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Der Berliner Fernsehturm im Bau – Original-Filmmaterial aus dem Jahr 1965

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Mitten im pulsierenden Herzen Berlins ragt seit Jahrzehnten ein Bauwerk in den Himmel, das nicht nur zur Orientierung, sondern auch zur Erinnerung an eine vergangene Epoche geworden ist: der Fernsehturm am Alexanderplatz. Vierzig Jahre nach seiner Einweihung blickt der Dokumentarfilm „Rund um den Fernsehturm“ auf die Entstehungsgeschichte dieses beeindruckenden Wahrzeichens zurück – ein Projekt, das in den 1960er Jahren die Schlagzeilen dominierte und bis heute fasziniert.

Historischer Kontext und Standortentscheidung
In den späten 1950er Jahren rief die DDR zu einem städtebaulichen Ideenwettbewerb auf, um ein Symbol des sozialistischen Fortschritts zu errichten. Lange galt unklar, ob der Fernsehturm im Berliner Umland, in den Müggelbergen oder im Herzen von Friedrichshain entstehen sollte. Letztlich traf Staatschef Walter Ulbricht 1964 die entscheidende Wahl: Der Turm soll im neuen Berliner Stadtzentrum errichtet werden und damit die Vision eines modernen Ostberlin verkörpern. Am 4. August 1965 begann in Ostberlin ein ehrgeiziges Bauvorhaben, dessen Ziel es war, in nur vier Jahren das zweithöchste Bauwerk Europas zu erschaffen – ein ambitionierter Wettlauf gegen den „großen Bruder“ in Moskau.

Die Herausforderung im Bauprozess
Der Bau des Fernsehturms war so sehr ein technischer als auch logistisch beeindruckender Kraftakt. Rund 300 Betriebe aus der gesamten DDR waren an den Arbeiten beteiligt, wobei die Herausforderungen nicht zuletzt durch Lieferengpässe und Materialrestriktionen geprägt waren. Der Beton für die Bauarbeiten stammte nicht aus der unmittelbaren Umgebung, sondern musste über 200 Kilometer von Nienburg an der Saale transportiert werden – ein logistisches Unterfangen, das von der staatlichen Planwirtschaft kunstvoll koordiniert wurde. Der Film dokumentiert eindrucksvoll, wie selbst kleinste Details, wie die Abstimmung der Betonlieferungen und die Präzision beim Errichten des 23 Meter hohen Schachts, zur gemeinsamen Leistung vieler Arbeiter wurden. Arbeiter, die an Tag- und Nachtschichten den massiven Betonschaft errichteten, profitierten zusätzlich von einem Prämien-System, das jeden zusätzlichen aufgebauten Meter mit einer Prämie von 20.000 Mark honorierte.

Bautechnische Meisterleistung und Symbolwirkung
Obwohl der Fernsehturm auf den ersten Blick wie ein einfacher Schornsteinbau erscheint, offenbart sich bei genauerem Hinsehen die enorme ingenieurtechnische Herausforderung. Der Turm, der auch den Anforderungen des starken Windes und der elastischen Eigenschaften von Stahlbeton gerecht werden musste, bewegt sich – bei bösem Wind wurde eine Schwankung von 1,72 Metern gemessen. Diese technische Meisterleistung spiegelt den Ehrgeiz einer ganzen Nation wider, die trotz widriger Umstände und logistisch-struktureller Hürden den Glauben an den Fortschritt und die Innovation nicht verlor.

Eine Geschichte von Pioniergeist und sozialistischem Selbstbewusstsein
„Rund um den Fernsehturm“ bietet mehr als nur historische Aufnahmen aus den 60er Jahren – er dokumentiert den Pioniergeist jener Zeit und die Vision, die ein modernes Ostberlin gestalten sollte. Der Fernsehturm am Alexanderplatz ist nicht nur ein Bauwerk, sondern ein lebendiges Denkmal, das an die Zeit erinnert, in der sozialistische Ideale und technischer Fortschritt Hand in Hand gingen. Seinen Platz in der Stadtgeschichte hat das Bauprojekt als ein Symbol der Siegesgewissheit und des kollektiven Mutes – ein Monument, dessen Bedeutung heute ebenso vielschichtig ist wie die Geschichten, die sich um seine Errichtung ranken.

Giftiges Erbe – Wie Bitterfeld zum Symbol der DDR-Umweltpolitik wurde

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Bitterfeld, Herbst 1989. Der Himmel ist grau, der Boden schwer von Chemie. Die Stadt am Rand der damaligen Bezirksgrenze zwischen Halle und Leipzig gilt als einer der dreckigsten Orte Europas. In den Bächen fließen Giftbrühen, die Luft ist beißend, der Boden kontaminiert. Und mittendrin: Heidi Mühlenberg, damals 29 Jahre alt, Journalistin aus Leipzig. Sie will wissen, was wirklich los ist in Bitterfeld.

„Es war unwirtig und schockierend“, sagt sie heute. Bei einem Besuch in der Kleingartensiedlung „Am Busch“, wo früher ein Bach mit Industrieabwässern an den Gärten vorbeifloss, erinnert sie sich an die Aufnahmen, die sie 1989 heimlich gemacht hatte. Damals recherchierte sie unter hohem Risiko. Filmaufnahmen, Interviews mit Betroffenen – alles streng verboten. Und doch notwendig.

„Das Wasser war dunkelgrau, es stank fürchterlich. Wir haben später herausgefunden, dass hier täglich bis zu 14 Kilogramm Quecksilber durchflossen“, berichtet Mühlenberg. Die Anwohner? Viele hätten sich längst an den Gestank gewöhnt. Besonders erschütternd: In ihren Recherchen stieß sie auf medizinische Studien, die bereits in den 1980er Jahren auf gesundheitliche Schäden bei Kindern hinwiesen – verzögertes Knochenwachstum, auffällig kleiner Brustumfang, Atemwegserkrankungen wie Bronchitis und Asthma. Die Ergebnisse verschwanden jedoch in den Schubladen der Amtsärzte.

