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Erfurt-Süd zwischen Toren, Flutgraben und Plattenbau

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Ein Viertel mit Geschichte: Die Löberstraße in Erfurt-Süd erzählt auf kaum einem anderen Areal so eindrücklich vom stetigen Wandel der Stadt. Im Rahmen des Projekts „Erfurt Süd – heute und damals“ luden das Stadtarchiv Erfurt und der Historiker Lothar Semlin jüngst zu einem virtuellen Spaziergang ein. Anlass war die Vorstellung zahlreicher Amateurdias und historischer Karten, die weit mehr verraten als nur verblasste Ansichten: Sie offenbaren über 950 Jahre Kulturgeschichte, Wirtschaftskraft und Infrastrukturentwicklung in einem einzigen Straßenzug.

Vom inneren zum äußeren Tor
Bereits 1066 markierte hier die erste Stadtbefestigung Erfurts die Grenze zwischen städtischem Leben und freiem Land. Das sogenannte innere Löbertor, über Jahrhunderte das Tor zur Wildengäre, lag an der Stelle des heutigen Juri-Gagarin-Rings: eine Funktion, die es erst um 1373 durch das äußere Löbertor ergänzte, um den zunehmenden Verkehr nach Arnstadt und Nürnberg zu kontrollieren. Noch bis 1480 blieben die beiden Tore durch keine äußere Mauer verbunden – die eigentliche Stadtbefestigung wanderte somit von der ersten zur zweiten Ringlinie.

Häuser der „Löber“ und die Thomaskirche
Zurückzuführen ist der Straßenname auf die Lohgerber, die sogenannten „Löber“, die sich schon im Spätmittelalter südlich des inneren Tores niederließen. Ihre kleinen Fachwerkhäuser zeigten sich auf Aquarellen aus dem Jahr 1804 – Zeitzeugen eines Handwerks, das heute längst verschwunden ist. Die Thomaskirche, erstmals 1291 urkundlich genannt, stand ursprünglich außerhalb der Mauer, wurde im 14. Jahrhundert im gotischen Stil neu errichtet und prägte die Löbervorstadt über Jahrhunderte hinweg als religiöses und soziales Zentrum.

Wasser in der Stadt: Wilde Gera und Flutgraben
Bis in die 1890er-Jahre war die „wilde Gera“ ein offenes Gewässer, das sich in mäandrierenden Armen durch das Viertel schlängelte. Mit Eröffnung des Flutgrabens 1898 wurde ihr Bett zugeschüttet, die frühere Löberbrücke über die Gera ist seither verschwunden. Eine neue Löbertorbrücke, fertiggestellt 1892, spannt sich noch heute über den künstlich angelegten Graben. Eine spektakuläre Szenerie bot sich am Morgen des 18. Juli 1897, als eine Lokomotive mit voller Wucht einen Prellbock rammte und in die Tiefe stürzte – ein Unglück, das bis heute Stoff für lokale Legenden liefert.

Vom Schützenhaus zur Plattenbausiedlung
An derselben Stelle versammelten sich einst Schützenvereine: Bereits im frühen 16. Jahrhundert erzielten sie erste Treffer, bis 1813 feierten sie hier ihren Abschied vom historischen Schießsport. Der heutige Bürgerschützenchor Erfurt 1463–1990 e. V. führt die Tradition fort, nur wenige Schritte westlich am Steiger. Doch das 20. Jahrhundert brachte weit gravierendere Umbrüche: Im Dezember 1944 wurde das Eckhaus Löberstraße – Gerdösering durch Bomben beschädigt, in den 1970er-Jahren schließlich weichen die letzten Altbauten der ambitionierten Plattenbauplanungen der DDR. Nur ein einziges Eckhaus an der Kreuzung Juri-Gagarin-Ring/Ostseite blieb erhalten – ein stummer Zeuge vergangener Bebauungslinien.

Quellen und Ausblick
Was als virtuelle Dia-Reihe begann, wird begleitet von einer Fülle historischer Karten: Tetekinds Plan aus dem Jahr 1620 zeigt noch die ursprüngliche Trasse der Löberstraße bis zum Bahndamm, Samuel Fritz’ Karte von 1678 dokumentiert Schützenhaus und Schießplatz, Friedrich Bernhard Werners Zeichnung von 1730 das Siechenhaus („Leprosorium“) vor den Toren der Stadt. Dr. Ange Bauer, Direktorin des Stadtarchivs, und ihre Kollegin Anne Palmowski ergänzen die Fotos mit fundierten Erläuterungen im Buch Erfurt in historischen Gärten 1493 bis 1993.

Wer die Geschichten von Mauern und Toren, von Handwerk und Infrastruktur, von Naturgewalten und Neubauvorhaben noch vertiefen möchte, ist eingeladen, auf Facebook oder per E-Mail über neue Beiträge der Reihe informiert zu werden. Denn Erfurt-Süd bleibt ein lebendiges Archiv – und jeder Stein, jedes Fachwerk und jede Brücke erzählen weiter von Menschen, die hier gelebt, gearbeitet und gebaut haben.

