Bodo Ramelow zu Geheimnissen als Ministerpräsident und die Corona-Pandemie

Bodo Ramelow - Live aus dem Fernsehzimmer

Bodo Ramelow, der langjährige Ministerpräsident von Thüringen, hat in seiner Zeit an der Spitze des Bundeslandes einen prägnanten Einfluss auf die politische Landschaft in Thüringen und darüber hinaus genommen. In diesem Gespräch zieht er eine tiefgehende und ehrliche Bilanz seiner Amtszeit und gewährt den Zuhörern spannende Einblicke in seine persönliche und politische Haltung. Der Vortrag behandelt eine Vielzahl von Themen, die nicht nur die politische Arbeit, sondern auch die Herausforderungen und Erlebnisse widerspiegeln, die Ramelow während seiner Amtsführung begleiteten. Von persönlichen Erfahrungen über politische Niederlagen bis hin zu Zukunftsplänen bietet der Vortrag einen aufschlussreichen Blick auf seine Zeit als Ministerpräsident und darüber hinaus.

Übergabe des Ministerpräsidentenamtes und Umgang mit dem Nachfolger
Ein zentraler Punkt in Ramelows Rückblick ist die Übergabe des Ministerpräsidentenamtes an seinen Nachfolger Mario Vogt. Er betont, dass dieser Übergabeprozess von größter Bedeutung war und im Vorfeld eingehend mit Vogt besprochen wurde. Dabei hebt er hervor, dass es für ihn selbstverständlich war, eine demokratische und würdige Übergabe zu gestalten. Ramelow zeigt sich überzeugt, dass die demokratischen Werte in Thüringen auch in schwierigen Zeiten aufrechterhalten werden müssen. Besonders nach den „gruseligen Umständen“ bei der Eröffnung des Parlaments, als der AfD eine formale Funktion übertragen wurde, sei es umso wichtiger gewesen, dass die demokratischen Parteien zusammenstehen. Für ihn war es essentiell, Vogt als Nachfolger zu respektieren und ihn nicht zu übergehen. Ramelow vergleicht seine Rolle nach der Amtsübergabe mit der eines „Altbauern“, der sich nicht mehr aktiv in den Betrieb einmischen sollte, sondern vielmehr in der Rolle des Ratgebers verbleiben sollte. Er hat es daher vermieden, direkt in die Tagesgeschäfte der Regierung einzugreifen, sondern sich darauf konzentriert, seine Erfahrungen und Einschätzungen an die neue Regierung weiterzugeben, wenn dies nötig war.

Stolz und Bedauern während der Amtszeit
Ramelow blickt mit Stolz auf einige der Errungenschaften seiner Amtszeit zurück, darunter die Entwicklung von Oberhof zu einem leistungsstarken Zentrum für Wintersport. Unter seiner Führung gelang es, dort zwei Weltmeisterschaften auszurichten und das Skisportzentrum zu einer internationalen Adresse für Wintersportler zu machen. Dies bezeichnet er als einen seiner größten politischen Erfolge. Doch nicht alle Projekte verliefen nach seinen Vorstellungen. Besonders bedauerte er die stagnierende Entwicklung der Region um das Skisportzentrum in Suhl. Die ambitionierten Pläne für die Entwicklung dieser Region hätten nicht die erhoffte Wendung genommen. Auch die Schaffung eines Oberzentrums, bei dem mehrere Städte zusammengelegt wurden, betrachtet er als misslungen, da Oberhof für ihn durchaus das Potenzial besaß, das Oberzentrum zu werden. Dieser Rückblick auf verpasste Chancen und nicht erfüllte Erwartungen ist von einer gewissen Wehmut geprägt, aber Ramelow spricht offen über diese Enttäuschungen und zieht Lehren daraus.

Ein weiteres Thema, das ihm persönlich am Herzen liegt, ist die Situation der Krankenhäuser in Thüringen. Besonders die Schließung von Neuhaus in Hildburghausen und Sonneberg trifft ihn nach wie vor. Vor sechs Jahren hatte er noch Zusagen erhalten, das Krankenhaus Neuhaus zu einer Notfallklinik umzuwandeln, doch diese Pläne wurden nie umgesetzt. Die jetzige Situation sei das Resultat von Versäumnissen, die zu einer „krachenden Situation“ geführt haben. Neuhaus, so Ramelow, fühle sich heute als Verlierer dieser Entwicklungen. Dieser Bereich der Gesundheitsversorgung ist für ihn nach wie vor ein Schmerzpunkt und ein ungelöstes politisches Problem.

