Der Leipziger Reaktor-Unfall von 1942: Ein gefährlicher Einsatz ohne Vorbereitung

Am 12. März 1942 ereignete sich in Leipzig ein Vorfall, der heute als „Leipziger Reaktor-Unfall“ in die Geschichte eingegangen ist. Was damals wie ein gewöhnlicher Brandnotruf in einer Universität begann, entpuppte sich schnell als eine gefährliche Katastrophe, bei der die Feuerwehr auf eine Bedrohung stieß, auf die sie niemals vorbereitet war: ein Brand in einem geheimen Labor mit Uran und radioaktiven Materialien.

Es war ein gewöhnlicher Nachmittag, als die Feuerschutzpolizei in der Leipziger Südfeuerwache gegen 18 Uhr den Notruf erhielt. Es wurde ein Brand an der Universität Leipzig gemeldet, im Physikalischen Institut in der Linnéstraße. Nichts deutete darauf hin, dass der Einsatz weit über die üblichen Löscharbeiten hinausgehen würde. 22 Feuerwehrmänner machten sich sofort auf den Weg – ausgerüstet für einen ganz normalen Brand, ohne jegliche Erfahrung mit den Gefahren, die sie dort erwarten würden.

Bei ihrer Ankunft waren die Einsatzkräfte völlig ahnungslos, was sie erwarten würde. Es handelte sich nicht um einen gewöhnlichen Laborbrand, sondern um das Feuern einer Uranmaschine, die brennendes Uran als Teil eines experimentellen Projekts beinhaltete. Die Feuerwehrleute, ausgestattet mit Schutzkleidung und Atemmasken, waren für einen solchen Einsatz völlig unvorbereitet. Sie gingen ohne jegliche Schutzausrüstung in die Nähe des Brandes – eine Entscheidung, die schwerwiegende Folgen haben könnte.

„Wir wussten nicht, mit was wir es zu tun hatten“, erinnert sich ein ehemaliger Feuerwehrmann. „Es gab keine Erfahrung im Umgang mit Uran. Niemand hatte uns auf diesen Moment vorbereitet.“

Die Gefahren, denen die Feuerwehrmänner ausgesetzt waren, waren viel schwerwiegender als zunächst angenommen. Während die Strahlung des nicht angereicherten Urans nicht extrem gefährlich war, stellten die giftigen Urandämpfe und die Inhalation von alpha-strahlenden Partikeln ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar. Diese Partikel könnten bei Inhalation in den Lungengeweben Schaden anrichten. Doch die größten Gefahren gingen nicht nur von der Strahlung aus, sondern auch von den wiederholten Funken, die das Labor erneut in Brand setzten und es durch den hohen Druck in der Uranmaschine immer wieder gefährdeten.

Der Löscheinsatz zog sich über zwei Tage hin, da herkömmliche Löschmethoden versagten. Wasser konnte das Feuer nicht unter Kontrolle bringen, also versuchte man, die Flammen mit feuchten Decken zu dämpfen – ohne Erfolg. Erst als man begann, Eiweißschaum zu verwenden, konnte das Feuer schrittweise eingedämmt werden. Der Schaum, zusammengesetzt aus tierischen Proteinen, erwies sich als eine geeignete Lösung, um den Brand zu ersticken und das Labor zu sichern.

Ob bei diesem Einsatz tatsächlich Menschen zu Schaden kamen, bleibt bis heute unklar. Die Einsatzprotokolle der Feuerwehr wurden während des Krieges vernichtet, sodass keine detaillierten Aufzeichnungen vorliegen. Doch es ist anzunehmen, dass die Feuerwehrleute, die in unmittelbare Nähe der radioaktiven Materialien kamen, ein erhöhtes Risiko für langfristige Gesundheitsschäden hatten.

Der Leipziger Reaktor-Unfall von 1942 war ein prägender Moment in der Geschichte der Atomforschung und des Katastrophenschutzes. Es zeigte auf dramatische Weise, wie wenig die Gesellschaft damals über die Gefahren der Atomtechnologie wusste und wie unvorbereitet die Rettungskräfte auf den Umgang mit solchen Risiken waren. Der Unfall blieb lange Zeit ein Geheimnis, und erst Jahre später wurde das volle Ausmaß der Gefahr bekannt.

Dieser Vorfall ist ein frühes Beispiel für die Herausforderungen, die mit der Entdeckung und Nutzung von Atomenergie verbunden sind. Und er erinnert uns daran, wie wichtig es ist, auf solche Gefahren vorbereitet zu sein – für die Wissenschaftler, die die Technologien entwickeln, aber auch für die Feuerwehrleute, die im Ernstfall als erste reagieren müssen.