BSW in der Krise: Wohin führt der Streit zwischen Wagenknecht und Wolf?

Der innerparteiliche Konflikt innerhalb des Bündnis Zukunft Thüringen (BSW) zwischen der Bundesvorsitzenden Sahra Wagenknecht und der Thüringer Landesvorsitzenden Katja Wolf hat die junge Partei in eine schwierige Lage gebracht. Der Politikwissenschaftler Oliver Lembcke sieht in dieser Auseinandersetzung und der daraus resultierenden Uneinigkeit eine zentrale Ursache für die sinkenden Umfragewerte der Partei auf Bundesebene. Doch wie konnte es dazu kommen, und welche Folgen hat dieser Streit für die politische Zukunft des BSW?

Optimismus in Thüringen trotz schwacher Umfragewerte
Während das BSW bundesweit zunehmend unter Druck gerät, versucht Steffen Schütz, Co-Landesvorsitzender in Thüringen, die Lage zu beruhigen. Auf die jüngsten Umfragewerte angesprochen, die die Partei nur knapp über der Fünf-Prozent-Hürde sehen, zeigt sich Schütz gelassen: „Ich finde das jetzt nicht so dramatisch“, erklärt er. Seiner Ansicht nach habe das BSW noch ausreichend Zeit, sich bis zur nächsten Wahl zu konsolidieren und wieder an Boden zu gewinnen. „Ich bin mir sicher, dass wir das gut schaffen werden.“

Dieser Optimismus steht im Kontrast zu den Einschätzungen externer Beobachter. Oliver Lembcke, Politikwissenschaftler und Experte für Parteienforschung, sieht die Situation deutlich kritischer. Für ihn spiegelt der Abwärtstrend der Partei ein fundamentales Problem wider: „Man kann sagen, das BSW hat sein Momentum verloren.“ Lembcke verweist auf die fehlende Fähigkeit der Partei, thematische Schwerpunkte zu setzen und klare Botschaften zu formulieren.

Profillosigkeit und interne Konflikte als Problem
Lembcke analysiert, dass das BSW nicht nur an medialer Aufmerksamkeit eingebüßt habe, sondern auch inhaltlich schwächele. „Die Partei lebt von der Aura ihrer Bundesvorsitzenden Sahra Wagenknecht, aber sie hat es bislang nicht geschafft, eigenständige programmatische Schwerpunkte zu entwickeln.“ Insbesondere außerhalb der Themen Krieg und Frieden habe die Partei kaum klare Positionen bezogen. Dies sei ein Versäumnis, das zunehmend von Wählerinnen und Wählern bemerkt werde.

Früher habe das BSW vom sogenannten Ampelfrust profitiert, als es als Protestpartei gegen die Politik der Bundesregierung wahrgenommen wurde. Doch inzwischen stehe die Partei vor der Herausforderung, sich zu profilieren und konkret zu zeigen, was sie zu bieten habe. „Was im Kopf bleibt, ist ein Bild der Uneinigkeit“, fasst Lembcke zusammen. Der parteiinterne Streit zwischen Wagenknecht und Wolf verstärke diesen Eindruck zusätzlich.

Der Streit zwischen Wagenknecht und Wolf
Nach den Landtagswahlen in Thüringen eskalierte der Konflikt zwischen Katja Wolf und Sahra Wagenknecht. Während Wolf auf eine Zusammenarbeit mit CDU und SPD hinarbeitete, kritisierte Wagenknecht diesen Kurs scharf. Sie bezeichnete das von Wolf mit CDU-Chef Mario Voigt und SPD-Landesvorsitzendem Georg Maier ausgehandelte Sondierungspapier als „Fehler“ und forderte Nachbesserungen.

Für die Landesvorsitzende Katja Wolf war diese Einmischung eine klare Belastung, da sie das Vertrauen in ihre Verhandlungsführung untergrub. Auch Oliver Lembcke sieht dies kritisch: „Solche öffentlich ausgetragenen Streitigkeiten schaden der Glaubwürdigkeit der Partei.“ Für die Wählerinnen und Wähler entstehe der Eindruck, dass die Partei innerlich zerrissen sei und keine klare Linie verfolge. Dies könne langfristig das Vertrauen in das BSW weiter untergraben.

