Vom Dornröschenschloss zum Kulturzentrum: Das Herrenhaus Dölitz erwacht zu neuem Leben

Inmitten der sanft gewellten Landschaft der Mecklenburgischen Schweiz, einem Gebiet, das trotz seiner geringen Höhe die Kriterien eines „Sehnsuchtsortes“ erfüllt, liegen zahlreiche alte Gutshäuser. Einst Zentren großer landwirtschaftlicher Betriebe und prägende Elemente des mecklenburgischen Landes, fristeten viele nach historisch schwierigen Zeiten ein vergessenes Dasein. Doch private Initiativen erwecken diese historischen Anwesen wieder zum Leben und machen sie zugänglich. Eine besonders bemerkenswerte Geschichte ist die des Herrenhauses Dölitz.
Versteckt wie hinter einer Dornröschenhecke, im Hinterland Mecklenburgs abseits großer Verkehrswege, stand das Gutshaus Dölitz lange Zeit verlassen und verfiel. Es war so stark heruntergekommen, dass es von manchen als „sehr sehr sehr sehr hässlich“ und „komplett verbastelte Bude“ bezeichnet wurde, ein Objekt, das viele abschreckte. Ein offenes Dachfenster hatte über Jahre ein Loch vom Dachboden bis ins Erdgeschoss geschaffen, und es wuchsen sogar Bäume im ersten Stock. Im Dorf schien man fast vergessen zu haben, dass hinter dichtem Gestrüpp am Teich diese riesige Ruine stand.

Doch das Herrenhaus Dölitz ist ein Juwel mit einer reichen, über 360 Jahre alten Geschichte. Es ist eines der wenigen originalgetreu erhaltenen Beispiele barocker Baukunst im Land, erbaut ab 1665 auf mittelalterlichen Kellergewölben. Über die Jahrhunderte hinweg war es im Besitz verschiedener Adelsfamilien wie den von Levetzow, von Lehsten und von Behr-Negendank. Es erlebte Umbauten, wie die schlossartige Barockfassade um 1720 und den Altan 1901, diente als Landhotel, Gaststätte, Kindergarten und Wohnhaus, bevor es Anfang der 1990er Jahre leer stand.

Im Jahr 2013 entdeckten Knut Splett-Henning und Christina von Ahlefeldt das heruntergekommene Haus und begannen mit dessen Rettung. Sie richteten es zunächst provisorisch ein, luden zu Veranstaltungen wie einem Konzert einer jungen Musikantentruppe aus Neuseeland ein, obwohl es im Haus so kalt war, dass die Zuhörer draußen saßen. Christina hatte laut Quelle einen „ähnlichen Knall“ wie Knut und sah Potenzial in dem Haus. Sie suchten nach jemandem, der sich an das Projekt herantrauen würde.

Diesen unerschrockenen „Gutshausretter“ fanden sie in Ronald van der Starre, einem Architekten, der 2016 das Herrenhaus kaufte und seither mit seiner Familie dort lebt und es behutsam saniert. Ronald, der in Belgien, Holland und Deutschland aufwuchs und Architektur studierte, sah in Dölitz ein „sehr sehr sehr sehr verkanntes Objekt“, aber eines mit besonderem Charakter. Trotz des dramatischen Zustands nahm er sich der Aufgabe an, auch wenn er heute zugibt: „Noch einmal würde ich so etwas nicht anfangen!“.

Die Sanierung war und ist eine immense Herausforderung. Ein kalter Sommer, verfaulendes Eichenfachwerk, das unter dem Zementputz zum Vorschein kam, und sogar unangenehme Begegnungen mit dem Bürgermeister, etwa bezüglich eines Zauns am Park, machten das Leben im Gutshaus zur Prüfung. Auch die Partnerschaft von Ronald und Roland Tschersche hielt dem nicht stand. Doch Ronald hielt durch.

Sein Ansatz ist besonders einfühlsam: Er möchte das Gutshaus in seiner unveränderten barocken Form und Raumaufteilung erhalten. Dabei soll die Sanierung eine „Addition aller vom Haus durchwanderten Zeitepochen“ zur Schau stellen und mit den sich verändernden künstlerischen Nutzungen ein Gesamtkunstwerk bilden. Wie Ronald sagt: „Jeder Kratzer hat hier seine Bedeutung.“.

Heute ist das Herrenhaus Dölitz wieder ein Ort des Lebens und der Kultur. Es ist ein Familiensitz und steht kunst- und kulturinteressierten Besuchern sowie Feriengästen offen. Es finden Ausstellungen, Konzerte und Lesungen statt. Die barocke Raumstruktur wurde rekonstruiert und originale Details aus verschiedenen Epochen werden konserviert. Auch die barocke Parkanlage im Süden, ein seltenes Zeugnis mecklenburgischer Gartenkultur, ist öffentlich zugänglich und wurde behutsam wiederhergestellt.

Die Geschichte des Herrenhauses Dölitz, die auch in der NDR-Sendung „Schlossgeister mit Dachschaden“ dokumentiert wurde, steht exemplarisch für das Engagement vieler Menschen in Mecklenburg-Vorpommern, die alte Gutshäuser vor dem Verfall bewahren und ihnen neues Leben einhauchen. Es zeigt, wie aus einer totgeglaubten Ruine durch Mut, Fantasie und unermüdliche Arbeit ein lebendiger Ort für Kunst, Kultur und Erholung entstehen kann.