Ihr Buch Panikblüte. Bitterfeld-Report erzählt von diesen Missständen. Es ist auch ein Stück Zeitgeschichte – ein Zeugnis darüber, wie die DDR-Umweltpolitik nicht nur Natur, sondern auch Menschenleben aufs Spiel setzte. „Die Ärzte haben sich damals nicht mit Ruhm bekleckert“, so Mühlenberg. „Es gab Warnzeichen. Aber niemand wollte Verantwortung übernehmen.“

Ein Ort des Schreckens war auch die Deponie „Freiheit 3“. Hier wurde Chemieabfall einfach in die Landschaft gekippt – tonnenweise Giftstoffe unter freiem Himmel. Mühlenberg ging damals heimlich über das Gelände, sprach mit Werksangehörigen, stellte Fragen, die keiner hören wollte. Sie war nicht allein: Menschen wie Ingrid Schreier, eine couragierte Bürgerin aus Bitterfeld, unterstützten sie. In langen Gesprächen diskutierten sie über die Chancen der Friedlichen Revolution, über Aufbruch und Resignation.

Ein Symbol für den Zustand der Region war die Gottsche – ein stillgelegter Tagebau, dessen Staub ganze Dörfer einhüllte. „Die Menschen forderten jahrelang, dass der Tagebau geflutet wird. Doch niemand hörte ihnen zu“, sagt Mühlenberg. Heute liegt dort ein See – ein leiser Sieg für eine Region, die lange Zeit keine Stimme hatte.

Mehr als 30 Jahre später ist Bitterfeld-Wolfen kaum wiederzuerkennen. Das ehemalige Chemie-Kloakenland hat sich gewandelt. Biotope entstanden, die Industrie wurde saniert, Teile der Umwelt konnten gerettet werden. Doch die Wunden von damals bleiben. Und mit ihnen die Erinnerung an Journalistinnen wie Heidi Mühlenberg, die nicht wegsahen.

Dunkle Schatten der DDR: Zwei Frauen im Visier der Stasi

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Berlin – Vor mehr als dreißig Jahren wurden zwei junge Frauen zur Zielscheibe eines allgegenwärtigen Überwachungsapparats in der DDR. Silke Orphal und Ilona Seber, damals Schreibkräfte beim zentralen Organ der Staatspartei SED, wagten den außergewöhnlichen Schritt: Sie wollten den Staat verlassen und ihre Freiheit im Westen suchen. Ihre bewegende Geschichte, die erst Jahrzehnte später wieder öffentlich gemacht wurde, zeichnet ein erschütterndes Bild eines Regimes, in dem politische Opposition und der Wunsch nach Freiheit unerbittlich bestraft wurden.

Ein Leben unter Beobachtung
Bereits in jungen Jahren erlebten Orphal und Seber das kalte Grauen eines systemspezifischen Überwachungsstils. Während ihres gemeinsamen Lebens in Berlin war jede Bewegung sichtbar – die Stasi installierte Spitzel in unmittelbarer Nähe ihrer Wohnung, beobachtete sie aus den gegenüberliegenden Treppenhäusern und zeichnete sogar detaillierte Lagepläne ihrer Räumlichkeiten auf. „Jemand hat in mein Leben geguckt und ich hatte keine Ahnung davon“, erinnert sich eine der Frauen an jene Zeiten der ständigen Kontrolle und Demütigung.

Die Stasi-Akten, die sich über Hunderte Seiten erstrecken und abgefangene Briefe, private Post sowie amtliche Schreiben umfassen, offenbaren ein Bild von methodischer und skrupelloser Repression. Schon früh stellte sich ab, dass jede Regelflexibilität unternommen wurde, um den Frauen den Weg in den Westen zu verwehren. Immer wieder mussten sie sich der Kontrolle durch parteitreue Kollegen stellen – Kontakte brachen ab, und Freunde sowie Weggefährten wandten sich ab. So endete ihre berufliche Beziehung zum Neuen Deutschland, was ihnen gleichzeitig den Zugang zu einer zukunftsweisenden Karriere verwehrte.

Die letzte Grenze: der Weg in den Westen
Der Entschluss, die DDR zu verlassen, fiel nicht leicht. Mit immer wieder gestellten und schließlich zurückgezogenen Ausreiseanträgen setzten Orphal und Seber ihr Leben aufs Spiel. So berichtet eine der Beteiligten, dass die ständige Anspannung nicht nur psychisch belastend, sondern auch körperlich spürbar gewesen sei: „Ich habe ein richtig doofes körperliches Gefühl. Ich könnte direkt heulen“, so die emotionale Erinnerung an die schmerzlichen Verhöre in Behördengebäuden, die letztlich zum Symbol ihrer Unterdrückung wurden.

Während Ilona Seber später Mutter wurde und überraschend die Chance erhielt, in den Westen zu fliehen, fand Silke Orphal ihren Ausweg über die Heirat mit einem Pfarrer – ein Weg, der nicht nur ihre persönliche Freiheit, sondern auch die Möglichkeit der beruflichen Neuorientierung ermöglichte. So unterschied sich der Ausgang beider Schicksale trotz eines gemeinsamen Erlebnisses von staatlicher Willkür, Repression und sozialer Isolation.

Spurensuche im Rückblick
Heute, mehr als dreißig Jahre nach dem Fall der Mauer, wagen beide Frauen einen mutigen Rückblick: Sie besuchen die Orte, an denen sich ihr Trauma einst abspielte. Die Stasi-Aktenbehörde hat inzwischen beschlossen, diese düsteren Kapitel öffentlich zugänglich zu machen – ein Schritt, der der Nachwende-Generation ermöglicht, die Mechanismen einer repressiven Staatsführung nachzuvollziehen. Doch das Wiedererleben der Vergangenheit berührt auf tiefer emotionaler Ebene noch immer. „Wenn man die Gegebenheiten mit ins Leben integriert, dann findet man einen Weg – aber es ist nie leicht, diesen Weg zu beschreiten“, schildert eine der Überlebenden ihren inneren Konflikt zwischen Erinnern und dem Wunsch, endlich loszulassen.

Ein Erbe zum Nachdenken
Der Fall von Silke Orphal und Ilona Seber steht beispielhaft für die zahlreichen Menschen, deren Leben von den unsichtbaren Fäden der Stasi geprägt wurde. Ihre Geschichten mahnen: Freiheit hat ihren Preis und ist nicht selbstverständlich – sei es im damaligen Ostdeutschland oder in heutigen demokratischen Gesellschaften. Die Erinnerung an die Schikanen und die staatlich verordnete Überwachung unterstreicht, wie wichtig es ist, wachsam zu bleiben und die Bürgerrechte zu verteidigen.

