Strategien russischer Propaganda in Ostdeutschland

Strategien russischer Propaganda in Ostdeutschland - Missbrauch von Traumata als Methode

In ihrem Vortrag beim Zukunftsforum Dresden widmete sich die DDR-Bürgerrechtlerin Grit Friedrich der Frage, warum in Ostdeutschland eine vermeintlich starke Russland-Affinität vorherrscht, während andere ehemalige Ostblockstaaten ein deutlich kritischeres Bild von Russland entwickelt haben. Ausgangspunkt für den Vortrag war die Resonanz auf Diskussionen in den sozialen Medien, insbesondere auf X/Twitter, bei denen Bürger aus Ost- und Westdeutschland starkes Interesse und Betroffenheit zeigten.

Friedrich führt diese Affinität in Ostdeutschland auf unverarbeitete traumatische Erfahrungen der Nachkriegszeit zurück, die sich über Generationen hinweg fortgesetzt haben. Diese Erfahrungen beinhalten den Schrecken und die Schuld des Zweiten Weltkriegs, die Gräueltaten während der sowjetischen Besatzung, die Repressionen und Sprachverbote der DDR-Diktatur sowie die tiefgreifenden Umbrüche während der Wendezeit und der Wiedervereinigung. Laut Friedrich konnten diese Traumata oft nicht verarbeitet werden, was dazu führte, dass sich diese unverarbeiteten Ängste und Erinnerungsmuster auf die heutige Wahrnehmung Russlands übertragen haben.

Besonders betont Friedrich die Rolle der Sowjetunion in der DDR, die dort als eine Art „Lehrmeister“ und „Übervater“ wahrgenommen wurde. Diese Beziehung zur UdSSR sei geprägt gewesen von einem Gefühl der Schuld und einer unausgesprochenen Angst, die sich nach 1991 auf das heutige Russland übertrug. Friedrich warnt zudem, dass Russland diese unterbewussten Erinnerungsmuster heute gezielt für Propaganda-Narrative wie „Russland ist unbesiegbar und sollte nicht provoziert werden“ ausnutzen könnte.

Ein zentraler Punkt in Friedrichs Vortrag ist die Notwendigkeit der Selbstreflexion. Sie sieht es als problematisch an, dass viele Bürger der ehemaligen DDR sich nach der Wende nie intensiv mit ihrer Vergangenheit auseinandergesetzt haben. Sie fordert daher eine offene und ehrliche Auseinandersetzung mit der Geschichte, um die heutigen gesellschaftlichen Herausforderungen besser bewältigen zu können. Für viele Ostdeutsche, so Friedrich, sei die Frage nach der eigenen nationalen Identität durch die Wiedervereinigung nicht befriedigend beantwortet worden, was auch zu einem Gefühl der Entwurzelung geführt habe.

Die anschließende Diskussion zeigte eine breite Palette von Sichtweisen. Teilnehmer hoben die starke Dominanz der russischen Kultur in der DDR hervor, insbesondere durch das Erlernen der russischen Sprache in der Schule. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass die Verbreitung rechtsextremer Einstellungen in Ostdeutschland nicht allein durch Traumatisierungen zu erklären sei. Ein weiterer Diskussionspunkt war die Migration rechtsextremer Gruppen aus Westdeutschland in den „rechtsfreien Raum“ der Nachwendezeit, um in Ostdeutschland Fuß zu fassen.

Zum Abschluss betonte Friedrich, dass ein offenes Zuhören der gegenseitigen Lebensgeschichten in Ost und West dazu beitragen könnte, mehr Verständnis für das Erlebte zu schaffen und eine gemeinsame deutsche Identität zu fördern. Ein Vorbild dafür könnte die Freiheitsbewegung in Mittel- und Osteuropa sein, bei der Freiheit als Selbstbestimmung und nicht nur als Wohlstand verstanden wird.

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