Weißenfels/Sachsen-Anhalt. Vom 12. bis 14. April 1945 rückte die 69. US-Infanteriedivision in Weißenfels ein und läutete damit das Ende der Kriegshandlungen und den Fall des Faschismus in der Saalestadt ein. Im Jahr 2025 jährt sich dieser entscheidende Moment zum 80. Mal, und die Ausstellung „80 Jahre Kriegsende: Weißenfels im April 1945“ im Rathaus (Markt 1) widmet sich den bewegenden Schicksalen jener Tage.
Zeitzeugen erzählen – Eine persönliche Erinnerung
Einer der zentralen Stimmen der Ausstellung ist Inge Karger, ehemalige Lehrerin der Beutelschule. In einem eindrucksvollen Gespräch schildert sie ihre Erlebnisse aus der letzten Kriegszeit. „Ich erinnere mich, wie ich aus dem Garten hörte: Hilfe, Hilfe!“, berichtet Karger und erinnert sich an den Augenblick, als ein amerikanischer Soldat einem Hilferuf folgte. Trotz ihres unsicheren Englisch gelang es ihr, in dieser dramatischen Situation zu helfen – ein Moment, der ihr in lebhafter Erinnerung geblieben ist.
Die Zeit vor der Befreiung war geprägt von Unsicherheit und Angst. Schon vor dem Eintreffen der Amerikaner kam es zu Hilferufen an Haustüren, die den Bürgern das Ausmaß der Verzweiflung vor Augen führten. Karger erinnert sich an Szenen, in denen auch der Volkssturm aktiv wurde – ein Spiegelbild der chaotischen und gefühllosen Zustände jener Tage.
Zwischen Befreiung und Angst – der Alltag in den letzten Kriegstagen
Der Alltag in Weißenfels war von Symbolen des Widerstands und der Hoffnung geprägt. So wurden etwa weiße Bettlaken – einst als Spannbettlaken genutzt – in Streifen gerissen und als Friedenszeichen vor den Fenstern angebracht. Trotz der ständigen Bedrohung durch Bombenalarme und eingeschlagene Granaten blieb die Zerstörung in der Stadt im Vergleich zu anderen Kriegsgebieten relativ gering.
Ein weiterer, von Karger geschilderter Aspekt war das Verhalten der Besatzungstruppen. Während amerikanische Soldaten von Haus zu Haus gingen, um nach verbliebenen Wehrmachtsangehörigen zu suchen, wurde weitgehend darauf verzichtet, systematisch zu plündern. Dies hinterließ in den Überlebenden den Eindruck, dass inmitten der Verwüstung ein Funken Humanität aufblitzte – wenn auch nicht ungetrübt von moralischen Dilemmata, wie Karger kritisch anmerkt, als manche deutsche Frauen zu schnell den Soldaten Zigaretten oder Schokolade anboten.
Neue Ängste in einer veränderten Welt
Die Befreiung brachte zwar Erleichterung, doch das Ende der deutschen Herrschaft wurde rasch durch die Ankunft sowjetischer Truppen abgelöst. Die veränderte Besatzungssituation löste bei vielen, so auch bei Karger, neue Ängste aus. Die junge Lehrerin, die bereits in den Kriegsjahren als Aushilfslehrerin tätig war, musste zudem den abrupten Übergang in eine entnazifizierte Lehrkarriere meistern – ein persönlicher Balanceakt zwischen Vergangenheit und Neuanfang.
Ein Ort der Erinnerung und Mahnung
Die Ausstellung im Rathaus Weißenfels lädt Besucher ein, sich mit dieser bewegten Zeit auseinanderzusetzen. Sie dokumentiert nicht nur die militärische Befreiung, sondern auch die individuellen Schicksale und den mutigen Alltag der Menschen, die den Krieg überlebten. Mit Berichten wie denen von Inge Karger wird der facettenreiche Weg von Leid, Angst und letztlich der Hoffnung auf eine friedlichere Zukunft nachvollziehbar.
Anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung wird in Weißenfels eindrucksvoll gezeigt, dass das Erinnern an die Vergangenheit ein wichtiger Schritt ist, um den Opfern von Krieg, Gewalt und Unterdrückung gerecht zu werden – und Lehren für die Zukunft zu ziehen.