Stasi-Mord? Der Fall Lutz Eigendorf – Ein dunkles Kapitel des deutschen Fußballs

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Am 5. März 1983 ereignete sich in Braunschweig ein Vorfall, der noch heute Fragen aufwirft: Lutz Eigendorf, ein talentierter Fußballstar aus der DDR, kam unter mysteriösen Umständen ums Leben. Die offizielle Darstellung spricht von einem Unfall – doch zahlreiche Indizien deuten darauf hin, dass der Fall viel mehr als nur ein tragischer Verkehrsunfall war.

Ein Spieler zwischen zwei Welten
Lutz Eigendorf galt als eines der größten Talente des DDR-Fußballs und wurde bereits früh als „Sportverräter“ eingestuft, als er 1979 in den Westen flüchtete. Nach seinem Transfer zum 1. FC Kaiserslautern gelang ihm der Start in der Bundesliga, und er symbolisierte für viele den Erfolg eines Flüchtlings, der im Westen Großes leistete. Doch gerade dieser Neuanfang machte ihn auch zum Ziel eines mächtigen und skrupellosen Apparats.

Der lange Arm der Staatssicherheit
Hinter Eigendorfs Tod steht – so vermuten manche – die Stasi. Der damalige DDR-Geheimdienst hatte den Spieler als Verräter markiert und setzte ein Netz aus Spitzeln ein, das ihn auf Schritt und Tritt überwachte. Nach Angaben ehemaliger Ermittler und aktenbasierter Recherchen soll der Geheimdienst bis zu 50 Informanten eingesetzt haben, um Eigendorf zu beschatten. Besonders brisant: Es gibt Hinweise darauf, dass die Stasi bereits in den Tagen vor dem Unfall Einfluss auf ihn nahm. So soll er unter anderem durch kurzfristiges Blenden mittels Fernlicht in eine kritische Situation gebracht worden sein.

Ein verhängnisvoller Abend in Braunschweig
Am Abend des 5. März 1983 besuchte Eigendorf eine Braunschweiger Kneipe – zuletzt das „Cockpit“ am Flughafen – bevor er, laut Zeugenaussagen, die Lokalität verließ. Wenige Stunden später kam es zu seinem tödlichen Unfall. Polizeiberichte führten einen Blutalkoholwert von 2,2 Promille an, der jedoch von Zeugen als übertrieben hoch eingeschätzt wurde. Zudem gibt es aktenbasierte Hinweise, dass der Spieler bereits vor der Unfallfahrt möglicherweise vergiftet wurde – ein Detail, das in keinem Fall in das Bild eines reinen Alkoholunfalls passen will.

Intrigen, finanzielle Anreize und Ermittlungsfehler
Besonders brisant erscheint die finanzielle Komponente: Der Stasi-Offizier Heinz Hess, der maßgeblich an der Überwachung Eigendorfs beteiligt gewesen sein soll, erhielt am Todestag des Spielers eine Prämie von 1000 DDR-Mark. Auch IM Klaus Schlosser, der sich als enger Vertrauter Eigendorfs etablierte, soll von der Staatssicherheit einen Auftrag erhalten haben – inklusive einer Geldsumme in Höhe von 5000 DM, um sich eine Schusswaffe zu beschaffen. Diese und weitere Unstimmigkeiten in der Aktenlage legen nahe, dass der Fall systematisch von Ermittlungsfehlern begleitet war. So scheint es, als hätten Polizei und Staatsanwaltschaft damals zu sehr an der offiziellen Darstellung des Alkoholunfalls festgehalten und andere Indizien einfach ignoriert.

Neue Erkenntnisse und das ungelöste Rätsel
Dank der nach der Wiedervereinigung zugänglichen Stasi-Akten und der akribischen Arbeit von ehemaligen Oberstaatsanwälten sowie Wissenschaftlern, die sich monatelang mit dem Fall befassten, sind heute viele Fragen offengelegt – doch die abschließende Klärung bleibt aus. Die Staatsanwaltschaft Berlin arbeitet zwar noch an den Fall, jedoch scheint er in den Akten nur von einem einzelnen Mitarbeiter betreut zu werden. Bis heute bleibt unklar, ob es sich um einen Unfall oder einen gezielten Mord handelte.

Der Tod von Lutz Eigendorf ist längst zu einem Symbol geworden – für den unbändigen Drang nach Freiheit, aber auch für die dunklen Verstrickungen zwischen Staatssicherheit, Politik und Sport. Während der offizielle Bericht weiterhin auf einen Unfall verweist, deuten zahlreiche Indizien und aktenbasierte Recherchen auf ein viel düsteres Bild hin: einen gezielten Mord, orchestriert von einem System, das keine Gnade kannte. Der Fall Eigendorf bleibt somit ein Mahnmal für die Schattenseiten eines Regimes, das auch vor dem Leben unschuldiger Menschen nicht Halt machte.

Flug ins Blaue nach Kassel – Eine verschollene Sensation aus Erfurt

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Im Filmarchiv des Stadtarchivs Erfurt schlummert ein wahres Juwel der frühen deutschen Luftfahrt- und Filmgeschichte: Der 1933 gedrehte Stummfilm „Flug ins Blaue nach Kassel“ dokumentiert den Betrieb des ehemaligen Flughafens Erfurt-Nord, besser bekannt als „Roter Berg“, und gewährt seltene Einblicke in die Pionierzeit des zivilen Luftverkehrs.