Umgang mit dem ersten AfD-Landrat
Ein weiteres schwieriges Thema, das Ramelow während seiner Amtszeit beschäftigte, war die Situation mit dem ersten AfD-Landrat in Thüringen. Auf der lokalen Ebene stellte sich diese Herausforderung als besonders schwierig heraus, vor allem im Hinblick auf die Zusammenarbeit bei der Arbeit mit Geflüchteten. Ramelow betont jedoch, dass er diesen Landrat stets als Amtsperson respektierte und versuchte, professionell mit ihm zusammenzuarbeiten. Trotz politischer Differenzen und einer vollkommen anderen weltanschaulichen Ausrichtung suchte er nach pragmatischen Lösungen. Besonders in Krisenzeiten wie dem Konkurs der RegioMed-Kliniken musste er schwierige Entscheidungen treffen. Ramelow schildert eine besonders brenzlige Situation, in der er dem Landrat keine direkten finanziellen Zusagen machen konnte, da diese Gelder sofort in die Konkursmasse des Klinikums geflossen wären. Stattdessen forderte er den Landrat auf, eine offizielle Geldforderung zu stellen, die er dann ablehnen würde, um so die Aufmerksamkeit des Konkursverwalters zu erlangen und eine Übernahme des Krankenhauses zu ermöglichen. Diese Vorgehensweise zeigte sich am Ende als erfolgreich, und der Landrat bedankte sich öffentlich bei Ramelow.

Skepsis und Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg
Ein immer wiederkehrendes Thema in Ramelows politischem Leben war die anfängliche Skepsis ihm gegenüber. Besonders in seiner Heimat, seiner Kirchgemeinde, als er erstmals für die PDS kandidierte, stieß er auf heftigen Widerstand. In vielen Teilen der Gesellschaft wurde er aufgrund seiner politischen Herkunft und der Zugehörigkeit zur PDS skeptisch betrachtet. Doch Ramelow hebt hervor, dass er diese Skepsis nie als unüberwindbar ansah. Er suchte stets den Dialog mit Menschen aus allen politischen Lagern. Die Zusammenarbeit mit Bürgermeistern und Landräten unterschiedlicher Parteien funktionierte gut, solange man bereit war, offen über Probleme und Sorgen zu sprechen und gemeinsam Lösungen zu finden. Ein Beispiel für solche Bemühungen war die Lösung des Konflikts um die Sula-Philharmonie. Ramelow spielte eine zentrale Rolle bei der Vermittlung zwischen verschiedenen Parteien und Akteuren und half, zu einer Einigung zu kommen. Auch bei der Entwicklung des Industriegebiets Wolfsgrube in Sul war er aktiv und zeigte, dass Zusammenarbeit oft weit mehr bringt als politische Spaltung.

Umgang mit Katja Wolf und BSW
Ein weiteres schwieriges Kapitel seiner politischen Laufbahn war der überraschende Wechsel seiner Parteikollegin Katja Wolf, die von der Linken zum BSW (Bund der Sozialdemokraten in der Linken) wechselte. Ramelow äußert sich irritiert über diesen Schritt, insbesondere da Katja Wolf zuvor öffentlich abfällig über Sarah Wagenknecht gesprochen hatte. Es kam zu einer persönlichen Enttäuschung, als Wolf ihre Entscheidung damit begründete, der AfD Stimmen wegnehmen zu wollen. Ramelow hat ihr in einem persönlichen Gespräch seine Enttäuschung über diesen Schritt mitgeteilt, da er die politische Situation und die Gründe hinter dieser Entscheidung nicht nachvollziehen konnte.

Die Kemmerich-Wahl und die Rolle der AfD
Die Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen im Februar 2020 war ein weiteres Ereignis, das Ramelow tief bewegte. Diese Wahl, die unter der Mithilfe der AfD zustande kam, stürzte Thüringen in eine politische Krise. Ramelow selbst befürwortete Neuwahlen und versuchte, eine Lösung zu finden, bei der alle demokratischen Kräfte zusammenarbeiteten, um eine Neuwahl zu ermöglichen. Besonders die anschließenden Proteste und der Druck auf die Politik wurden von Ramelow als eine der schwierigsten Zeiten seiner politischen Laufbahn wahrgenommen. Er erinnert sich an seine Idee, Christine Lieberknecht als gemeinsame Kandidatin zu wählen, um so den Weg für eine Neuwahl zu ebnen. Doch diese Idee wurde durch den Corona-Lockdown erschwert, was die politische Lage noch weiter verkomplizierte.

