Ländliche Rückzugsorte: Strategien der rechtsextremen Szene in Ostdeutschland

Hausbesuch bei Neonazis: Rechte Immobilien im Osten | SPIEGEL TV

Das Spiegel TV-Video, das eine zufällige Begegnung mit einem prominenten rechten Vordenker dokumentiert, wirft ein intensives Licht auf die Verbindungen von rechtsextremen Akteuren und deren Rückzug in ländliche Gebiete Ostdeutschlands. Es beginnt mit der zufälligen Begegnung, in der der Kameramann auf einen bekannten völkischen Ideologen trifft, der mit seinen Ziegen unterwegs ist. Was nach einer harmlosen Sonntagsszene aussieht, enthüllt sich schnell als strategischer Rückzug von extrem rechten Netzwerken, die ländliche Gebiete bewusst als Orte der Selbstisolation und Ideologieproduktion wählen.

Rückzug ins Ländliche als Strategie
Immer mehr Rechtsextremisten zieht es in abgelegene ländliche Gebiete, vor allem in Ostdeutschland. Niedrige Immobilienpreise, wenig soziale Kontrolle und das gesellschaftliche Klima, das als „zuträglicher“ empfunden wird, bieten ideale Bedingungen für rechtsextreme Netzwerke, die ihre Parallelgesellschaften aufbauen wollen. Ein typisches Beispiel ist die Stadt Riesa, wo sich der Verlagskomplex der NPD-nahen Partei „Die Heimat“ befindet, die einst als NPD firmierte. Dort werden regelmäßig rechtsextreme Treffen und Feste organisiert. Diese Rückzugsorte dienen als Stützpunkte, von denen aus die Bewegung ihre Netzwerke erweitert und ihre Ideologie verbreitet. Spiegel TV dokumentiert nicht nur das Sommerfest in Riesa, sondern auch, wie aggressiv und ablehnend sich die Teilnehmer gegenüber Medienvertretern verhalten.

Aggressive Abwehr gegen die Presse
Während der Dreharbeiten in Riesa wird das Kamerateam immer wieder beschimpft und bedroht. Die Rechtsextremisten, die bei diesen Veranstaltungen oft unverhohlen neonazistische Symbole wie SS-Runen und antisemitische T-Shirts tragen, reagieren feindselig auf die Anwesenheit der Medien. Einer der Männer droht dem Kameramann direkt Gewalt an, sollte dieser weiter filmen. Diese aggressive Abwehrhaltung gegenüber der Presse ist Teil einer größeren Strategie, die Öffentlichkeit aus den Aktivitäten der Rechtsextremisten fernzuhalten.

Verbindungen zur Identitären Bewegung
Das Video zeigt, wie stark die Vernetzung innerhalb der rechtsextremen Szene in Deutschland und Europa ist. Nur wenige Kilometer von Riesa entfernt liegt Chemnitz, ein Zentrum der Identitären Bewegung, die besonders durch ihren Anführer Martin Sellner aus Österreich bekannt wurde. Trotz eines Einreiseverbots gelang es Sellner, nach Deutschland zu kommen und an Veranstaltungen in Chemnitz teilzunehmen. Die Identitäre Bewegung propagiert die „Remigration“ – die massenhafte Abschiebung von Migranten – und agiert zunehmend offensiv in Deutschland, vor allem im Osten. Aktionen wie die Besetzung der Basteibrücke in der Sächsischen Schweiz werden von der Chemnitzer Ortsgruppe der Identitären organisiert.

Die Rolle von Götz Kubitschek
Ein prominenter Kopf der extrem rechten Ideologieproduktion ist Götz Kubitschek, der als Vordenker der Neuen Rechten gilt und enge Verbindungen zur AfD pflegt. Im Video trifft das Kamerateam zufällig auf Kubitschek, der mit seinen Ziegen auf einem abgelegenen Gutshof unterwegs ist. Kubitschek, der das Institut für Staatspolitik leitet, tritt als intellektueller Vordenker der Bewegung auf, hinter dessen „Maske des Intellektualismus“ sich jedoch unverhohlener Rassismus und autoritäre Gewaltfantasien verbergen. Kubitschek betont immer wieder, dass ein „Aufstand“ gegen das politische System unumgänglich sei und arbeitet aktiv daran, den Diskurs nach rechts zu verschieben.

Parallelwelten in Ostdeutschland
Das Video verdeutlicht, dass sich in Ostdeutschland immer mehr rechtsextreme „Parallelwelten“ bilden, in denen sich die Szene ungestört organisieren und vernetzen kann. Der Verfassungsschutz beobachtet diese Entwicklung mit Sorge, da immer mehr Immobilien in ostdeutschen Bundesländern gezielt von Rechtsextremisten erworben und genutzt werden. Von den insgesamt 225 rechtsextremistischen Immobilien in Deutschland befinden sich 1445 in Ostdeutschland. Diese Orte dienen nicht nur als Treffpunkte für die Szene, sondern auch als Ausbildungsstätten, in denen Kampfsporttrainings, Schulungen und Konzerte organisiert werden.

Das Video von Spiegel TV zeigt damit eindringlich, wie sich die rechtsextreme Szene in Deutschland, besonders im Osten, zunehmend professionalisiert und isoliert, während sie ihre Strukturen in abgelegenen ländlichen Gebieten festigt. Diese Entwicklungen stellen nicht nur eine Gefahr für die politische Kultur, sondern auch für das gesellschaftliche Zusammenleben dar.

Autor/Redakteur: Arne Petrich

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