Usedom: Wo Geschichte auf Sonnenstrahlen trifft und die Seele atmet

Deutschlands Sonneninsel, die Badewanne Berlins – Usedom trägt viele Namen. Doch egal, wie man sie nennen mag, das Eiland in der Ostsee, umflossen vom Peenestrom und gesäumt von scheinbar endlosen Stränden, ist eine Region voller Kontraste und faszinierender Geschichten. Von mondänen Kaiserbädern bis zu den Spuren bahnbrechender Technologie, von malerischen Fischerdörfern bis zu historischen Herrensitzen – Usedom bietet eine unvergleichliche Mischung aus Natur, Kultur und Erholung.

Historisches Echo und maritime Gegenwart Der Name Usedom selbst birgt Geheimnisse; er entstammt slawischen Wurzeln und bedeutet so viel wie „stromumflossen“ oder „Mündung“. Die gleichnamige Stadt Usedom, durch das Anklammertor betreten, gab später der ganzen Insel ihren Namen. Hier, auf dem Schlossberg, sollen sich Pfingsten 1128 adlige Wendenführer im Beisein des Bischofs Otto von Bamberg zum Christentum bekannt haben – ein monumentales Kreuz erinnert heute an dieses epochale Ereignis.

Ein ganz anderes, aber ebenso prägendes Kapitel der Geschichte wurde in Peenemünde geschrieben. Hier gelang am 3. Oktober 1942 der weltweit erste erfolgreiche Raketenstart ins All – allerdings der einer V2, einer geplanten „Vergeltungs- und Wunderwaffe“ des nationalsozialistischen Regimes. Das Areal der Heeresversuchsanstalt wurde 1943 und 1944 von alliierten Flugverbänden bombardiert, was zu verheerenden Folgen für Mitarbeiter und Zivilisten führte. Heute ist das Gelände ein Museum, das Einblicke in Entstehung, Höhepunkt und Niedergang dieses Objekts bietet. Reste der ehemaligen Werkssiedlung Karlshagen mit ihrer charakteristischen Gartenstadtarchitektur und aufgegebene Bahnhofsgebäude erinnern an diese Zeit. In der Nähe, in Swinemünde, erinnert der 60 Meter hohe Gollenberg, einst ein beliebtes Ausflugsziel, heute als Kriegsgräbergedenkstätte an die bis zu 23.000 Opfer des amerikanischen Bombenangriffs vom 12. März 1945.

Kaiserliche Eleganz und raue Küstenpracht Die „Kaiserbäder“ Bansin, Heringsdorf und Ahlbeck zeichnen sich durch ihre prachtvolle Bäderarchitektur aus. Hier reihen sich Villen im Stil ihrer Bauzeit oder in einem kuriosen Stilmix an pittoreske Fachwerkhäuser mit Türmchen und Erkern. Die Seebrücken sind beeindruckend: Während Bansins Seebrücke ihre Funktion erfüllt, setzt Heringsdorf mit einer Einkaufspassage auf seiner Seebrücke noch eins drauf. Für viele, so auch für den Erzähler, ist die Ahlbecker Seebrücke, bekannt durch Loriots Filme, die schönste der Insel. Die Usedomer Bäderbahn verbindet heute Zinnowitz und Swinemünde, reicht jedoch nicht mehr bis Berlin, da die Hubbrücke über den Peenestrom 1945 gesprengt wurde und die Sowjetunion die Strecke nach Swinemünde später demontierte.

Die Natur Usedoms ist ebenso vielfältig. Der Streckelsberg bei Koserow ist mit 58 Metern die höchste Erhebung an Usedoms Ostseeküste und bietet eine freie Sicht, die einst für die Peenemünder Flugversuche genutzt wurde. Am Achterwasser in Öckeritz, der schmalsten Stelle zwischen Ostsee und Achterwasser, kann man gemütlich mit dem Kanu oder rasant mit dem Speedboot die Binnengewässer erkunden.

Kulinarische Entdeckungen und einzigartige Erlebnisse Usedom verwöhnt seine Besucher auch kulinarisch. In der Naturmanufaktur in Usedom gibt es selbstgepresste Öle, Senf nach alter Rezeptur, regionalen Honig und sogar mehrfach preisgekrönte Weine vom größten Weingut Norddeutschlands. Koserow hat sich den Titel „Räucherfischlange“ redlich verdient, mit empfehlenswerten Lokalen wie dem Fischerstrand, dem denkmalgeschützten Salzhütten-Anglashandel und Udos Fischräucherei, wo man frischen Räucherfisch oder Matjesbrötchen genießen kann. In Krummin lockt ein Naturhafen mit großartiger Atmosphäre und kulinarischen Genüssen wie Fischschaschlik und regionalen Spezialitäten. Das Wasserschloss Mellenthin beherbergt eine eigene Brauerei und ein Schloss-Café, das für seinen „Inselmittelpunktskaffee“ bekannt ist. Und in Stolpe bietet das sanierte Schloss neben Ferienwohnungen und kulturellen Veranstaltungen auch eine Gastronomie in der Remise.

Für Naturliebhaber gibt es in der Nähe von Stolpe das Wisentgehege Präten, wo die Geschichte des Wisents in Europa und die Bemühungen um seine Wiederansiedlung eindrücklich dargestellt werden. Dieser Park ist dem Engagement der Familie Weichbrot zu verdanken, insbesondere Dirk Weichbrot, der sich überregional für die Wisentzucht und Wiederansiedlung einsetzte.

Ob ein Spaziergang am Strand von Karlshagen, wo der feine weiße Sand als wohl schönster der Insel gilt, eine Fahrradtour entlang der gut ausgebauten Radwege, oder der Besuch eines der vielen Museen – Usedom bietet für jeden Geschmack etwas. Selbst bei ungemütlichem Wetter lädt die Insel zu Entdeckungstouren ein, etwa zu den Schlössern des Achterlandes wie dem Greifenschloss Pudagla oder der Benzener Kirche mit ihrer beeindruckenden Holzdecke und dem gemalten Sternenhimmel.

Usedom ist mehr als nur eine Ferieninsel. Es ist ein Ort, an dem sich Jahrhunderte der Geschichte mit der lebendigen Gegenwart verbinden, wo die Kraft der Natur spürbar ist und die Gastfreundschaft der Bewohner einlädt, zu verweilen und die Seele baumeln zu lassen.