Berlin, Deutschland – Als die Deutsche Demokratische Republik vor fast 35 Jahren kollabierte, offenbarte sich das volle Ausmaß eines der furchteinflößendsten Instrumente ihrer Herrschaft: das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), bekannt als Stasi. Als „Schild und Schwert der Partei“ konzipiert, verkörperte die Stasi die „irre Sicherheitsdoktrin eines totalitären Staates“, in der „Sicherheit vor Recht“ ging und jeder Bürger als „potenzielles Sicherheitsrisiko“ galt. Ihre Geschichte ist ein dunkles Kapitel der Überwachung, Repression und psychologischen Kriegsführung, das bis heute nachwirkt.
Geburt und Entwicklung eines Überwachungsstaates
Die Wurzeln der Stasi reichen bis in die frühen Jahre der DDR zurück. Bereits 1950 wurde Wilhelm Zeisser zum ersten Staatssekretär ernannt. Die Partei hatte ihn beauftragt, eine politische Geheimpolizei aufzubauen. Doch erst der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 markierte eine dramatische Zäsur. Zeisser wurde entfernt, weil seine Agenten die Rebellion nicht schnell genug unterdrücken konnten. Der Aufstand bestärkte die Führung in der Notwendigkeit einer umfassenden Polizeigewalt.
Unter Erich Mielke, der 1957 an die Spitze des MfS trat, und mit der Hilfe von Markus Wolf, entwickelte sich die Stasi zu einer „perfekten Überwachungskraft“. Sie war nach dem Vorbild des sowjetischen KGB aufgebaut, wobei sowjetische Instruktoren bei wichtigen Entscheidungen das letzte Wort hatten. Mielkes Mantra lautete: „Wir müssen alles erfahren. Es darf nichts an uns vorbeigehen“. Bis Mitte der 1950er Jahre beschäftigte die Stasi bereits über 9.000 Mitarbeiter und wurde 1967 nach Felix Dzerzhinsky, dem Gründer der bolschewistischen Geheimpolizei (Tscheka), benannt.
Ein Netz aus Angst und Kontrolle: Die Methoden der Stasi
Die Stasi bündelte ihre Kompetenzen als politische Geheimpolizei, Untersuchungsorgan in politischen Strafsachen und geheimer Nachrichtendienst. Ihre Methoden, die als „klassenneutral“ und vergleichbar mit denen des BND oder der CIA beschrieben wurden, zielten darauf ab, jede Form von Opposition zu unterdrücken:
• Geheime Informanten (IMs): Eine „ganze Armee geheimer Informanten“ wurde rekrutiert, die bis in den kreativen Sektor, in kirchliche Organisationen und sogar in die engsten Familienkreise reichte. So berichtete etwa der Autor Sascha Anderson regelmäßig an seinen Stasi-Führer.
• Totalüberwachung: Die Stasi lauschte an Telefonen – allein in der Berliner Zentrale in Johannesthal konnten 400 bis 600 Anrufe gleichzeitig abgehört und von bis zu 200 Mitarbeitern ausgewertet werden. Rund 5.000 Abhörzentren waren republikweit in Betrieb. Wohnungen wurden mit Glasfasertechnik überwacht, Straßen und Häuser fotografiert und skizziert. Sogar die täglichen Fahrten Honeckers und anderer Politbüro-Mitglieder von Wandlitz nach Berlin wurden von 2.000 Mitarbeitern überwacht.
• Zersetzung – Psychologische Kriegsführung: Eine der perfidesten Methoden war die „Zersetzung“, die auf die psychische Zerstörung politischer Gegner abzielte. Der Stasi verbreitete Gerüchte, um Menschen zu diffamieren, wie im Fall von Manfred Leistikow, der fälschlicherweise als Faschist und Verantwortlicher für Nazi-Graffiti dargestellt wurde. Andere Betroffene erhielten anonym pornografische Post oder erlebten, wie ungebeten Schädlingsbekämpfer oder Abschleppdienste vor ihrer Tür standen. Bei Verhören wechselten die Vernehmer zwischen „freundlich, nicht freundlich, drohend, schreiend, leise, kumpelhaft“, um die Psyche der Gefangenen zu manipulieren.