Die Rückkehr an jene Orte, an denen einst die unerbittliche Kontrolle herrschte, ist für die beiden Frauen mehr als ein nostalgischer Akt – sie ist ein Bedürfnis, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen, sich den eigenen Ängsten zu stellen und letztlich das Erlebte als Teil ihrer Identität anzunehmen. So wird aus einem Kapitel der nationalen Geschichte ein Appell an die Freiheit und die Unantastbarkeit der Menschenwürde.

Vergessene Technik der DDR – Zwischen Innovation und Mangelwirtschaft

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Die Debatte um das Erbe der DDR wird oft von Bildern des Überwachungsstaates, der Plattenbauten und der Mangelwirtschaft dominiert. Doch unter der Oberfläche dieser oft einseitig betrachteten Epoche steckt eine weniger bekannte, aber gleichermaßen faszinierende Geschichte: die Geschichte einer technologischen Region, die, trotz wirtschaftlicher und politischer Restriktionen, mit Kreativität und Pragmatismus eine eigenständige Zukunftsvision entwickelte.

Technologische Unabhängigkeit als Überlebensstrategie
Im Angesicht des westlichen Embargos und eines begrenzten Zugangs zu internationaler Technologie war es für die DDR nicht nur eine Frage des Überlebens, sondern auch des Stolzes, eigene Lösungen zu entwickeln. Das Kombinat Robotron, mit Sitz in Dresden, stand dabei sinnbildlich für diese Ambitionen. Ab den 1970er Jahren entwickelte Robotron eigene Großrechner und später auch Heimcomputer wie den KC‑85‑3. Diese Geräte waren weniger als Spielzeug zu verstehen – sie fanden ihren Einsatz im Bildungswesen, in Pionierpalästen, an Universitäten und selbst in der Industrie, wo sie etwa zur Maschinensteuerung oder Datenerfassung dienten. Obwohl die technischen Möglichkeiten im Vergleich zu westlichen Standards begrenzt waren – ein 8-Bit-Prozessor, 16 bis 64 KB RAM oder ein Kassettenlaufwerk als Speichermedium – überzeugte der KC‑85 durch seine Stabilität und vor allem durch seine Unabhängigkeit von Importen.

Innovative Problemlösungen im Alltag: Der Trabant
Kein Symbol der DDR-Technik ist so bekannt wie der Trabant 601. Für viele im Westen war er lange Zeit das Klischee eines mageren und veralteten Automobils. Doch bei genauerer Betrachtung enthüllt der Trabant eine Geschichte der pragmatischen Innovation. Gefertigt aus Duroplast – einem harzigen Verbundstoff aus recycelter Baumwolle und Kunstharz –, bot der Trabant nicht nur die Vorteile einer leichten und rostfreien Karosserie, sondern auch eine Lösung in Zeiten, in denen Stahl knapp war. Der Zweitaktmotor mit seinen 26 PS mag auf dem Papier unspektakulär wirken, doch seine einfache Konstruktion und die Möglichkeit, Reparaturen eigenständig durchzuführen, machten den Trabant zu einem treuen Begleiter. Über 3 Millionen Fahrzeuge wurden zugebaut, und oft war es nicht die Leistung, sondern die Zuverlässigkeit im Alltag, die viele Menschen über Jahrzehnte begleitete.

Präzision und Brillanz – Die Marke Zeiss
Technologie bedeutete in der DDR auch, über den Tellerrand hinaus zu denken – wie es das Beispiel Carl Zeiss Jena eindrucksvoll zeigt. Weltweit bekannt für präzise optische Instrumente, revolutionierten die Produkte aus Jena nicht nur die Fotografie, sondern fanden auch in Medizin, Forschung und Industrie Anwendung. In einer Ära, in der westliche Hersteller oft dominierend waren, schuf die ostdeutsche Optik einen unverwechselbaren Charakter. Von den legendären Kameraobjektiven bis hin zu Mikroskopen und Teleskopen zeugte Carl Zeiss Jena von einer Tradition, die trotz politischer Umbrüche ungebrochen weiterwirkte und auch nach der Wende im internationalen Markt Anerkennung fand.

Rundfunk- und Fernmeldetechnik: Der tägliche Begleiter
Hinter dem unscheinbaren Kürzel RFT verbarg sich das Rückgrat der DDR-Unterhaltungselektronik. In Haushalten, Schulen und Betrieben fanden Geräte wie der Fernseher Stern, Radios und Plattenspieler ihren Platz. In einem Land, in dem westliche Produkte kaum verfügbar waren, entwickelte sich RFT zu einem Garant für Funktionalität und Langlebigkeit. Neben der Massenproduktion technikbasierter Geräte zeugt auch die ausgeprägte DIY-Kultur – Reparaturen wurden meist selbst vorgenommen, Ersatzteile waren oft in den eigenen vier Wänden zu finden – von einem technischen Bewusstsein, das heute fast nostalgisch anmutet.

Verlorene Zukunftsvisionen: Die Magnetschwebebahn der DDR
Ein besonders ambitioniertes Projekt stand exemplarisch für die Vision, die trotz aller Beschränkungen nie realisiert wurde: die Magnetschwebebahn. Angetrieben von elektromagnetischer Schwebetechnik und mit dem Ziel, ein nahezu geräuschloses innerstädtisches Transportsystem zu entwickeln, wurde bereits ein funktionsfähiger Prototyp gebaut. Testfahrten auf einem Gelände nahe Dresden unterstrichen das Potenzial dieser Technologie. Doch die wirtschaftlichen und politischen Realitäten – Ressourcenknappheit und fehlender Rückhalt – führten letztlich dazu, dass dieses vielversprechende Konzept der Zukunft überlassen blieb. Nichtsdestotrotz spricht der Prototyp Bände über den Erfindungsreichtum der DDR-Ingenieure, deren Ansätze in Teilen in heutigen Maglev-Technologien widerhallen.

