1979, mitten im Kalten Krieg, plante West-Berlin ein kühnes architektonisches Projekt – ein Raumschiff – als Antwort auf den Palast der Republik im Osten. Mit Kosten von einer Milliarde Mark wurde es zum teuersten Gebäude der Stadt seit dem Zweiten Weltkrieg. Bei der Eröffnung erklärte Bundespräsident Walter Scheel, es werde die Pyramiden von Gizeh überdauern.
Ein Bauprojekt als politisches Statement
In den 1970er Jahren, als West-Berlin als isolierter Hoffnungsträger im Schatten der Mauer lebte, sollte das Internationale Kongresszentrum (ICC) mehr als nur ein Veranstaltungsort werden. Es war der architektonische Mittelfinger an die sozialistischen Großprojekte des Ostens – ein eindrucksvoller Beweis, dass Demokratie, Kapitalismus und Innovation selbst in einer politisch isolierten Stadt triumphieren können. Mit seinem futuristischen Design und gigantischen Ausmaßen prägte es fortan die Skyline der Stadt und wurde zu einem ikonischen Symbol Berlins.
Futuristische Technik und beeindruckende Architektur
Das ICC war ein Wunderwerk seiner Zeit. Die Konstruktion bestand aus zwei voneinander getrennten Strukturen: Ein massiver Betonkoloss, auf elastischen Gummilagern errichtet, der akustisch und strukturell vor den lärmenden Verkehrsadern Berlins schützen sollte, und eine schützende Stahlhülle, die das Gebäude umschloss. Zwei der größten Konferenzsäle hingen scheinbar schwerelos von der Decke, getragen von einem Netz aus massiven Stahlträgern. Dieses Design ermöglichte nicht nur perfekte Akustik, sondern sorgte auch für ein futuristisches Ambiente, das an die Kinoleinwände von Science-Fiction-Klassikern erinnerte.
Glanz, Krise und schwindende Relevanz
Nach der feierlichen Eröffnung avancierte das ICC schnell zum Herzstück der westdeutschen Metropole. Es war ein Ort, an dem Politik, Wirtschaft und Kultur sich trafen. Trotz seines umstrittenen Designs entwickelte sich das Bauwerk zu einem ikonischen Symbol Berlins – eine Mischung aus Techno-Kultur, historischer Bedeutung und der komplexen politischen Landschaft der Stadt.
Doch mit der Wiedervereinigung und dem Ende des Kalten Krieges änderte sich die Rolle des Gebäudes. Die einst moderne Technik veraltete, hohe Betriebskosten und immer wiederkehrende Reparaturen machten eine Sanierung unumgänglich. Der Fund von Asbest versetzte dem ICC den finalen Stoß: 2014 wurde es offiziell geschlossen.
Ein Wettstreit um die Zukunft
Heute steht das ICC unter Denkmalschutz – ein Schicksal, das Abriss nahezu unmöglich macht. Mit Sanierungskosten, die auf über 500 Millionen Euro geschätzt werden, sucht die Stadt Berlin nach kreativen Lösungen. Ein offener Wettbewerb verspricht, das Gebäude für 99 Jahre kostenlos zu nutzen, sofern es öffentlich zugänglich bleibt. Von der Vision eines Kulturzentrums über die Einrichtung eines Startup-Hubs bis hin zu spekulativen Konzepten wie einem Techno-Club oder einer urbanen Farm – die Ideen sind so vielfältig wie die Herausforderungen, die das ICC zu bieten hat.
Ein Denkmal zwischen Gestern und Morgen
Das ICC ist mehr als nur ein leerstehender Koloss aus Beton und Stahl. Es ist ein Zeugnis einer Epoche, in der Architektur als politisches Manifest und Symbol technologischer Überlegenheit diente. Heute steht es an einem Scheideweg: Wird es ein Mahnmal vergangener Ambitionen bleiben oder als Ort der Innovation und Begegnung in neuem Glanz wiedererweckt?
Die Berliner und Stadtplaner stehen vor einer entscheidenden Frage: Wie lässt sich dieses architektonische Erbe sinnvoll in die urbane Zukunft integrieren? Eines ist sicher – das ICC wird auch weiterhin die Fantasie beflügeln und zum Diskurs über Geschichte, Identität und den Wert von Großprojekten anregen.