Die Nationale Volksarmee (NVA) war mehr als eine Militärtruppe – sie durchdrang jeden Bereich des Lebens in der DDR und prägte Generationen von Bürgerinnen und Bürgern. Gegründet 1956 als Antwort auf den NATO-Beitritt der Bundesrepublik, sollte sie offiziell den Frieden sichern. In Wahrheit diente sie auch der Machtsicherung der SED und der Abschottung gegen den „Klassenfeind“.
Schon Kindergartenkinder besuchten Soldaten in der Kaserne, strahlten freudig in Kommandeursmützen – eine frühe Form der Indoktrination. Ab 1978 wurde „Wehrerziehung“ als Schulfach eingeführt: Sportunterricht verwandelte sich in militärischen Mehrkampf, Geschichts- und Geografiestunden waren von vormilitärischer Propaganda durchzogen. Die Gesellschaft für Sport und Technik organisierte Wehrlager mit Hindernisparcours und Wettkämpfen, die Jugendliche auf den Dienst an der Waffe vorbereiten sollten.
Mit 180.000 Mann blieb die NVA in den Achtzigern zwar hinter der Bundeswehr zurück, doch jeder zehnte Erwachsene gehörte einer paramilitärischen Organisation an – sei es die „Freie Deutsche Jugend“ bei Marinelager auf der »Rostock« oder die Reservistengruppe der Gesellschaft für Sport und Technik. Diese Militarisierung war Teil der SED-Ideologie: Die DDR-Führung zeichnete das Bild eines permanent bedrohten Sozialismus, der nur durch ständige Wachsamkeit gerettet werden könne.
Der 9. November 1989 brachte das System ins Wanken – und die Soldaten an den Abgrund. Die Nachricht von „erhöhter Gefechtsbereitschaft“ stürzte viele in eine existentielle Krise: „Die größte Angst war, ich muss meine Maschinenpistole in die Hand nehmen und auf Menschen schießen, die für Freiheit demonstrieren“, erinnert sich ein Offizier. Erst als klar wurde, dass kein Befehl folgen würde, setzte echte Erleichterung ein.
Mit der Wiedervereinigung endete die NVA. Am 3. Oktober 1990 wurden Teilstreitkräfte in die Bundeswehr integriert, Uniformen und Dienstgrade umgestellt. Für viele Offiziere war das ein Bruch mit ihrer Identität. Ein ehemaliger Hauptmann beschreibt, wie seine Tochter in Tränen ausbrach: „Die DDR ist tot und alle freuen sich – aber wenn jemand stirbt, muss man doch weinen.“ Dieses Bild fasst die Ambivalenz des Übergangs zusammen: Befreiung und Verlust zugleich.