Funktionalität als oberstes Gebot
Die Geschichte der DDR-Technik zeigt eindrucksvoll, dass Innovation nicht allein durch hochmoderne Ressourcen bestimmt wird. Oft waren es gerade die Einschränkungen und der Zwang zur Improvisation, die zu überraschend stabilen und funktionalen Lösungen führten. Während westliche Länder über Milliarden in luxuriöse Technik investierten, setzten die DDR-Ingenieure auf robuste, reparaturfreundliche und bedarfsgerechte Technologien. Dies mag im Vergleich moderner Maßstäbe unzureichend erscheinen, doch in einer Zeit der Knappheit und politischen Isolation waren diese Errungenschaften Ausdruck einer eigenständigen, wenn auch oft ungenutzten, Kreativität.

Die vergessene Technik der DDR fordert heute zum Umdenken auf – hin zu einer Wertschätzung des Pragmatismus und der nachhaltigen Ingenieurskunst, die auch unter widrigen Umständen Standhielt. Vielleicht liegt in dem Vermächtnis dieser Epoche mehr, als man auf den ersten Blick vermuten würde: Ein Ansatz, der heute angesichts steigender Rohstoffpreise und globaler Abhängigkeiten wieder relevant sein könnte.

Von der Planwirtschaft zur technologischen Eigenständigkeit – die vergessene Technik der DDR erzählt eine Geschichte, die weit über Klischees hinausgeht. Der Blick in die technische Vergangenheit zeigt, dass jede Epoche ihre eigenen Antworten auf die Herausforderungen ihrer Zeit fand.

Ernst Thälmann: Held der Arbeiterklasse oder Ideologischer Blindgänger?

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Die Straßen und Plätze in den neuen Bundesländern – ebenso wie Denkmäler im Prenzlauer Berg – zeugen von einem Namen, der in der deutschen Geschichte tiefe Spuren hinterlassen hat: Ernst Thälmann. In der DDR als unerschütterlicher Kämpfer gegen den Faschismus gefeiert und als Symbol des kommunistischen Widerstands stilisiert, stellt sich heute die Frage, ob diese Person auch als Vorbild gelten kann oder ob gerade ihre widersprüchliche politische Karriere Anlass zur kritischen Reflexion bietet.

Aus den einfachen Verhältnissen zur politischen Bühne
Geboren 1886 in Hamburg, lernte Thälmann früh die Härte des Lebens kennen. Der Sohn eines Ladenbesitzers und Gastwirts, der bereits als Zehnjähriger im Hamburger Hafen arbeitete, prägte die Arbeiterwelt und den großen Hafenstreik von 1896 sein politisches Bewusstsein nachhaltig. Mit 17 Jahren trat er in die SPD ein, ehe er sich ein Jahr später der Transportarbeitergewerkschaft anschloss. Bereits in diesen frühen Jahren machte sich ab, dass Thälmann der Arbeiterbewegung eine Stimme geben wollte – eine Stimme, die ihn später zu einer führenden Figur der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) machen sollte.

Politische Erfolge und tragische Fehlentscheidungen
Die politische Karriere Thälmanns ist geprägt von glanzvollen Momenten, aber auch von umstrittenen Entscheidungen. In den turbulenten Jahren der Weimarer Republik stieg er zum Funktionär der KPD auf und versuchte, die Arbeiterklasse zu einen. Dabei jedoch zeigte sich ein fundamentaler Widerspruch: Während Thälmann sich als Champion der einfachen Leute inszenierte, verfolgte er einen Kurs, der die sozialdemokratische Bewegung – gerade in Zeiten des aufkommenden Nationalsozialismus – zunehmend ausschloss. Sein harter Kurs gegen die SPD, die er gar als „Sozialfaschisten“ diffamierte, führte zu einer Spaltung, deren Folgen die deutsche Arbeiterbewegung bis in die Gegenwart spüren lässt.

Sein politischer Werdegang erreichte eine tragische Wendung, als er am 3. März 1933 in Berlin verhaftet und anschließend brutal misshandelt wurde. Die nationalsozialistische Machtergreifung bedeutete für Thälmann nicht nur das Ende eines aktiven politischen Kampfes, sondern auch den Beginn eines langen Leidenswegs hinter Gittern. Trotz der Pläne der Nationalsozialisten, ihn in einem Hochverratsprozess vorzuführen, blieb Thälmann standhaft – ein Symbol des ungebrochenen Widerstands, das in der Erinnerung der Arbeiter ein blasses Abbild des Märtyrertods hinterlässt.

Der Märtyrer im Spiegel der Geschichte
Von der Verhaftung 1933 bis zu seinem mörderischen Ende im August 1944 in Bautzen – der Weg Thälmanns ist eng verknüpft mit den dunkelsten Kapiteln der deutschen Geschichte. Während seiner zwölfjährigen Einzelhaft wurden nicht nur die Grausamkeiten des NS-Regimes sichtbar, sondern auch der ideologische Konflikt innerhalb der linken Bewegung offenbar. Zwar steht Thälmann als Märtyrer, der sich für die kommunistische Sache aufopferte, doch kritische Stimmen bemängeln, dass er maßgeblich zur Unterwerfung der KPD unter sowjetische Linie und zur Isolation der Arbeiter gegen die moderat-kritische SPD beigetragen habe.

Die Verklärung seines Lebens in der DDR führte dazu, dass viele seiner Fehltritte unter den Teppich gekehrt wurden. Heutige Debatten stellen daher die Frage: Wie soll mit der Erinnerung an einen Mann umgegangen werden, dessen politisches Wirken so facettenreich und widersprüchlich war? Statt den Namen zu glorifizieren, plädieren viele Experten heute für einen differenzierten Blick, der auch die negativen Aspekte – die ideologische Engstirnigkeit und die Spaltung der Arbeiterbewegung – thematisiert.

Denkmäler mit Kontext statt einseitiger Verehrung
Die öffentliche Erinnerungskultur steht vor einer Herausforderung: Wie geht man mit historischen Figuren um, die sowohl heroische als auch problematische Seiten aufweisen? In einer pluralistischen Gesellschaft sollte die Erinnerung an Ernst Thälmann nicht als unkritische Heldengestalt erfolgen. Vielmehr bedarf es eines kontextualisierten Gedenkens. Dies könnte bedeuten, dass Denkmäler um erläuternde Tafeln ergänzt werden, die den vielschichtigen Charakter Thälmanns und die ambivalenten Folgen seines politischen Handelns beleuchten.