Ein Ausflug in die Anfänge des Luftverkehrs
Nur wenige Streifen aus der Frühzeit der Fliegerei haben bis heute überlebt – umso erstaunlicher, dass gerade ein regionales Studiounternehmen den Mut zur filmischen Dokumentation fand. Regisseur Erich Lustermann setzte gemeinsam mit Dr. Ernst Thost, dessen betriebswirtschaftliche Studie zur Flugsicherung die Grundlage lieferte, die Start- und Landemanöver einer Junkers F 13 in Szene. Dieses Ganzmetall-Verkehrsflugzeug, 1919 erstmals vorgestellt, steht symbolisch für den Aufbruch in eine neue Zeit, in der das Fliegen zunehmend für Passagiere erreichbar wurde.

Harte Arbeit hinter der Filmkulisse
Die Entstehung des Films erfolgte unter technischen und finanziellen Begrenzungen: Die Aufnahmen am „Roten Berg“ – einer zwischen Feld und Forst gelegenen Grasbahn – erforderten präzise Koordination zwischen Flugkapitän, Bodencrew und Kameramann. Walter Lustermann, Sohn des Regisseurs und zugleich Vorführer des Streifens, erinnert sich in einem Brief aus den 1980er Jahren: „Wir hatten weder Schienen noch Motorsteuerung für die Kamera – alles war Handarbeit. Der enge Zeitplan zwang uns, Start und Landung in wenigen Takes einzufangen.“

Gefahr im Dunkeln: Das kleinste Kino der DDR
Nach Fertigstellung wanderte die Filmrolle ins Archiv des Filmstudios Lustermann Erfurt, wo sie im „kleinsten Kino der DDR“ in der Gartenstraße (später Grafengasse) zu besonderen Anlässen gezeigt wurde. Zwischen knatterndem Projektor und flackernder Nitrolampe stand stets ein Eimer Wasser bereit. Einmal mehr wurde so das Risiko greifbar, das jede Projektion barg: Ein Funke genügte, und die leicht entflammbaren Zelluloidstreifen entzündeten sich. Besucher aber nahmen davon kaum Notiz – sie lauschten den live vorgetragenen Kommentaren des Regisseurs und genossen den Kurztrip ins Blaue.

Vom Verschwinden und Wiederauffinden
Nach der Auflösung des Studios geriet der Film in Vergessenheit, bis er 2015 seinen Weg ins Stadtarchiv Erfurt fand. Archivleiterin Dr. Marianne Köhler beschreibt die Wiederentdeckung als Glücksfall: „Wir rechneten nicht damit, originalen Filmmaterial aus den 1930er Jahren zu erhalten – schon gar nicht aus regionaler Produktion. Die Bildqualität ist überraschend gut, und jede Sequenz erzählt eine Geschichte.“

Offene Fragen und Forschungsbedarf
Trotz intensiver Recherchen bleiben zentrale Fragen unbeantwortet: Wer war der ursprüngliche Auftraggeber? Diente der Film primär der betrieblichen Schulung im Luftverkehr oder hatte er propagandistische Ziele? Auch Dr. Thosts Manuskript ist bislang nicht aufgetaucht. Historiker und Luftfahrtexperten sehen in der Filmrolle daher nicht nur ein technikgeschichtliches Dokument, sondern auch einen Anstoß, die Entwicklung der Flugsicherung und die Rolle regionaler Unternehmen im Dritten Reich neu zu beleuchten.

Ein Schatz für die Zukunft
Das Stadtarchiv plant, den Film zu digitalisieren und im Rahmen einer Sonderausstellung zu präsentieren. Ergänzt durch zeitgenössische Fotografien, technische Zeichnungen der Junkers F 13 und Augenzeugenberichte könnte „Flug ins Blaue nach Kassel“ bald einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden. So erhält das Vermächtnis der Lustermänner – Erich, Walter und ihr Studioteam – eine verdiente Würdigung: als Brücke zwischen Pionierzeit und Moderne, zwischen regionaler Erinnerung und überregionaler Luftfahrtgeschichte.

Robotron – Pionier der DDR-Computerära

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Heutzutage finden komplizierte Rechnungen in Hosentaschen oder sogar in Armbanduhren statt – kleine technische Wunderwerke, die aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind. Doch vor wenigen Jahrzehnten, in einer Welt, in der gigantische Maschinen den Takt der digitalen Entwicklung vorgaben, schrieb die DDR ihre eigene Erfolgsgeschichte. Mit dem Namen ROBOTRON begann in der DDR die digitale Revolution, und der Chemnitzer Rolf Kutschbach, der in „GMD – Das Magazin“ von der abenteuerlichen Entwicklung des „R300“ berichtete, gilt bis heute als Vater der Rechentechnik in der DDR.

Ein kolossales Unterfangen in bewegten Zeiten
Der Robotron 300, ein Großrechner, der bis zu 300 Lochkarten pro Minute verarbeiten konnte, war mehr als nur ein technisches Gerät – er war ein Symbol für den Innovationsgeist der DDR. Mit einer beeindruckenden Aufstellungsfläche von 35 Quadratmetern und einem Gewicht von 6000 Kilogramm erinnerte sein donnerndes Anfahren an den Start eines Flugzeugs. Während das Papier in alle Richtungen flog und die Lochstreifen pfeifend wie Raketen durch die Luft zischten, wurde der Beginn einer neuen Ära eingeläutet.

