Kurzarbeit schicken und brauchte Personal, um beispielsweise Pakete als Hermes-Shop entgegenzunehmen und auszugeben, obwohl sie keine Bücher verkaufen durfte. Diese Personalkosten wurden nicht akzeptiert. Die SAB begründet dies damit, dass der Unternehmerlohn nach bundeseinheitlichen Vorgaben von Beginn an nicht unterstützungsfähig war. Selbstständige hätten stattdessen damals Hartz 4 beantragen sollen, um ihre Existenz zu sichern. Viele Unternehmer sehen darin eine fehlende Logik, da sowohl Soforthilfe als auch Hartz 4 staatliche Gelder seien, aber aus unterschiedlichen Töpfen kämen und unterschiedlich behandelt würden.

Widersprüche und Klagen nehmen zu
Die betroffenen Unternehmer wehren sich. Sandra Kretschmar und Christian Schneider haben Widerspruch eingelegt. In Sachsen liegen bereits etwa 900 Widersprüche vor, und die Zahl könnte steigen, da noch 43.000 Fälle offen sind. In Sachsen-Anhalt gibt es derzeit 392 Klagen. In Thüringen liegen keine Angaben vor.

Erfolge vor Gericht in anderen Bundesländern
In Baden-Württemberg, wo Rückforderungen bereits 2021 eingeleitet wurden, sind die Unternehmer einen Schritt weiter. Es gab 21.700 Widersprüche und bereits 1.600 Klagen. Friseurmeister Holger Scher aus Heidenheim klagte gegen eine Rückforderung von rund 10.400 Euro, weil er das Geld angeblich nicht richtig verwendet hatte. Das Verwaltungsgericht Stuttgart gab ihm recht und entschied, dass er nichts zurückzahlen muss. Das Gericht bestätigte die korrekte Verwendung des Geldes und nachgewiesene Umsatzeinbrüche. Auch in anderen Fällen haben Verwaltungsgerichte in Baden-Württemberg entschieden, dass Unternehmer das Geld nicht zurückzahlen müssen. Diese Urteile sind allerdings noch nicht rechtskräftig, da das Land in Berufung gegangen ist, um Rechtssicherheit zu schaffen.

Ein wegweisendes Urteil in Nordrhein-Westfalen
Ein wichtiges Beispiel ist Nordrhein-Westfalen. Auch hier wurde das Geld bereits 2021 zurückgefordert. Insgesamt 3.590 Unternehmer klagten erfolgreich dagegen. Das zuständige Oberverwaltungsgericht entschied 2024, dass die Rückforderung rechtswidrig war. Das Land wurde verpflichtet, ein neues Rückmeldeverfahren durchzuführen. Diese Korrektur brachte wesentliche Verbesserungen für die Gewerbetreibenden: Einzelunternehmer und Soloselbstständige konnten nach dem Gerichtserfolg ihre Lebenshaltungskosten, wie Krankenversicherung, Rentenversicherung und private Miete, mit einsetzen. Die meisten Unternehmer konnten dadurch ihre Rückzahlung reduzieren oder ganz auf null setzen.

Ungleichbehandlung bei bereits erfolgten Zahlungen
Trotz der Erfolge vor Gericht bleibt eine Ungerechtigkeit bestehen. Diejenigen, die bereits zurückgezahlt haben, wie Christine Leibner aus Hamm, erhalten ihr Geld nicht zurück, obwohl das Gericht die Rückforderung als rechtswidrig einstufte. Sie musste für die geforderten 7.000 Euro als Jungunternehmerin einen Kredit aufnehmen und zahlt diesen immer noch ab. Sie fühlt sich benachteiligt im Vergleich zu Klägern, die nun die Möglichkeit eines neuen Rückmeldeverfahrens haben. Sie hofft auf ein erneutes Musterverfahren, um diese Ungleichbehandlung zu beseitigen, was jedoch Jahre dauern kann.

Der Weg für sächsische Unternehmer
Für die Unternehmer in Sachsen steht all dies noch bevor. Es bestehe eine Ungleichbehandlung, da in manchen Ländern der Unternehmerlohn angerechnet werden könne, in Sachsen aber nicht. Das Bundeswirtschaftsministerium teilt dazu mit, dass bei dieser Frage die Ermessensausübung bei den Ländern liege. Das bedeutet wohl, dass die sächsischen Unternehmer sich, ähnlich wie ihre Kollegen in NRW und Baden-Württemberg, durch die Instanzen klagen müssen.

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