Medienanalyse: Einseitigkeit in der politischen Berichterstattung von ARD, ZDF und RTL?

Die Neutralitätsverpflichtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks steht immer wieder im Fokus der Debatte. Eine aktuelle Studie des Forschungsinstituts Media Tenor wirft nun erneut Fragen auf: Werden politische Parteien in den Hauptnachrichtensendungen von ARD, ZDF und RTL unterschiedlich behandelt? Wie objektiv sind Tagesschau und Heute in ihrer politischen Berichterstattung wirklich?

Die Methode von Media Tenor
Media Tenor analysierte 18.805 Nachrichtenbeiträge aus den Jahren 2021 und 2022, indem die Medieninhalte Zeile für Zeile und Beitrag für Beitrag untersucht wurden. Dabei wurde nicht nur erfasst, welche Informationen vermittelt wurden, sondern auch, welche Themen unterrepräsentiert blieben. Diese ganzheitliche Betrachtung erlaubt Rückschlüsse über die journalistische Ausgewogenheit und die Rolle der Medien im Agenda-Setting.

Ein besonderes Augenmerk legt Media Tenor auf die qualitative Analyse: Während die Anzahl der Berichte über die Parteien relativ gleich verteilt ist, unterscheidet sich die Tonalität deutlich. Roland Schatz, Gründer des Instituts, betont, dass Medien die Realität nicht nur durch die Auswahl ihrer Themen beeinflussen, sondern auch durch deren Darstellung.

Verzerrte Darstellungen: Wer profitiert, wer verliert?
Ein zentrales Ergebnis der Untersuchung ist, dass sich die Bewertung politischer Akteure auffällig ähnelt. Das bedeutet, dass Journalisten unterschiedlicher Sender häufig zu denselben Urteilen über Politiker und Parteien kommen. Dies kann auf journalistische Netzwerke, aber auch auf unbewusste Prägungen der Redaktionen zurückgeführt werden. Besonders auffällig ist die unterschiedliche Behandlung einzelner Politiker:

  • Malu Dreyer (SPD): Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz wird in den untersuchten Nachrichtensendungen auffällig wenig kritisiert, obwohl auch ihr Bundesland stark von der Flutkatastrophe 2021 betroffen war.
  • Armin Laschet (CDU): Im Gegensatz dazu stand der damalige NRW-Ministerpräsident massiv in der Kritik, insbesondere wegen eines unglücklichen Moments, in dem er während eines Besuchs in den Flutgebieten lachend gefilmt wurde. Die Studie stellt heraus, dass er deutlich negativer bewertet wurde als andere Politiker in einer ähnlichen Situation.

Diese selektive Kritik könnte auch strukturelle Ursachen haben: Malu Dreyer ist in einer Funktion beim ZDF tätig, was laut Schatz Fragen zur Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aufwirft. Die Verflechtung von Politik und Medien sei problematisch und könne das Vertrauen der Bevölkerung in die Neutralität der Berichterstattung untergraben.

Negativität als journalistisches Prinzip
Ein weiteres Problem, das die Studie aufzeigt, ist die starke Negativität der Berichterstattung. Roland Schatz verweist darauf, dass der Grundsatz „Bad news are good news“ in vielen Redaktionen dominiert. Zwar sind kritische Berichte essenziell für eine funktionierende Demokratie, doch wenn positive Entwicklungen systematisch unter den Tisch fallen, entsteht ein verzerrtes Bild der Realität.

Beispielsweise wurde die Energiekrise 2022 in den Medien hauptsächlich mit negativen Folgen wie Preissteigerungen und Versorgungsengpässen in Verbindung gebracht, während langfristige Fortschritte in der Energiewende kaum Erwähnung fanden. Auch andere Themen wie Bildung, Kultur, Integration und Seniorenpolitik sind laut Studie in der Berichterstattung unterrepräsentiert. Media Tenor argumentiert, dass eine Mindestmasse von 1,5 Prozent der Berichterstattung notwendig ist, damit Themen von der Bevölkerung überhaupt wahrgenommen werden.

Die Rolle der Medien im Agenda-Setting
Media Tenor untersuchte ebenfalls, welche Medien von anderen Medien aufgegriffen werden. Die Ergebnisse zeigen, dass der „Spiegel“ als Leitmedium das Agenda-Setting dominiert. Dagegen haben öffentlich-rechtliche Sender wie ARD, ZDF und Deutschlandfunk wenig Einfluss auf die Berichterstattung anderer Medien. Dies sei ein „Offenbarungseid“, so Schatz, da diese Sender zwar über große finanzielle Mittel verfügen, aber kaum originäre Meldungen produzieren, die in anderen Medien rezitiert werden.

Ein weiteres Problem ist die Wirtschaftsberichterstattung: Sie konzentriert sich stark auf die Börse, während wirtschaftliche Themen, die breitere Bevölkerungsschichten betreffen, zu kurz kommen. Roland Schatz weist darauf hin, dass dies nicht immer so war. Bis Mitte der 1990er-Jahre spielten Sozial- und Mittelstandsthemen eine größere Rolle. Erst durch Werbeeinflüsse von Unternehmen wie der Deutschen Telekom veränderte sich der Fokus hin zur Börsenberichterstattung.

Mehr Vielfalt, mehr Neutralität erforderlich
Die Studie von Media Tenor legt nahe, dass die Berichterstattung in den Hauptnachrichtensendungen von ARD, ZDF und RTL in vielerlei Hinsicht einseitig und verzerrt ist. Die Ergebnisse zeigen, dass Politiker und Parteien unterschiedlich behandelt werden, dass negative Nachrichten dominieren und dass wichtige gesellschaftliche Themen unterrepräsentiert sind.

Roland Schatz fordert eine Reform der Medienlandschaft hin zu mehr Pluralismus und einer sachlicheren Berichterstattung. Besonders die öffentlich-rechtlichen Sender müssen sich verstärkt um Neutralität bemühen, um ihre Glaubwürdigkeit nicht weiter zu untergraben. Nur eine wirklich ausgewogene Berichterstattung kann langfristig das Vertrauen der Bevölkerung in die Medien sichern.

Autor/Redakteur: Arne Petrich
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