Die abenteuerliche Entwicklung des R300
Rolf Kutschbach, dessen Kindheitsträume vom Erfinderdasein ihn schon früh prägten, stellte sich der gewaltigen Aufgabe, eine Maschine zu entwickeln, die den internationalen Vorreitern, wie der IBM 1401, Konkurrenz machen sollte. In einer Zeit, in der fast jedes elektronische Bauteil eigenständig hergestellt werden musste – bedingt durch das von den USA initiierte Embargo der COCOM-Liste – war jeder Schritt ein technisches und logistisch-administratives Abenteuer. Überstunden waren an der Tagesordnung: Innerhalb eines Dreivierteljahres summierten sich die zusätzlichen Arbeitsstunden teils auf bis zu 350 Stunden. Doch die Herausforderungen wurden mit Entschlossenheit und technischem Geschick gemeistert.

Technische Raffinessen und heimischer Erfolg
Der Robotron 300 beeindruckte nicht nur durch seine schiere Größe, sondern auch durch seine technischen Innovationen. Als einziger Rechner weltweit ermöglichte er eine Verarbeitung mit variablen Wortlängen, die gerade bei Matrizenrechnungen und der Vermeidung von Überläufen in der Gleitpunktarithmetik von entscheidender Bedeutung war. Trotz internationaler Anfragen, etwa auf der Technikausstellung in Moskau, blieb der R300 ein heimischer Erfolg – exporttechnisch wurde er von Ulbricht verboten, denn diese moderne Anlage war für die DDR bestimmt.

Von der Schwerfabrik zum Smartphone – der Wandel der Technik
Die Zeiten, in denen Großrechner ganze Räume füllten und das Arbeitsleben dominierten, sind längst vorbei. Heute werden komplexe Berechnungen von Geräten ausgeführt, die wir in der Hand halten. Doch der Pioniergeist und die Ingenieurskunst, die in der Entwicklung des Robotron 300 steckten, legten den Grundstein für die digitale Welt, in der wir heute leben. Die Geschichte des Robotron 300 ist somit nicht nur ein Kapitel der DDR-Rechentechnik, sondern auch ein Beleg dafür, wie visionäre Technologie den Weg von massiven Großrechnern hin zu den winzigen, allgegenwärtigen Computern in unseren Hosentaschen ebnete.

Junkers F13: Wie „Tante Junkers“ den zivilen Luftverkehr neu erfand

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Mit ihrem Prototypenflug im Mai 1919 setzte die Junkers F13 einen Meilenstein in der Geschichte der Luftfahrt: Erstmals wurde ein Verkehrsflugzeug vollständig aus Metall gefertigt. Hugo Junkers, visionärer Ingenieur und Namensgeber des Flugzeugwerks in Dessau, entwarf binnen weniger Monate ein Fluggerät, das den Übergang von improvisierten Kriegsmaschinen zur zivilen Flugbeförderung markierte.

Vom Krieg zum Passagierflug
Nach dem Ersten Weltkrieg standen Fluggesellschaften weltweit vor demselben Dilemma: Zwar war Luftfahrttechnik in Rekordzeit vorangetrieben worden, doch die meisten Muster – Doppeldecker aus Holz und Stoff – waren für den Massentransport ungeeignet. In Deutschland erschwerte zudem der Versailler Vertrag den Wiederaufbau der zivilen Luftfahrt. Junkers erkannte die wirtschaftliche Chance, die staatliche Subventionen für Post- und Passagierverkehr boten, und wagte den Schritt zu einem radikal neuen Design.

Ganzmetallbauweise und Komfort
Das herausragendste Merkmal der F13 war ihr Rumpf – gefertigt aus Duraluminium, einer Aluminiumlegierung mit Kupfer, Magnesium und Mangan. Diese Kombination verband geringes Gewicht mit hoher Festigkeit. Während die Passagiere in einer geschlossenen, beheizten Kabine Platz für vier Personen fanden, mussten die Piloten noch im Freien sitzen, um optimale Sicht für die visuelle Navigation zu gewährleisten.

Technische Innovationen mit Weitblick
Neben der ganzmetallenen Struktur führte das Muster mehrere Innovationen ein:

  • Tanktrimmung: Ein beweglicher Hecktank ermöglichte das Ausbalancieren des Schwerpunkts durch Verlagerung des Kraftstoffs – eine Lösung, die selbst im Airbus A330-A340 noch Anwendung findet.
  • Modulares Fahrwerk: Austauschbare Räder, Schwimmer oder Ski machten die F13 weltweit einsatzfähig – von Nordkanada bis Südamerika.
  • Leicht zugänglicher Motor: Die hochklappbare Motorhaube und eine Druckluftstartvorrichtung erleichterten Wartung und Betrieb auf provisorischen Flugplätzen.

Pilotenstimmen aus den frühen 1920ern
Zeitgenössische Berichte belegen das hohe Ansehen der F13 bei Piloten: Der Schweizer Kapitän Walter Ackermann beschrieb in seinem Bordbuch den Flug in einem silbernen „Tiefdecker aus Dural“, dessen Steuerkräfte groß, aber präzise waren. Nach sechs erfolgreich absolvierten Übungslandungen erhielt er seine Führerbewilligung für Transportflüge mit der F13 – ein Ritterschlag, vergleichbar mit heutigen Type-Ratings.

