Jens-Christian Wagner, Historiker und Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, äußerte sich nachdenklich zum Wahlergebnis in Thüringen. Vor der Landtagswahl hatte er eindringlich vor einem Rechtsruck gewarnt und unter anderem einen offenen Brief an 350.000 über 65-jährige Thüringer versendet, in dem er für die Wahl demokratischer Parteien appellierte. Nach dem Erstarken der AfD bei der Wahl, die nun die stärkste Fraktion im Landtag stellt, zeigte sich Wagner tief besorgt.
In seiner Rede am Samstag, während der Gedenkveranstaltung an das sowjetische Speziallager Buchenwald, sprach er vor Überlebenden, Politikern und Gästen über die bedenklichen Entwicklungen. Laut Wagner greift die AfD mit ihrer Programmatik und Rhetorik die Menschenwürde an und strebt die Errichtung eines autoritären, völkischen Staates an. Er wies darauf hin, dass die Partei in ihrer Propaganda den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine rechtfertigt und das autoritäre Putin-Regime unterstützt. Wagner warnte vor den gefährlichen Konsequenzen eines solchen Gedankenguts und vor der Erosion demokratischer und humanitärer Werte.
Doch nicht nur die AfD stand in Wagners Kritik. Er stellte fest, dass auch die Ampel-Koalition in Berlin migrationsfeindliche und rassistische Rhetorik übernommen habe. Themen wie Flucht und Migration würden fast ausschließlich im Kontext von Kriminalität diskutiert, was die Wählerschaft in die Arme der AfD treibe. „Es ist erschreckend, wie weit demokratische Parteien in ihrer Rhetorik der AfD gefolgt sind“, sagte Wagner. Viele Menschen hätten sich bei der Wahl bewusst für das Original, die AfD, entschieden, die gezielt Angst und Unsicherheit schüre.
Besonders kritisch sah Wagner den aktuellen „Überbietungswettbewerb“ in der politischen Rhetorik zu Themen wie Abschiebung und Abschottung. Statt Lösungen für reale Probleme wie Rentensicherung, Pflegenotstand, bezahlbare Mieten oder die Klimakrise anzubieten, würden einfache, populistische Parolen verbreitet. Für Wagner ist diese Entwicklung verstörend, da sie an die dunklen Zeiten Thüringens in den 1920er bis 1940er Jahren erinnert.
Wagners Rede fand im Kontext des Gedenkens an das sowjetische Speziallager Buchenwald statt, das 1945 auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers eingerichtet worden war. Rund 28.000 Menschen waren dort inhaftiert, von denen etwa 7.000 starben. Neben NS-Funktionären wurden auch Unschuldige eingesperrt, was deutlich machte, welche verheerenden Folgen die Missachtung rechtsstaatlicher Prinzipien und der Menschenwürde haben können. Wagner mahnte eindringlich, aus der Geschichte zu lernen und für die Werte der Demokratie zu kämpfen.