Ein solches Vorgehen würde nicht nur der historischen Komplexität gerecht, sondern auch den Lernprozess der Gesellschaft fördern: Geschichte ist selten schwarz oder weiß, sondern von zahlreichen Grautönen geprägt. Die kritische Auseinandersetzung mit Thälmann und seiner Ära kann somit einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen.

Ein Aufruf zur differenzierten Erinnerung
Ernst Thälmann bleibt eine zentrale, wenn auch umstrittene Figur der deutschen Geschichte. Sein Leben und Wirken werfen grundlegende Fragen nach politischer Überzeugung, Opportunismus und dem Preis des ideologischen Fanatismus auf. Anstatt den Namen zu verfallen – als Symbol einer unkritisch glorifizierten Vergangenheit – sollte das öffentliche Gedächtnis die Widersprüche beleuchten und als Mahnmal für die Gefahren einer undifferenzierten Ideologie dienen.

Die Diskussion um seine Erinnerung ist daher mehr als eine Debatte um Denkmäler und Straßennamen. Sie fordert uns alle auf, die Komplexität historischer Persönlichkeiten anzuerkennen und die Lehren der Vergangenheit in die Gegenwart zu tragen. Denn nur so können wir verhindern, dass sich die Fehler von gestern ungewollt in der Politik von morgen wiederholen.

Der Saporoshez – Die Kremlwanze des Osten’s

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Wer in der DDR einen Saporoshez fuhr, wurde belächelt – und das nicht zu Unrecht. Der sowjetische Kleinwagen mit Heckmotor und Panzeranlass-DNA galt im Volksmund als „Kolchosentraktor“ oder „Tiger-Trommel“. Er war laut, langsam, unpraktisch – und doch für manche die einzige Möglichkeit, überhaupt ein eigenes Auto zu besitzen.

Ab 1967 rollten die ersten Modelle, allen voran der SAS 965, über ostdeutsche Straßen. Produziert im ukrainischen Saporoschje – heute Saporischschja – war der Wagen ein echter Export-Schlager aus dem Ostblock, auch wenn sein Ruf ihm weit vorausfuhr. Während DDR-Bürger jahrelang auf einen Trabant warten mussten, war der Sapo oft sofort verfügbar. Der Haken: Das Fahrzeug war mit allerlei Eigenheiten ausgestattet, die seinen Alltagseinsatz erschwerten – und teils gefährlich machten.

Zwischen Benzinheizung und Blecheigenleben
Besonders berüchtigt war die benzinbetriebene Heizung, deren Nachglühen beim Tanken für Nervosität sorgte – sowohl bei Fahrern als auch beim Personal. Immer wieder kam es zu Fahrzeugbränden, nicht selten verursacht durch selbst durchgeführte Reparaturen an der empfindlichen Heiztechnik.

Auch sonst war der Wagen eher etwas für Liebhaber mit starken Nerven: mangelnde Verarbeitung, klappernde Karosserie, ein kaum nutzbarer Kofferraum – Urlaub mit Koffer? Fehlanzeige. Die meisten Saporoshez-Fahrer behalfen sich mit Einkaufstüten und stopften ihre Kleidung in die letzten Ecken des Fahrzeugs. Dennoch: Die gute Federung, die Beinfreiheit und der durchaus kräftige Motor mit bis zu 40 PS machten den Wagen besonders im hügeligen Gelände zu einer interessanten Alternative zum Trabant.

Vom Spottobjekt zum Sammlerstück
Trotz seiner Schwächen hat der Saporoshez heute Kultstatus. Einer, der seine Liebe zum skurrilen Sowjetflitzer nie verlor, ist Thomas Eggert aus Altenburg. Er erwarb früh einen SAS 965 und restaurierte ihn originalgetreu. In den frühen 90ern eröffnete er eine eigene Werkstatt – spezialisiert auf genau jene Fahrzeuge, die die meisten längst abgeschrieben hatten. Noch heute repariert Eggert die letzten rund 150 Saporoshez, die nach Schätzungen auf deutschen Straßen unterwegs sind. Zwei davon gehören ihm selbst.

Sowjet-Charme mit Lotterie-Glück
Übrigens: Ein prominenter Saporoshez-Besitzer war auch der heutige russische Präsident Wladimir Putin. Seine Mutter gewann das Auto einst in einer Lotterie – vielleicht einer der wenigen Fälle, in denen der Sapo als echter Glücksgriff galt.

Mit dem Ende der DDR verschwand auch der Saporoshez von den Straßen – zumindest fast. Denn was einst als Billigalternative belächelt wurde, lebt heute als automobilhistorische Kuriosität weiter. Er ist ein Relikt sowjetischer Ingenieurskunst – und ein Symbol dafür, wie selbst das Unterschätzte seinen Platz in der Geschichte findet.

Demokratie im Umbruch – Der Wahlkampf der Allianz für Deutschland 1990

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WeimarEin Bild des Umbruchs, in dem Hoffnung und Skepsis Hand in Hand gehen. Im Angesicht der ersten freien Volkskammerwahl der DDR 1990 zeichnete sich ein politisches Neuland ab, das die Grundlagen für ein vereintes Deutschland legen sollte.

Vor über drei Jahrzehnten betrat die „Allianz für Deutschland“ – ein Bündnis aus Ost-CDU, Demokratischem Aufbruch und der Deutschen Sozialen Union – die politische Bühne der DDR. Der Wahlkampf, getragen von der Sehnsucht nach einer demokratischen Neuorientierung, stand exemplarisch für den Kampf gegen die jahrzehntelange Dominanz des autoritären Systems.

Ein Neuanfang mit Altlasten
In Weimar, der Stadt, die sowohl als Wiege deutscher Klassik als auch als Ort schmerzlicher Vergangenheit gilt – über 60.000 Häftlinge fanden im KZ Buchenwald den Tod – wurde der Wandel greifbar. Hier treffen historische Schicksale auf neue Visionen. Die ehemals eng in das System der SED eingebundene Ost-CDU sollte sich als Teil einer zukunftsweisenden Allianz neu erfinden. Doch die Bruchlinie zur Vergangenheit ließ sich nicht leicht ziehen. Viele Bürger standen der neu formierten CDU mit Skepsis gegenüber, während der kritische Blick auf West-Hilfe und vermeintlich unpassende Instrumente wie die massenhaft angelieferte Kopierflüssigkeit den neuen politischen Kurs hinterfragte.

