Missstände bei der Deutschen Reichsbahn: ABI-Kontrolle deckt gravierende Mängel auf

Im Jahr 1989 unterzog die Arbeiter- und Bauerninspektion (ABI) gemeinsam mit der Fernsehredaktion „Prisma“ die Deutsche Reichsbahn einer umfassenden Kontrolle. Das Ergebnis: gravierende Missstände, die das Bahnreisen in der DDR zu einer Herausforderung machten. Der Bericht offenbarte eine erschreckende Bilanz aus veralteter Technik, mangelnder Instandhaltung und organisatorischen Defiziten.

Bereits zu Beginn der Inspektion fielen deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Zügen auf. Während einige Waggons in einwandfreiem Zustand waren, boten andere ein erschreckendes Bild: verschmutzte Abteile, defekte Anzeigen und kaputte Türen waren keine Seltenheit. Besonders problematisch war die mangelnde Wartung der Zuginfrastruktur. Trotz einer offiziell geführten „Schadliste für Reisezugwagen“ blieben viele Mängel monatelang unbeachtet.

Ein besonders kurioses Beispiel lieferte ein Zug nach Meiningen, der laut Anzeige eigentlich nach Wien fahren sollte. Da sich die defekte Anzeigetafel nicht aktualisieren ließ, blieb den Passagieren nur die Hoffnung, dass der Lokführer den richtigen Weg kannte. Solche Vorfälle waren keine Einzelfälle: Immer wieder kam es zu ungewollten Zwischenstopps auf freier Strecke – oft ohne erkennbare Ursache und ohne Information der Reisenden.

Nicht nur die Technik, sondern auch der Service ließ zu wünschen übrig. In den Mitropa-Waggons waren oft nur wenige Getränke verfügbar, häufig nicht einmal die auf der Speisekarte ausgewiesenen. In einem dokumentierten Fall wurden erst nach intensiver Nachfrage die vorrätigen Getränke offengelegt, was den Verdacht auf absichtliche Zurückhaltung weckte.

Nach Bekanntwerden der Mängel nahm sich der stellvertretende Minister für Verkehrswesen, Herbert Kaeddi, der Kritik an. Er räumte ein, dass neben den materiellen Problemen auch „persönliche Schlamperei“ vieler Bahnmitarbeiter eine Rolle spiele. Besonders das unfreundliche und unzureichend informierte Bahnpersonal wurde kritisiert. Kaeddi versprach Verbesserungen, betonte aber auch, dass die Ressourcen der Reichsbahn begrenzt seien.

Die Ergebnisse der ABI-Kontrolle zeigten, wie sehr die Deutsche Reichsbahn 1989 unter den strukturellen Problemen der DDR litt. Sie stand stellvertretend für die Mängel eines ganzen Systems, in dem Instandhaltung und Service zunehmend in den Hintergrund traten. Letztlich blieb die Hoffnung auf eine bessere Zukunft der Bahn – eine Hoffnung, die sich mit dem Ende der DDR bald erfüllen sollte.