
Es ist ein seltenes Dokument der Zeitgeschichte, das uns in eine Welt entführt, die heute fast surreal anmutet. Körnige Bilder, unscharfe Konturen und eine Sprache, die zwischen Resignation und purer Angriffslust schwankt. In den frühen 1980er Jahren formierte sich in der Deutschen Demokratischen Republik eine Jugendbewegung, die nicht nur musikalisch, sondern auch existenziell den Dissonanzen des sozialistischen Alltags huldigte: die Punks. Während der Staat Paraden abhielt und Planerfüllungen feierte, saßen diese Jugendlichen in Hinterhöfen, trugen zerrissene Kleidung und stellten die gefährlichste aller Fragen: Ist das schon alles?
Originalaufnahmen aus dieser Zeit zeigen junge Menschen, die sich bewusst vom staatlich verordneten Freizeitangebot abwandten. „Ich habe keinen Bock, in so einen Discoschuppen zu gehen und mir diese ganzen neuen Discosongs anzuhören, ist absolut affig“, sagt einer der Protagonisten. Die Ablehnung galt nicht nur der Ästhetik, sondern der Inhaltsleere. Man wollte Texte, die „Sinn haben“, Musik, die die Wut und die Energie transportiert, die im tristen Alltag keinen Platz fanden. Es war die Flucht vor dem „Liebesgeblabel“ des Schlagers hin zu einer harten Realität, die paradoxerweise mehr Wahrheit enthielt als die Nachrichten der Aktuellen Kamera.
Doch die Punks der DDR waren keine simplen Konterrevolutionäre, als die sie von der Stasi oft gebrandmarkt wurden. Im Gespräch offenbart sich ein differenziertes politisches Selbstbild. „Wir sind Linke“, betont ein junger Mann mit Irokesenschnitt, „der Sozialismus ist auch links gerichtet, nicht rechts.“ Die Kritik richtete sich nicht gegen die Idee der Gleichheit, sondern gegen deren bürokratische und repressive Umsetzung. Sie konnten nicht „gutheißen, was in unserer Gesellschaft los ist“. Es war ein Kampf um Authentizität in einem System, das Konformität zur obersten Bürgerpflicht erhoben hatte.
Dieser Kampf wurde im Kleinen ausgetragen, oft mit absurden Konsequenzen. Der Alltag dieser Jugendlichen war ein Spießrutenlauf. Wer mit Rucksack und Schlafsack unterwegs war, galt sofort als verdächtig. Die Volkspolizei witterte „Heimflucht“, Arbeitsverweigerung oder den Versuch einer Republikflucht. „Nur weil ich einen Schlafsack unterm Arm habe“, berichtet ein Betroffener, werde er ständig kontrolliert. Der öffentliche Raum war kein Ort der Freiheit, sondern eine Zone permanenter Überwachung. Die bloße physische Abweichung von der Norm – sei es durch Kleidung oder Gepäck – wurde als „Absicht“ interpretiert, als stille Provokation der Staatsmacht.
Wie überlebte man ökonomisch in einer Gesellschaft, die Abweichler am liebsten in die Produktion zwang oder ins Gefängnis steckte? Auch hier zeigen die Aufnahmen den Erfindergeist der Nische. Während einige offiziell als „arbeitssuchend“ galten – ein Status, den es im Vollbeschäftigungsstaat DDR offiziell kaum geben durfte –, fanden andere Wege in die Schattenwirtschaft. Besonders bemerkenswert ist die Geschichte eines Punks, der „auf Auftrag“ für private Friseure arbeitete. Er fertigte spezielle „Stocklocken“-Wickler für Dauerwellen an. Im Westen kosteten diese eine Mark West, er stellte sie für eine Mark Ost her. Es ist eine fast schon poetische Ironie: Diejenigen, die vom Staat als asoziale Elemente betrachtet wurden, hielten Teile der Mangelwirtschaft durch private Initiative am Laufen.
Am Ende des Tages stand jedoch eine bittere Erkenntnis, die wie ein Mantra über der Szene schwebte: Die Unmöglichkeit des Kompromisses. Anfangs, so erzählen die Musiker einer Band, habe man noch versucht, sich anzupassen, Zugeständnisse zu machen. Doch daraus habe man gelernt. „Seitdem machen wir keine mehr, weil das Scheiße ist“, resümiert einer von ihnen mit einer Härte, die Gänsehaut verursacht. Mit Kompromissen könne man nicht leben, und vor allem könne man damit keine ehrliche Musik machen.
Diese Aufnahmen sind mehr als nur ein Rückblick auf eine Jugendkultur. Sie sind ein Zeugnis menschlicher Widerstandskraft. Sie zeigen, dass selbst in einem System, das darauf ausgelegt ist, jeden Schritt zu lenken, Menschen Wege finden, ihren eigenen Rhythmus zu gehen – und sei er noch so holprig und laut. Die Punks der DDR forderten nicht weniger als das Recht, „nicht immer Ja und Amen zu sagen“. Ein Recht, das sie teuer bezahlten, aber nie aufgaben.