Politik als Leidenschaft und Profession
Im Zentrum des Wandels stand auch die menschliche Komponente: Politiker, die aus Berufung und Überzeugung handelten. Der Arzt Dr. Frank-Michael Pitsch, der sich inmitten des politischen Umbruchs als „Hobbypolitiker wider Willen“ wiederfand, fasste sein Engagement als nötigen Beitrag zur Befreiung von jahrzehntelanger Diktatur zusammen. „Ich sehe mich als Wegbereiter, der diese Demokratie auf den Weg gebracht hat“, betonte er – ein Appell an die Bürger, in einer Zeit radikaler Veränderungen den Mut zu finden, selbst Verantwortung zu übernehmen.

Herausforderungen im Wahlkampf-Alltag
Der Wahlkampf gestaltete sich als Balanceakt zwischen westlicher Unterstützung und der Notwendigkeit, eigenständige Lösungen zu finden. Westliche Helfer brachten nicht nur Material wie Informationsstände und Sonnenschirme, sondern auch den westlichen Wahlkampfstil mit – eine Mischung, die teilweise gut ankam, an anderer Stelle jedoch für Irritation sorgte. Insbesondere die Herausforderung, sich jenseits alter Parteistrukturen zu positionieren, erwies sich als zentrales Spannungsfeld: Wer gehört zur Allianz? Und wie soll das „neue CDU“-Selbstverständnis den Menschen in einem Land, das sich erst jetzt demokratisch emanzipiert, vermittelt werden?

Zwischen Euphorie und Realität
Die Stimmungslage im Wahlkampf war geprägt von hohen Erwartungen und ungewisser Zukunft. Öffentliche Diskussionen – teils chaotisch, teils leidenschaftlich – zeichneten das Bild eines Landes, das sich selbst neu entdecken wollte. Dabei wurde die Demokratie nicht als Selbstverständlichkeit, sondern als Prozess verstanden, der gehoben, erlernt und immer wieder aufs Neue erkämpft werden musste. „Es ist mehr oder weniger intuitiv, dass man sich jetzt für die eine oder die andere Richtung entscheidet“, so eine Stimme aus den Reihen der Wahlkampfhelfer, die den Spagat zwischen idealistischer Vision und politischer Realität zu meistern versuchten.

Ein Blick in die Zukunft
Auch wenn viele Fragen offen blieben – etwa wie man wirtschaftliche Herausforderungen meistern und zugleich ein soziales Netz aufbauen könne –, stand fest: Es ging um mehr als nur um Wahlerfolge. Es ging um die Neudefinition von politischer Identität und um den Weg in ein vereintes, demokratisches Deutschland. Die Allianz für Deutschland signalisierte dabei nicht nur einen Bruch mit der Vergangenheit, sondern auch den Startschuss zu einer politischen Erneuerung, die tief in der Geschichte der Region verankert war und dennoch in eine ungewisse, aber hoffnungsvolle Zukunft führte.

Während die Stimmen der Veränderung in den Straßen Weimars laut wurden, zeichnete sich bereits ab, dass dieser Wahlkampf mehr war als nur ein temporäres politisches Experiment – er war der erste Schritt in einen neuen, selbstbestimmten politischen Alltag.

Rostock 1945 – Ein Jahr zwischen Krieg und Neubeginn im Fokus

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Rostock, April 2025 – Mit der neuen Ausstellung „Rostock 1945 – Zwölf Monate zwischen Krieg und Neuanfang“ erinnert das Kulturhistorische Museum an ein Schlüsseljahr der Stadtgeschichte. Das Jahr 1945 markiert nicht nur das Ende des NS-Regimes, sondern auch den Beginn eines zähen, aber entschlossenen Wiederaufbaus. Hinter den grauen Fassaden und den militärischen Ereignissen eröffnet die Ausstellung einen tief persönlichen Blick auf das, was damals wirklich zählte: das Leben der Menschen.

Krieg, Befreiung und die Schatten der Vergangenheit
Am 1. Mai 1945 änderte sich das Blatt in Rostock – die Rote Armee befreite die Stadt und läutete damit das Ende eines Jahrzehnts der Unterdrückung ein. Doch selbst in den letzten Kriegstagen funktionierte für die Nationalsozialisten noch immer eine wahre „Terrormaschine“. Fanatisierte Jugendliche wurden in den sicheren Tod geschickt, Deserteure und jene, die keinen Glauben mehr an den Endsieg hatten, wurden hingerichtet. Diese brutalen letzten Kapitel des Krieges bilden den makaberen Ausgangspunkt für die Ausstellung, die zugleich den Neuanfang und die Befreiung feiert.

Die Magie der persönlichen Geschichten
Ein zentraler Aspekt der Ausstellung ist der Versuch, die Ereignisse durch die persönlichen Perspektiven der Zeitzeugen lebendig werden zu lassen. „Ich denke, dass man nur mit einem empathischen Blick auf die Geschichte das wirklich verstehen kann, dass es dabei um echte Menschen geht“, betont eine der Interviewpartnerinnen, die ihre Erinnerungen und Erlebnisse vor Ort schildert. Diese Individualgeschichten verleihen den historischen Fakten eine unvergleichliche Tiefe und machen die Vergangenheit für die Besucher greifbar. Es sind nicht mehr nur Daten, Zahlen und Ereignisse – es sind Schicksale, die auch heute noch nachwirken und Fragen zur Identität und Heimat aufwerfen.

Interaktive Elemente und Beteiligung der Jugend
Die Ausstellung besticht nicht nur durch ihre inhaltliche Tiefe, sondern auch durch ihr interaktives Konzept. Besucher werden aktiv dazu eingeladen, verschiedene Perspektiven einzunehmen und sich intensiver mit der Geschichte ihres eigenen Lebensumfeldes auseinanderzusetzen. Ein besonderes Highlight stellt die Zusammenarbeit mit der Christophorusschule dar. Schülerinnen und Schüler der Klassen 9 bis 11 beteiligen sich gemeinsam mit Museumsmitarbeitenden an einem Zeitungprojekt, das erste Druckexemplare konnten bereits bewundert werden. Dieser kreative Ansatz bringt frischen Wind in die Geschichtsvermittlung: Junge Menschen erarbeiten eigene Verbindungen zu ihrer Stadt und ihrer Geschichte und zeigen so, dass der Neuanfang nicht nur ein historisches Ereignis, sondern auch ein fortwährender Prozess ist.

