Rainer Eppelmann: Doppelte Diktatur – Wie die DDR ihr NS-Erbe verbarg

In einem aufschlussreichen Interview mit Rainer Eppelmann, Mitglied der CDU, wird deutlich, wie die DDR-Regierung den Umgang mit ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit gestaltete – und welche Schatten dieser Umgang auf das heutige Geschichtsverständnis wirft. Eppelmann kritisiert die offizielle Linie des staatsverordneten Antifaschismus, der in der DDR jahrzehntelang als ideologisches Fundament diente, jedoch in der Praxis oft einer selektiven Geschichtsaufarbeitung wich.

Antifaschismus als politisches Instrument
Eppelmann erinnert daran, dass der Begriff des Antifaschismus in der DDR nicht primär als historische Aufarbeitung verstanden wurde. „Bei uns war das – wenn ich das richtig sehe – kein Hauptthema gewesen“, erklärt er. Die staatliche Darstellung habe suggeriert, dass alle relevanten NS-Täter – oder eben „Nazis“ – demnach vornehmlich im Westen anzutreffen seien. Diese Konstruktion, so Eppelmann, diente dazu, die eigene Vergangenheit zu beschönigen und die Schuld auf den „anderen Teil Deutschlands“ zu schieben.

Psychologische Fehler und selektive Wahrnehmung
Laut Eppelmann hat die DDR-Führung einen schwerwiegenden psychologischen Fehler begangen, indem sie ihren Bürgern vermittelten, dass das NS-Erbe – so belegen auch aktuelle Erkenntnisse – weitgehend ein Phänomen des Westens sei. „Wir haben erst spät begriffen, dass vieles, was westdeutsche Journalisten oder Politiker sagten, so etwas wie eine unglaubliche Verklärung war“, so Eppelmann. Diese selektive Wahrnehmung und das gezielte Übergehen von Verstrickungen in das NS-Regime zeigten, wie sehr politische Interessen über eine objektive Auseinandersetzung mit der Vergangenheit gestellt wurden.

Umerziehung statt konsequenter Aufarbeitung
Interessant sind auch die Hinweise auf Maßnahmen gegen ehemalige NS-Funktionäre in der DDR. Eppelmann erwähnt, dass bestimmte Gruppen, die in sowjetischer Gefangenschaft gewesen seien, „Umerziehungsmaßnahmen“ unterzogen wurden – ein Versuch, die Vergangenheit symbolisch zu „bereinigen“. Doch diese Eingriffe reichten offenbar nicht aus, um die tiefgreifende Verstrickung einzelner DDR-Bürger in das NS-System vollständig zu sühnen. Es bliebe die Tatsache, dass auch in Ostdeutschland Täter aus NS-Zeiten ihre Spuren hinterlassen haben.

Die zweite deutsche Diktatur – ein noch offenes Kapitel
Ein zentraler Punkt des Interviews ist die Forderung nach einer umfassenden Aufarbeitung beider deutschen Diktaturen. Eppelmann betont: „Wir wollen auch die zweite deutsche Diktatur aufarbeiten.“ Damit wird klar, dass die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit nicht isoliert betrachtet werden darf. Vielmehr müsse auch das SED-Regime in den Blick genommen werden, um den Bürgern – und der Nachwelt – die Möglichkeit zu geben, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und ähnliche Entwicklungen in Zukunft zu vermeiden.

Blick in die Zukunft
Die Aussagen Eppelmanns eröffnen eine Debatte, die weit über historische Detailfragen hinausgeht. Es geht um die grundsätzliche Frage, wie ein Staat mit einer belasteten Vergangenheit umgehen kann, ohne sich in ideologischen Konstrukten zu verfangen. Die Erinnerungskultur muss beide Seiten der Medaille berücksichtigen: Die Verbrechen des Nationalsozialismus ebenso wie die repressiven Mechanismen des SED-Regimes. Nur so könne eine umfassende Versöhnung und eine Lehre aus der Geschichte gelingen.

Während Historiker und Politiker weiterhin darüber debattieren, wie beide Diktaturen angemessen aufgearbeitet werden können, bleibt die Erkenntnis: Die Geschichte darf nicht zur Waffe werden, sondern muss als Mahnung für die Zukunft dienen.

Autor/Redakteur: Arne Petrich
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