Provokation auf dem Elbe-Day: Russlands Botschafter sorgt für diplomatischen Eklat in Thorgau

Thorgau/Sachsen. Zum 80. Jahrestag des historischen „Hands­chlags an der Elbe“ versammelten sich heute mehrere Hundert Bürgerinnen und Bürger in Thorgau, um an das Treffen sowjetischer und amerikanischer Soldaten am 25. April 1945 zu erinnern. Doch statt reiner Gedenk­stimmung dominierte zunächst ein diplomatischer Zwischenfall die Veranstaltung: Der russische Botschafter Sergej Nechayev legte seinen Kranz auffällig zentral am Ehrenmal nieder – entgegen der zuvor mit den Veranstaltern vereinbarten Platzierung.

Streit um die Platzordnung
Thorgaus Bürgermeister Henrik Simon kritisierte das Vorgehen als bewusst medienwirksame Grenz­überschreitung: „Wir hatten als Veranstalter die Plätze eindeutig festgelegt – doch die russische Botschaft hat das eigenmächtig geändert. Eine leichte Grenz­überschreitung, die wir sofort wieder korrigiert haben.“ Die Position des russischen Kranzes wurde umgehend an den ursprünglich vorgesehenen Randplatz verschoben.

Abgesagte Teilnahme von Bundeswehr und US-Vertretern
Bereits im Vorfeld hatte die Einladung Nechayevs zu Spannungen geführt: Mit Blick auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine sagten die Bundes­wehr ihre Teilnahme ab, US-Vertreter blieben der Veranstaltung ganz fern. Eine Rede des Botschafters wurde offiziell nicht genehmigt – dennoch nahm Nechayev in traditioneller Militär­uniform am Gedenken teil und betonte in fließendem Deutsch: „Wir gedenken der gefallenen Soldaten, dieser Tag ist für Russland von großer Bedeutung.“

Erinnerung und Mahnung in einem Atemzug
Trotz des Eklats stand das Hauptaugenmerk vieler Gäste weiterhin auf dem Friedensgedanken. „Es ist ein Tag der Erinnerung und der Mahnung zugleich“, sagte eine Besucherin. „Nie wieder Krieg, nie wieder Diktatur – gerade in Zeiten wie diesen müssen wir beides verbinden.“ Auch Sachsens Minister­präsident Michael Kretschmer nutzte seine Rede, um die historische Bedeutung des Elbe-Days ins Verhältnis zur aktuellen Lage zu setzen: „Wir können diesen Jahrestag nicht losgelöst von Russlands Krieg gegen die Ukraine betrachten. Es liegt an Russland, diesen Krieg zu beenden.“

Zivilgesellschaft im Mittelpunkt
Die Veranstaltung, organisiert von lokalen Vereinen und Ehren­amtlichen, verstand sich bewusst als „Tag der Zivilgesellschaft“. Neben Simon und Kretschmer trugen Regional­bischof, Vertreter der Stiftung Sächsische Gedenkstätten und Abgeordnete verschiedener Fraktionen Redebeiträge bei. Simon hob die Rolle der Bürger hervor: „Dieser Tag lebt von den Menschen hier in Thorgau. Wir wollten zeigen, dass Erinnerungskultur von unten kommt.“

Ein historischer Moment im neuen Kontext
Der Elbe-Day 1945 markierte das Ende der national­sozialistischen Diktatur und gilt weltweit als Symbol für Versöhnung. Acht Jahrzehnte später jedoch wirft der Konflikt in der Ukraine einen Schatten auf das Gedenken. Während manche im Besuch des russischen Botschafters einen letzten Rest von Hoffnung auf Dialog sehen, empfinden andere dessen Anwesenheit als Widerspruch: Wie passt ein Kranz des Angreiferstaates auf einer Friedens­veranstaltung?

Am Ende aber überwog die Erinnerung an den historischen Handschlag am Elbufer: In Thorgau flossen erneut deutsch-russische und deutsch-amerikanische Stimmen zusammen – zwar unter neuen Vorzeichen, doch mit demselben eindringlichen Appell: Frieden ist kein Selbstgänger und verlangt immer wieder zu mahnen, zu erinnern und sich der eigenen Verantwortung bewusst zu bleiben.

Beitrag finden? Einfach die Suche nutzen!