Ein Ort der Begegnung und Reflexion
Das Kulturhistorische Museum in Rostock versteht sich als ein Ort, der den Dialog über Vergangenheit und Gegenwart fördert. Die Ausstellung lädt Besucher ein, nicht nur die historischen Abläufe des Jahres 1945 zu erforschen, sondern auch die langfristigen Nachwirkungen auf das heutige Rostock zu hinterfragen. Die Integration von Interviews, Projekten und interaktiven Stationen schafft eine lebendige Atmosphäre, in der Geschichte nicht in Schwarz-Weiß-Dokumentationen erstarrt, sondern als ein vielschichtiges Geflecht persönlicher Erinnerungen und Erfahrungen erscheint.

Die Faszination der Ausstellung liegt dabei in ihrer gelungenen Kombination aus authentischer Geschichtsdarstellung und moderner Vermittlungsmethodik. Sie verlagert den Blick von einer abstrakten Darstellung der vergangenen Ereignisse hin zu den individuellen Schicksalen, die das kollektive Gedächtnis einer ganzen Stadt formen. Hier wird Geschichte nicht nur erzählt – sie wird erlebt.

Einladung zum Erinnern und Mitgestalten
Die Ausstellung „Rostock 1945 – Zwölf Monate zwischen Krieg und Neuanfang“ ist bis zum 24. August 2025 im Kulturhistorischen Museum in Rostock zu besichtigen. Für alle, die sich für den Neubeginn nach den Wirren des Krieges interessieren, bietet das Museum einen emotionalen und eindrucksvollen Zugang zu einer Zeit, die bis heute nachhallt. Ob als Zeitzeuge, Geschichtsinteressierter oder als junger Mensch, der seine Wurzeln entdeckt – der Blick in die Vergangenheit gibt immer auch die Chance, die Zukunft neu zu gestalten.

Von der DDR zur digitalen Leinwand: Dresdens bewegte Trickfilmgeschichte

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DresdenEine Stadt, in der Fantasie lebendig wird und Geschichte auf Kunst trifft. Seit mehr als einem halben Jahrhundert ist Dresden Schauplatz einer außergewöhnlichen Filmtradition, die in den laborartigen Hallen des DEFA-Trickfilmstudios ihren Ursprung fand. Hier wurden Träume animiert – von den ersten bescheidenen Schritten in der DDR bis hin zu modernen Projekten, die an die glorreichen Tage des Zeichentrickfilms anknüpfen.

Die Geburtsstunde eines kreativen Phänomens
1955 zog Günther Rätz aus Berlin nach Dresden und gründete ein Studio, das sich ausschließlich dem Trickfilm widmete. In einer Epoche, in der staatliche Ideologien und künstlerische Visionen oft im Widerspruch standen, entwickelte sich das Studio dennoch zu einem Hort kreativer Experimente. Rätz, selbst ehemalige Puppenspieler, nutzte sein handwerkliches Geschick und seine künstlerische Intuition, um mit einfachen Techniken – wie der Drahtfigurenanimation – spektakuläre Filmwelten zu erschaffen. In Zusammenarbeit mit Nachwuchstalenten und erfahrenen Animatoren wurde in den folgenden Jahrzehnten ein breites Spektrum an Zeichentrick-, Puppentrick- und Legetrickfilmen realisiert, die Generationen von Zuschauern prägten.

Kunst und Politik im Spiegel der DDR
Obwohl das Studio Teil eines streng geregelten Volkseigenen Betriebs war, gelang es den Filmemachern, ihre künstlerische Freiheit zu bewahren – wenn auch innerhalb der Grenzen eines sozialistischen Weltbildes. Filme wurden genutzt, um Werte zu vermitteln und die junge Generation zu einer sozialistischen Persönlichkeit zu erziehen. Doch hinter den Kulissen existierte eine Atmosphäre des steten Austauschs und der kreativen Innovation. So erinnerten sich Mitarbeiter an das „Learning by Doing“ und an den spontanen Ideenreichtum, der selbst in den frühen Tagen des Studios zu bahnbrechenden technischen Experimenten führte. Persönlichkeiten wie Jörg Herrmann, der sich in der Silhouette-Tricktechnik einen Namen machte, und Marion Rasche, die als Dramaturgin wegweisende Inhalte prägte, standen exemplarisch für diesen ungewöhnlichen Schmelztiegel von Ideologie und künstlerischer Freiheit.

Kreativität trotz staatlicher Zensur
Auch wenn das Ministerium in Berlin inhaltlich diktierte, welche Geschichten die Leinwand füllen durften, blieb das Streben nach innovativen Erzählformen ungebrochen. Projekte wie eine ungewöhnliche Co-Produktion mit Polen zum Kommunistischen Manifest oder die fantasievollen Serien, die ursprünglich für den französischen Markt konzipiert wurden, zeugen vom unermüdlichen Drang, das Medium Trickfilm weiterzuentwickeln. Kritiker der damaligen Zeit erinnerten sich an die frustrierende Realität der Zensur: So mussten Szenen, die als zu optimal und zu bruchstückhaft empfunden wurden, kurzerhand durch weniger anspruchsvolle Motive ersetzt werden. Dennoch blieb die Kreativität der Künstler ungebremst, was dem Studio zu internationalem Ansehen und zahlreichen Preisen verhalf.

Der Wandel nach der Wende: Abschied und Neuanfang
Mit der Wende kam der tiefgreifende Einschnitt: 1991 wurde das DEFA-Trickfilmstudio aufgelöst und das einst pulsierende Herz der Animationskunst endete abrupt. Die Existenzen, die über Jahrzehnte hinweg gesichert schienen, wurden in einem Augenblick zerstört. Ehemalige Mitarbeiter standen vor der Herausforderung, nicht nur ihre persönlichen Arbeitsplätze, sondern ein kulturelles Erbe zu retten, das in Sperrmüllcontainern beinahe verloren ging. Mit großem Engagement gründeten sie 1993 das Deutsche Institut für Animationsfilm (DIAF) und sicherten so tausende von Filmrollen, Requisiten und Zeichnungen. Dieses Archiv dient seither als kulturelles Gedächtnis Dresdens und als Inspirationsquelle für zukünftige Generationen.

