Die Roten Preußen: Aufstieg und stilles Ende der Nationalen Volksarmee

1984 stattet Erich Honecker Truppen der Nationalen Volksarmee, der NVA, einen Besuch ab.[ © Bundesarchiv, Bild 183-1984-0621-047 / CC BY-SA 3.0 ]
1984 stattet Erich Honecker Truppen der Nationalen Volksarmee, der NVA, einen Besuch ab. [ © Bundesarchiv, Bild 183-1984-0621-047 / CC BY-SA 3.0 ]
Vom „Nie wieder Krieg“ zur Aufrüstung im Kalten Krieg: Die Geschichte der NVA ist ein Spiegelbild der deutsch-deutschen Teilung – geprägt von sowjetischer Dominanz, preußischer Tradition und einem friedlichen Abgang.

Es war eines der großen Versprechen nach 1945: Von deutschem Boden sollte nie wieder Krieg ausgehen. Die Demilitarisierung war total, der Schock des Zweiten Weltkriegs saß tief. Doch die Geschichte, getrieben von der Logik des Kalten Krieges, hatte andere Pläne. Kaum war der Rauch über den Trümmerfeldern verzogen, begann in beiden Teilen Deutschlands eine neue, zunächst heimliche Aufrüstung. Während im Westen die Bundeswehr 1955 das Licht der Welt erblickte, zog der Osten nur wenige Wochen später, im Januar 1956, offiziell nach: Die Nationale Volksarmee (NVA) wurde gegründet.

Soldaten in Verkleidung
Doch der offizielle Startschuss war, wie so oft in der DDR-Geschichte, nur die halbe Wahrheit. Bereits Jahre zuvor, getarnt als „Kasernierte Volkspolizei“ (KVP), exerzierten Tausende Männer für den Ernstfall. Es war ein offenes Geheimnis, bewacht von sowjetischen Beratern, die sicherstellten, dass der kleine sozialistische Bruder im Gleichschritt marschierte.

Pikanterweise griff man beim Aufbau der Streitkräfte auf jene Expertise zurück, die man eigentlich bekämpfen wollte. Ähnlich wie in der Bundeswehr dienten auch in der frühen NVA ehemalige Wehrmachtsoffiziere. Bis Ende der 50er Jahre wurden diese zwar aus propagandistischen Gründen weitgehend entfernt, um sich vom „Nazi-Generalstum“ des Westens abzugrenzen, doch optisch blieb das Erbe unübersehbar. Die steingrauen Uniformen und der Schnitt der Stahlhelme erinnerten fatal an die Wehrmacht – ein bewusster Rückgriff auf preußische Traditionen, der der NVA im Westen den Spitznamen „Rote Preußen“ einbrachte.

Im Würgegriff des Warschauer Pakts
Die NVA war nie eine souveräne Armee. Sie war fest in die Strukturen des Warschauer Pakts integriert und operierte faktisch als verlängerter Arm der Sowjetarmee in Mitteleuropa. Moskaus Wort war Gesetz. Das zeigte sich dramatisch beim Bau der Berliner Mauer 1961, als NVA-Einheiten den Grenzstreifen sicherten, und 1968 während des Prager Frühlings. Zwar marschierten – dank einer Entscheidung in letzter Minute – keine NVA-Kampftruppen in die Tschechoslowakei ein, um Erinnerungen an 1938 zu vermeiden, doch die logistische Unterstützung für die Niederschlagung der Reformbewegung war umfassend.

Trotz der Doktrin des „Friedenskampfes“ wurde die Gesellschaft zunehmend militarisiert. 1962 wurde die Wehrpflicht eingeführt – 18 Monate Dienst, dem sich kaum ein junger Mann entziehen konnte, ohne massive Nachteile zu riskieren. Die Einführung der Bausoldaten (Waffendienstverweigerer) blieb ein minimales Zugeständnis an die Kirche.

