Aktuelle Haushaltslage der Hanse- und Universitätsstadt Rostock


MV/Rostock. Die bundesweite Krise der Kommunalfinanzen ist auch in Rostock angekommen. Steigende Soziallasten bei stagnierenden Steuereinnahmen bedrohen mittelfristig die Handlungsfähigkeit der Stadt. Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger und Finanzsenator Dr. Chris von Wrycz Rekowski haben jetzt die Bürgerschaft über die Hintergründe dieser Entwicklung und den Ernst der Lage informiert. Sie bekennen sich dabei deutlich zur Eigenverantwortung der Stadt, richten aber auch klare Forderungen an Land und Bund, die Städte und Gemeinden als Basis unseres Gemeinwesens endlich strukturell auskömmlich zu finanzieren, um eine Erosion der Lebensqualität und des sozialen Zusammenhalts vor Ort zu verhindern.

Die Hanse- und Universitätsstadt Rostock stellt sich damit hinter die Argumentation des Deutschen Städtetags. Dessen Präsident, der Münsteraner Oberbürgermeister Markus Lewe, fasst die Ursachen der kommunalen Finanzsorgen wie folgt zusammen: „Das hat viele strukturelle Gründe, ist aber kein selbstverschuldetes Problem der Städte. Die Sozialausgaben, auf die wir kaum Einfluss haben, laufen uns davon. Außerdem weisen Bund und Länder uns immer mehr Aufgaben zu, die nicht ausfinanziert sind.“

Krise der Kommunalfinanzen hat auch Rostock erreicht
Die Auswirkungen der gesamtwirtschaftlichen Verwerfungen der letzten Jahre -hervorgerufen durch Inflation und Ukraine-Krieg – treffen die
Kommunen aktuell mit voller Wucht. In diesem Jahr wird fast keine Stadt in Deutschland mehr einen echten ausgeglichenen Haushalt vorlegen können.

Auch für die Hanse- und Universitätsstadt Rostock ist vor diesem Hintergrund eine rasante Verschlechterung der finanziellen Lage zu konstatieren: Während in den letzten 17 Jahren durch regelmäßige Haushaltsüberschüsse Altschulden von rund 220 Mio. Euro abgebaut werden konnten, verkehrt sich diese Entwicklung nunmehr drastisch ins Gegenteil. Lag das Jahresergebnis 2023 noch bei – 9,9 Mio. Euro, betrug das vorläufige Jahresergebnis 2024 bereits – 40,9 Mio. Euro. Die jetzt für 2026 und 2027 geplanten unterjährigen Salden von jeweils rund – 60 Mio. Euro lassen das kumulierte Gesamtdefizit aus der laufenden Verwaltungstätigkeit bis zum Jahresende 2027 auf rund -130 Mio. Euro anwachsen. Innerhalb von drei Haushaltsjahren würden somit erneut Kassenkredite angehäuft, deren Höhe die fiskalische Handlungsfähigkeit der Stadt ernsthaft bedroht.

Sozialleistungen binden Großteil des Stadthaushaltes
Maßgebliche Ursache dieser Entwicklung sind die stark steigenden Auszahlungen für soziale Transferleistungen, die bundes- bzw. landesgesetzlich geregelt sind. Hier bestehen Ansprüche der jeweiligen Leistungsberechtigten, die rechtlich zwingend zu erfüllen sind und die seitens der Kommune nicht beeinflusst werden können. Diese Sozialausgaben werden zwar von Bund und Länder zugewiesen, aber nicht ausfinanziert. Zusammen mit der anhaltenden Wachstumsschwäche führt das zur völligen Überlastung der kommunalen Haushalte. So sind die laufenden Auszahlungen im Teilhaushalt Soziales und Teilhabe (z.B. Eingliederungshilfe, Hilfe zur Pflege) seit 2018 um jährlich durchschnittlich sieben Prozent gewachsen.

Im Teilhaushalt Jugend (z.B. Kita, Jugend- und Familienhilfe) betrug der Kostenzuwachs in diesem Zeitraum sogar 10,5 Prozent pro Jahr. Es liegt auf der Hand, dass die Entwicklung der städtischen Einnahmen mit diesen hohen Kostenzuwächsen nicht schritthalten kann.

Allein auf die Aufgaben im Bereich Jugend und Soziales entfielen im Jahr 2024 rund 50 Prozent der Gesamtauszahlungen der Hanse- und Universitätsstadt Rostock. Der Zuschussbedarf, also der von Bund und Land nicht refinanzierte Anteil, den die Stadt selbst aufbringen musste, betrug im Jahr 2024 rund 183 Mio. Euro. Damit werden bereits zwei Drittel des städtischen Steueraufkommens im Jahr 2024 (insgesamt 275,1 Mio. Euro) von Aufgaben aufgezehrt, über deren Art und Umfang allein in Berlin oder Schwerin entschieden wird.