Ein Erbe, das weiterlebt
Auch nach dem Ende des DEFA-Studios blieb die Tradition des Trickfilms in Dresden lebendig. Junge Talente wurden in neuen Studios wie Balancefilm und dem Trickfilmstudio Fantasia ausgebildet. Projekte, die alte Techniken mit modernen Mitteln verbinden – wie Ralf Kukulas „Fritzi – Eine wellende Wundergeschichte“ aus dem Jahr 2019 – zeigen, dass die emotionale Kraft und der kreative Geist der Animatoren auch in einer digitalisierten Welt Bestand haben. Erfahrene Regisseure wie Toni Löser, der nach neuen Themen und Techniken experimentiert, blicken mit Wehmut und Stolz auf ihre Anfänge in einem Studio, das einst als „Insel der Glückseligkeit“ galt.

Dresdens Trickfilmgeschichte ist mehr als nur Nostalgie – sie ist ein Zeugnis künstlerischer Innovation unter schwierigsten politischen Bedingungen. Sie erzählt von der Kraft der Fantasie, die selbst in starren Systemen aufblüht und Generationen inspiriert. Während die Zeiten sich wandelten und die DDR der Vergangenheit angehört, lebt das kreative Erbe in den heutigen Animationsprojekten weiter und ermutigt immer wieder dazu, der eigenen Vorstellungskraft Leben einzuhauchen.

Dieser Beitrag bietet einen umfassenden Einblick in die bewegte Geschichte des DEFA-Trickfilmstudios in Dresden – von den Anfängen in der DDR, über die Herausforderungen der Zensur, bis hin zum Erbe, das auch nach dem Fall der Mauer fortbesteht.

Moral ist Macht – Ulf Poschardt und die Rebellion gegen den Shitbürger

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Es klingt wie ein Paradox, ist aber Ausdruck unserer Zeit: Die Rebellion hat ihren rebellischen Charakter verloren. Statt gegen das System zu kämpfen, marschiert sie durch seine Institutionen – und stabilisiert es dabei. In seinem pointierten Essay „Rebellion ermöglicht Freiheit“ entwirft der Journalist und Autor Ulf Poschardt ein scharfes Porträt der Gegenwart – und stellt einen neuen Sozialcharakter in den Mittelpunkt, der seiner Meinung nach die westlichen Gesellschaften zunehmend prägt: den Shitbürger.

Vom Aufbegehren zur Anpassung
Poschardt beginnt mit einer klaren These: Rebellion ist der Ursprung von Freiheit. Doch was einst Auflehnung bedeutete – gegen Hierarchie, Konvention, Zwang –, sei heute zur Karriereoption geworden. Die rebellische Energie habe sich, so Poschardt, „umgepolt“: Statt draußen zu stehen, sitzt sie heute in der NGO, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, in der Universitätsleitung.

Dort allerdings verliert sie ihren Stachel. Was bleibt, ist ein moralischer Tonfall, der sich als progressiv inszeniert, aber letztlich nichts anderes bewirkt als die Reproduktion des Bestehenden. Der revolutionäre Impuls ist gezähmt – und wird zum Machtmittel.

Der Shitbürger als neuer Hegemon
Diese Figur, die Poschardt als Shitbürger bezeichnet, ist weder offen autoritär noch klar opportunistisch. Vielmehr verbindet sie moralische Überlegenheit mit einem tiefen Bedürfnis nach Ordnung und Kontrolle. Der Shitbürger erscheint als Weltverbesserer – und handelt doch in erster Linie zur Sicherung der eigenen Privilegien.

Er moralisiert nicht, weil er befreien will, sondern weil er regulieren möchte. Poschardt nennt das einen „erzieherischen Gestus“, angetrieben vom Freiheitsneid: Die Unfreien wollen die Freien binden – mit Regeln, Etikette, politischer Korrektheit. In dieser Diagnose schwingt viel Nietzsche mit, aber auch eine Prise Foucault: Moral, so die These, dient nicht mehr dem Guten, sondern der Herrschaft.

Systemtheorie statt Idealismus
Poschardts Kritik hat auch eine theoretische Dimension. Wer glaubt, das System durch moralisch motivierten Aktivismus von innen heraus zu verändern, verkennt laut ihm eine zentrale Wahrheit: Systeme erhalten sich selbst. Institutionen wie Medien, Universitäten oder die Bürokratie sind keine neutralen Gefäße, sondern eigendynamische Konstrukte – sie absorbieren den Widerstand und machen ihn harmlos. Wer in das System eintritt, wird – ob bewusst oder nicht – zu seinem Agenten.

Die Folge: Eine Gesellschaft, die sich zunehmend selbst zensiert, kontrolliert und moralisiert. Nicht durch äußere Repression, sondern durch inneren Anpassungsdruck.

Ein Appell an republikanische Tugenden
Trotz aller Kritik bleibt Poschardt nicht im Kulturpessimismus stecken. Seine Rebellion ist keine destruktive, sondern eine republikanische. Es gehe, so schreibt er, um eine „radikale Selbstkritik“ – und eine Rückbesinnung auf Tugenden wie Eigenverantwortung, Urteilskraft, Zivilcourage und die Fähigkeit zur nicht konformen Meinungsäußerung.

Das Ziel ist nicht die Zerschlagung von Institutionen, sondern deren Befreiung von ideologischer Erstarrung. Rebellion, so Poschardt, sei dann sinnvoll, wenn sie Freiheit wieder möglich macht – nicht nur für wenige, sondern für alle.

Poschardts Essay ist kein Wutschrei, sondern ein Weckruf. Er richtet sich an jene, die spüren, dass der gesellschaftliche Diskurs enger geworden ist – moralisch aufgeladen, aber inhaltlich oft leblos. Der Shitbürger ist dabei nicht bloß eine polemische Figur, sondern ein Symptom: für eine Gesellschaft, die sich im Namen des Guten selbst gefangen nimmt.

Wer wirklich rebellieren will, so Poschardts Botschaft, muss heute nicht gegen „die da oben“ kämpfen – sondern gegen den inneren Moralisten in uns allen.