„Tante Junkers“ und ihr Erbe
Obwohl die spätere Ju 52 stärker im kollektiven Gedächtnis verankert ist, trug die F13 bereits den Spitznamen „Tante Junkers“. Ein Zeitungsartikel von 1925 lobte die Maschine als „beliebte Hochzeitskutsche“ und verglich ihren gedrungenen Rumpf mit dem Leib eines Walfisches – ein Sinnbild für Sicherheit und Zuverlässigkeit.

Bis in die 1930er-Jahre hinein weltweit im Einsatz, ebnete die F13 den Weg für moderne Verkehrsflugzeuge. Ihr Einfluss zeigt sich in fast jeder späteren Konstruktion: vom Ganzmetallbau bis zur modularen Trimmung. Als Pionierin verbindet sie Militärtechnik und zivilen Fortschritt – ein Zeugnis dafür, wie Innovationsgeist und pragmatisches Ingenieurwesen unmittelbar auf die Bedürfnisse einer sich rasch wandelnden Gesellschaft reagieren können.

Heute, über ein Jahrhundert nach ihrem Erstflug, erinnert die Junkers F13 nicht nur Luftfahrtbegeisterte in Technikmuseen an ihre Vorreiterrolle. Sie mahnt auch, wie wichtig es ist, in Zeiten des Umbruchs Visionen zu haben – und sie ebenso rasch in die Tat umzusetzen. Denn die Geschichte der F13 zeigt: Manchmal genügen wenige Monate, um die Welt zu verändern.

23 Prozent der beschäftigten „Bergmänner“ im Tagebau der DDR waren Frauen

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Infos zum Video: Die Geschichte des Leipziger Südens als industrielle Bergbauregion währte etwa 90 Jahre – und sie hinterließ tiefe Spuren. Heute sind diese Spuren für jedermann sichtbar in den ehemaligen Tagebaurestlöchern und Badeseen… die Spuren aber, die das Arbeitsleben und der Alltag in die Erinnerungen der Bergleute gegraben haben, die sieht man nicht, die muss man hinterfragen. Genau dies hat eine Filmcrew aus Schülern/innen der Internationalen Schule Leipzig getan, und zwar unter der Aufgabenstellung, die Rolle der Frau im Tagebau eines DDR Braunkohlenbetriebes zu hinterfragen.

Grundsätzliche Informationen

In der DDR spielten Frauen eine bedeutende Rolle in der Bergbauindustrie, die traditionell als eine Männerdomäne galt. Der Staat förderte aktiv die Integration von Frauen in alle Bereiche der Arbeitswelt, einschließlich schwerer und gefährlicher Berufe wie den Bergbau, um Gleichberechtigung und wirtschaftlichen Fortschritt zu demonstrieren.

Die Politik der DDR zur Förderung der Frauenarbeit war tief in der Ideologie des Sozialismus verwurzelt, der Gleichheit zwischen den Geschlechtern propagierte. Frauen sollten als gleichwertige Arbeitskräfte betrachtet und in alle Sektoren der Volkswirtschaft integriert werden. Dies führte dazu, dass Frauen in Bereichen arbeiteten, die in vielen anderen Ländern als untypisch für sie galten, darunter auch im Bergbau.

Die Bergbaufrauen in der DDR waren in verschiedenen Tätigkeitsbereichen tätig, von der Arbeit unter Tage bis hin zu administrativen und technischen Aufgaben. Unter Tage arbeiteten sie oft als Grubenarbeiterinnen, Maschinenführerinnen oder in der Förderung und Verarbeitung von Kohle und anderen Bodenschätzen. Über Tage waren sie in der Wartung und Verwaltung beschäftigt oder als Ingenieurinnen und Technikerinnen tätig.

Die DDR bemühte sich, die Arbeitsbedingungen im Bergbau zu verbessern und den Frauen spezielle Schulungen und Bildungsprogramme anzubieten. Es wurden Maßnahmen ergriffen, um den Arbeitsplatz sicherer zu machen und gesundheitliche Risiken zu minimieren. Gleichzeitig erhielten Frauen Zugang zu Bildung und beruflicher Weiterentwicklung, um ihnen eine qualifizierte Mitarbeit in diesem Industriezweig zu ermöglichen.

Trotz dieser Bemühungen standen die Bergbaufrauen vor zahlreichen Herausforderungen. Die körperlich anstrengende und gefährliche Arbeit stellte hohe Anforderungen an ihre physische und psychische Belastbarkeit. Auch wenn der Staat die Gleichberechtigung der Frauen förderte, blieb die gesellschaftliche Akzeptanz in manchen Bereichen hinter den politischen Zielen zurück. Viele Frauen mussten sich in einer von männlichen Normen geprägten Arbeitsumgebung behaupten und doppelte Belastungen durch Berufs- und Familienpflichten meistern.

Die Leistungen und Beiträge der Bergbaufrauen wurden jedoch anerkannt und gewürdigt. Sie spielten eine entscheidende Rolle bei der Sicherstellung der Energieversorgung und dem industriellen Fortschritt der DDR. Ihre Arbeit symbolisierte die Erfolge und Herausforderungen der sozialistischen Gleichstellungspolitik.