Zwischen Schneekatastrophe und Herbstrevolution
In den 80er Jahren blähte sich der Apparat weiter auf. Rund 170.000 Soldaten standen unter Waffen – bei einer Bevölkerung von nur knapp 17 Millionen. Doch paradoxerweise gewann die Armee gerade im zivilen Einsatz die Herzen der Bevölkerung. Unvergessen bleibt der Katastrophenwinter 1978/79, als NVA-Soldaten mit Panzern und Helikoptern Dörfer freischaufelten und die Energieversorgung sicherten. Hier war sie tatsächlich eine „Volksarmee“.

Das Ende der NVA kam so überraschend wie friedlich. Im Herbst 1989, als hunderttausende Bürger gegen das SED-Regime auf die Straße gingen, blieben die Panzer in den Kasernen. Trotz Befehlsbereitschaft kam es nicht zur „chinesischen Lösung“. Soldaten verbrüderten sich teils mit Demonstranten. Mit dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung 1990 stand die Armee vor dem Aus.

Was folgte, war keine Fusion, sondern eine Abwicklung. Die NVA wurde in die Bundeswehr integriert, doch für die meisten Berufssoldaten bedeutete dies das Karriereende. Nur wenige wurden übernommen, das meiste Material verschrottet oder verkauft. Am Ende blieb von der einst bestausgerüsteten Armee des Warschauer Pakts vor allem eines: Die Erinnerung an eine Streitmacht, die für den Krieg trainierte, aber ihren wichtigsten Sieg errang, indem sie nicht schoss.

Der Gefangene von Grünheide: Wie der Staat einen seiner Besten zerstören wollte

Teaser-Varianten für "Der Gefangene von Grünheide" 1. Persönlich: Der Mann hinter der Mauer Er war ein Held, der dem Tod im Nazi-Zuchthaus entronnen war, ein gefeierter Wissenschaftler, ein Vater. Doch Robert Havemanns größter Kampf fand nicht in einem Labor statt, sondern in seinem eigenen Haus in Grünheide. Von seinen einstigen Genossen verraten und isoliert, lebte er jahrelang unter dem Brennglas der Stasi. Sie nahmen ihm seine Arbeit, seine Freunde und fast seine Würde – aber niemals seine Stimme. Lesen Sie die bewegende Geschichte eines Mannes, der lieber einsam war als unehrlich, und erfahren Sie, wie er aus der Isolation heraus ein ganzes System das Fürchten lehrte. Ein Porträt über Mut, Verrat und die unbesiegbare Freiheit der Gedanken. 2. Sachlich-Redaktionell: Chronik einer Zersetzung Vom Vorzeige-Kommunisten zum Staatsfeind Nr. 1: Der Fall Robert Havemann markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der DDR-Opposition. Unser Hintergrundbericht analysiert die systematische Strategie der „Zersetzung“, mit der das MfS ab 1964 versuchte, den kritischen Professor gesellschaftlich und physisch zu vernichten. Wir beleuchten die Hintergründe seines Parteiausschlusses, die perfiden Methoden der Isolation in Grünheide und das kalkulierte Verwehren medizinischer Hilfe bis zu seinem Tod 1982. Eine detaillierte Rekonstruktion des Machtkampfes zwischen einem totalitären Apparat und einem einzelnen Intellektuellen, der zur Symbolfigur für die Bürgerrechtsbewegung von 1989 wurde. 3. Analytisch & Atmosphärisch: Die Angst des Apparats Es ist still in den Wäldern von Grünheide, doch der Schein trügt. Vor dem Tor parkt ein Wartburg, darin Männer in grauen Mänteln, die auf eine unsichtbare Bedrohung starren: einen lungenkranken Professor. Diese Reportage nimmt Sie mit an den Ort, an dem die Paranoia der DDR-Führung greifbar wurde. Warum fürchtete ein hochgerüsteter Staat das Wort eines einzelnen Mannes so sehr, dass er ihn in einen goldenen Käfig sperrte? Wir blicken hinter die Kulissen der Macht und zeigen, wie die Stasi mit operativer Kälte versuchte, einen Geist zu brechen – und dabei ungewollt einen Mythos schuf, der mächtiger war als jede Mauer. Eine Geschichte über das Schweigen, das Schreien und die subversive Kraft der Wahrheit.