Rostock‑Warnemünde. Mit einem Paukenschlag macht der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz das ehemalige Gelände der VO‑Werften in Rostock zum neuen Dreh- und Angelpunkt für die Offshore‑Energiewende. Auf dem „Rostock Offshore Quartier“ (ROQ) sollen ab 2028 alle Fäden zur Steuerung und Wartung von Windparks in der Ostsee – und später der Nordsee – zusammenlaufen. Für das Prestigeprojekt fließen rund 90 Millionen Euro, die den Bau von Leitstellen, Logistikflächen und einem Marine Control Center finanzieren.
Ein Meilenstein für die Energiewende an der Küste
Das ROQ wird als dritter großer Standort von 50Hertz neben Hamburg und Frankfurt fungieren. Geplant sind hochmoderne Fernleitstellen, von denen aus die Umspannwerke auf See rund um die Uhr gesteuert werden. In einem angeschlossenen Marine Control Center werden Schiffe und Hubschrauber disponiert, die bei Störungen oder Wartungsarbeiten zwischen Land und Windfarm pendeln.
„Rostock bietet durch seine maritime Tradition und die Nähe zur Ostsee ideale Bedingungen für unser Offshore‑Kompetenzzentrum“, sagt Ulrich Joswig, Leiter Offshore‑Netzanbindung bei 50Hertz. „Mit unserer Investition schaffen wir nicht nur essentielle Infrastruktur, sondern auch 140 neue Arbeitsplätze – hochqualifizierte Kräfte sind im Offshore‑Betrieb gefragt.“
Vom Schlickplatz zum Hightech‑Campus
Das Großvorhaben steht jedoch vor einer ökologischen und logistischen Mammutaufgabe: Die Sanierung von Altlasten auf dem Werftgelände und im Hafenbecken. Nach Schätzungen müssen rund 65 000 m³ kontaminierter Boden und Sedimente abgetragen und fachgerecht entsorgt werden. Hinzu kommen der Rückbau alter Hallen und die vorsichtige Umsiedlung geschützter Fledermauspopulationen. Bund, Land und Stadt arbeiten eng mit 50Hertz zusammen, um alle behördlichen Auflagen fristgerecht zu erfüllen.
Die Architekten von Bastmann & Zavracky haben ein Konzept vorgelegt, das Nachhaltigkeit und „New Work“-Prinzipien vereint: Großzügige, lichtdurchflutete Büroflächen, energieeffiziente Gebäudetechnik mit Wärmerückgewinnung und begrünte Dächer für Regenwassermanagement sollen ein positives Arbeitsumfeld schaffen. Logistik- und Lagerhallen werden räumlich getrennt, um Betriebsabläufe zu optimieren und Verkehrsaufkommen in der Umgebung zu reduzieren.
Regionale Impulse und Fachkräfteoffensive
Die Landesregierung Mecklenburg‑Vorpommerns unterstützt das Projekt nicht nur ideell, sondern auch finanziell im Rahmen ihrer Strategie für grüne Küstenindustrien. Wirtschaftsministerin Silke Brombach betont: „Mit 50Hertz holen wir einen Leuchtturm der Energiewende an die Küste. Das ROQ erzeugt wertvolle Synergien für Hafenwirtschaft, Handwerk und Zulieferindustrie.“
Tatsächlich dürfte das Kompetenzzentrum zum Katalysator für das maritime Cluster in Rostock werden. Kabelzüge, Spezialboote, Montagekomponenten und IT‑Dienstleistungen – die Bandbreite der Zulieferbranche im Norden Deutschlands ist groß. Mit Perspektiven für junge Fachkräfte und attraktiven Gehältern könnte Rostock zum Hotspot der Offshore‑Technologie avancieren.
Ein Blick nach vorn
50Hertz plant, seine Gesamtinvestitionen in die Energiewende innerhalb der kommenden fünf Jahre auf knapp 25 Milliarden Euro auszuweiten. Schwerpunkte sind dabei der zügige Ausbau von Offshore‑Anbindungen und die Errichtung leistungsstarker Gleichstromverbindungen quer durchs Land. Das ROQ fügt sich nahtlos in diese Strategie: Als dritter Kontrollstandort stärkt es die Resilienz des Netzes, senkt Ausfallzeiten und beschleunigt die Inbetriebnahme neuer Windparks.
Bis 2028 liegen allerdings noch aufwendige Bauphasen, viele behördliche Genehmigungen und umfangreiche Bodenarbeiten vor dem Team in Rostock. Doch der Wille ist groß: „Wir sehen hier nicht nur ein Bauprojekt, wir sehen einen Wandel in der deutschen Energieversorgung“, resümiert Joswig. „Rostock wird zum Herzstück unserer Offshore‑Mission – und zum Symbol für eine nachhaltige Zukunft an der Küste.“