Drei Koalitionsverhandlungen – drei verschiedene Ergebnisse
Zusätzlich zu den internen Konflikten belastet auch die uneinheitliche Koalitionspolitik des BSW das öffentliche Bild der Partei. In den vergangenen Monaten führten die unterschiedlichen Ergebnisse der Koalitionsgespräche in Sachsen, Thüringen und Brandenburg zu Irritationen:

Sachsen:
In Sachsen scheiterte das BSW an einer Regierungsbeteiligung mit der CDU und SPD, da keine Einigung erzielt werden konnte.

Thüringen:
In Thüringen entschied sich die Partei nach intensiven internen Debatten für eine Zusammenarbeit mit CDU und SPD. Dieser Schritt wurde von Teilen der Basis kritisch gesehen, da er als Abkehr von ursprünglichen Positionen wahrgenommen wurde.

Brandenburg:
In Brandenburg koaliert das BSW hingegen mit der SPD, was wiederum eine andere strategische Ausrichtung zeigt.

Diese unterschiedlichen Ergebnisse führen laut Lembcke dazu, dass die Partei als opportunistisch wahrgenommen werde. „Das BSW ist von einer Partei, die eigentlich etwas verändern wollte, zu einer Partei geworden, die Mehrheiten beschafft.“ Ein solcher Eindruck könne bei den Wählerinnen und Wählern zu Verunsicherung und Enttäuschung führen.

Sinkende Umfragewerte auf Bundesebene
Die Auswirkungen dieser Entwicklungen zeigen sich deutlich in den Umfragewerten der Partei. Während das BSW bei seiner Gründung noch von einer hohen medialen Aufmerksamkeit profitierte, hat sich die Unterstützung auf Bundesebene inzwischen auf ein Minimum reduziert. Aktuelle Umfragen sehen die Partei nur noch knapp über der Fünf-Prozent-Hürde, was die Gefahr eines Scheiterns bei der nächsten Bundestagswahl real erscheinen lässt.

Oliver Lembcke sieht die Hauptursachen in der fehlenden Programmatik und der mangelnden Geschlossenheit der Partei. „Die Menschen wissen nicht, wofür das BSW eigentlich steht“, sagt er. Die ursprüngliche Positionierung als Protestpartei habe sich abgenutzt, und ohne klare Alternativen zu den bestehenden politischen Strukturen könne das BSW keine neuen Wählergruppen gewinnen.

Was muss sich ändern?
Um den Abwärtstrend zu stoppen, müsse das BSW laut Lembcke dringend an seiner Profilbildung arbeiten. Die Partei müsse klare inhaltliche Schwerpunkte setzen und ein geschlossenes Bild nach außen vermitteln. Insbesondere Sahra Wagenknecht und Katja Wolf seien gefordert, ihre Differenzen beizulegen und ein gemeinsames strategisches Ziel zu verfolgen.

Auch Steffen Schütz, der Co-Landesvorsitzende in Thüringen, appelliert an die Partei, sich auf ihre Stärken zu besinnen. „Wir haben die Chance, echte Veränderungen zu bewirken, wenn wir unsere Energie auf die wichtigen Themen richten“, sagt er.

Eine Partei auf der Kippe
Das BSW steht an einem Scheideweg. Die innerparteilichen Konflikte, die uneinheitliche Koalitionspolitik und die fehlende programmatische Ausrichtung haben die junge Partei in eine schwierige Lage gebracht. Ob es dem BSW gelingt, diese Herausforderungen zu meistern, wird maßgeblich davon abhängen, ob die Partei ihre internen Streitigkeiten überwinden und ein klares Profil entwickeln kann. Sollte dies nicht gelingen, droht der Partei ein weiteres Abrutschen in die politische Bedeutungslosigkeit.

Autor/Redakteur: Arne Petrich

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