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands änderten sich die wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen für die Bergbaufrauen drastisch. Der Rückgang des Bergbaus in den neuen Bundesländern führte zu Arbeitsplatzverlusten und einer Neuorientierung der beruflichen Perspektiven. Viele ehemalige Bergbaufrauen mussten sich in anderen Berufsfeldern oder in neuen Qualifizierungsmaßnahmen behaupten.

Heute erinnern sich viele an die Zeit der Bergbaufrauen in der DDR als eine Ära des Wandels und der Herausforderungen, aber auch des Stolzes und der Anerkennung. Ihre Geschichten sind ein wichtiger Teil der Arbeits- und Sozialgeschichte Ostdeutschlands und ein Zeugnis für die Bemühungen um Gleichberechtigung in einem sozialistischen Staat.

Der Junkers Jumo 211: Ein Pionier der deutschen Luftfahrtindustrie

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Am 15. Mai 1937 verließ das erste Serienexemplar des Junkers Jumo 211 die Fertigungshallen der Junkers Flugzeug- und Motorenwerke – der Beginn einer Erfolgsgeschichte, die diesen Antrieb zum meistgebauten deutschen Flugmotor des Zweiten Weltkriegs machte.

Innovative Wurzeln
Die Entwicklung des Jumo 211 fußte auf dem Vorgängermodell Jumo 210, einem 12-Zylinder-V-Motor mit 20 Litern Hubraum und Direkteinspritzung, das bereits 610 bis 730 PS lieferte. Unter der Federführung von Chefkonstrukteur August Lichte und maßgeblich vorangetrieben von Dr. Franz Neugebauer erfolgte eine konsequente Vergrößerung: Der Hubraum wuchs auf 35 Liter, die Leistung auf bis zu 1.500 PS, bei einem zugleich vergleichsweise kompakten und wartungsfreundlichen Aufbau.

Technische Eckdaten

Zylinderanordnung: V-Motor, 12 hängende Zylinder
Kühlung: Flüssigkeitsgekühlt
Einspritzung: Direkte Benzineinspritzung in jeden Zylinder
Hubraum: 35 000 cm³
Maximale Leistung: bis zu 1.500 PS
Gewicht: ca. 900 kg (abhängig von Ausführung und Ausstattung)

Das motorseitige Grundprinzip – insbesondere die Direkt­einspritzung – gewährleistete eine stabilere Verbrennung und höhere Zuverlässigkeit selbst unter extremen Höhen- und Kampfbedingungen.

Serienfertigung und Einsatz
In nur sieben Jahren (1937–1944) produzierten die Junkers-Werke beeindruckende 68 248 Exemplare des Jumo 211. Dieses Volumen stellte alle bislang dagewesenen Fertigungszahlen deutscher Flugmotoren in den Schatten. Die Triebwerke fanden in zahlreichen Typen der Luftwaffe Verwendung, unter anderem in:

Junkers Ju 87 „Stuka“ – dem Sturzkampfflugzeug, das über den frühen Kriegsschauplätzen sein zerstörerisches Potenzial unter Beweis stellte
Junkers Ju 88 – dem Vielzweckbomber, der als Tag- und Nachtjäger, Schnellbomber und Transportflugzeug diente
Heinkel He 111 – dem Rückgrat der Bombengeschwader im Polen- und Westfeldzug
Dornier Do 17 – dem schlanken „Fliegenden Bleistift“, geschätzt für seine Geschwindigkeit und Wendigkeit

In all diesen Maschinen trug der Jumo 211 entscheidend zur Reichweite und Nutzlast bei – und sicherte so den taktischen wie strategischen Einsatzwert der Einheit.

Wettbewerb und Weiterentwicklung
Parallel zur Jumo-Reihe entwickelte Daimler-Benz den flüssigkeitsgekühlten DB 601, der vor allem in Jägern wie der Bf 109 und Bf 110 zum Einsatz kam. Während der DB 601 dank seiner leichteren Bauweise punktete, überzeugte der Jumo 211 durch robuste Leistungsentfaltung und größere Hubraumreserven. Diese komplementäre Entwicklung spiegelt das technische Ringen zweier führender deutscher Motorenkonstruktionen wider.

Vermächtnis und Nachklang
Nach Kriegsende übernahmen die Alliierten vorhandene Fertigungsressourcen, und die Jumo-Produktion wurde eingestellt. Dennoch beeinflussten die Ingenieurslösungen des Jumo 211 die Nachkriegs-Generation von Flugzeugmotoren in Ost und West – von der direkten Einspritzung bis zur Kühlungstechnik. Heute sind nur noch wenige funktionsfähige Exemplare in Museen und private Sammlungen erhalten, doch ihr Siegeszug durch die deutschen Werkshallen bleibt unübertroffen.

Der Junkers Jumo 211 mahnt als technisches Meisterwerk und Zeuge einer Ära, in der Motorenbau und militärische Anforderungen zu einem historischen Höhepunkt deutscher Ingenieurskunst verschmolzen.

Unter Druck der Stasi: Ein 14-Jähriger im Visier der DDR-Geheimpolizei

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Die DDR war ein Staat der ständigen Überwachung, in dem das Ministerium für Staatssicherheit, besser bekannt als Stasi, mit einem dichten Netz aus Spitzeln und Informanten das Leben der Bürger kontrollierte. Besonders kritisch wurde es für Menschen, die als potenziell systemkritisch galten. Auch Kinder und Jugendliche konnten ins Visier der Behörden geraten – so wie Stefan Köhler, der mit nur 14 Jahren in das Fadenkreuz der Stasi geriet.

