In Jena wird gern über das Klima gesprochen. An jeder Ecke im Stadtrat, bei jeder Pressekonferenz, in jedem Ausschuss: „Klimaschutz ist wichtig!“ – so lautet das Mantra. Es wird beschlossen, beratschlagt, geplant. Kataloge von Beschlussempfehlungen wandern durch die Gremien, eine eigene Klimaagentur wurde gegründet, und das Ziel der Klimaneutralität bis 2035 steht wie ein Monolith im politischen Raum.
Doch während auf dem Papier die grüne Transformation Gestalt annimmt, sieht die Realität auf den Straßen ganz anders aus. Ausgerechnet dem Jenaer Nahverkehr, dem Rückgrat einer klimafreundlichen Stadt, drohen Einschnitte. Einsparungen, Streichungen, Ausdünnung des Angebots – alles aus Kostengründen.
Wie passt das zusammen? Die Antwort: gar nicht.
Der öffentliche Nahverkehr ist nicht irgendein Posten, den man nach Belieben zusammenkürzen kann. Er ist zentraler Baustein jeder ernst gemeinten Klimapolitik. Wer wirklich will, dass Menschen aufs Auto verzichten, muss Alternativen bieten. Und zwar bezahlbare, zuverlässige, eng getaktete Alternativen. Dass nun ausgerechnet am Jenaer Nahverkehr der Rotstift angesetzt wird, klingt wie ein schlechter Scherz – oder schlimmer: wie ein Offenbarungseid.
Der Widerspruch ist offensichtlich. Nach außen wird ein klimapolitisches Vorzeigeprojekt inszeniert – doch innen drin bröckelt die Glaubwürdigkeit. Es wirkt, als fehle der politische Wille, sich ehrlich zu machen. Man redet von klimaneutraler Stadtentwicklung, während gleichzeitig Strukturen zerschlagen werden, die genau diese Entwicklung ermöglichen sollen.
Wollen wir wirklich eine Stadt, in der das Auto verdammt wird, aber der Bus nicht mehr fährt? Wo Fußgänger und Radfahrer das Stadtbild prägen, aber bei Wind und Wetter mangels Alternativen frierend zur Arbeit radeln? Ist das die Vision für Jena im Jahr 2035? Ein Hoch auf dieses Konzept in einer Stadt mit Industrie, Forschung und Wissenschaft – wo die Menschen mobil sein müssen.
Es braucht jetzt keine neuen Konzepte, sondern Ehrlichkeit. Entweder wir nehmen den Klimaschutz ernst – mit allen Konsequenzen, auch finanziellen – oder wir hören auf, ihn als politisches Feigenblatt zu benutzen. Denn Klimaschutz beginnt nicht mit einem Leitantrag oder der nächsten PR-Kampagne. Er beginnt mit der Entscheidung, den Menschen eine echte Alternative zum Auto zu bieten. Und das fängt beim Nahverkehr an. Nicht morgen. Heute.