Die undurchlässige Grenze: Ein System der Angst und der Hoffnung auf Durchlässigkeit

Die innerdeutsche Grenze war über Jahrzehnte hinweg ein Ort der Konfrontation, der strikten Überwachung und der tiefgreifenden menschlichen Dramen. Ein aktueller Bericht beleuchtet die erschreckende Realität dieser Trennlinie und die Hoffnungen auf ihre Überwindung.

Zwei Welten an einer Linie In den grenznahen Dörfern der DDR war das Leben von Misstrauen geprägt. Fremde erhielten nur mit Sondergenehmigung Zutritt und jeder Unbekannte musste sofort gemeldet werden. Kontakte zu Menschen aus der Bundesrepublik waren zu meiden; winkende oder grüßende Bewohner waren eine Seltenheit. Auf der westlichen Seite waren rund um die Uhr Streifen des Bundesgrenzschutzes und des Zolls unterwegs, zu Fuß und mit Fahrzeugen. In Bayern verstärkte zusätzlich die Grenzpolizei die Präsenz. Insgesamt waren etwa 17.800 Beamte auf bundesdeutscher Seite im Einsatz. Ihnen gegenüber standen auf DDR-Seite etwa 35.000 Grenzsoldaten, und zusätzlich 15.000 Soldaten der DDR-Grenztruppen am Ring um West-Berlin. Ihre Aufgabe war es, zu überwachen, zu beobachten, festzustellen, zu melden und Verdächtiges zu notieren. Direkte Kontakte zwischen bundesdeutschen Beamten und DDR-Grenztruppen gab es nicht, außer bei außergewöhnlichen Zwischenfällen wie Naturkatastrophen. Die 446 Kilometer lange bayerische Abschnitt der deutsch-deutschen Grenze zeigte überall dasselbe Bild: Sperranlagen zerschnitten die Landschaft, veränderten das Bewusstsein und das Leben der Menschen.

Technologie der Abriegelung und mutige Fluchten Die Grenzsicherung der DDR setzte auf eine scheinbar perfekte, lautlose elektronische Grenzsicherungsanlage. Alarmzeichen in den Schaltstellen der Grenzüberwachung, die tagsüber oder nachts mutmaßliche Durchbruchstellen anzeigten, waren ein streng gehütetes Geheimnis. Salven aus russischen Kalaschnikows wurden seltener registriert. Trotz dieser scheinbar undurchdringlichen Barriere gelang es jedoch 1985 einigen DDR-Bewohnern, die Grenzsperranlagen in Richtung Westen zu überwinden.

Ein besonders dramatisches Beispiel lieferte ein 19-jähriger Grenzsoldat der DDR, dessen Flucht an der Grenze dokumentiert wurde. Er überlistete seinen Kameraden auf dem Kontrollturm, öffnete den Turm und wartete, bis sein sogenannter „Ostenführer“ zum Turm herunterkam. Kurz bevor dieser die Tür erreichte, schloss der Soldat die Tür, verriegelte das Schloss und begann, in Richtung Grenze zu laufen. Er hatte zuvor genau die Zeit berechnet, die sein Vorgesetzter brauchen würde, um wieder auf den Turm zu gelangen und möglicherweise die Schusswaffe gegen ihn einzusetzen. Während er die Sperranlagen passierte, löste er noch ein Signalgerät aus und wählte anschließend einen der drei vorhandenen Fluchtwege durch den Wald.

Der Schatten des Schießbefehls Trotz aller Sicherungsmaßnahmen und auch nach 1985 bestand der Schießbefehl weiterhin. Viele Grenzsoldaten litten unter der Angst, auf „Sperrbrecher“ schießen zu müssen. Ein Vierteljahrhundert deutsch-deutscher Angst suchte Auswege und Lösungen. Die Grenze zeigte die Staatsmacht in ihrer ungeschminktesten Form, was notgedrungen hässlich war. Ein Staat, der sich an seinen Grenzen eher versteckt, würde einen angenehmeren Eindruck machen als einer, der sich dort aufbläht. Die Existenz dieser Grenze rückte die DDR in ein schlechtes Licht, da das Urteil in diesem speziellen Vergleich sehr eindeutig ausfiel. Die Erinnerung an diese Grenze und die damit verbundenen Gräueltaten würde in der Bundesrepublik nicht so schnell verblassen.

Ein Blick in die Zukunft Obwohl „nichts ewig ist“ und die Grenze irgendwann nicht mehr existieren wird, konnte sich niemand vorstellen, wann und unter welchen Umständen dies geschehen würde. Die massiven Erdbewegungen und der verbauten Beton würden noch Jahrtausende in der Landschaft sichtbar sein, weit stärker als der römische Limes. Eine sofortige Öffnung der Grenze wäre verheerend gewesen: Die Wirtschaft der DDR hätte nach einer Woche zusammengebrochen, die der Bundesrepublik nach einem Monat. Daher war es unmöglich, die Grenze einfach zu öffnen. Stattdessen sollten beide Staaten darauf hinarbeiten, immer mehr Erleichterungen zu schaffen, die Grenze durchlässiger und offener zu machen und den Schießbefehl zurückzunehmen, um das Leben auf beiden Seiten zu erleichtern.