Mario Voigt, der Vorsitzende der CDU in Thüringen, trat in einem Interview im Fernsehzimmer in Suhl auf, um über die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen und den darin enthaltenen Koalitionsvertrag sowie die Herausforderungen der neuen Regierung zu sprechen. Das Gespräch berührte zentrale Themen wie Migration, Bildung, Wirtschaft, Digitalisierung und die Zusammenarbeit innerhalb der Koalition. Voigt ließ auch einen Blick auf die politische Kultur werfen, die er für die kommende Legislaturperiode anstrebt.
Koalitionsverhandlungen und -vertrag
Die Koalitionsgespräche zwischen der CDU, der SPD und dem Bürgerbündnis Thüringen (BSW) waren nach Voigts Darstellung langwierig und komplex. Insgesamt mehr als 300 Personen aus den drei Parteien haben an dem Koalitionsvertrag gearbeitet, verteilt auf sieben Arbeitsgruppen. Besonders herausfordernd seien dabei Themen wie Migration und Bildung gewesen. Der Vertrag umfasst insgesamt 176 Seiten und konzentriert sich auf sechs Hauptschwerpunkte: Migration, Bildung, soziale Sicherheit, Wirtschaft, Finanzierung und Digitalisierung. Diese Themen sollen die Grundlage der politischen Arbeit der neuen Regierung bilden.
Migration
Ein zentrales Thema im Koalitionsvertrag ist der angestrebte Richtungswechsel in der Migrationspolitik. Voigt hebt hervor, dass die neue Regierung eine klare Haltung zu Migration und Integration einnimmt. Zu den geplanten Maßnahmen gehören die Einführung von Abschiebeplätzen für straffällige Flüchtlinge, die flächendeckende Einführung von Bezahlkarten anstelle von Geldleistungen und die Schließung der Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl. Stattdessen sollen neue Erstaufnahmeeinrichtungen geschaffen werden, die zwischen Personen mit und ohne Bleibeperspektive unterscheiden. Ein weiteres Ziel ist die schnelle Rückführung von Personen ohne Bleibeperspektive sowie die Einrichtung einer zentralen Ausländerbehörde. Für die Regierung ist es wichtig, eine Taskforce für untergetauchte illegale Flüchtlinge zu schaffen, die sich mit der Ermittlung und Rückführung dieser Personen befassen soll. Auch ein stärkerer Fokus auf Integration, insbesondere im Bereich Spracherwerb, wird angestrebt. Zudem sieht der Vertrag eine Arbeitsverpflichtung in Gemeinschaftsunterkünften vor, um den Integrationsprozess zu unterstützen.
Bildung
Im Bereich Bildung setzt die Koalition auf konkrete Maßnahmen, um dem hohen Unterrichtsausfall in Thüringen entgegenzuwirken. Ein zentrales Ziel der Regierung ist es, Noten und Kopfnoten in den Schulen wieder einzuführen und Versetzungsentscheidungen zu stärken. Zudem wird eine thüringenweite Einführung eines verpflichtenden Praxistages für Regelschüler angestrebt. Voigt betont, dass es in der Bildungspolitik notwendig ist, die Qualität des Unterrichts und die Leistung der Schüler zu steigern, um eine bessere Vorbereitung auf die Arbeitswelt zu gewährleisten.
Wirtschaft
Ein weiteres zentrales Thema für Voigt ist die Entfesselung der Wirtschaft in Thüringen. Er kritisiert die bestehende Bürokratie und betont die Notwendigkeit, diese zu reduzieren, um Unternehmen und Handwerksbetriebe zu entlasten. Besonders der Handwerkssektor soll von überflüssigen Statistikpflichten befreit werden. Zudem setzt sich Voigt für eine Gleichstellung von Meister- und Masterabschlüssen ein, wobei eine kostenfreie Meisterausbildung als wichtiges Instrument zur Förderung des Handwerks betrachtet wird. Der Staat solle in Voigts Augen vor allem als Dienstleister für Bürger und Mittelstand fungieren, um eine positive wirtschaftliche Entwicklung zu fördern.