• Verhaftungen und Einzelhaft: Wer ins Visier der Stasi geriet, riskierte lange Haftstrafen unter menschenunwürdigen Bedingungen. Das Schicksal von Captain Trehner, der 1962 in Österreich entführt und nach Prag verschleppt wurde, ist ein Beispiel für die Reichweite der Stasi. In den Untersuchungsgefängnissen, die der Stasi unterstanden und nicht kontrollierbar waren, wurden Untersuchungsergebnisse manipuliert und Urteile oft vorweggenommen. Ein Häftling verbrachte 10,5 Jahre in Einzelhaft, isoliert und regelmäßig in dunkle Arrestzellen („U-Boot“) gesperrt. Nach der Entlassung wurden Schweigeerklärungen erzwungen.
Gegner und Opfer: Von Intellektuellen bis zu Demonstranten
Das allsehende Auge der Stasi richtete sich gegen jeden, der das System in Frage stellte. Dazu gehörten:
• Intellektuelle und Künstler: Wolf Biermann und Robert Havemann standen unter ständiger Beobachtung, Biermanns Ausbürgerung 1976 war ein klares Signal. Gegen den Autor Jürgen Fuchs, der die Konformität und den Militarismus der DDR kritisierte, wurde eine Verleumdungskampagne orchestriert.
• Kirchen und Bürgerrechtler: Die Stasi verfolgte ideologische Unterdrückung in Kirchenorganisationen. In der Berliner Zionskirche, einem Symbol der politischen Opposition, wurde 1987 eine Bibliothek für Umweltprobleme gestürmt und Bürgerrechtler wie Wolfgang Templin verhaftet. Templin bemerkte später, die Stasi habe sie „völlig richtig eingeschätzt“, da sie mit der Frage nach Demokratie und Menschenrechten das Herrschaftsmonopol infrage stellten.
• Demonstranten: Bei den lokalen Wahlen am 7. Mai 1989 sammelten Bürgerrechtler Beweise für Wahlmanipulationen. Die folgenden Montagsdemonstrationen, wie am 7. September 1989 auf dem Alexanderplatz, wurden brutal unterdrückt. Stasi-Mitarbeiter gingen aggressiv gegen Demonstranten vor, zerrten sie aus einem Springbrunnen und brachen einem Freund von Evelin Zupka den Arm. Solche Aktionen wurden von Stasi-Kameras gefilmt und direkt an das Ministerium übermittelt.
Der Fall und das Vermächtnis der Akten
Als die DDR im Herbst 1989 dem Ende zuging, versuchte die Stasi, ihre Spuren zu verwischen. Es gab systematische Täuschungen, bei denen Eigentum und Ausrüstung über dubiose Kanäle verkauft wurden. LKWs voller Akten wurden zum KGB oder westlichen Geheimdiensten gebracht, andere wurden geschreddert. Die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA), der Auslandsgeheimdienst der Stasi, löste sich auf und überzeugte den Runden Tisch, dass Material vernichtet werden müsse, um Agenten im Ausland zu schützen – ein „schwerer Fehler“, wie nachträglich festgestellt wurde.
Bürgerrechtler kämpften verzweifelt um den Erhalt der Dokumente und besetzten die Stasi-Archive. Joachim Gauck, der den parlamentarischen Ausschuss zur Auflösung der Stasi leitete, spielte eine entscheidende Rolle. Das Ergebnis war ein riesiges Vermächtnis: „über 100 Meilen von Denunziationen“, darunter vier Millionen Berichte über DDR-Bürger und zwei Millionen über Westdeutsche. Diese Akten sind heute ein Zeugnis menschlicher Tragödien und der „Sammelwut einer außer Kontrolle geratenen Bürokratie“.
Die Stasi konnte den „Marsch der Geschichte nicht aufhalten“. Ihr Erbe bleibt eine mahnende Erinnerung an die Gefahren eines Staates, der die Freiheit seiner Bürger opferte, um die Macht einer Partei zu sichern. Das „Grüne Haus“ der sozialen Sicherheit, das die DDR zu sein vorgab (aus vorheriger Konversation), war in Wahrheit unterminiert von den dunklen Kellern der Stasi-Zellen und dem allgegenwärtigen Gefühl der Überwachung.