Ein Dorf unter Stasi-Kontrolle
Stefan wuchs in einem kleinen DDR-Dorf auf, in dem die Stasi omnipräsent war. Ein Vorfall im Ort löste eine Welle der Repression aus: Jemand hatte an das Rathaus den Schriftzug „Wir wollen so viel Fleisch wie Honecker haben“ gesprayt. Die Empörung der Behörden war groß, und die Stasi begann umgehend mit den Ermittlungen. Das halbe Dorf war plötzlich voller Agenten. Sie klingelten an Haustüren, stellten Fragen und suchten nach Verdächtigen.

Ein Verhör unter Druck
Stefan wurde als Verdächtiger vorgeladen. Völlig überrascht wurde er aufs Rathaus gebracht, wo ihn drei erwachsene Stasi-Beamte in die Mangel nahmen. Sie setzten ihn stundenlang unter Druck, brüllten ihn an und versuchten ihn einzuschüchtern. Ein scheinbar belangloses Detail machte ihn für die Beamten verdächtig: Farbspuren an seinen Händen. Dass diese von einem Gartenzaunanstrich stammten, interessierte die Stasi nicht. Stattdessen drehten sie die Vernehmung weiter, unterstellten ihm, die regimekritische Parole gesprayt zu haben, und verlangten ein Geständnis.

Acht Stunden Angst
Was folgte, war ein achtstündiges Verhör, in dem Stefan massiven psychischen Druck erlebte. Die Beamten schrien ihn an, schlugen auf den Tisch und drohten ihm. Mitten in der Situation wurde selbst sein westdeutscher Pullover mit einem amerikanischen Firetruck zum Problem – ein Symbol des Kapitalismus, das bei den Beamten für noch mehr Wut sorgte. Doch Stefan blieb standhaft und hielt an der Wahrheit fest.

Der Mut der Mutter
Nach einem zweiten Verhör, diesmal während der Schulzeit, wurde auch Stefans Mutter aktiv. Sie, selbst überwacht und mehrfach von der Stasi zur Mitarbeit aufgefordert, hatte genug. Sie stellte die Beamten im eigenen Restaurant zur Rede und kündigte an, sich vehement zur Wehr zu setzen, sollte ihr Sohn erneut verhört werden. Die Entschlossenheit der Mutter zeigte Wirkung: Danach wurde Stefan nicht mehr vorgeladen.

Ein Leben unter Kontrolle
Stefan Köhlers Geschichte ist nur eine von vielen, die zeigen, wie tief das Repressionssystem der DDR in den Alltag eingriff. Selbst Kinder und Jugendliche konnten zum Ziel der Stasi werden, wenn sie auch nur in den Verdacht gerieten, gegen das Regime zu stehen. Heute lächeln einige Betroffene vielleicht über die Anekdoten aus dieser Zeit, doch die Angst und Ohnmacht, die sie damals empfanden, bleibt eine bittere Erinnerung an ein unterdrückendes System.

Die DDR existiert nicht mehr, doch die Berichte derer, die unter ihrer Herrschaft gelitten haben, sind Mahnmale für die Bedeutung von Freiheit und Demokratie.

Ein virtueller Streifzug durch Erfurt Süd: Historische Spuren und moderne Perspektiven

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Annika Taute stellt das neue Kooperationsprojekt Erfurt Süd – heute und damals vor, das Stadtarchiv Erfurt und Lokalhistoriker Lothar Semlin gemeinsam realisieren. In der ersten Folge laden sie zu einem digitalen Spaziergang entlang der Bahnlinie vom Willy-Brandt-Platz bis zur Puschkinstraße ein. Historische Fotografien, Gemälde und Luftaufnahmen werden dabei nahtlos mit aktuellen Aufnahmen kombiniert.

Empfangsgebäude und Bahnhofsentwicklung
Taute erklärt, dass das markante Empfangsgebäude des heutigen Hauptbahnhofs bereits 1893 im Stil des Historismus fertiggestellt wurde. Bis dahin hatte der Vorgängerbahnhof von 1847 auf dem Areal des heutigen Willy-Brandt-Platzes gestanden. Ein Gemälde des Erfurter Malers Walter Korsepp (1862–1944) dokumentiert die frühe Strecke am Fuß des Stadtwalls und gibt einen Eindruck von der ursprünglichen Gestaltung der Bahnhofsumgebung.

Vom Stadtwall zum Bahndamm
Ein zentrales Thema des Beitrags ist die Umwandlung des alten Stadtwalls in die erhöhte Trasse der Bahnstrecke. Taute beschreibt, wie der mittelalterliche Wall samt „hoher Batterie“ seine militärische Bedeutung mit der Aufhebung der Festungsrechte 1873 verlor und wenig später als Grundlage für die neue Bahnlinie diente. Wo ehemals der Wallgraben floss – heute der Flutgraben –, verläuft seit den 1890er-Jahren der Bahndamm mit mehreren Brückenbauwerken.