Digitalisierung
Voigt äußert klare Ambitionen, Thüringen zu einem Vorreiter in Sachen Digitalisierung zu machen. Ein Ziel der Koalition ist es, Thüringen zum digitalsten Bundesland Deutschlands zu entwickeln. Die digitale Verwaltung soll vereinfacht und vereinheitlicht werden, um den Bürgern den Umgang mit Behörden zu erleichtern. Im Koalitionsvertrag wird auch eine Acht-Wochen-Genehmigungsgarantie für Bürger und Unternehmen festgelegt, um Verfahren zu beschleunigen und Bürokratie abzubauen. Zur Verbesserung der Effizienz sollen Formularstandardisierungen eingeführt und ein „App-Store für Kommunen“ ins Leben gerufen werden, um die Digitalisierung in den lokalen Verwaltungen voranzutreiben.
Zusammenarbeit mit anderen Parteien
Da die Koalition keine eigene Mehrheit im Landtag hat, setzt Voigt auf eine neue politische Kultur der Zusammenarbeit. Er spricht sich für ein „Konsultationsverfahren“ aus, bei dem Gesetzesvorhaben und andere politische Entscheidungen frühzeitig mit den Fraktionen von Linken und AfD diskutiert werden, um deren Expertise zu berücksichtigen und Kompromisse zu finden. Voigt hofft, dass diese Herangehensweise zu einer konstruktiveren Zusammenarbeit im Landtag führt und die Akzeptanz der politischen Entscheidungen in der Bevölkerung steigert.
Herausforderungen
Ein besonders schwieriges Thema stellt die AfD dar, die im Thüringer Landtag als zweitstärkste Fraktion vertreten ist. Voigt kritisiert die Strategie der AfD, die seiner Meinung nach auf „maximalen Krawall und Kaputtmachen“ ausgerichtet sei. Dies sei eine der größten Herausforderungen für die neue Regierung. Er verweist dabei auf die chaotische erste Sitzung des Landtags mit dem Alterspräsidenten Jürgen Treutler, die das Image Thüringens negativ geprägt habe. Voigt betont jedoch, dass es das gemeinsame Ziel aller Parteien sein sollte, den Ruf des Landes zu verbessern und Thüringen von seinem Image als „permanente Problembeschreibung“ zu befreien.
Ministerpräsidentenwahl
Voigt rechnet mit einer Ministerpräsidentenwahl in der nächsten Woche und zeigt sich zuversichtlich, dass diese erfolgreich verlaufen wird, auch wenn im dritten Wahlgang nur eine einfache Mehrheit erforderlich ist. In diesem Zusammenhang kritisiert Voigt die juristische Regelung zur Ministerpräsidentenwahl, die seiner Meinung nach undemokratisch ist. Er plädiert für eine Verfassungsänderung, um diese Regelung zu reformieren. Zudem verweist er auf das Vorgehen der CDU bei der Wahl von Bodo Ramelow im Jahr 2020, als sich die CDU in allen drei Wahlgängen enthalten hatte.
Persönliches
Abschließend betont Voigt in dem Interview seine starke Verbundenheit zu Thüringen. Er bekräftigt seine Absicht, dass alle Minister der CDU aus Thüringen kommen sollen, um eine enge Verbindung zur Bevölkerung und eine praxisnahe Politik sicherzustellen. Es sei ihm besonders wichtig, den Dialog mit den Bürgern zu suchen und deren Sorgen und Wünsche ernst zu nehmen. Voigt sieht sich als eine Art Mittler zwischen der Politik und der Bevölkerung und ist überzeugt, dass eine enge Zusammenarbeit beider Seiten notwendig ist, um die anstehenden Herausforderungen erfolgreich zu meistern.
Das Interview zeigt, dass Mario Voigt optimistisch auf die Zukunft Thüringens blickt und fest entschlossen ist, die Herausforderungen der neuen Regierung aktiv anzugehen. Die Ziele des Koalitionsvertrags sind ehrgeizig, und es bleibt abzuwarten, ob sie in der Praxis umgesetzt werden können. Besonders die Zusammenarbeit mit anderen Parteien wird eine zentrale Rolle spielen, um politische Mehrheiten zu sichern und die politische Arbeit im Landtag zu gestalten. Voigt ist überzeugt, dass durch das „Konsultationsverfahren“ und eine konstruktive Zusammenarbeit mit allen Fraktionen eine solide Grundlage für die Arbeit der Regierung geschaffen werden kann. Ob diese Ziele erreicht werden, hängt jedoch auch davon ab, wie die neuen politischen Mechanismen in der Praxis funktionieren und ob es gelingt, die unterschiedlichen politischen Kräfte im Land zu integrieren.