Das Blaue Schaf und der Rote Zwerg
Ramelow geht in seinem Vortrag auch auf ein humorvolles und symbolisches Element seines politischen Lebens ein. Das „Blaue Schaf“, das er auf der Bundesgartenschau kennengelernt hatte, steht für seinen persönlichen Einsatz im Kampf gegen Rassismus. Das „Rote Zwerg“, ein weiteres kurioses Element, hat für Ramelow eine humorvolle Bedeutung. Er hatte eine Geldstrafe für das Zurschaustellen des „Roten Zwergs“ erhalten, die er gerne bezahlte, da sie einer Institution zugutekam, die sich um Obdachlose kümmerte.

Geheimnisse und die Rolle des Ministerpräsidenten
Zum Thema „Geheimnisse“ äußert sich Ramelow ebenfalls. Er betont, dass es im Amt des Ministerpräsidenten keine wirklich geheimen Informationen gibt, mit Ausnahme von „Ordnungsangelegenheiten“, die jedoch keine besondere Bedeutung hätten. Selbst vertrauliche Akten zu Kabinettssitzungen seien oft schon vor der Sitzung öffentlich gewesen. Die einzigen wirklichen Geheimnisse seien Akten über Personen, die das Bundesverdienstkreuz erhalten haben, die überraschende Details zu diesen Personen enthielten. Ramelow verneint, jemals etwas über geheime Atomvorkommen oder andere hochbrisante Themen erfahren zu haben.

Corona-Pandemie und Krisenmanagement
Die Corona-Pandemie und das Krisenmanagement sind ebenfalls ein wichtiger Punkt in Ramelows Rückblick. Er gibt zu, dass das Krisenmanagement in der Pandemie nicht optimal war. Besonders zu Beginn der Pandemie, als wichtige Entscheidungen getroffen wurden, seien diese notwendig gewesen. Aber er kritisiert das Vorgehen später, als die Umsetzung von Maßnahmen nicht mit der nötigen Konsequenz verfolgt wurde. Ein besonders kurioses Beispiel ist die Öffnung von Baumärkten mit Gartenabteilungen, während ehrenamtlicher Sport in Vereinen verboten war. Ramelow fordert eine systematische Aufarbeitung der Corona-Phase, um bei zukünftigen Krisen besser gerüstet zu sein.

Landtagswahl und die AfD
Ramelow spricht auch über die schwierige Stimmung während der letzten Landtagswahl und die Rolle, die die AfD in dieser Zeit spielte. Er betont, dass die Partei geschickt die sozialen Ängste und Unsicherheiten der Menschen aufgriff und für sich nutzte. Die Corona-Pandemie habe die gesellschaftliche Spaltung weiter verschärft, und Ramelow erkennt, dass die politische Landschaft künftig stärker von diesen Spannungen geprägt sein wird. Trotz allem bleibt er optimistisch und entschlossen, bis zum Schluss für die Interessen der Bürger zu kämpfen.

„Aktion Silberlocke“ und der Bundestagswahlkampf
Am Ende des Gesprächs geht Ramelow auf seine Entscheidung ein, in den Bundestagswahlkampf einzutreten. Obwohl er dies vor einem halben Jahr noch ausgeschlossen hatte, sah er die Bundestagswahl als entscheidend für die Zukunft Deutschlands. Er betont, dass es notwendig ist, sich gegen die Macht der Reichen und die Privatisierung der Politik zu stellen. Ramelow möchte mit seiner Teilnahme an der Bundestagswahl eine faire Verteilung von Vermögenswerten und ein stärkeres Miteinander in der Gesellschaft fördern.

Bodo Ramelow zieht eine ehrliche Bilanz seiner Amtszeit als Ministerpräsident und zeigt sich als pragmatischer, aber auch selbstkritischer Politiker. Er räumt Fehler ein, ist jedoch stolz auf viele seiner Erfolge. Ramelows Entscheidung, sich weiterhin politisch zu engagieren, zeigt seine Besorgnis über die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen in Deutschland. Es bleibt abzuwarten, wie sich seine politischen Visionen im Bundestag umsetzen lassen, doch eines ist sicher: Ramelow wird weiterhin eine wichtige Stimme in der politischen Landschaft sein.

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