Flutgraben und Brückenbau
Die Reporterin hebt hervor, dass der Wallgraben zwischen 1890 und 1898 zum Hochwasserschutz ausgebaut wurde. Die Aufnahme von 1900, aufgenommen an der Krämpfertorbrücke, zeigt schwere Arbeitsszenen beim Grabenbau – ein Tageslohn betrug damals nur 1,50 Mark. Die älteste Eisenbahn­brücke unter dem Willy-Brandt-Platz wurde bereits 1892 errichtet und nun im Rahmen der Modernisierung von 2002 bis 2008 durch eine großzügige Bahnhofshalle mit Stahlbrücken über dem Flutgraben ersetzt.

Tunnel und Löbertor
Im historischen Bildmaterial erkennt Taute zudem den einstigen Tunnel durch die Stadtmauer beim äußeren Löbertor. Bis 1893 führte die Strecke hier ebenerdig mitten durch die Befestigungsanlage, bevor die neue Führung auf den Wall­damm verlegt wurde. Die Buschgenstraße, die um 1900 angelegt wurde, erinnert noch heute an diesen vielfachen Wandel der städtischen Infrastruktur.

Ausblick auf kommende Episoden
Am Ende ihrer Reportage verweist Taute auf weitere virtuelle Spaziergänge, die in den kommenden Monaten folgen. In jeweils kurzen Diaschau-Beiträgen werden weitere Teilabschnitte von Erfurt Süd erkundet, stets begleitet von historischen Aufnahmen und aktuellen Fotos. Die Termine werden auf Facebook und per E-Mail angekündigt, Interessierte sind herzlich eingeladen, Freunde mitzubringen und gemeinsam auf Entdeckungstour zu gehen.

Dresden, die verschwundene Stadt (Erinnerungsfilm 1955)

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Die AKH (Archiv für Kulturgeschichte) hält die Rechte am Filmbestand der 1926 in Dresden gegründeten Produktionsfirma Boehner-Film AG, die später in Boehner-Film KG umbenannt wurde. Diese Produktionsfirma, die in den 1920er Jahren ihren Ursprung nahm, war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine bedeutende Instanz in der deutschen Filmindustrie. Die Boehner-Film AG produzierte eine Vielzahl von Filmen, darunter auch einige, die heute als wertvolle historische Dokumente gelten.

Ein besonders herausragendes Beispiel für das historische Filmmaterial der Boehner-Film AG ist der Film „Fahrende Stadt“ aus dem Jahr 1940. Dieser Film, der in Dresden gedreht wurde, stellt eine bedeutende Dokumentation der Stadt Dresden zu einer Zeit dar, als die Stadt noch vor den verheerenden Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs stand. Die Filmaufnahmen, die von der Boehner-Film AG produziert wurden, bieten einen einzigartigen Einblick in das urbane Leben und die Architektur Dresdens vor den massiven Zerstörungen.

Mitte der 1950er Jahre, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und den damit verbundenen schweren Zerstörungen, entschloss sich der Filmemacher Curt A. Engel, aus dem bestehenden Filmmaterial der Boehner-Film AG einen halbstündigen Erinnerungsfilm zu erstellen. Dieser Film, der als „Die verschwundene Stadt“ bekannt wurde, ist eine bewegende Hommage an das alte Dresden, das im Krieg und durch die darauf folgenden Umstände stark verändert wurde. Engel nutzte das wertvolle historische Filmmaterial der Boehner-Film AG, um die Schönheit und den kulturellen Reichtum Dresdens vor der Zerstörung zu dokumentieren und für die Nachwelt zu bewahren.

Der Film beginnt mit erschütternden und eindringlichen Aufnahmen von Dresden in Trümmern. Diese Szenen verdeutlichen das immense Ausmaß der Zerstörung, die die Stadt im Laufe des Krieges und der darauffolgenden Bombardierungen erlitten hat. Die Bilder von zerbombten Gebäuden, zerstörten Straßen und verwüsteten Plätzen vermitteln ein starkes Gefühl der Trauer und des Verlusts, das die Zuschauer tief berührt. Diese einleitenden Szenen schaffen einen emotionalen Kontext für den Rest des Films und bereiten den Zuschauer auf die bevorstehenden Eindrücke vor.

Im weiteren Verlauf des Films lässt Curt A. Engel die bauliche und kulturelle Schönheit Dresdens wiederaufleben, indem er die vor dem Krieg entstandenen Aufnahmen zeigt. Die Zuschauer erleben eine virtuelle Tour durch die prunkvollen Straßen, historischen Gebäude und kulturellen Sehenswürdigkeiten der Stadt. Das historische Filmmaterial zeigt prächtige Gebäude wie die Frauenkirche, das Zwinger-Palais und andere architektonische Meisterwerke, die das Bild einer lebendigen und blühenden Stadt vermitteln. Engel verwendet diese Aufnahmen, um die Vielfalt und den Reichtum Dresdens zu illustrieren, die durch die Zerstörung des Krieges verloren gegangen sind.

„Die verschwundene Stadt“ ist mehr als nur ein Erinnerungsfilm. Er dient als ein wertvolles Dokument, das die kulturelle und architektonische Identität Dresdens vor dem Zweiten Weltkrieg festhält. Der Film bietet nicht nur einen nostalgischen Rückblick auf eine verlorene Ära, sondern dient auch als Mahnung und Erinnerung an das Erbe der Stadt, das durch den Krieg bedroht wurde. Durch die Wiederentdeckung und Bewahrung dieser Aufnahmen bleibt ein wichtiger Teil der Dresdner Geschichte für die Nachwelt erhalten.