Haushaltsausgleich ist aus eigener Kraft nicht erreichbar
Dazu Dr. Chris von Wrycz Rekowski, Senator für Finanzen, Digitalisierung und Ordnung: „Natürlich tun wir im Rahmen unserer
Möglichkeiten alles, um gegenzusteuern. Wir begrenzen den Personalbestand der Verwaltung, wir schauen sehr kritisch auf Ausgaben, wir haben geplante Maßnahmen bereits verschoben und das gilt genauso für Wünsche der Verwaltung und der Stadtgesellschaft. Wir gehen sehr sorgsam mit dem Geld der Steuerzahler um. Aber wir leiden unter Gesetzen, die wir nicht gemacht haben. Aufgaben und Leistungen, die Bund und Land beschließen, müssen auch von diesen Ebenen ausfinanziert werden.“

Die tatsächlichen Möglichkeiten einer Kommune, Kosten einzusparen und Erträge zu erhöhen, sind sehr beschränkt. Das benötigte Personal, die genutzten Räumlichkeiten oder der Verbrauch an Material und Energie lassen sich nicht beliebig senken, wenn die zahlreichen Aufgaben der Stadt weiterhin erfüllt werden sollen. Trotzdem werden entsprechende kostendämpfende Sofortmaßnahmen aktuell in allen Verwaltungsbereichen eingeleitet. Es wird jedoch unmöglich sein, den Rostocker Stadthaushalt allein auf diesem Weg zurück ins Gleichgewicht zu bringen. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen bleiben der Stadt somit nur noch zwei Optionen: Harte Einschnitte in die freiwilligen Leistungen oder der Weg in die neuerliche Verschuldung der Stadt.

Freiwilliger Bereich darf nicht kaputtgespart werden
Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger positioniert sich hierzu eindeutig: „Die Kommunen sind der Ort, an dem wir das Funktionieren des Staates unmittelbar erleben. Wenn wir nicht mehr in der Lage sind, Schwimmbäder, Bibliotheken und Jugendclubs offen und attraktiv zu halten, sinkt das Vertrauen in den Staat und die Demokratie gerät weiter unter Druck. Auch die Brücke und das neue Theater setzen wichtige Impulse für die Stadt. Deshalb lehne ich Kürzungen in den freiwilligen Leistungen und Vorhaben unserer Stadt klar ab. Wir brauchen stattdessen eine grundsätzliche Neuordnung der Kommunalfinanzen, damit unsere Städte lebens- und liebenswert bleiben.“

Bundesregierung muss Kommunen jetzt entlasten
Nötig ist dafür erstens eine dauerhafte und dynamisierte Entlastung bei den Sozialkosten, z.B. über eine Erhöhung des kommunalen Anteils an der Einkommens- und Umsatzsteuer. Zweitens müssen entsprechende Reformen ausdrücklich auch die Stärkung der Investitionskraft der Städte und Gemeinden beinhalten. Denn die bestehende Unterfinanzierung führt schon seit Jahren immer wieder dazu, dass wichtige Investitionsprojekte und Aufgaben im freiwilligen Bereich nicht durchgeführt werden konnten. Ein Abbau des gravierenden Investitionsstaus ist der Hanse- und Universitätsstadt Rostock trotz der seit 2020 landesgesetzlich gewährten Infrastrukturpauschale nicht möglich. Und auch wichtige Transformationsprozesse wie z.B. der Aus- und Umbau des ÖPNV, die Umstellung der Wärmeversorgung oder die Klimafolgenanpassung können unter diesen Bedingungen nicht oder nur zu langsam in die Umsetzung gelangen. Deshalb muss die strukturelle Verbesserung der Kommunalfinanzen in den Koalitionsverhandlungen in Berlin dringend mit vereinbart werden.

Oberbürgermeisterin will Gespräche mit Land und Bürgerschaft suchen „Wir wollen gestalten und dafür brauchen wir finanzielle Kraft. Ich
erwarte deshalb, dass wir als die Stadt die Beinfreiheit bekommen, weiter zu investieren. Notwendige Schulden können wir als Stadt machen, sofern man es uns denn erlaubt. Was in Berlin für Verteidigungsausgaben geht, muss auch in Rostock für die Lebensqualität gehen! Darüber möchten wir auch mit der Landesregierung sprechen. In schwierigen Zeiten bitten wir um Zusammenarbeit, vor allem hoffen wir auf das gemeinsame Wirken in der Bürgerschaft. Ein paar ältere Mitglieder kennen die Probleme beim Sparen noch aus vergangenen Zeiten. Aber die neueren Kommunalpolitiker stehen vor der Herausforderung, sich mit der neuen Lage erst anfreunden zu müssen. Politik machen unter Sparzwang ist nicht immer freudvoll, dennoch sollten wir gemeinsam nach Lösungen suchen“, so die Oberbürgermeisterin.

Tips, Hinweise oder Anregungen an Arne Petrich

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